Reisepreisminderung einer „All-​Inclusive-​Reise“ bei Verpflegung ohne Mittagessen

AG Leipzig: Reisepreisminderung einer „All-​Inclusive-​Reise“ bei Verpflegung ohne Mittagessen

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Reise mit Hotelunterbringung und „All-Inclusive-Verpflegung“ gebucht. Vor Ort wurde auf Nachfrage mitgeteilt, dass das Mittagessen hierin nicht enthalten sei. Daher verlangt der Kläger Minderung und Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Dem gab das Gericht statt. Unter „all-inclusive“ sei, soweit keine weiteren Bestimmungen vorgenommen werden, die Versorgung auch mit dem Mittagessen zu verstehen. Daher war der Minderungs- und Schadensersatzanspruch begründet.

AG Leipzig 109 C 5850/09 (Aktenzeichen)
AG Leipzig: AG Leipzig, Urt. vom 24.11.2010
Rechtsweg: AG Leipzig, Urt. v. 24.11.2010, Az: 109 C 5850/09
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Amtsgericht Leipzig

1. Urteil vom 24. November 2010

Aktenzeichen 109 C 5850/09

Leitsatz:

2. Wird „Verpflegung: All Inclusive“ vereinbart, so schuldet der Reiseanbieter, sofern nicht eine Bestimmung des Begriffes im Vertrag erfolgte, die Verpflegung mit den üblicherweise zum Tageskreis der Kunden gehörenden Mahlzeiten.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich und seine Ehefrau eine Reise mit Hotelunterbringung und „All-Inclusive-Verpflegung“ gebucht. Vor Ort wurde auf Nachfrage mitgeteilt, dass das Mittagessen hierin nicht enthalten sei. Daher verlangt der Kläger Minderung und Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Dem gab das Gericht statt. „All-inclusive“ sei nicht legaldefiniert, weshalb es regelmäßig auf die vertraglichen Bestimmungen ankomme. Unter dem Begriff sei, soweit keine weiteren Bestimmungen vorgenommen werden, die Versorgung mit allen zum üblichen Tageskreis der Kunden gehörenden Mahlzeiten zu verstehen. Da die Versorgung mit dem Mittagessen entgegen der Vereinbarung nicht erfolgte, sei eine Minderung um 20 % des Reisepreises angemessen. Zusätzlich wurde dem Kläger ein Schadensersatz von 250,00 Euro zugesprochen, da die Nichtversorgung zu eigenem Aufwand sowohl bei der Essensversorgung als auch bei der Auseinandersetzung mit der Reiseleitung führte.

Tenor

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 554,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 26.10.2008 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe des 1,6 fachen Gebührenwertes aus 554,20 Euro zzgl. Auslagen und Mehrwertsteuer nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 03.08.2009 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreites hat der Kläger 70 % und hat die Beklagte 30 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

5. Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 ZPO verzichtet.

6. Das am 07.04.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichtes Leipzig ist vom Kläger durch Schriftsatz vom 09.04.2010 in der Kostenentscheidung mit einem Berichtigungsantrag (Bl. 76 f. d. A.) und von der Beklagten durch Schriftsatz vom 16.04.2010 mit einer Gehörsrüge angegriffen worden.

7. Das Verfahren ist daraufhin gem. § 321 a ZPO wiedereröffnet worden.

8. Die Einwendungen des Klägers gegen die Kostenentscheidung im Urteil vom 07.04.2010 sind mit Schriftsatz vom 04.02.2010 fallengelassen worden (Bl. 89 d. A.).

Entscheidungsgründe

9. Die zulässige Klage hat in der Sache nur im tenorierten Umfang Erfolg. Im übrigen ist sie nicht begründet.

10. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Minderung und Schadenersatz aus dem Reisevertrag der Parteien vom 17.03.2008 (Bl. 7 d. A.).

11. Die Beklagte hat den Reisevertrag nicht – auch nicht auf unstreitige Mängelanzeige und rechtzeitige Rüge des Klägers vor Ort hin – vereinbarungsgemäß erfüllt.

12. Die Parteien hatten hinsichtlich der Verpflegung „all inclusive“ miteinander vereinbart.

13. Die Beklagte verstand hierunter eine Beköstigung unter Ausschluß des Mittagessens, welches der Kläger für sich und seine Ehefrau, die beiden Reiseteilnehmer, jedoch beanspruchte.

14. Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, daß eine Legaldefinition des Begriffes „all inclusive“ nicht existiert. Hieraus ergibt sich – entgegen den irrigen Rechtsvorstellungen der Beklagten – jedoch kein einseitiges und nachgerade beliebiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der nach einem solchen Reisevertrag zu erbringenden Verpflegung.

15. Eine unmittelbar am Wortlaut der Parteivereinbarung ansetzende Auslegung führt dazu, daß die Beklagte den Reiseteilnehmern eine Mittagsverpflegung hätte anbieten müssen.

16. Die wörtliche deutsche Übersetzung der geschlossenen Vereinbarung „Verpflegung: All Inclusive“ bedeutet nämlich „alle Verpflegungen eingeschlossen“. Daher bleibt es unverständlich, wie die Beklagte auf die Idee kommen konnte, ihr sei es einseitig möglich, bestimmte, ganz üblicherweise zum Tageskreis ihrer Kunden gehörende Mahlzeiten – hier das Mittagessen – ohne jeden vorherigen Hinweis an die Vertragspartner für vertraglich nicht eingeschlossen zu erklären.

17. Der Umstand, daß für „all inclusive“ eine Legaldefinition fehlt, erfordert nach Auffassung des erkennenden Gerichtes – wie regelmäßig von namhaften Reiseveranstaltern auch so gehandhabt – eine sorgfältige Auflistung dessen, was der jeweilige Veranstalter genau unter den Leistungen seines „all inclusive“ – Paketes verstehen möchte.

18. Das Vorgehen der Beklagte hingegen, die eigenen Kunden über den Umfang des gebuchten „all inclusive“ – Paketes bis zur konkreten Nachfrage nach einer bestimmten Mahlzeit vor Ort hierüber vollständig im Dunkeln zu lassen, findet im Licht von § 242 BGB keine Stütze im geltenden Recht.

19. Mit dem Einwand, die Kunden hätten schließlich nachfragen können, was die Beklagte denn unter „all inclusive“ konkret verstehen möchte, deckt die Beklagte zudem auf, daß es ihr letztlich bei der gewählten Leistungsbeschreibung um eine vorsätzliche und arglistige Täuschung ihrer (vorher nicht nachfragenden) Vertragspartner ging, von der sie jeweils nur im Fall einer ausdrücklichen vorherigen Nachfrage Abstand zu nehmen bereit ist.

20. Nach dem Vorstehenden schuldete die Beklagte aus dem geschlossenen Reisevertrag auch die Mittagsversorgung der Reiseteilnehmer, die sie jedoch vor Ort zu erbringen verweigert hat.

21. Die vor Ort angebotene „Abhilfe“ durch Wechsel in ein anderes Hotel mit einer „all inclusive“ – Verpflegung, mußte von den Reiseteilnehmern nicht akzeptiert werden, weil die Beklagte dabei versucht hat, sich eine bereits vom Kläger bezahlte Leistung durch einen Aufpreis in Höhe von 175,00 Euro rechtswidrigerweise doppelt vergüten zu lassen.

22. Zudem wären die Reiseteilnehmer im neuen Hotel nicht sicher gewesen, von der Beklagten nicht erneut über den Inhalt der „all inclusive“ – Vereinbarung getäuscht zu werden. Angesichts der Argumentation der Beklagten vor Ort und im Verfahren wäre nicht auszuschließen gewesen, daß im neuen Hotel trotz Aufpreis plötzlich das Frühstück oder das Abendbrot nicht zum „all inclusive“ – Verpflegungspaket gehört hätte. Schließlich gibt es nach der ernsthaft vertretenen Rechtsauffassung der Beklagten keine Vorschrift, wonach ausgerechnet solche Mahlzeiten integraler Bestandteil eines „all inclusive“ – Verpflegungspaketes seien.

23. Der Umstand, daß dem Kläger und seiner Ehefrau von der Beklagten während der gesamten Reisedauer die gebuchte und bezahlte Mittagsverpflegung vorenthalten worden ist, stellt im Hinblick auf den geschlossenen Vertrag der Parteien einen Reisemangel gemäß § 651 c BGB dar.

24. Der sich hieraus ergebende Minderungsanspruch ist billigerweise auf 20 % der Reiseleistung zu bemessen.

25. Hinzu tritt hier ein Schadenersatzanspruch des Klägers und seiner Ehefrau gem. § 651 f Abs. 1 und 2 BGB wegen der nachhaltigen und fortgesetzten Beeinträchtigung der Urlaubsfreude beider Reiseteilnehmer, der nach billigem Ermessen gemäß § 287 ZPO auf insgesamt 250,00 Euro zu bemessen war.

26. Die Reiseteilnehmer konnten sich nicht – wie beabsichtigt – während der gesamten Urlaubsdauer verpflegt im gebuchten Hotel aufhalten, sondern mußten sich insgesamt zehn Mal selbst mit entsprechendem Zeit- und Kostenaufwand außerhalb ihrer Hotelanlage um eine ausweislich ihrer Reiseunterlagen bereits gebuchte und bezahlte Mittagsmahlzeit nebst entsprechender Getränke bemühen. Zudem waren sie über mehrere Tage hinweg – wenn letztlich auch erfolglos – wiederholt damit befaßt, auf die Reiseleitung der Beklagten vor Ort zu warten, um diese für eine vertragsgemäße Erfüllung des Reisevertrages zu gewinnen. Der Kläger und seine Ehefrau waren daher an einer Gestaltung dieser Urlaubstage nach ihren ganz eigenen Wünschen gehindert. In alldem liegt nach Auffassung des erkennenden Gerichtes durchaus eine „erhebliche Beeinträchtigung“ der Reise i. S. d. § 651 f Abs. 2 BGB.

27. Soweit die Beklagte einwenden möchte, Voraussetzung eines Schadenersatzes wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit (um einen solchen geht es allerdings vorliegend nicht ausschließlich) sei eine Minderung der Reiseleistung um mindestens 50 %, handelt es sich ausweislich des eindeutigen Gesetzestextes von § 651 f BGB gerade nicht um eine bindende Vorgabe des Gesetzgebers.

28. Mit der gelegentlich der Gehörsrüge erhobenen Einwendung, das Amtsgericht Leipzig habe hier dem Kläger auch den Schadenersatzanspruch der Ehefrau des Klägers zugesprochen, kann die Beklagte schlußendlich nicht durchdringen.

29. Im Rahmen der wiedereröffneten Verhandlung hat der Kläger eine Abtretungserklärung der Ehefrau des Klägers hinsichtlich ihrer Ansprüche gegen die Beklagte vorgelegt (Bl. 90 d. A.).

30. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist nicht ersichtlich, weshalb die Ehefrau des Klägers ihre höchstpersönlichen Ansprüche gegen die Beklagte nicht zur prozeßstandschaftlichen Geltendmachung im Verfahren an den Kläger hat abtreten dürfen. Ein solches – von der Beklagten offenbar unterstelltes Abtretungsverbot – kennt unsere Rechtsordnung nicht.

31. Im Ergebnis war daher an der angegriffenen Entscheidung des Amtsgerichtes Leipzig vom 07.04.2010 festzuhalten.

32. Die Nebenforderungen rechtfertigen sich aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzuges.

33. Die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sind nur teilweise erstattungsfähig, nämlich soweit die Klage erfolgreich war.

34. Die Geltendmachung der Ansprüche des Klägers und der Eheleute … durch den Klägervertreter in voneinander getrennten Verfahren begegnet rechtlichen Bedenken des erkennenden Gerichtes nicht. Die Rechtsordnung kennt eine Verpflichtung zur gemeinsamen Klageerhebung wegen Ansprüchen aus von verschiedenen Rechtspersönlichkeiten geschlossenen Reiseverträgen nicht.

35. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 269 Abs. 3 ZPO. Der Kläger hatte die Kosten zu tragen, soweit die Klage wieder zurückgenommen worden ist.

36. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 ff. ZPO.

37. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des Berufungsgerichte zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

38. Streitwert: 912,60 Euro (§§ 3 ff. ZPO)

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