Rückwärtsrollen eines Flugzeuges

AG Frankfurt: Rückwärtsrollen eines Flugzeuges

Ein Fluggast forderte von der ausführenden Airline eine Ausgleichszahlung wegen der eintägigen Verspätung seiner Ankunft am Reiseziel.

Das Gericht sah im ursächlichen Rückwärtsrollen des Flugzeuges beim Startvorgang keine außergewöhnlichen Umstände und verurteilte die Beklagte zur Zahlung.

AG Frankfurt 32 C 1379/09 (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 05.11.2009
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 05.11.2009, Az: 32 C 1379/09
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Amtsgericht Frankfurt,
1. Urteil vom 5. November 2009,
Aktenzeichen:  32 C 1379/09

Leitsatz:

2. Betriebsinterne Fehler, die zu Verspätungen im Flugverkehr führen, begründen keine außergewöhnlichen Umstände, die von der Ausgleichszahlung befreien.

Zusammenfassung:
3. Vorliegend klagte ein Flugreisender, der aufgrund des Startabbruchs seines Fluges sein Reiseziel mit eintägiger Verspätung erreichte. Ursache war dem Vortrag der Beklagtenseite das plötzliche Rückwärtsrollen des Flugzeuges beim Startvorgang, das auf fehlende Bremsklötze zurückzuführen war.

Das Amtsgericht Frankfurt sah in den von der Beklagten dargelegten Umständen keine Außergewöhnlichkeit, da das Fehlen von Bremsklötzen kein unvorhersehbares, von außen kommendes Ereignis ist. Demnach wurde der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1) und 2) jeweils 400,00 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2009 zuzüglich 147,56 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Die Klägerseite buchte einen Flug und dieser sollte von der Beklagten durchgeführt werden.

6. Die Kläger machen Ansprüche auf Ausgleichszahlung nach VO (EG) Nr. 261/2004 geltend.

7. Die Kläger sind der Ansicht Verspätung, nämlich Flug mit einem anderen Flugzeug und 24 Stunden später begründe eine Ausgleichszahlung.

8. Die Kläger beantragen,

9. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) 400,00 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2009 zu zahlen sowie die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) 400,00 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31.03.2009 zu zahlen sowie 147,56 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten.

10. Die Beklagte beantragt,

11. die Klage abzuweisen.

12. Die Beklagte ist der Ansicht nicht der richtige Ansprechpartner zu sein, da der Flug gebucht worden sei bei der … Air, die ihrerseits wiederum die Beklagte im Rahmen eines so genannten Codeshare beauftragt habe.

13. Im Übrigen sei der Flug LH 581 wegen eines unvorhergesehenen technischen Defekts annulliert worden. Es sei beim Rückrollen der Maschine zur Beschädigung des Flugzeuges gekommen, da die Bremsklötze noch nicht gesetzt worden seien. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung Bezug genommen.

14. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen.

Entscheidungsgründe:

15. Die Klage ist zulässig und gemäß VO (EG) Nr. 261/2004 begründet als Ausgleichszahlung für Verspätung.

16. Denn es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass es um einen bestimmten Flug ging und dieser ist eben nicht durchgeführt worden sondern erst verspätet konnte es zum Flug kommen und das sind genau die Anspruchsvoraussetzungen für die Europäische Verordnung. Es ist nicht entscheidend wo und wie ursprünglich gebucht worden ist und ob der ursprüngliche Vertragspartner das im Rahmen von Verbindungen wieder weitergegeben hat. Es entscheidend wer den Flug durchführen sollte und das ist unstreitig die Beklagte.

17. Wie das Gericht bereits in der mündlichen Verhandlung versucht hat zu verdeutlichen, ist das unbeabsichtigte Rückwärtsrollen eines Flugzeuges nach Landung und zum Stand kommen kein unvorhergesehenes Ereignis, wenn es darauf beruht, dass eben die Bremsklötze nicht gesetzt worden sind. Zum einen ist durch Kommunikationsmethoden wie z.B. doppeltes Hinsehen, wie Rückmeldung, wie Benutzung von Sprechfunk, wie Handy und vieles andere mehr sicherzustellen, ob entsprechende Wünsche nach Klotzbereitstellung auch verstanden und durchgeführt worden sind und im Übrigen ist der Pilot bzw. Copilot auch dadurch nicht entlastet, dass er glaubt alles richtig gemacht zu haben, er muss es auch überprüfen und ein wenn auch nur leichtes Anrollen nach rückwärts ist in einem Flugzeug spürbar, insbesondere wenn es sich in einer Position befindet, die die Endposition sein soll. Da kann man sich leicht orientieren, etwa an auf dem Rollfeld befindlichen Gegenständen wie Hilfsfahrzeuge, wie Tankfahrzeuge oder an Gebäudeteilen wie z.B. Brücken und ähnlichem. Wenn hier ein Anrollen nicht bemerkt worden ist und es zu einer Beschädigung gekommen ist, die zu einem Nichteinsatz des Flugzeuges geführt hat, so kann da eben nicht von einem unvorhergesehenen Ereignis gesprochen werden, sondern davon, dass Fehler gemacht worden sind, wahrscheinlich nicht nur einer sondern auch mehrere, aber einer würde ausreichen und ein solcher Fehler wäre eben vermeidbar. Das gebietet eben die Einhaltung der Sicherheit im Flugbetrieb und das gilt auch für das Rollen und Verhalten von Flugzeugen am Boden. Im Übrigen kann man auch eine Handbremse ziehen, das ist technisch möglich.

18. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

19. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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