Reiserücktrittskostenversicherer kann sich nicht auf fehlendes Attest berufen
AG Düsseldorf: Reiserücktrittskostenversicherer kann sich nicht auf fehlendes Attest berufen
Ein Fluggast nahm einen Reiseversicherer auf Erstattung der Stornokosten für den versicherten Flug in Anspruch, weil sie wegen einer schweren Krankheit den Flug stornieren musste.
Das Amtsgericht wies die Klage zurück und entschied, dass Zweifel bei der tatsächlichen Existenz von Flugangst bei der Klägerin vorliegen.
AG Düsseldorf | 52 C 9631/03 (Aktenzeichen) |
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AG Düsseldorf: | AG Düsseldorf, Urt. vom 31.08.2004 |
Rechtsweg: | AG Düsseldorf, Urt. v. 31.08.2004, Az: 52 C 9631/03 |
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Leitsatz:
2. Unschädliche Nichtvorlage des Attestes eines Facharztes für Psychiatrie bei Behandlung von „Angstattacken“ durch einen Allgemeinmediziner.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall buchte ein Fluggast einen Flug und schloss zusätzlich eine Reiserücktrittsversicherung ab. Der Fluggast stornierte aufgrund einer vom Arzt festgestellten depressiven Episode die mit dem Reiseantritt in Zusammenhang stand die Buchung. Der Arzt riet ihr zur Stornierung.
Das Amtsgericht wies die Klage ab und entschied, dass der Reiserücktrittskostenversicherer sich nicht auf das Fehlen eines Attestes eines Facharztes für Psychiatrie berufen kann, wenn sich der Versicherungsnehmer wegen „Angstattacken“ in die Behandlung eines Allgemeinmediziners begeben hatte, dieser aber keine psychiatrische Erkrankung diagnostiziert und deswegen auch keine Überweisung an einen Facharzt für Psychiatrie veranlasst hatte. Jedoch ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme zweifelhaft, ob von der tatsächlichen Existenz dieser Erkrankung als Grund für den Rücktritt vom Flugbeförderungsvertrag auszugehen ist. Die Klägerin hat zwei Wochen nach dem stornierten Flug erneut eine Flugreise gebucht und auch wahrgenommen.
Tenor:
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert: 2.151 €.
Tatbestand:
5. Die Klägerin buchte im Mai 2002 einen Linienflug von … nach … für den 20.6.2002 zum Preis von 2.704 €. Sie wollte in … mit ihrem jetzigen Ehemann den Urlaub verbringen und im Rahmen dieses Aufenthaltes eine Brieffreundin besuchen, der sie ihre Ankunft auch schon angekündigt hatte.
6. Zeitgleich mit der Buchung schloss sie im Hinblick auf diesen Flug eine Reiserücktrittskostenversicherung mit der Beklagten.
7. Nach den Versicherungsbedingungen der Beklagten gilt gemäß § 1 eine unerwartet schwere Erkrankung als versicherter Rücktrittsgrund.
8. Am 17.6.2002 stellte sich die Klägerin bei dem Zeugen Dr. …, Facharzt für Allgemeinmedizin vor und klagte diesem gegenüber über Angstattacken.
9. Dr. … diagnostizierte eine depressive Episode der Beklagten. Auf das Attest vom 6.9.2002, Bl. 20, wird verwiesen.
10. Am 19.6.2002 stellte sie sich erneut dem Arzt vor, im Anschluss daran stornierte die Klägerin die gebuchte Flugreise.
11. Das Reisebüro, über das die Klägerin den Flug gebucht hatte, erstattete der Klägerin ein Betrag von 553 €. Den Differenzbetrag von 2.151 € machte sie bei der Beklagten geltend, die eine Einstandspflicht ablehnte.
12. Die Klägerin behauptet, sie habe die Reise wegen einer unerwartet schweren Krankheit absagen müssen. Ab dem 10.6.2001 habe sie zunehmend unter Ängsten gelitten, es seien Schlaflosigkeit, Tränenausbrüche, Verkrampfungen und Angstattacken aufgetreten. Diese Auffälligkeiten seien auf die bevorstehende Reise zurückzuführen gewesen, da sie nach der Loslösung von der Reise durch die Stornierung nicht mehr aufgetreten seien. Der Zeuge Dr. … habe ihr aus ärztlicher Sicht zur Stornierung geraten, da sie unter einer depressiven Episode wegen der bevorstehenden Reise gelitten habe.
14. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.151 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2002 zu zahlen.
17. Die Beklagte ist der Ansicht, dass keinerlei objektiven Tatsachen für eine tatsächliche Erkrankung der Klägerin vorlägen. Eine reine Flugangst sei keine schwere unerwartete Erkrankung im Sinne ihrer Versicherungsbedingungen.
18. Die Beklagte führt weiter aus, dass sie ihrer Ansicht nach selbst bei unterstellter Erkrankung der Klägerin nicht zur Versicherungsleistung verpflichtet sei, da es sich dann um eine psychiatrische Erkrankung gehandelt habe, die gemäß § 1 Ziff. 3 b) ihrer Bedingungen durch ein Attest eines Facharztes für Psychiatrie nachzuweisen gewesen wäre.
19. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
20. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. …, …, … und … Auf die Sitzungsprotokolle vom 27.4. und 3.8.2004 wird verwiesen.
Entscheidungsgründe:
21. Die Klage ist unbegründet.
22. Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Stornokosten für den über die Beklagte versicherten Flug nach … ist nicht gerechtfertigt.
23.Voraussetzung für einen Anspruch auf Versicherungsleistung ist gemäß § 1 Ziff. 1 a) eine unerwartet schwere Erkrankung.
24. Entgegen der Auffassung der Beklagten war zwar nicht gemäß § 1 Ziff. 3 b) dieser Bedingungen ein Attest eines Facharztes für Psychiatrie vorzulegen, denn die Klägerin konnte nicht wissen, dass es sich bei der von ihr behaupteten Erkrankung um eine psychiatrische Erkrankung gehandelt haben könnte. Begibt sie sich aber in allgemeinmedizinische Behandlung kann sie darauf vertrauen, dass ihr im Falle einer psychiatrischen Erkrankung dieser Umstand mitgeteilt wird und ggf. eine Überweisung an einen Facharzt erfolgt. Unstreitig aber ist der Klägerin gegenüber nie geäußert worden, ihre behauptete Erkrankung könne eine psychiatrische sein. Sie hatte daher auch keinen Anlass vor der Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Beklagten einen Facharzt für Psychiatrie aufzusuchen.
25. Voraussetzung für eine Haftung der Beklagten wäre daher allein das Vorliegen einer unerwarteten schweren Erkrankung.
26. Darlegungs- und beweispflichtig für diese Erkrankung ist die Klägerin als Anspruchsstellerin.
27. Der Klägerin ist aber der Nachweis einer solchen Erkrankung nicht gelungen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme kann das Gericht nicht mit der erforderlichen sicheren Überzeugung von der tatsächlichen Existenz dieser Erkrankung als Grund für den Rücktritt vom Flugbeförderungsvertrag ausgehen.
28. Es mag so gewesen sein, dass die Klägerin plötzlich ohne erkennbaren Anlass und sozusagen aus heiterem Himmel im Hinblick auf die bevorstehende Reise unter als depressive Episode zu diagnostizierenden Angstattacken gelitten hat.
29. Ob dem aber tatsächlich auch so gewesen ist, lässt sich nicht mit der notwendigen sicheren Überzeugung beurteilen.
30. Zwar ist nach der durchaus als beeindruckend zu bezeichnenden Aussage des Zeugen Dr. … davon auszugehen, dass dieser aufgrund der persönlichen Vorstellung der Klägerin nach bestem medizinischen Wissen von der Richtigkeit der geschilderten Angstattacken und der Ernsthaftigkeit einer vorliegenden Erkrankung ausgegangen ist. Ob aber die Attacken und damit eine Erkrankung tatsächlich vorlagen und die bevorstehende Reise Auslöser dieser Verhaltenauffälligkeiten war, ist damit noch nicht nachgewiesen. Objektive medizinische Befunde sind bei einer solchen Erkrankung nicht zu erheben. Die Aufgabe des Arztes liegt dann natürlich darin, die Angaben auf ihre Glaubwürdigkeit aus medizinischer Sicht zu überprüfen und selbst im Zweifel im Interesse des Patienten gegensteuernde Maßnahmen zu ergreifen bzw. anzuraten, wie dies Dr. … vorliegend durch das Anraten zur Absage der Reise tat.
31. Auch wenn der Zeuge Dr. … vorliegend glaubhaft und glaubwürdig angab, in diesem Fall keine Zweifel gehabt zu haben, konnte dies mangels objektiver Anknüpfungstatsachen für das Krankheitsbild noch nicht beweisen, ob die der von ihm vorgenommenen Diagnose zugrundeliegenden Schilderungen über den Krankheitsverlauf der Wirklichkeit entsprachen.
32. Aus diesem Grunde war auch noch die Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugen erforderlich, welche die Angstattacken, Tränenausbrüche, Schlaflosigkeit und Verkrampfungen im Hinblick auf die gebuchte Reise nach … wahrgenommen haben sollen.
33. Aus der Vernehmung der hierzu benannten Zeugen …, … und … ergeben sich aber Anhaltspunkte zu Zweifeln am tatsächlichen Vorliegen der behaupteten Erkrankung.
34. Zunächst ist auffällig, dass der Zeuge … angab, sich mit seiner jetzigen Ehefrau während der fraglichen Zeit mehrfach über die Gründe ihres plötzlich auffälligen Verhaltens unterhalten zu haben, sie dabei aber einen bestimmten Grund sich selbst nicht habe erklären können. Er habe sie auch auf die Reise als mögliche Ursache angesprochen, was sie für nicht ausgeschlossen gehalten habe, sie habe aber selbst nicht gewusst, woran es gelegen haben könnte, Flugangst hätte sie ausdrücklich verneint.
35. Demgegenüber gab die Zeugin … an, die Klägerin habe ihr gegenüber auf Nachfrage nach den Gründen ihrer Auffälligkeiten gleich erklärt, sie habe Angst vor der Reise nach … und würde am liebsten gar nicht fliegen. Eine entsprechende Ursachenvermutung der Klägerin hatte auch der Zeuge Dr. … berichtet, der angab, die Klägerin habe ihm gegenüber geschildert, sie träume von der Reise und könnte ihre Ängste provozieren, wenn sie an die Reise denke. Sowohl nach der Aussage des Zeugen Dr. …, als auch nach der Aussage der Zeugin … hat die Klägerin demnach selbst also die Reise als Ursache ihrer Ängste angegeben. Nach der Aussage des Zeugen … aber soll die Klägerin sich nicht darüber im klaren gewesen sein, was Ursache gewesen sein kann, die Reise sei nur als eine der möglichen Ursachen in ihren Gesprächen in Betracht gezogen worden.
36. Der größte Anhaltspunkt zu Zweifeln an dem tatsächlichen Vorliegen einer plötzlichen auf die Reise nach … zurückzuführenden depressiven Erkrankung hat sich aber insoweit aus den Aussagen der Zeugen …, … und … ergeben, als dort zur Sprache gekommen ist, dass die Klägerin gemeinsam mit dem Zeugen … schon zwei Wochen später eine Flugreise nach … gebucht und angetreten hat.
37. Es ist für das Gericht nicht ganz nachvollziehbar, dass in derart kurzer Zeit nach einer krankheitsbedingt stornierten Reise eine weitere Reise angetreten wird, obwohl doch die zuvor gebuchte Reise die von der Klägerin behaupteten unerklärlichen Angstzustände ausgelöst haben soll. Es ist zwar zuzugestehen, dass die beiden Reisen insoweit Unterschiede aufweisen, als es sich bei der Reise nach … um eine aufwendigere Reise zu einem exotischeren Reiseziel gehandelt hat. Es war ja aber eben niemandem, weder der Klägerin, noch ihrem Umfeld oder sogar dem behandelnden Arzt bis dahin erklärlich, woher genau die Angstzustände der Klägerin in Bezug auf die Reise rühren sollten. Aufgrund des nur kurzen Zeitablaufs bis zur Buchung und zum Antritt der nächsten Flugreise hätte es sich daher aufdrängen müssen, dass eine erneute Auslösung solcher Angstzustände möglich gewesen wäre, da die genaue Ursache dieser Zustände ja nicht bekannt war, ein Zusammenhang mit einer Reise aber im Raume stand. Der Zeuge … gab zwar an, die Klägerin vor dieser nächsten Reise gefragt zu haben, ob sie sich sicher sei, die Reise antreten zu können, was sie bejaht habe. Angesichts der geschilderten immensen Angstzustände, welche die bevorstehende Reise nach … ausgelöst haben soll, ist dem Gericht aber nicht nachvollziehbar, warum dies plötzlich und ohne weitere Nachfrage bei einem Arzt möglich gewesen sein soll.
38. Aufgrund der von der Klägerin und sämtlichen Zeugen wiedergegebenen unerklärlichen Beklemmungen mit Schlaflosigkeit und Tränenausbrüchen im Vorfeld der geplanten Reise nach …, hätte es sich für jede Person an der Stelle der Klägerin aufdrängen müssen, vor einer so kurzen Zeit später angetretenen weiteren Reise zunächst wiederum ärztlichen Rat einzuholen, um das Wiederauftreten solcher Umstände nach Möglichkeit zu vermeiden.
39. Die von den Zeugen kundgegebene Selbstverständlichkeit, mit der nur zwei Wochen nach der wegen auf die Reise bezogener Ängste erfolgten Stornierung der Reise nach … eine weitere nicht unerhebliche Flugreise nach … gebucht worden ist, lässt aber Zweifel nicht völlig ausräumen, die Reise nach … könnte tatsächlich aus anderen Gründen als angegeben storniert worden sein.
40. Es kann daher nur wiederholt werden, dass es zwar tatsächlich so gewesen sein kann, wie die Klägerin vorträgt, dies aus den angeführten Gründen aber nicht zur notwendigen sicheren Überzeugung des Gerichts nachgewiesen worden ist.
41. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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