Schadensersatz bei unberechtigtem Widerspruch des Reiseveranstalters

AG Leipzig: Schadensersatz bei unberechtigtem Widerspruch des Reiseveranstalters

Die Klägerin buchte für sich und ihren Ehemann eine Pauschalreise nach Ägypten vom 16. bis 30.04.2006 zum Preis von 1.616,00 EUR bei einem Reiseveranstalter. Ihr Mann erkrankte vor der Reise, sodass er reiseunfähig war. Die Klägerin beschloss statt mit ihrem Mann mit einer Freundin von ihr zu reisen und teilte dem Reiseveranstalter mit, den Namen des Mitreisenden zu ändern. Dieser verweigert dies und auch die Rückzahlung des Reisepreises.
Die Klägerin forderte vor Gericht die Rückzahlung des Reisepreises sowie die Erstattung der Anwaltsgebühren.

Das AG Leipzig gab der Klägerin Recht und verurteilte die Beklagte zu Zahlung von 1.739,48 EUR nebst Zinsen.

AG Leipzig 109 C 6537/06 (Aktenzeichen)
AG Leipzig: AG Leipzig, Urt. vom 29.11.2006
Rechtsweg: AG Leipzig, Urt. v. 29.11.2006, Az: 109 C 6537/06
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Amtsgericht Leipzig

1. Urteil vom 29.11.2006

Aktenzeichen 109 C 6537/06

Leitsätze:

2. Der Reisende ist berechtigt bis zum Reisebeginn, auch noch zwei Tage davor, einen Ersatzreisenden zu bennen.

Widerspricht der Reiseveranstalter ohne Widerspruchsgrund dem Ersetzungsrecht gem. § 651b Abs. 1 Satz 1 BGB des Reisenden, steht dem Reisenden ein Schadenersatzanspruch gem. §§ 280, 281 BGB zu.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin buchte für sich und ihren Ehemann eine Pauschalreise nach Ägypten für die Zeit vom 16. bis 30.04.2006 zum Preis von 1.616,00 EUR beim beklagten Reiseveranstalter. Ihr Mann erkrankte vor der Reise, sodass er reiseunfähig war. Die Klägerin beschloss statt mit ihrem Mann mit einer Freundin von ihr zu reisen und teilte dem Reiseveranstalter, spätestens am 14.04.2006, mit, den Namen des Mitreisenden zu ändern. Dieser verweigerte dies. Auch die Rückzahlung des Reisepreises verweigerte er.
Die Klägerin forderte vor Gericht die Rückzahlung des Reisepreises sowie die Erstattung der Anwaltsgebühren.

Das AG Leipzig gab der Klägerin Recht und verurteilte die Beklagte gem. §§ 280, 281 BGB zur Zahlung von 1.739,48 EUR nebst Zinsen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.739,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz aus EUR 1.616,00 seit 12.05.2006 sowie aus EUR 123,48 seit 07.09.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem zwischen ihnen zustande gekommenen Pauschalreisevertrag.

6. Die Klägerin buchte für sich und ihren Ehemann, Herrn …, bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Ägypten vom 16. bis 30.04.2006.

7. Am 11.04.2006 erkrankte der Ehemann der Klägerin reiseunfähig.

8. Infolgedessen beschlossen die Eheleute, Frau … als Ersatzreisende anzubieten.

9. Die Beklagte erfuhr vom Wunsch, eine Ersatzreisende anzubieten, spätestens am 14.04.2006.

10. Die Beklagte lehnte einen Namenswechsel auf die Ersatzreisende jedoch ab, sodass die Klägerin entschied, die Reise nicht allein anzutreten.

11. Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.04.2006 forderte die Klägervertretung die Beklagte unter Fristsetzung zum 11.05.2006 vergeblich auf, den Reisepreis in Höhe von 1.616,00 EUR zurückzuzahlen.

12. Die Klägerin behauptet, den Wunsch auf einen Namenswechsel bereits am 11.04.2006 auf dem Anrufbeantworter der Beklagten hinterlassen zu haben (Zeugnis … Bl. 3 d.A.).

13. Am 12.04.2006 habe sie den Wunsch nach einem Namenswechsel Herrn … von … dem Reisebüro am … dass die Reise vermittelt habe, mitgeteilt. Er habe ihr die Auskunft gegeben, dass es kein Problem darstellen dürfte, eine andere Person einzusetzen und das dies ca. 25 EUR koste. Trotz vielfältiger Bemühungen des Herrn … und seiner Vertretung, des Herrn … und vielfacher Anrufe am 13. und 14.04.2006 habe es die Beklagte am 15.04.2006 endgültig abgelehnt, eine andere Person als Teilnehmer aufzunehmen (Zeugnis …) (Bl. 3 d.A.).

14. Die Klägerin beantragt,

15. wie tenoriert.

16. Die Beklagte beantragt,

17. die Klage abzuweisen.

18. Sie behauptet, erstmalig am 14.04.2006 vom Wunsch der Klägerin nach einem Namenswechsel erfahren zu haben (Zeugnis … Bl. 21 d.A.).

19. Eine Mitarbeiterin der Beklagten, … habe dem Mitarbeiter des Reisbüros … Herrn … am 14.04.2006, 13.00 Uhr, mitgeteilt, dass ein Namenswechsel zeitlich nicht mehr möglich sei (Zeugnis …, Bl. 21 d.A.).

20. Der in der Gesellschaft der Beklagten intern für die Flugabwicklung zuständige Mitarbeiter, … habe noch am 14.04.2006 versucht, bei der Fluggesellschaft eine Ticketumschreibung und Tickethinterlegung für die Klägerin zu erwirken. Die Fluggesellschaft habe jedoch mitgeteilt, dass dies so kurzfristig technisch nicht machbar sei (Zeugnis …, Bl. 22 d.A.).

Entscheidungsgründe:

21. Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg, da sie begründet ist.

22. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises in voller Höhe, da die Beklagte entgegen der Bestimmung des § 651b BGB dem Eintritt der dritten Person im Wege des Namenswechsels widersprochen hat, obwohl diese den besonderen Reiseerfordernissen genügt hätte und auch keine gesetzlichen Vorschriften oder behördlichen Anordnungen entgegen standen.

23. Hierdurch hat die Beklagte eine ihrer reisevertraglichen Hauptleistungspflichten verletzt, weshalb sie auf Rückzahlung des vollen Reisepreises zu verurteilen war.

24. Den angebotenen Beweismitteln war nicht nachzugehen, da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass spätestens am 14.04.2006 die Beklagte vom Wunsch der Klägerin auf Namenswechsel Kenntnis hatte.

25. Nach dem insoweit eindeutigen Willen des Gesetzgebers ist der Reisende bis zum Reisebeginn (hier am 16.04.2006) berechtigt, einen Ersatzreisenden zu benennen.

26. Hier liegt gerade kein Fall vor, bei dem der Reisende den Namenswechsel sehr kurzfristig vor dem Reisebeginn bekanntgegeben hat. Ohnehin lässt sich eine Regelfrist des Inhaltes, wonach mindestens ein bis drei Tage ausreichen, grundsätzlich nicht aufstellen (vgl. Staudinger, BGB-​Kommentar, § 651 b, Rn. 7).

27. Seitens der Beklagten ist hier nicht einmal ansatzweise dargetan, weshalb ein Austausch des Namens einer der beiden Reisenden vom 14.04.2006 bis zum 16.04.2006 nicht bewerkstelligt habe werden können.

28. Für die computergestützte Löschung des Namens des ursprünglichen Reisenden und dessen Ersatz durch den Namen des nunmehrigen Reisenden dürfte ein zeitlicher Aufwand von nicht mehr als drei Minuten zu veranschlagen sein. Sodann wäre dafür Sorge zu tragen, dass die neu ausgefertigten Reiseunterlagen für den Ersatzreisenden durch Neuausdruck der Unterlagen an einem Counter des Abflughafens, eine Fax-​Übermittlung der geänderten Unterlagen dorthin oder ggf. eine Expressbotenzustellung auf Kosten der Klägerin zum Abflugcounter bewerkstelligt wird.

29. Weshalb ein solcher Vorgang im Zeitraum vom 14.04. mittags bis 16.04.2006 frühmorgens nicht zu bewerkstelligen gewesen sein soll, ist weder vorgetragen noch ersichtlich und nachvollziehbar.

30. Falls dies der Beklagten tatsächlich nicht möglich gewesen ist, handelt es sich jedenfalls um ein Organisationsverschulden der Beklagten, welches nicht – nicht einmal teilweise – zu Lasten der Klägerin gehen kann.

31. Es streitet im übrigen nicht für die Beklagte, dass der Wunsch auf Namenswechsel – unstreitig – erst am Karfreitag (14.04.2006) bei ihr vorlag, während der beabsichtigte Abflug am Ostersonntagmorgen (16.04.2006) beabsichtigt war. Sofern die Beklagte damit überfordert ist, in solchen Fällen den vom Gesetzgeber bis zum Reisebeginn ausdrücklich zugelassenen Namenswechsel zu bewerkstelligen, sollte sie sinnvollerweise davon Abstand nehmen, Reisen mit einem Abflugtermin an einem Sonn- und/oder Feiertag zu verkaufen.

32. Nachdem die Beklagte, ohne dass ihr Widerspruchsgründe zur Seite standen, dem Ersetzungsrecht nach § 651b Abs. 1 Satz 1 BGB widersprochen hat, ist sie der Klägerin zum Schadensersatz gemäß §§ 280, 281 BGB verpflichtet (vgl. Staudinger, BGB-​Kommentar, § 651 b Rn. 16).

33. Als weiterer Schaden sind Anwaltsgebühren entstanden, die als adäquat-​kausaler Verzugsschaden gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 BGB von der Beklagten zu ersetzen sind.

34. Die sonstigen Nebenforderungen rechtfertigen sich aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzuges.

35. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 ff. ZPO.

Beschluss:

36. Streitwert: EUR 1.739,48 (§§ 3 ff. ZPO).

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