Reisepreisminderung wegen ungewöhnlicher Lärmquelle in Hotelnähe

LG Frankfurt: Reisepreisminderung wegen ungewöhnlicher Lärmquelle in Hotelnähe

Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich, seine Frau und ihre gemeinsame Tochter eine Pauschalreise nach Tunesien für den Zeitraum vom 16.08. bis 06.09.1989 zu einem Gesamtpreis von 3.381,00 DM. Wegen eines Problems musste die Familie allerdings in ein anderes Hotel der gleichen Kategorie umgebucht werden. Vor Ort stellte der Kläger allerdings fest, dass das Hotel noch nicht fertiggebaut war und war zudem aufgrund der Lage erheblichen Lärmbelästigungen ausgesetzt.

Das LG Frankfurt sprach dem Kläger in der Berufungsinstanz aufgrund der vorgetragenen Mängel Schadenersatz i.H.v. 1.394,66 DM zu.

LG Frankfurt 2-24 S 64/91 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 19.08.1991
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 19.08.1991, Az: 2-24 S 64/91
AG Frankfurt, Urt. v. 12.12.1990, Az: 31 C 2203/90-​44
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 19. August 1991

Aktenzeichen 2-24 S 64/91

Leitsätze:

2. Der Reiseveranstalter kann sich bei vorliegen von außergewöhnlichen Lärmquellen am gebuchten Hotel nicht darauf berufen, dass der Reisende bei der Buchung eines Stadthotels sowieso von normalem Strassenverkehr belästigt worden wäre.

Der für die Berechnung der Minderung zugrunde gelegte Reisepreis ist ohne die Kosten für etwaig abgeschlossene Versicherungen des Reisenden heranzuziehen.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte für sich, seine Frau und ihre gemeinsame Tochter einen Hotelurlaub in Tunesien inkl. Hin- und Rückflug für den Zeitraum vom 6.08. bis 06.09.1989 zu einem Gesamtpreis von 3.381,00 DM. Aufgrund eines Hotelverschuldens wurde die Familie in ein Hotel gleicher Kategorie umgebucht. Am Hotel angekommen stellte der Kläger fest, dass das Hotel noch nicht bezugsfertig war, da Innenausbauten fehlten. Zudem beschwerte er sich darüber, dass das Hotel vom Strand weiter entfernt lag als das ursprünglich gebuchte und dass er und seine Familie zudem durch den Lärm von vorbeifahrenden Zügen belästigt wurden. Er forderte vom Reiseveranstalter Schadenersatz i.H.v. 2.400,00 DM.

Das Amtsgericht Frankfurt sprach dem Kläger lediglich 343,20 DM aufgrund des Zuglärms zu, was einer Minderung von 10 % entspricht, und lehnte die Klage im Übrigen ab.
In der Berufungsinstanz sprach das LG Frankfurt dem Kläger aufgrund der von ihm vorgetragenen Mängel einen Minderungsanspruch in Höhe von 41,25 %, also 1.394,66 DM, nebst 4 % Zinsen seit dem 13.02.1990 zu.

Tenor:

4. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 12.12.1990 (31 C 2203/90-​44) teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger insgesamt 1.394,66 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13.02.1990 zu zahlen.

Im übrigen bleibt das Versäumnisurteil vom 01.10.1990 aufrechterhalten.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger vorab die durch die Säumnis im Termin vom 01.10.1990 entstandenen Kosten; im übrigen tragen der Kläger 2/5, die Beklagte 3/5 der Kosten erster Instanz.

Die Kosten der Berufung werden gegeneinander aufgehoben.

 

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich, seine Ehefrau und seine 15 Jahre alte Tochter eine Flugreise nach Tunesien für die Zeit vom 16.08. bis 06.09.1989 zu einem Gesamtpreis von 3.381,00 DM zuzüglich 51,00 DM Reiserücktrittskostenversicherung. Die Unterbringung mit Halbpension sollte lt. Buchung und Reisebestätigung erfolgen im „neu eröffneten“ Hotel „S“ in S. Am 10.08.1989 teilte die Beklagte per Telegramm mit, dass wegen Hotelverschuldens die Unterbringung im Hotel „F“ gleicher Kategorie erfolge.

6. Der Kläger stellte am Urlaubsort fest, dass das Hotel „S“ noch nicht beziehbar war, da fast sämtliche Innenausbauten fehlten. Mit der Unterbringung im Hotel „F“ war der Kläger nicht einverstanden. Er hat mit der Klage Schadensersatz in Höhe von 2.400,00 DM verlangt und vorgetragen, das Hotel „F“ habe eine größere Strandentfernung als das gebuchte Hotel aufgewiesen und sei durch den Lärm des benachbarten Bahnhofs von S Tag und Nacht beeinträchtigt gewesen. Die Diesellokomotiven hätten vor ihrer Einfahrt den Hauptplatz von S überqueren müssen, was zu Warnzwecken unter ständigem Hupen mit Pressluftfanfaren geschehen sei. Tagsüber und bis ca. 1.00 Uhr nachts sei alle 20 Minuten ein Zug gefahren. Anschließend seien bis ca. 3.30 Uhr die Zeitabstände etwas größer gewesen.

7. Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.400,00 DM zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit dem 13.02.1990 zu bezahlen.

8. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

9. Die Beklagte hat in erster Linie die Einrede der Verjährung erhoben und sich im übrigen darauf berufen, der Kläger habe trotz des mitgeteilten Hotelverschuldens die Reise angetreten und zudem ein Billighotel im Zentrum einer orientalischen mittelgroßen Stadt gebucht, bei der der Durchschnittsreisende mit Lärm jeder Art, insbesondere Verkehrslärm, rechnen müsse. Im übrigen sei die Klageforderung überhöht.

10. Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 12.12.1990 die Beklagte zur Zahlung von DM 343,20 verurteilt, im übrigen die Klage abgewiesen. Der zugesprochene Betrag entspricht einer Minderung von 10 %, wegen des Lärms durch den Bahnhof.

11. Gegen das am 22.01.1991 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.02.1991 Berufung eingelegt und diese am 28.02.1991 begründet.

12. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, über den Betrag von DM 343,20 hinaus weitere DM 2.056,80 nebst 4 % hieraus seit dem 13.02.1990 zu bezahlen.

13. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

14. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und hält die Einrede der Verjährung „trotz Kenntnis der neuen Rechtsprechung der Kammer“ aufrecht.

Entscheidungsgründe:

15. Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch aus Minderung in Höhe von 1.394,66 DM.

1)

16. Der Kläger kann nach ständiger Rechtsprechung der Kammer zunächst eine Minderung deshalb verlangen, weil er in einem anderen als dem gebuchten Objekt untergebracht worden ist (Kammer NJW 1983, 233; Pos. I,1 der Frankfurter Minderungstabelle, NJW 1985, 113). Diese Minderung ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger und seine Familie auf die telegrafische Mitteilung vom 10.08.1989 die Reise einige Tage später angetreten haben. Darin liegt weder eine stillschweigende Abänderung des Reisevertrages noch ein Verzicht auf Minderungsansprüche. Die Kammer bemisst diese Position im Hinblick auf die unstreitige benachbarte Lage beider Hotels auf 10 %.

2)

17. Der Kläger hat außerdem einen Minderungsanspruch wegen der durch den Bahnhofsbetrieb aufgetretenen erheblichen Lärmbeeinträchtigung bei Tag und Nacht. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass tagsüber ab 3.30 Uhr bis 1.00 Uhr nachts laufend alle 20 Minuten ein Zug mit Fanfarenstößen den Bahnhofsplatz überquert hat. Mit einer solchen Lärmquelle erheblichen Ausmaßes braucht der Reisende auch in einer orientalischen mittelgroßen Stadt nicht zu rechnen. Es handelt sich hierbei um eine völlig aus dem Rahmen fallende Lärmquelle außergewöhnlicher Art, bei der es – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts – nicht möglich ist, im Wege einer Kompensation eine zumutbare Hinnahme durch Strassenlärm zu berücksichtigen. Das Gericht schätzt die Minderung für den Taglärm auf 5 %, da der Kläger sich nicht ständig im Hotel aufgehalten haben wird, während die Lärmbeeinträchtigung während der gesamten Nachtzeit einen Minderungssatz von 20 % erfordert. Beide Basissätze sind nach der Rechtsprechung der Kammer um 1/4 zu erhöhen, da nur Halbpension gebucht war. Daraus ergibt sich eine Minderung von 31,25 %.

3)

18. Insgesamt kann der Kläger mithin eine Minderung von 41,25 % beanspruchen.

19. Bei der Bemessung der Minderung ist von dem Gesamtreisepreis auszugehen. Das ist die Reisevergütung ohne die zusätzlichen Beträge für Reiserücktrittskostenversicherung oder andere Versicherungsleistungen, z. B. für sogenannte „Sicherheitspakete“. Die Kammer gibt hiermit ihre bisherige ständige Rechtsprechung, wonach diese Beträge in die für die Minderung maßgebende Berechnungsbasis einzubeziehen sind, auf.

20. Maßgebend für die bisherige Einbeziehung der Versicherungsprämien war die Erwägung, dass auch diese Beträge aus der Sicht des Reisenden für die Durchführung des Gesamtpaketes „Reise“ aufgewendet werden und damit der Wert der Reise sich entsprechend erhöht. Die Kammer sieht diese Verknüpfung nach erneuter Überlegung als nicht so eng an, dass der Wert der Reise durch diese Aufwendungen erhöht wird. Vielmehr erscheinen diese Aufwendungen bei wirtschaftlicher Betrachtung beschränkt als Aufwand für die abgeschlossenen Versicherungen. Diese Versicherungen behalten ihren Eigenwert, auch wenn die Reise selbst mit Mängeln behaftet ist oder – wie bei der Reiserücktrittskostenversicherung – aus Gründen des versicherten Risikos vorzeitig abgebrochen wird (§ 1 ABRV).

21. Eine ähnliche Situation stellt sich bei der Frage, ob bei Ratenkrediten die Prämien für eine Restschuldversicherung in die Gesamtbetrachtung des Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung (§ 138 I BGB) einzubeziehen sind. Während der BGH dies zunächst voll bejahte (BGH NJW 1979, 2090; 1980, 2074), sich dann für eine Einbeziehung zur Hälfte entschied (BGHZ 80, 153 = NJW 1981, 1206), hat er schließlich diese Prämien aus dem Leistungsvergleich ausgeschieden (NJW 1982, 2433; NJW – RR 1987, 679). § 4 I Nr. 1 b + f VerbrKrG hat diese Auffassung nunmehr bestätigt.

22. Die Tatsache allein, dass die Versicherungen ein Risiko des Reisenden, das mit der Durchführung der Reise zusammenhängt, absichern, rechtfertigt es nicht, sie in die Berechnung der Minderung einzubeziehen. Zur Klarstellung sei allerdings bemerkt: Die nunmehr vertretene Auffassung schließt es nicht aus, dass ein Reisender in Ausnahmefällen, in denen die Reise aus Gründen, die der Reiseveranstalter zu vertreten hat, die aufgewendeten Beiträge nach § 651 f I BGB unter dem Gesichtspunkt der nutzlosen Aufwendungen liquidieren kann. Möglicherweise kommt dies auch dann zum Zuge, wenn der Reisepreis infolge erheblicher Mängel mit mindestens 50 % (Basissatz der Frankfurter Tabelle) gemindert ist, die Reise also im wesentlichen ihren Wert verloren hat und deshalb davon auszugehen ist, dass der Reisende sie bei Kenntnis der Mängel nicht angetreten hätte.

23. Daraus folgt ein Minderungsanspruch der Kläger in Höhe von 41,25 % aus 3.381,00 DM, was einem Betrag von 1.394,66 DM entspricht.

4)

24. Für eine Minderung wegen größerer Strandentfernung ist dagegen kein Raum, da die Beklagte durch Vorlage eines Stadtplanes von S nachgewiesen hat, dass das Hotel F gegenüber dem gebuchten Hotel keine erheblich größere Strandentfernung aufzuweisen hat.

5)

25. Der Zinsanspruch ist nach §§ 284, 286, 288 BGB begründet.

6)

26. Die Forderung des Klägers ist nicht verjährt. Insoweit kann auf die zutreffenden Gründe des Urteils des Amtsgerichts verwiesen werden. Das Amtsgericht hat mit Recht ausgeführt, dass eine frühere Beendigung der Hemmung der Verjährung durch Schreiben vom 24.11.1989 nicht angenommen werden kann, da der Kläger den Zugang dieses Schreibens bestreitet und die Beklagte für den Zugang des Schreibens keinen Beweis angetreten hat. Das entspricht der Rechtsprechung der Kammer (NJW-​RR 1987, 568).

27. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 92 I, 97 I, 344 ZPO.

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