Buchung einer Ersatzreise

LG Darmstadt: Buchung einer Ersatzreise

Nachdem seine Reise kurzfristig ausgefallen war, bucht ein Urlauber eine um 100 % teurere Ersatzreise. Die Kosten hierfür verlangt er von seinem ursprünglichen Reiseveranstalter ersetzt.

Das Landgericht Darmstadt hat die Klage teilweise abgewiesen. Dem Kläger stehe lediglich eine Ersatzleistung in Höhe der ursprünglichen Reisekosten zu.

LG Darmstadt 6 S 324/01 (Aktenzeichen)
LG Darmstadt: LG Darmstadt, Urt. vom 17.01.2002
Rechtsweg: LG Darmstadt, Urt. v. 17.01.2002, Az: 6 S 324/01
AG Offenbach, Urt. v. 21.06.2001, Az: 31 C 5173/00
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Landgericht Darmstadt

1. Urteil vom 17. Januar 2002

Aktenzeichen: 6 S 324/01

Orientierungssatz:

2. Wenn ein Reisender eine gebuchte (Pauschal-​)Reise nicht antritt und statt dessen eine Ersatzreise bucht, muss er sich um Ersatzmöglichkeiten bemühen, die der vertraglich geschuldeten Leistung am nächsten kommen.

Zusammenfassung:

3. Ein Urlauber buchte bei einem Reiseveranstalter eine Pauschalreise. Da der Veranstalter kurzfristig nicht in der Lage war die versprochenen Reiseleistungen zu realisieren, buchte der klagende Urlauber eine Ersatzreise bei einem konkurrirenden Veranstalter. Obwohl die Kosten für die Ersatzreise den Preis der ursprünglichen Buchung um 100 % überstiegen, verlangt der Urlauber nun die angefallenen Kosten ersetzt.
Der Beklagte hält den Umfang der Ersatzreise für überzogen und weigert sich der Zahlung.

Das Landgericht Darmstadt hat die Klage abgewiesen. Grundsätzlich habe ein Reiseveranstalter im Falle eines eigens verschuldeten Reiseausfalls die Kosten für eine Ersatzreise zu tragen. Der Reisende muss sich hierbei jedoch darum bemühen, die Kosten der Ersatzreise so nach wie möglich an denen der ursprünglichen Buchung  zu halten.

Erst dann, wenn der Reisende eine gleichwertige Leistung nicht erhalten kann, darf er auch eine höherwertige Leistung in Anspruch nehmen. Dabei hat er aber im Rahmen seiner Schadenminderungspflicht auch auf die Interessen des Reiseveranstalters Rücksicht zu nehmen (BGB § 254). Ersatzfähig ist nur das, was den Umständen nach erforderlich und angemessen, mithin verhältnismäßig war.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Offenbach/Main vom 21.06.2001 (Az.: 31 C 5173/00) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Streitwert der Berufung: 4.269,78 Euro (= DM 8.350,97)

Gründe:

5. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Dem Kläger steht ein höherer Anspruch als der in erster Instanz zuerkannte nicht zu.

6. Eine vertragliche Vereinbarung über die Kostenübernahme der Ersatzreise haben die Parteien nicht geschlossen. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der bei der Beklagten beschäftigte Zeuge … gerade keine Kostenübernahme versprochen hat. Der Umstand, dass er dem Kläger sagte, er könne die Kosten auflisten und die Belege einreichen, spricht nicht gegen die Richtigkeit der Aussage des Zeugen …. Aus dieser Erklärung lässt sich die Zusage einer Kostenübernahme nicht entnehmen. Sie deutet lediglich darauf hin, dass sich der Zeuge … etwaigen Ansprüchen nicht kategorisch verschließen und dem Beklagten wenigstens die Prüfung der Mehrkosten in Aussicht stellen wollte. Ohne aber die Rechtslage und den Umfang der anfallenden Mehrkosten zu kennen, wollte der Zeuge … keine Zusage abgeben.

7. Auch aus den reiserechtlichen Vorschriften ergibt sich kein Anspruch des Klägers. Zwar kann ein Reisender grundsätzlich sowohl im Rahmen des § 651c Abs. 3 BGB als auch im Rahmen des § 651f Abs. 1 BGB Ersatz solcher Mehrkosten verlangen, die ihm dadurch entstanden sind, dass keine oder keine vertragsgemäße Leistung erbracht wurde. Im Rahmen des § 651f Abs. 1 BGB fallen hierunter grundsätzlich auch die Mehrkosten einer Ersatzreise. Der Reisende kann aber nur das ersetzt verlangen, was nach den Umständen erforderlich war. Er muss sich um Ersatzmöglichkeiten bemühen, die der vertraglich geschuldeten Leistung am nächsten kommen, d. h. er muss den Zuschnitt der Reise hinsichtlich ihres Charakters, des Ziels, der Zeit und Dauer sowie der Qualität wahren. Erst dann, wenn der Reisende eine gleichwertige Leistung nicht erhalten kann, darf er auch eine höherwertige Leistung in Anspruch nehmen (KG, NJW-​RR 1993, 1209, 1210). Dabei hat er aber im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht auch auf die Interessen des Reiseveranstalters Rücksicht zu nehmen (§ 254 BGB). Ersatzfähig ist nur das, was den Umständen nach erforderlich und angemessen, mithin verhältnismäßig war (vgl. auch Tempel, RRa 6/00, 107, 113).

8. Die Mehrkosten, die der Kläger mit der Ersatzreise nach Antigua verursacht hat, waren den Umständen nach nicht verhältnismäßig. Die Kosten für die Ersatzreise (Flüge, Unterbringung und Mietwagen) übersteigen den ursprünglichen Reisepreis um 100 %. Dabei hat der Kläger insbesondere durch die Unterbringung im „…“ bei einem Preis für das Doppelzimmer pro Tag in Höhe von rund US$ 720,00 unangemessen hohe Kosten verursacht.

9. Im übrigen hat der Kläger bereits nicht ausreichend dargelegt, dass es ihm nicht möglich gewesen sein soll, eine hinsichtlich des Reisezuschnitts gleichwertige Ersatzreise zusammenzustellen. Es mag sein, dass in der Kürze der Zeit keine Schiffs- und auch keine Pauschalreise mehr zu erhalten waren. Allerdings ist bereits zu dem Zielort Antigua lediglich pauschal vorgetragen, andere Flüge in die Karibik seien nicht möglich gewesen. Welche konkreten Anstrengungen der Kläger unternommen hat, um einen Flug in ein billigeres Reiseland in der Karibik zu finden, bleibt unbekannt.

10. Gleiches gilt für die Suche nach einem dem Standard der ursprünglichen Reise entsprechenden Hotel. Der Kläger behauptet lediglich, er habe ein Fahrzeug gemietet und eine Vielzahl von Hotels abgeklappert, aber trotz nahezu eintägiger Suche ein kostengünstigeres Hotel als das „…“ nicht gefunden, was angesichts der Osterzeit nicht verwunderlich sei. Auch hier hätte der Kläger seine Bemühungen im einzelnen konkret benennen müssen. Dies gilt umso mehr angesichts der Höhe der Kosten im „…“ sowie angesichts dessen, dass seine Behauptung über die nahezu eintägige Suche übertrieben erscheint. Wie sich aus der vorgelegten Avis-​Rechnung ergibt, hat der Kläger das Fahrzeug gegen 17:00 Uhr in Empfang genommen …. Wenn es sich dabei um das gleich nach Ankunft in Antigua angemietete Fahrzeug handelt, wovon auszugehen ist, kann eine fast eintägige Suche nicht stattgefunden haben.

11. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Kläger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht hätte bemühen müssen, nach dem Osterwochenende – bei etwas entspannterer Buchungslage – ein anderes Hotel zu finden. Einen Umzug hält die Kammer unter den hier gegebenen Umständen für durchaus zumutbar. Dass der Kläger derartige Versuche unternommen hat, wird indes nicht behauptet.

12. Ungeachtet der Unverhältnismäßigkeit und ungeachtet der Verfügbarkeit einer gleichwertigen Ersatzreise ergibt sich auch bei einer Kostenschätzung nach § 287 ZPO ein Anspruch des Klägers nicht. Denn die geschätzten Kosten übersteigen unter Berücksichtigung der als ersatzfähig zu wertenden Schadenspositionen und der Kulanzzahlungen der Beklagten den Reisepreis für die ursprüngliche Schiffsreise nicht.

13. Der Schätzung unterfallen dabei die Hotelkosten. Diese Kosten sind nach den Unterbringungs- und Verpflegungskosten für zwei Personen während der geplanten Schiffsreise zu bemessen. Dabei ist zu schätzen, welchen Anteil die Unterbringungskosten im Rahmen des Pauschalpaketes „Schiffsreise“ ausmachen. Von dem Pauschalpaket, das rund DM 9.000,00 kosten sollte, ist zunächst ein Abzug von DM 2.000,00 für die darin enthaltenen Flüge für zwei Personen vorzunehmen. Darüber hinaus ist ein wiederum geschätzter Betrag von DM 2.000,00 für die Exklusivität einer Schiffsreise abzuziehen. Damit verbleibt ein auf die Unterbringung entfallender Anteil von DM 5.000,00, der als Maßstab für die Angemessenheit der Hotelkosten einer Ersatzreise dient.

14. Zu berücksichtigen sind des weiteren die ersatzfähigen Kosten, für die eine Schätzung nach § 287 ZPO nicht notwendig ist. Dabei handelt es sich um die folgenden, in der Schadensaufstellung des Klägers enthaltene Positionen:

 

Flugkosten DM 2.209,10
DM 1.090,00
Essen Flughafen F DM 153,50
Hotel Sheraton F DM 299,00
Avis Mietwagen DM 1.156,63
DM 4.908,23

 

15. Als nicht ersatzfähig müssen dabei folgende Kosten unberücksichtigt bleiben: Taxikosten DM 101,00, Avis DM 262,55, Hotel-​Gebühr DM 221,50 sowie Hertz Drivers Certificate DM 43,56. Weshalb diese Beträge als adäquat-​kausaler Schaden zu ersetzen sein sollen, hat der Kläger nicht vorgetragen.

16. Nach Addition der ersatzfähigen Position mit dem oben geschätzten Betrag von DM 5.000,00 für ein Hotel und unter Berücksichtigung der Kulanzzahlungen in Höhe von DM 1.000,00 durch die Beklagte ergeben sich Kosten für den Kläger in Höhe von DM 8.908,23. Da dieser Betrag geringer ist als der ursprünglich bezahlte und von der Beklagten zurückerstattete Preis für die Schiffsreise, kann dem Kläger ein weiterer Anspruch nicht zuerkannt werden.

17. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

18. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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