Schadensersatz für den Fluggast

LG Dresden: Schadensersatz für den Fluggast

Der Kläger forderte eine Ausgleichsleistung wegen der Nichtbeförderung seiner Mitreisenden. Die Klage wurde abgewiesen, weil der Kläger bei der Buchung einen falschen Namen eingegeben hatte.

LG Dresden 2 S 170/11 (Aktenzeichen)
LG Dresden: LG Dresden, Urt. vom 08.06.2012
Rechtsweg: LG Dresden, Urt. v. 08.06.2012, Az: 2 S 170/11
AG Dresden, Urt. v. 17.02.2012, Az: 103 C 5037/10
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Landgericht Dresden

1. Urteil vom 8. März 2012

Aktenzeichen 2 S 170/11

Leitsatz:

2. Gibt der Vertragspartner der Fluggesellschaft bei der Buchung für einen der Reisenden einen falschen Namen an, so kommt über dessen Beförderung kein Vertrag zustande, sodass bei einer Nichtbeförderung kein Ausgleichsanspruch besteht.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte über das Online-Portal der beklagten Fluggesellschaft zwei Flugtickets gebucht. Da zum Buchungszeitpunkt noch nicht ersichtlich war, wer mit ihm reisen würde, trug er in die Maske für den Namen „noch unbekannt“ ein. Der Flugpreis wurde abgebucht, doch seiner Mitreisenden wurde die Beförderung verweigert, da ihr Name nicht auf dem Flugschein stand. Der Kläger forderte deshalb die Erstattung der Ticketkosten und eine Ausgleichszahlung für Nichtbeförderung nach der Fluggastrechteverordnung.

Das Amtsgericht Dresden wies die Klage ab, woraufhin der Kläger vor dem Landgericht Berufung einlegte. Dieses bestätigte die Klageabweisung. Die Eintragung „noch unbekannt“ als Namen des zweiten Passagiers durch den Kläger führte dazu, dass kein Beförderungsvertrag über die später als Mitreisende bestimmte Frau zustandekam. Außerdem war das Recht der Mitreisenden nicht an den Kläger abgetreten worden. Daher bestanden keinerlei Ansprüche.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 17.02.2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.

5. Wegen des Sachverhaltes wird nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil verwiesen.

6. Ergänzend wird Folgendes festgestellt:

7. Das Amtsgericht hat mit Endurteil vom 17.02.2011 die Klage des Klägers auf Rückerstattung des Flugpreises und Schadensersatz wegen Nichtbeförderung der von ihm nachträglich als Fluggast benannten Frau … zurückgewiesen, da ein Anspruch auf Beförderung der vom Kläger nachbenannten Person nicht entstanden sei. Vielmehr habe es sich bei dem Eintrag „noch unbekannt“ in die Buchungsmaske um eine Falschbuchung gehandelt.

8. Gegen das dem Kläger am 28.02.2011 zugestellte Urteil legte dieser mit am 25.03.2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung ein, die er rechtzeitig mit am 30.05.2011 eingegangenem Schriftsatz begründete.

9. Der Kläger vertieft und wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er meint, bei seinem Eintrag in die Buchungsmaske der Beklagten handele es sich um ein Angebot, das hinsichtlich der zu befördernden Person ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht beinhalte und das die Beklagte durch Abbuchung des Flugpreises von seinem Konto angenommen habe. Es komme nicht darauf an, ob die Software der Beklagten den Inhalt des Angebotes habe erkennen können. Entscheidend sei vielmehr, was ein sorgfältiger, eigener kognitiver Erkenntnis fähiger Empfänger der Willenserklärung darunter zu verstehen habe. Aufgrund der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung der Beklagten habe der Kläger deshalb sowohl einen Anspruch auf Rückerstattung des Flugpreises in voller Höhe als auch auf eine Entschädigungsleistung von 400,00 € nach Artikel 7 der Fluggastverordnung.

10. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie ist der Auffassung, bereits nach dem Inhalt der im Rahmen des Buchungsvorganges vom Kläger akzeptierten allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten sei erkennbar, dass ein Flugticket nur auf den Namen des im Rahmen der Online-Buchung angegebenen Reisenden ausgestellt werden könne. Hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruches sei der Kläger bereits nicht aktiv legitimiert, da gem. Art. 5 i. V. m. Art. 7 der Fluggastverordnung ein solcher Anspruch nur dem Fluggast und nicht dem Vertragspartner des Luftfahrtunternehmens zustünde. Unabhängig hiervon liege auch begrifflich keine Nichtbeförderung vor, denn der Fluggast sei im Flugcoupon nicht ordnungsgemäß namentlich benannt worden.

11. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

12. Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, da ihm weder ein Anspruch auf Rückerstattung des Reisepreises noch auf Schadensersatz wegen Nichtbeförderung der von ihm nach Abschluss der Buchung für „noch unbekannt“ als Fluggast benannten … zusteht.

1.

13. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises i. H. v. 182,71 €.

a)

14. Dem Kläger steht kein Rückzahlungsanspruch aus §§ 631 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB wegen Nichterbringung der vertraglich vereinbarten Leistung zu.

15. Vorliegend ist kein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen, der die Verpflichtung der Beklagten beinhaltet, die vom Kläger nach Abschluss der Buchung für „noch unbekannt“ als Fluggast benannte … zu befördern:

16. Bei der Buchungsmaske der Beklagten handelt es sich um eine „invitatio ad offerendum“, die darauf gerichtet ist, einen Flug auszuwählen und nachfolgend den Namen des Passagiers für den ausgewählten Flug einzugeben. Dies ergibt sich aus der Bezeichnung der für die Eingabe des Vornamens und des Nachnamens des Passagiers vorgesehenen Felder als Pflichtfelder sowie aus dem gleichzeitigen Hinweis, dass eine Namensänderung nach erfolgter Buchung nicht mehr möglich sei und dass der Name mit dem Namen im Ausweis übereinstimmen müsse.

17. Das war für den Kläger deutlich erkennbar. Er durfte auch nicht davon ausgehen, dass im elektronischen Buchungsvorgang sein von der „invitatio ad offerendum“ in der Buchungsmaske abweichendes Angebot von der Beklagten als solches erkannt und mit dem abweichendem Inhalt angenommen werden würde. Wer den Weg einer – auch preiswerteren – elektronischen Flugbuchung wählt, darf nicht damit rechnen, dass seine Angaben vor Annahme des Angebotes durch einen Mitarbeiter des Vertragspartners kontrolliert werden. Vielmehr muss er sich bei der Eingabe der Daten darauf einstellen, dass sie für die Buchungssoftware erkennbar sein müssen und die hierfür notwendigen Hinweise auf der ihm zur Verfügung gestellten Buchungsmaske beachten.

18. Die vom Kläger als Vor- und Nachname für den zweiten Passagier eingetragene Bezeichnung „noch unbekannt“ war deshalb aus dem gem. §§ 133, 157 BGB maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont der Beklagten in der Weise zu verstehen, dass es sich bei der Eintragung in das Namensfeld um den – mit dem Namen im Ausweis übereinstimmenden – Namen des zu befördernden Passagiers handelte. Aufgrund der Hinweise in der Buchungsmaske musste die Beklagte nicht damit rechnen, dass die Namensfelder etwas anderes als den Namen des zu befördernden Passagiers enthalten.

19. Bei der Eingabe der Passagierdaten für die zweite Person mit „noch unbekannt“ handelt es sich auch um keinen Eingabefehler i. S. d. § 312 g Abs. 1 Nr. 1 BGB. Der Kläger hat bewusst als zweiten Namen „noch unbekannt“ eingegeben und wollte bei der nachträglichen Benennung der zweiten Person die Eingabe nicht korrigieren, sondern das ihm vermeintlich zustimmende Leistungsbestimmungsrecht ausüben.

20. Zwar lässt sich aus der Regelung des § 312 g Abs. 1 Nr. 1 BGB der Rechtsgedanke herleiten, dass die Beklagte dafür einzustehen hat, wenn der Inhalt der Buchungsmaske für den Kunden nicht hinreichend verständlich ist. Hiervon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. Aus der Bezeichnung der Eingabefelder und aus den Hinweisen auf der Buchungsmaske ist deutlich zu entnehmen, dass der Name des zu befördernden Passagiers einzugeben ist.

b)

21. Ein Rückzahlungsanspruch i. H. v. 182,71 € ergibt sich auch nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB, da der Kläger nicht ohne Rechtsgrund geleistet hat.

aa)

22. Vorliegend ist durch die Annahme des Angebotes des Klägers durch die Beklagte ein Beförderungsvertrag mit den vom Kläger eingegebenen Passagierdaten zustande gekommen. Da die vom Kläger und der Beklagten abgegebenen Erklärungen in ihrem objektiven Bedeutungsgehalt übereinstimmen (siehe oben Ziff. 1.a), kommt ein versteckter Einigungsmangel gem. § 155 BGB mit der Folge der Unwirksamkeit des Beförderungsvertrages wegen mangelnder Einigung über einen wesentlichen Punkt nicht in Betracht.

bb)

23. Die Erklärungen des Klägers sind vorliegend auch nicht als Anfechtung des Beförderungsvertrages gem. § 119 Abs. 1 BGB wegen Erklärungsirrtums auszulegen, da er mit der Forderung nach Beförderung der von ihm benannten … und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen deutlich zu erkennen gegeben hat, dass er an dem Vertrag mit dem von ihm vermeintlich vereinbarten Inhalt festhalten möchte.

2.

24. Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch wegen Nichtbeförderung der von ihm als Fluggast benannten … zu.

25. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach Art. 4 i. V. m. Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sind bereits deshalb nicht gegeben, da nach den obigen Ausführungen kein Anspruch auf Beförderung der vom Kläger als Fluggast benannten … bestand. Zudem hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Schadensersatzanspruch nach Art. 7 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 nur dem Fluggast, nicht aber dem Vertragspartner zusteht.

III.

26. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

27. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

28. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO auf Anregung des Klägers zuzulassen, da die Rechtsfrage des Empfängerhorizonts im elektronischen Buchungsverkehr von grundsätzlicher Bedeutung im Rechtsverkehr ist.

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