Reisestornierung nach Erkrankung des benötigten Blindenhundes

AG München: Reisestornierung nach Erkrankung des benötigten Blindenhundes

Ein Blinder forderte von der Reiserücktrittsversicherung die Erstattung von Stornokosten, nachdem er aufgrund der Krankheit seines Blindenhundes eine Reise nicht antreten konnte.

Das Amtsgericht München hat die Klage abgewiesen. Der Hund sei weder eine versicherte Risikoperson, noch dessen Krankheit Teil des Einzelgefahrenkatalogs.

AG München 191 C 17044/16 (Aktenzeichen)
AG München: AG München, Urt. vom 11.11.2016
Rechtsweg: AG München, Urt. v. 11.11.2016, Az: 191 C 17044/16
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Amtsgericht München

1. Urteil vom 11. November 2016

Aktenzeichen 191 C 17044/16

Leitsatz:

2. Eine analoge Anwendung des Gefahrenkatalogs von Versicherungsbedingungen einer Reiserücktrittsversicherung auf vergleichbare, reisevereitelnde Ereignisse ist nicht möglich, da es sich um einen abschließenden Katalog handelt.

Zusammenfassung:

3. Aufgrund der akuten Krankheit seines Blindenhundes konnte ein sehbehinderter Reisender die von ihm gebuchte Reise nicht antreten. Von der zuvor abgeschlossenen Reiserücktrittsversicherung forderte er die Erstattung der anfallenden Stornokosten. Er vertrat die Ansicht, dass der Ausfall eines unentbehrlichen Blindenführhundes mit im Gefahrenkatalog der Versicherungsbedingungen aufgeführten Ereignissen wie etwa dem Defekt von Prothesen vergleichbar sei.

Das Amtsgericht München wies die Klage ab. Es räumte zwar ein, dass die Situation des Klägers mit den Ereignissen des Gefahrenkatalogs vergleichbar sei, jedoch war die analoge Anwendung nicht möglich, da es sich um einen abgeschlossenen Katalog handelte. Der Hund des Klägers war auch keine Risikoperson, deren Erkrankung einen Versicherungsfall hätte begründen können.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger begehrt gegen die Beklagte die Erstattung von Stornokosten.

6. Der Kläger schloss bei der Beklagten am 23.2.2016 eine Reiserücktrittskostenversicherung für eine Reise mit seiner Mutter nach Fuerteventura in der Zeit vom 18.6.2016 bis 27.6.2016 ab. Dem Versicherungsvertrag liegen die Versicherungsbedingungen VB-​ERV 2014 zugrunde. Der Kläger ist blind und infolgedessen auf seinen Blindenführerhund „Frazer“ angewiesen. Dieser Blindenhund erlitt vor der Reise eine akute Erkrankung und war daher vom 5.6.2016 bis 28.6.2016 in medizinischer Behandlung und flugunfähig. Der Kläger stornierte aufgrund dessen die Reise umgehend. Der Reiseveranstalter stellte dem Beklagten Stornokosten in Höhe von insgesamt 990,00 € in Rechnung. Der Kläger meldete den Schaden der Beklagten und ersuchte um Erstattung der Stornokosten. Mit Schreiben vom 17.6.2016 lehnte die Beklagte die Erstattung ab.

7. Der Kläger ist der Ansicht, der vorliegende Fall sei nicht anders zu beurteilen, als wenn eine sehende Reiseperson aufgrund einer eingetretenen Erkrankung plötzlich ihr Sehvermögen verliere, was unstreitig ein Versicherungsfall wäre. In den Versicherungsbedingungen seien als versicherte Ereignisse auch der Bruch von Prothesen oder die Lockerung von implantierten Gelenken anerkannt. Wie auch in diesen Fällen sei es dem Kläger unmöglich, die Reise anzutreten. Zudem müsse sich auch zu Hause jemand um den Blindenhund „Frazer“ kümmern.

8. Der Kläger beantragt:

9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 990,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-​Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 18.06.2016 und weitere 147,56 € nebst 5 %-​Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 19.07.2016 zu bezahlen.

10. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11. Die Beklagte ist der Ansicht, die Erkrankung des Blindenhundes falle gemäß den Bestimmungen der Versicherungsbedingungen nicht unter den Versicherungsschutz. Ein versichertes Ereignis läge nicht vor. Der Hund sei keine Risikoperson. Nach dem Grundsatz der Einzelgefahrendeckung bestehe in der Reiserücktrittskostenversicherung nur bei den in den Versicherungsbedingungen konkret und abschließend aufgeführten Ereignissen Versicherungsschutz.

12. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

13. Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

14. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der Stornokosten in Höhe von 990,00 € zu.

1.

15. Gemäß Teil A Ziffer 3.2 der zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen ist Voraussetzung für eine Erstattung, dass das versicherte Ereignis den Versicherungsnehmer oder eine Risikoperson betrifft. Nach Teil A Ziffer 5 sind Risikopersonen die Angehörigen des Versicherungsnehmers und die Angehörigen des Lebensgefährten, Betreuungspersonen, die nicht mitreisende minderjährige oder pflegebedürftige Angehörige betreuen und Mitreisende und deren Angehörige und Betreuungspersonen. Unter Teil A Ziffer 4 ist aufgezählt, welche Ereignisse versichert sind.

2.

16. Zwar ist der Klagepartei insoweit Recht zu geben, dass der Kläger ohne seinen Blindenhund in einer den Ereignissen unter Ziffer 4 aufgezählten vergleichbaren Lage ist. Das vorliegende Ereignis ist jedoch unter den abschließend aufgezählten Punkten unter Teil A Ziffer 4 der Versicherungsbedingungen gerade nicht aufgeführt. Bei der Reiserücktrittskostenversicherung besteht nach dem Grundsatz der Einzelgefahrendeckung nur bei den in den Versicherungsbedingungen konkret und abschließend aufgeführten Ereignissen Versicherungsschutz (Führich, Reiserecht, 7. Aufl., § 31 Rdnr. 6). Versicherungsschutz besteht somit nur dann, wenn kausal der Eintritt eines der enumerativ aufgezählten versicherten Ereignisse den Reiserücktrittbedingungen. Allein die Feststellung, dass die Teilnahme an der Reise für die versicherte Person aus anderweitigen Gründen, die nicht im Katalog der versicherten Ereignisse genannt werden, unzumutbar ist, löst die Eintrittspflicht des Versicherers nicht aus.

17. Für eine analoge Anwendung ist ebenfalls kein Raum, da es sich bei den aufgeführten Ereignissen um einen abschließenden Katalog handelt. Die Beklagte hat in ihren Versicherungsbedingungen lediglich bestimmte Sachverhalte als versicherte Ereignisse angeboten. Weitere Sachverhaltskonstellationen, die möglicherweise auf die Lebenssituation der Klagepartei zuträfen, sind gerade nicht Vertragsbestandteil geworden.

18. Bei dem Hund des Klägers handelt es sich auch nicht um eine Risikoperson im Sinne der Ziffer 5 Teil A der Versicherungsbedingungen.

II.

19. Mangels begründeter Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Ersatz der Nebenforderungen.

III.

20. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

21. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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