Schadensbemessung bei vertanem Urlaub

BGH: Schadensbemessung bei vertanem Urlaub

Die Klägerin buchte mit sieben anderen Personen eine Reise zu einem FKK-Urlaubsort bei der Beklagten. Dort angekommen wurden alle Reisenden in einen Bungalow untergebracht. Das missfiel den Reisenden, woraufhin die Klägerin und ein weiterer Reisender vorzeitig abreisten. Alle Reisenden verlangen nun Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs sowie Erstattung eines Teils der Unterkunfts- und Reisekosten.

Die ersten beiden Instanzen gaben der Klägerin vollumfänglich Recht. Erst der BGH als Revisionsinstanz kippte teilweise das Urteil und sprach der Klägerin kein Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs zu.

Die Klägern wurde unzureichend in einem Hotel untergebracht. Sie reiste vorzeitig ab und verlangt nun vom Beklagten Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs.

BGH VII ZR 41/81 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 25.03.1982
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 25.03.1982, Az: VII ZR 41/81
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Bundesgerichtshof
1. Urteil vom 25.03.1982
Aktenzeichen VII ZR 41/81

Leitsatz:

2. Schadensbemessung bei vertanem Urlaub (vor dessen Antreten) richtet sich nach § 651f Abs 2 BGB.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin buchte zusammen mit drei anderen Reisenden sowie einer weiteren Gruppe mit vier Reisenden bei der Beklagten einen Bungalow in einer FKK-Anlage auf Korsika. Die Reisenden kamen daraufhin in einem Bungalow unter, und nicht wie geplant in zweien. Daraufhin reisten die Klägerin und ein weiterer Reisender vorzeitig ab. Die Klägerin – an die die Ansprüche der anderen sieben Reisenden abgetreten wurden – verlangt Erstattung eines Teils der Unterkunfts- und Reisekosten sowie Schadensersatz für vertanen Urlaub.

Die erste Instanz – das Landgericht – gab der Klägerin Recht und sprach iher 6.07 DM nebst Zinsen zu, davon 3.200 DM für vertanen Urlaub. Ansonsten wurde die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beklagten zurück. Daraufhin ging die Beklagte in Revision. Der BGH gab der Reiseveranstalerin teilweise Recht, sodass sie zumindest keinen Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs an die Reisenden zahlen muss. Im Übrigen wurde die Revision abgelehnt.

Tenor:

4. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. Dezember 1980 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 2.260,24 DM (weiterer Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs) nebst Zinsen abgewiesen worden ist. Die weitergehende Revision der Klägerin und die Anschlußrevision der Beklagten werden als unzulässig verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

5. Die Klägerin buchte im Januar 1979 zusammen mit drei anderen Reisenden ebenso wie eine Gruppe von vier weiteren Personen bei der Beklagten einen „Bungalow Typ 6“ in der FKK-Anlage Tropica auf Korsika. Der Preis betrug für die Zeit vom 2. bis 23. August 1979 pro Person 516 DM. Die achtköpfige Reisegesellschaft wurde am Urlaubsort in einem Steinbungalow untergebracht, der zwei durch eine Wand getrennte Räume für je vier Personen enthält. Aufgrund der Angaben im Reisekatalog der Beklagten hatten die Reisenden erwartet, in zwei Bungalows mit je zwei Räumen untergebracht zu werden. Die Klägerin und ein weiterer Reisender reisten vorzeitig wieder ab.

6. Die Klägerin hat – auch für die 7 Mitreisenden, die ihre Ansprüche an sie abgetreten haben – von der Beklagten die Erstattung eines Teils der Unterkunfts- und Reisekosten (insgesamt 3.316,58 DM) sowie Schadensersatz für „vertanen Urlaub“ (insgesamt 5.460,24 DM) verlangt. Das Landgericht hat der Klägerin 6.047 DM nebst Zinsen zuerkannt, davon 3.200 DM für vertanen Urlaub, und im übrigen die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten und die – im wesentlichen gegen die Bemessung des Schadens durch vertanen Urlaub gerichtete – Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision „hinsichtlich der Anschlußberufung“ zugelassen.

7. Die Klägerin verfolgt mit der Revision die abgewiesenen Klageansprüche weiter. Die Beklagte erstrebt mit der Anschlußrevision die volle Abweisung des Schadensersatzanspruchs wegen vertanen Urlaubs. Beide Parteien beantragen, das gegnerische Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8. 1. Die von der Beklagten eingelegte Anschlußrevision ist unzulässig.

9. Zwar hat bei beschränkter Zulassung der Revision eine Partei das Recht, sich innerhalb des Klageanspruchs, der infolge Zulassung und Einlegung der Revision dem Revisionsgericht angefallen ist, dem Rechtsmittel des Gegners anzuschließen (BGH NJW 1968, 1476, 1477). Diese Voraussetzung ist hier aber nicht erfüllt.

10. Die Anschlußberufung der Klägerin, hinsichtlich deren die Revision zugelassen worden ist, betraf nur die Höhe des Schadensersatzanspruchs wegen vertanen Urlaubs. Das Berufungsgericht hat daher die Zulassung der Revision ersichtlich auf den Betrag dieses Anspruchs beschränkt. Das durfte es auch, weil es insoweit in einem gesonderten Verfahrensabschnitt hätte entscheiden können. Daß es tatsächlich kein Grundurteil gemäß § 304 ZPO erlassen hat, ist unerheblich (BGHZ 76, 397, 399; BGH NJW 1981, 287 Nr. 15). Die Beklagte wendet sich mit der Anschlußrevision ausschließlich gegen den Grund des Schadensersatzanspruchs und will die volle Abweisung dieses Teils der Klage erreichen. Das ist bei einer – wie hier – auf den Betrag beschränkten Zulassung der Revision nicht statthaft.

11. 2. Die von der Klägerin eingelegte Revision ist unzulässig, soweit sie sich nicht gegen die vermeintlich zu geringe Bemessung des Schadensersatzes für vertanen Urlaub richtet.

12. Das betrifft einen Betrag von 549,58 DM, den das Landgericht der Klägerin als Fahrtkostenersatz versagt und die Klägerin mit ihrer Anschlußberufung als weitere Minderung geltend gemacht hat. Das Berufungsgericht hat die mit der Klage verlangte und vom Landgericht zuerkannte Minderung der Unterkunftskosten um die Hälfte für ausreichend erachtet.

13. Die Revision begründet nicht, warum dies nicht richtig sein soll. Sie ist daher insoweit gemäß §§ 554 a, 554 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Ob die beschränkte Zulassung der Revision diesen Streitpunkt überhaupt umfassen sollte, kann dahinstehen.

14. 3. Zur Höhe des Schadensersatzes für vertanen Urlaub meint das Berufungsgericht, es komme nicht auf den Verdienstausfall bei Wiederholung des Urlaubs an, sondern auf den Betrag, den der Reisende in den fehlgeschlagenen Urlaub investiert habe. Der Verdienstausfall sei nur eine vage Richtgröße für den Aufwand zur Verschaffung zusätzlichen Urlaubs; der Wert des Urlaubs für Erholung und Lebensfreude könne nicht allein am Einkommen des Reisenden gemessen werden. Welche Aufwendungen zur physischen und psychischen Erholung für erforderlich gehalten würden, habe sich in den konkreten Kosten für den Reisevertrag objektiviert. Es sei daher angemessen, jedem der 8 Reiseteilnehmer ohne Rücksicht auf ihr unterschiedliches Einkommen den gleichen Schadensersatz für vertanen Urlaub, nämlich 400 DM, zuzuerkennen.

15. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

16. a) Das Berufungsgericht läßt außer Acht, daß der von ihm zugrundegelegte Aufwand des Reisenden für die ganz oder teilweise fehlgeschlagene Reise zumeist – wie auch hier – bereits Bezugsgröße für Minderung des Reisepreises und für Erstattung zusätzlicher Kosten ist. Solange sich jedoch die Pflicht zum Schadensersatz für vertanen Urlaub nur damit begründen läßt, daß insoweit ein Vermögensschaden entstanden ist, muß Richtgröße für die Bemessung des Schadensersatzes in erster Linie der mutmaßliche Aufwand für die Verschaffung zusätzlichen (Ersatz-) Urlaubs sein (vgl. BGHZ 63, 98, 105; 77, 116, 123, 125; 80, 366, 368; 82, 219).

17. b) Unstatthaft erscheint dem Senat ein Vorgriff auf das erst am 1. Oktober 1979 in Kraft getretene Recht des „Reisevertrags“ (§ 651 f Abs. 2 BGB), wonach bei Vereitelung oder erheblicher Beeinträchtigung der Reise eine angemessene Entschädigung schlechthin wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit verlangt werden kann. Dadurch wird der Richter bei der Bemessung der Entschädigung wesentlich freier gestellt, als das nach der bisherigen Rechtsprechung möglich war. Für das Vertragsverhältnis der Parteien gilt aber das Recht des Werkvertrags ohne das neue Reisevertragsrecht, so daß die Klägerin ihren Anspruch wegen vertanen Urlaubs allein auf § 635 BGB stützen kann. Überdies könnte § 651 f Abs. 2 BGB zumindest unmittelbar nicht auf einen Vertrag angewendet werden, nach dem keine „Gesamtheit von Reiseleistungen (Reise)“ zu erbringen (§ 651 a Abs. 1 BGB), sondern nur Unterkünfte zur Verfügung zu stellen waren. Solange und soweit es jedoch nicht möglich ist, auf die Regelung des § 651 f Abs. 2 BGB wenigstens in entsprechender Anwendung zurückzugreifen, bleibt der Senat bei seiner bisherigen Rechtsprechung zum vertanen Urlaub.

18. c) Richtgröße für die Bemessung des Schadensersatzes ist also auch hier der mutmaßliche Aufwand eines jeden Reisenden für einen Ersatzurlaub. Angesichts der erheblichen Einkommensunterschiede bei den Reiseteilnehmern erscheint es selbst unter zulässiger Berücksichtigung anderer Umstände nicht gerechtfertigt, allen denselben Betrag und den 7 Mitreisenden der Klägerin nicht mehr als ihr zuzuerkennen, die für sich die geringste Summe, nämlich nur 406 DM gefordert hat. Dem Umstand, daß alle 8 Reiseteilnehmer den gleichen Reisepreis gezahlt und das gleiche Risiko des Fehlschlags in Kauf genommen haben, ist bereits dadurch Rechnung getragen, daß ihnen die gleiche Minderung des Reisepreises zuerkannt worden ist. Für eine mögliche Verschaffung zusätzlichen Urlaubs können aber die Aufwendungen nicht gleich sein. Der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der ganzen Reisegruppe darf deshalb für den Tatrichter nicht maßgeblich sein. Das bedeutet keineswegs – wie das Berufungsgericht meint -, daß bei jedem Reisenden die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse zu prüfen wären. Der Tatrichter hat insofern einen weiten Raum für seine freie Überzeugungsbildung (§ 287 ZPO). Er darf dabei nur nicht falsche Richtgrößen zugrundelegen.

19. 4. Das Berufungsurteil kann daher nicht aufrechterhalten werden, soweit der Klägerin weiterer Schadensersatz für vertanen Urlaub versagt worden ist. In diesem Umfang ist es aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

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