Nichtbeförderung wegen unzureichender Reiseunterlagen

AG München: Nichtbeförderung wegen unzureichender Reiseunterlagen

Flugreisende klagten auf Schadensersatz wegen Nichtbeförderung und vertaner Urlaubszeit, nachdem sie am Check-In-Schalter wegen unzureichender Reiseunterlagen ihres Sohnes zurückgewiesen worden waren.

Das Amtsgericht München wies die Klage ab, weil das Fehlen von Reisedokumenten eine Nichtbeförderung legitimieren.

AG München 283 C 25289/08 (Aktenzeichen)
AG München: AG München, Urt. vom 14.01.2010
Rechtsweg: AG München, Urt. v. 14.01.2010, Az: 283 C 25289/08
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Amtsgericht München

1. Urteil vom 14. Januar 2010,

Aktenzeichen 283 C 25289/08

Leitsatz:
2. Das Fehlen für die Einreise am Zielort erforderlicher Reisedokumente legitimiert die Verweigerung der Beförderung.

Zusammenfassung:
3. Eine Familie mit Kind wurde beim Check-In für den gebuchten Flug nach Thailand die Beförderung verweigert, weil der Pass des Sohnes nicht mit einem Lichtbild versehen war. Sodann reisten die Kläger nach Besorgung des Dokuments erst drei Tage später mit einem anderen Flug ab. Für die Nichtbeförderung und die nutzlos gewordenen Übernachtungsbuchungen in einer Ferienwohnung begehrten sie vom ausführenden Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung.

Das Amtsgericht München stellte fest, dass Kinder in der Tat für die Einreise nach Thailand einen gültigen Reisepass mit Lichtbild benötigen und die europäische Fluggastrechteverordnung das Fehlen erforderlicher Reisedokumente  ausdrücklich als legitimen Grund einer Beförderungsverweigerung nennt. Daher wurde die Klage abgewiesen.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann von der Klagepartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abgewandt werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf EUR 2254,58 festgesetzt.

Tatbestand:

5. Der Kläger fordert von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichtbeförderung des Klägers, seiner Ehefrau und seines Sohnes durch die Beklagte.

6. Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich, seine Frau und seinen Sohn Flugscheine für einen Linienflug von F… nach Bangkok gebucht. Nach erfolgter Bezahlung erhielt der Kläger die Tickets.

7. Der Hinflug sollte am 11.01.2008 erfolgen; in Thailand war ein Aufenthalt in einer vom Kläger gemieteten Ferienwohnung geplant. Der Flug wurde von der Beklagten durchgeführt, jedoch wurden der Kläger und seine Familie von der Beförderung ausgeschlossen. Der Kläger reiste am 11.01.2008 mit seiner Familie mit der Bahn zum Frankfurter Flughafen. Am Check-​in-​Schalter der Beklagten wurde dem minderjährigen Sohn des Klägers kein Einlass gewährt. Für den Sohn des Klägers wurde ein am 17.08.2005 ausgestellter Pass ohne Lichtbild vorgelegt. Eine Mitarbeiterin der Beklagten teilte dem Kläger mit, dass der Pass ohne Foto für die Einreise des Sohnes nach Thailand nicht ausreichend sei. Erforderlich sei vielmehr ein Reisepass mit Foto.

8. In der Folge reisten der Kläger und seine Familie mit der Bahn zurück an ihren Wohnort.

9. Am 14.01.2008 ließ der Kläger den Pass seines Sohnes mit einem Lichtbild versehen und die Familie trat den Flug noch am gleichen Tag erfolgreich an.

10. Infolge der unnützen Anreise zum Flughafen F… am 11.01.2008 und infolge der drei verlorenen Urlaubstage in der gemieteten Ferienwohnung in Thailand entstanden dem Kläger 212,00 Euro Kosten für Bahnfahrten und 242,58 Euro Kosten für nutzlos aufgewandte Miete für die Ferienwohnung in Thailand. Zudem entstanden dem Kläger durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 311,18 Euro.

11. Der Kläger ist der Ansicht, der am 11.01.2008 vorgelegte Pass ohne Lichtbild sei für die Einreise nach Thailand ausreichend gewesen; die Beklagte hätte daher die Beförderung nicht verweigern dürfen.

12. Daneben beantragt der Kläger eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 1.800 Euro gemäß Art. 4 der EU-​Fluggastrechteverordnung und Zinsen seit dem 06.02.2008.

13. Der Kläger beantragt zuletzt:

14. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.254,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-​Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 06.02.2008 zu zahlen

15. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 311,18 Euro zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5%-​Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 13.02.2008.

16. Die Beklagte beantragt:

17. Klageabweisung.

18. Die Beklagte ist der Ansicht, der am 11.01.2008 vorgelegte Pass ohne Lichtbild sei für die Einreise nach Thailand nicht ausreichend gewesen, vielmehr sei für die Einreise nach Thailand die Vorlage eines Passes mit Lichtbild erforderlich gewesen; die Beförderung durch die Beklagte sei daher zu Recht verweigert worden.

19. Das Gericht hat mit Beschluss vom 14.09.2009 ein Ersuchen um Erteilung amtlicher Auskünfte an das Auswärtige Amt, Berlin, gerichtet. Hinsichtlich der erteilten Auskünfte wird auf die Antwort des Auswärtigen Amtes vom 17.11.2009 und vom 27.11.2009 Bezug genommen.

20. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und auf das Protokoll der Sitzung des Amtsgerichts München vom 01.12.2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

21. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

22. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das angerufene Gericht sachlich und örtlich zuständig gem. §§ 21, 29 ZPO, 23 Nr. 1 GVG.

23. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht zu.

24. Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Bahnfahrten könnte auf § 280 BGB gestützt werden, es fehlt jedoch an einer von der Beklagten begangenen Pflichtverletzung.

25. Auch der Anspruch auf Entschädigung aus Art. 7 der EU-​Fluggastverordnung (Verordnung EG Nr. 261/2004) steht dem Kläger nicht zu, da vertretbare Gründe für die Nichtbeförderung gemäß Art. 2 j) der Verordnung vorliegen. Art. 2 j) nennt als vertretbare Gründe für die Nichtbeförderung ausdrücklich unzureichende Reiseunterlagen.

26. Die Beförderung des Sohnes des Klägers wurde zu Recht von der Beklagten verweigert. Bei dem am 11.01.2008 vorgelegten Pass ohne Lichtbild (Ausstellungsdatum 17.08.2005) handelt es sich gemäß § 18 der Passverordnung lediglich um einen Passersatz. Als Pass im Sinne des Passgesetzes gelten gemäß § 28 I PassG Kinderreisepässe, die vor dem 01.11.2007 ausgestellt worden sind, wenn diese mit einem Lichtbild versehen sind. Der vorgelegte Pass war aber gerade nicht mit einem Lichtbild versehen.

27. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.11.2009 und vom 27.11.2009 benötigen deutsche Kinder und Jugendliche für die Einreise nach Thailand mindestens seit November 2007 einen gültigen Reisepass mit Lichtbild. Die Beförderung des Sohnes der Klägerin wurde daher am 11.01.2008 zu Recht verweigert, da für den Sohn ein gültiges Reisedokument nicht vorgelegt wurde.

28. Auch die vom Kläger vorgelegten Einreise- und Visabestimmungen für Thailand vom Königlich Thailändischen Honorargeneralkonsulat (Stand 24.03.2007) können an dieser Einschätzung nichts ändern. Nach diesen Einreisebestimmungen werden in Thailand neue deutsche Kinderreisepässe anerkannt. Die Bestimmungen datieren jedoch vom 24.03.2007. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Bestimmungen auch am 11.01.2008 galten, zumal im November 2007 das deutsche Passgesetz nouvelliert wurde.

29. Das von der Klagepartei beantragte Sachverständigengutachten (Rechtsgutachten) wird nicht erholt. Bei der Frage, ob am 11.01.2008 für die Einreise nach Thailand ein Reisepass mit Lichtbild erforderlich war oder nicht, handelt es sich um eine reine Rechtsfrage. Die Beurteilung von Rechtsfragen ist ureigene Aufgabe des Gerichts, so dass es eines Rechtsgutachtens nicht bedarf. Das Gericht geht davon aus, dass sich Reisende auf die Auskünfte des Auswärtigen Amtes verlassen dürfen. Da nach Angabe des Auswärtigen Amtes am 11.01.2008 für die Einreise nach Thailand ein Kinderreisepass ohne Lichtbild erforderlich war, den der Kläger gerade nicht vorlegen konnte, liegt eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht vor. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz.

30. Da sich die Beklagte nicht im Verzug befand, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280 II, 286 BGB; die Klage war daher abzuweisen.

31. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO

32. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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