Ablehnung der Unterbringung im Ersatzhotel

LG Frankfurt: Ablehnung der Unterbringung im Ersatzhotel

Zwei Reisende buchen eine Reise nach Hurghada mit Unterbringung in einem Hotel, das sie jedoch aufgrund von Überbelegung nicht beziehen können. Vielmehr werden sie direkt vom Flughafen in ein anderes Hotel gebracht. Da sie dieses jedoch als vom Standard her nicht gleichrangig bewerten, kündigen sie daraufhin den Reisevertrag, weil eine Unterbringung im tatsächlich gebuchten Hotel nicht ermöglicht werden kann.

Das Landgericht Frankfurt entscheidet, dass die klagenden Reisenden die Erstattung ihrer Reisekosten von der beklagten Reiseveranstalterin mit Recht fordern, weil es sich bei der Unterbringung in einem gänzlich anderen als dem gebuchten Hotel um einen erheblichen Mangel im Sinne von § 651 e BGB handelt. Das Landgericht entscheidet, dass die Beklagte den Forderungen der Reisenden nachzukommen hat.

Gericht 2-24 S 199/11 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 19.11.2012
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 19.11.2012, Az: 2-24 S 199/11
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 19. November 2012

Aktenzeichen 2-24 S 199/11

Leitsatz:

2. Ein Reisender kann eine Unterbringung im Ersatzhotel ablehnen, wenn er einen ausreichenden Mangel im Sinne des § 651 e BGB darlegen kann.

Zusammenfassung:

3. Einem Reisenden kann es passieren, dass dieser während seiner Urlaubsreise in ein anderes Hotel, als dem gebuchten, übertragen wird.

Dies kann in einigen Fällen gut ausgehen, wenn dem Reisenden beispielsweise ein besseres Hotel angeboten wird. Wird einem Reisenden jedoch ein vom Standard her schlechteres Hotel angeboten, so kann dieser den Reisevertrag kündigen.

Dabei ist jedoch zu beachten, wie dieses Urteil vom Landgericht Frankfurt auch zeigt, dass der Reisende einen erheblichen, zur Kündigung ausreichenden Mangel im Sinne des § 651 e BGB darlegen muss.

Tenor:

4. Auf die Berufung des Klägers wird das am 09.09.2011 verkündete Schlussurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az. 29 C 83/11 (81), teilweise wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger über den bereits anerkannten Betrag weitere 1.594,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2010 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 383,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben der Kläger zu 7 % und die Beklagte zu 93 % zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz haben der Kläger zu 10 % und die Beklagte zu 90 % zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

5. Der Kläger macht gegen die Beklagte reisevertragliche Gewährleistungsansprüche geltend. Er begehrt Rückzahlung des Reisepreises und Zahlung einer Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude aufgrund einer abgebrochenen Reise.

6. Die Beklagte hat die Klageforderung in Bezug auf Rückzahlung des Reisepreises bzgl. der letzten vier Reisetage, die seitens des Klägers und seiner Lebensgefährtin nicht mehr im Urlaubsgebiet verbracht worden sind, in Höhe von 968,– Euro anerkannt. Insoweit hat das Amtsgericht ein entsprechendes Teil-Anerkenntnisurteil über 968,– Euro erlassen (Bl. 31/32 d. A.).

7. Von einer Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts und der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird im Übrigen gemäß §§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

8. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.

1.

9. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf über das Anerkenntnis hinausgehende Rückzahlung des Reisepreises aufgrund wirksam gekündigten Reisevertrags wegen Mängeln in Höhe von 544,50 Euro gem. § 651 e III 1 BGB.

10. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat der Kläger den Reisevertrag wegen Mangels wirksam gem. § 651 e I BGB gekündigt.

11. Der Kläger hatte bei der Beklagten das Hotel … in Hurghada gebucht. Aufgrund Überbuchung des Hotels konnte die Beklagte den Kläger im gebuchten Hotel nicht unterbringen. Dort bestand noch nicht einmal eine Buchung. Vielmehr wurden der Kläger und seine Lebensgefährtin direkt vom Flughafen ins Hotel … verbracht und dort untergebracht. Die Unterbringung in diesem Ersatzhotel wurde seitens des Klägers beanstandet und die Unterbringung im gebuchten Hotel verlangt.

12. Da die Beklagte eine Unterbringung im gebuchten Hotel nicht ermöglichen konnte, kündigte der Kläger den Reisevertrag, indem er von der Beklagten die sofortige Rückreise nach Deutschland verlangte.

13. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts vertritt die Kammer die Auffassung, dass die Unterbringung eines Reisenden in einer Ersatzunterkunft infolge Überbuchung des ursprüngliche gebuchten Hotels regelmäßig einen erheblichen Mangel im Sinne von § 651 e BGB darstellt (vgl. auch Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, Rn. 365 u. 366 m. w. N.).

14. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Reiseveranstalter die reisevertraglich geschuldete Reiseleistung „Unterbringung im gebuchten Hotel“ überhaupt nicht erbringt. Der Reiseveranstalter ist auch nicht befugt, die geschuldete Reiseleistung infolge Überbuchung des gebuchten Hotels auszutauschen, also den Reisenden ohne seine Zustimmung an einem anderen Urlaubsort unterzubringen (vgl. BGH, NJW 2005, 1047, 1048). Insoweit ist ein Reisender regelmäßig nicht verpflichtet, eine Ersatzunterkunft zu akzeptieren, die er nicht gebucht hat.

15. Vorliegend hat der Kläger die Ersatzunterkunft nicht akzeptiert und nicht angenommen.

16. Danach stellt die abweichende Unterbringung im Ersatzhotel einen erheblichen und zur Kündigung berechtigenden Mangel im Sinne von § 651 e I BGB dar.

17. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist in diesem Zusammenhang auszuführen, dass in einer solchen Fallkonstellation nach Auffassung der Kammer nicht der Reisende darzulegen und zu beweisen hat, dass das ursprünglich gebuchte Hotel und das Ersatzhotel nicht gleichwertig sind.

18. Im Falle der Ersatzunterbringung infolge Überbuchung des ursprünglich gebuchten Hotels stellt die Frage der Gleichwertigkeit der Hotels nämlich lediglich ein Gesichtspunkt im Rahmen des Einwands einer unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) bzgl. der Kündigung des Reisenden gem. § 651 e I BGB dar.

19. Die Beklagte kann dem Kündigungsrecht des Klägers aber nicht den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) mit der Begründung entgegensetzen, der Kläger hätte ein gleichwertiges Ersatzangebot nicht angenommen.

20. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung muss der Einwendende darlegen. Grundsätzlich obliegt es deshalb nicht dem Reisenden, Rechtfertigungsgründe für seine Nichtannahme des Ersatzangebots vorzutragen, sondern ist es Sache des Reiseveranstalters, besondere Umstände darzutun und erforderlichenfalls zu beweisen, deretwegen die Ablehnung des Reisenden ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstieß. Diese Umstände müssen letztlich den Schluss rechtfertigen, dass nicht die Unterschiede zwischen den beiden Reiseleistungen der hauptsächliche Beweggrund des Reisenden für seine Ablehnung waren, sondern dass ihn andere, im Verhältnis zum Reiseveranstalter nicht schutzwürdige Motive antrieben, etwa schlichte Vertragsreue.

21. Gründe, die die Ablehnung des Ersatzangebots der Beklagten durch den Kläger als treuwidrig erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Kläger vorgetragen, dass das Ersatzhotel und das ursprünglich gebuchten Hotel von Ausstattung, Qualität und Lage nicht annähernd vergleichbar seien. Dazu hat die Beklagte nicht konkret Stellung genommen, geschweige denn konkret dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Hotels überhaupt gleichwertig waren. Darauf hat die Kammer in der Verfügung vom 02.01.2012 hingewiesen.

22. Der Kläger hat sich auch bei der Beklagten gemeldet und die vertragswidrige Unterbringung gerügt, was auch als Abhilfeverlangen auszulegen ist. Eine Fristsetzung ist vorliegend gem. § 651 e II 2 BGB entbehrlich gewesen. Der Kläger hat substanziiert dargelegt, dass eine Unterbringung im gebuchten Hotel nicht möglich gewesen ist. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Vielmehr hat sie eine Überbuchung eingeräumt.

23. Danach ist von einer wirksamen Kündigung gem. § 651 e I BGB auszugehen.

24. Danach hat die Beklagte gem. § 651 III 1 BGB den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verloren, was zu einer Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung des Reisepreises an den Kläger führt, § 651 e III 1 BGB.

25. Gemäß § 651 e III 2 BGB kann der Reiseveranstalter für bereits erbrachte Reiseleistungen oder noch zu erbringende Reiseleistungen eine Entschädigung verlangen. Dies gilt nicht, soweit diese Leistungen infolge der Aufhebung des Vertrags für den Reisenden kein Interesse haben, § 651 e III 3 BGB.

26. Für die Entschädigungszahlung wegen erbrachter Reiseleistungen ist der Reiseveranstalter darlegungs- und beweisbelastet.

27. Eine Entschädigung für die Transportleistungen scheidet aus, da diese für den Kläger aufgrund des vorzeitigen Reiseabbruchs nach drei Tagen letztlich nutzlos waren. Eine Entschädigung kommt höchstens für die drei Tage in Betracht, in denen der Kläger und seine Lebensgefährtin im Ersatzhotel verbracht haben. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Reiseleistungen im Ersatzhotel mangelhaft waren. Zunächst ist davon auszugehen, dass eine Unterbringung in einem nicht gleichwertigen Hotel erfolgt ist. Weiterhin waren die Hotelzimmer ausweislich der vom Kläger vorgelegten Lichtbilder mangelhaft. Weiterhin hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass es kein warmes Essen gegeben habe. Im Übrigen hat die Beklagte nicht konkret zum Wert der erbrachten Leistungen in den ersten drei Tagen vorgetragen.

28. Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält es das Gericht für angemessen, der Beklagten eine Entschädigung von 25 % für die in den ersten drei Tagen erbrachten Reiseleistungen zuzusprechen.

29. Der anteilige Reisepreis für die ersten drei Tage belief sich auf 726,– Euro. Danach beläuft sich der Entschädigungsbetrag auf 181,50 Euro.

30. Danach beläuft sich die geschuldete weitergehende Rückzahlung des Reisepreises auf 544,50 Euro.

2.

31. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Lebensgefährtin auf Zahlung einer Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe von insgesamt 1.050,– Euro gem. § 651 f II BGB.

32. Durch die Überbuchung des ursprünglich gebuchten Hotels und die Unterbringung des Kläger und seiner Lebensgefährtin in dem Ersatzhotel und den alsbaldigen Reiseabbruch hat die Beklagte die Reise im Sinne von § 651 f II BGB vereitelt. Dass diesbezüglich auch die Voraussetzungen einer Kündigung nach § 651 e BGB gegeben sind, ist gerade nicht erforderlich, die hier jedoch sogar auch vorliegen (s. o.) (vgl. insgesamt zu dieser Frage Urteil des BGH v. 11.01.2005, NJW 2005, 1047 ff.).

33. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger das Ersatzhotel annehmen musste, so dass die Ablehnung der Ersatzunterkunft keine unzulässige Rechtsausübung durch den Kläger darstellt. Jedenfalls hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht dargelegt, dass ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung, an die hohe Anforderungen zu stellen sind, vorliegt. Insoweit hat die Beklagte auch nicht dargelegt, dass das Ersatzhotel gleichwertig war, wogegen nach dem klägerischen Vortrag schon bereits einiges spricht (s. o.). Auf das Urteil des BGH v. 11.01.2005 (BGHZ 161, 389 = NJW 2005, 1047 ff.) wird nochmals verwiesen.

34. Nach der nunmehrigen ständigen Rechtsprechung der Kammer ist im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH (NJW 2005, 1047 ff.) als geeigneter Maßstab für die Bemessung der Entschädigung nach § 651 f II BGB auf den Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu stehen hat (vgl. z. B. RRa 2006, 264, 266; RRa 2008, 27, 28).

35. Der Gesamtreisepreis belief sich für den Kläger und seine Lebensgefährtin auf insgesamt 1.694,– Euro.

36. Unter Berücksichtigung, dass drei Tage vor Ort und die restliche Urlaubszeit zu Hause verbracht worden ist, hält die Kammer die vom Kläger geltend gemachte Entschädigung von insgesamt 1.050,– Euro für angemessen und ausreichend.

3.

37. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 383,66 Euro gem. § 651 f I BGB.

38. Die Kosten, die einem Reisenden durch Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung reisevertraglicher Ansprüche zustehen, stellen einen adäquat kausalen Schaden aus der Schlechterfüllung des Reisevertrages dar. Grundsätzlich ist es einem Reisenden gestattet, schon bei der Anmeldung von Ansprüchen sich anwaltlicher Hilfe zu bedienen, da dies zur Wahrung seiner Rechte notwendig ist.

39. Hier haben sich der Kläger und seine Lebensgefährtin bereits zur Anmeldung der reisevertraglichen Ansprüche gem. § 651 g I BGB eines Rechtsanwalts bedient.

40. Allerdings ist der Erstattungsbetrag auf den Umfang der berechtigten Ansprüche beschränkt.

41. Vorliegend ergibt sich ein berechtigter Betrag (einschließlich Anerkenntnis) von insgesamt 2.562,50 Euro.

42. Da sich zum klägerseits angegebenen Streitwert von 2.744,– Euro keine Unterschiede ergeben, verbleibt es bei vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 383,66 Euro (vgl. Aufstellung Anlage K4, Bl. 10 d. A.).

4.

43. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 I, 288 I, 247 BGB.

III.

44. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I ZPO.

45. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht.

46. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

47. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung besteht nicht, nachdem die Beschwer für eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erreicht wird.

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