Mangelhaftigkeit der Hotelunterkunft infolge Kinderlärms und Massenabfertigung bei Mahlzeiten

LG Kleve: Mangelhaftigkeit der Hotelunterkunft infolge Kinderlärms und Massenabfertigung bei Mahlzeiten

Hotelurlauber forderten eine Reisepreisminderung, weil in dem Ferienhotel Kinder waren, die sich beim Spielen Lärm machten und weil sie sich im Restaurant „abgefertigt“ fühlten. Die Klage wurde abgewiesen, da Kinderlärm keinen Reisemangel darstellt und die Bedingungen bei der Verköstigung der Hotelkategorie angemessen waren.

LG Kleve 6 S 34/96 (Aktenzeichen)
LG Kleve: LG Kleve, Urt. vom 20.12.1996
Rechtsweg: LG Kleve, Urt. v. 20.12.1996, Az: 6 S 34/96
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Landgericht Kleve

1. Urteil vom 20. Dezember 1996

Aktenzeichen 6 S 34/96

Leitsatz:

2. Kinder in einem Ferienhotel begründen keinen Reisemangel.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten als Reiseveranstalterin eine Urlaubsreise in ein Ferienhotel gebucht. Dieses war familienfreundlich gestaltet, sodass viele Paare ihre Kinder mitnahmen. Die Kinder verhielten sich kindgemäß, beherrschten somit keine Tischmanieren, waren laut, stets in Gruppen unterwegs und hielten sich auch im Fernseh- und Aufenthaltsraum auf. Das empfand der Kläger als Reisemangel, da er in dem Hotel keine Erholung fand und verklagte die Reiseveranstalterin auf Schadensersatz. Außerdem rügte er die in seinen Augen „Massenabfertigung“ der Hotelgäste bei der Verköstigung im hoteleigenen Restaurant.

Das Gericht wies die Klage als unbegründet ab. Demnach ist ein kindgemäßes Verhalten nie als Reisemangel einzustufen. Kein Reisender kann verlangen, dass sich Kinder im Urlaub ruhig und zurückhaltend verhalten. Vielmehr habe der Kläger mit der Buchung in einem familienfreundlichen Hotel konkludent eingewilligt, Lärm ausgesetzt zu sein. Gleiches gilt für die Massenabfertigung bei der Verköstigung. Der Kläger hatte ein großes Mittelraumhotel zur Hochsaision gebucht und seine Vorstellung romantischer Restaurantathmosphäre war daher eine Fehlerwartung seinerseits, für deren Enttäuschung die Beklagte nicht haften musste.

Tenor

1.

4. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts … vom 7. Dezember 1995 … wird zurückgewiesen.

2.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Gründe

5. Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

6. Im Ergebnis richtig und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht dahin entschieden, daß die Pauschalreise des Klägers und seiner Reisebegleiterin nach … (Zielgebiet …) in der Zeit vom 7. bis zum 21. Juni 1995 nicht fehlerhaft im Sinne des § 651 c BGB gewesen ist. Deswegen kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung. Im einzelnen ist hierzu folgendes auszuführen:

I.

7. Auch im Berufungsrechtszug hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, daß von den Kindern anderer Reiseteilnehmer im Hotel Lärm in einem solchen Ausmaß verursacht wurde, daß ein Reisemangel vorgelegen hat. Kein Reiseteilnehmer kann ernsthaft erwarten, daß Kinder sich in einem Ferienhotel stets ruhig und gesittet verhalten. Der kindliche Bewegungsdrang sowie das Spielen und Herumtollen von Kindern in einer Gruppe ist unvermeidbar mit Lärmimmissionen verbunden, die keinen Reisemangel darstellen. Umstände, aus denen sich ergeben könnte, daß und wenn ja in welchen Zeitabschnitten die durch Kinder hervorgerufenen Lärmbeeinträchtigungen darüber hinausgingen, hat der Kläger nicht dargetan. Sein zweitinstanzlicher Vortrag, der von den Kindern verursachte Lärm habe über dem zumutbaren Pegel gelegen, ist ebenso unsubstantiiert wie die erstinstanzlich vorgetragene rein subjektive Bewertung des Klägers, der Lärm habe das üblicherweise hinzunehmende Maß überschritten. Dies mag zwar der subjektive Eindruck des Klägers und seiner Lebensgefährtin gewesen sein, weil sie nach eigenem Vorbringen sehr empfindlich auf Kinderlärm reagieren und sich hierdurch besonders schnell gestört fühlen. Dies bedeutet indessen nicht, daß jeder von Kindern in der Hotelanlage verursachte Lärm als Reisemangel angesehen werden kann, da auf das Empfinden des objektiven Durchschnittsreisegastes abzustellen ist, der von den Kindern der Hotelgäste nichts anderes als das übliche kindgerechte Verhalten erwartet.

8. Die Auffassung des Klägers, er habe nicht damit rechnen können, daß sich in der Hotelanlage viele Familien mit Kindern aufhalten würden, ist schon im Hinblick auf die vom Kläger gewählte Hauptreisezeit im Sommer abwegig.

II.

9. Daß die Kinder der anderen Reiseteilnehmer ebenfalls die hoteleigenen Einrichtungen wie Fernseh- und Aufenthaltsräume benutzt haben, stellt ebenfalls keinen Reisemangel dar. Sie hatten als Reisegäste Anspruch auf Benutzung der Räume. Daß der Kläger die Fehlvorstellung hatte, er habe Anspruch darauf, in diesen Aufenthaltsräumen ein „stilles Plätzchen“ finden zu können, kann der Beklagten nicht angelastet werden, weil sie diese falsche Vorstellung nicht geweckt hat. Daß der Kläger aus dieser falschen Vorstellung keinen Reisemangel daraus herleiten kann, daß die Aufenthaltsräume keine „kinderfreie Zone“ waren, liegt auf der Hand.

III.

10. Hinsichtlich der vom Kläger beanstandeten Essmanieren der Kinder gilt nichts anderes. Auch insoweit hat der Kläger kein ungewöhnliches, für Kinder atypisches Verhalten geschildert. So ist es durchaus nicht ungewöhnlich, daß kleine Kinder im Essen herummanschen und hierbei die Tischdecke bekleckern. Jeder verständige Reisegast weiß auch, daß es Kleinkindern schwer fällt, längere Zeit still zu sitzen, und man daher damit rechnen muß, daß einige Kinder nicht am Tisch sitzen bleiben, bis ihre Eltern mit dem Essen fertig sind, sondern im Speisesaal herumlaufen. Daß der Kläger sich durch dieses Kinderverhalten in seinem ästhetischen Empfinden und in seinem Ruhebedürfnis gestört gefühlt hat, begründet keinen Reisemangel.

IV.

11. Das Abendessen war ebenfalls nicht fehlerhaft im Sinne des § 651 c BGB. Vielmehr gilt auch hier, daß der Kläger offensichtlich erhebliche Fehlvorstellungen hatte, als er die hier in Rede stehende Reise buchte. Der Kläger hat sich für seinen Urlaub eine dem Massentourismus dienende große Hotelanlage der Mittelklasse ausgesucht. Aus den Abbildungen der Hotelanlage im Prospekt ist deutlich zu erkennen, daß es sich um eine der sogenannten „Bettenburgen“ handelt, wie sie zahlreich auf … errichtet wurden. Der Kläger hat die Hauptreisezeit im Sommer gewählt. Dies bedingt zwangsläufig – und ist daher für jeden verständigen Reisenden sofort erkennbar –, daß es beim Abendessen in dieser Hotelanlage zu einer „Massenabfertigung“ im Speisesaal kommen wird, und das Abendessen daher in erster Linie der Nahrungsaufnahme dient. Der Kläger hatte stattdessen erwartet, daß sich jedes Abendessen wie ein Besuch in einem Restaurant der gehobenen Mittelklasse gestaltet. So ist es zu erklären, daß er ein „ruhiges und erholsames“ Abendessen abseits des „üblichen Alltagsstresses“ in der gebuchten Hotelanlage nicht genießen konnte, um zu zweit den Tag ausklingen zu lassen. Der Kammer fehlt es auch nicht an Einfühlungsvermögen, um nachempfinden zu können, daß der Kläger angesichts seiner Erwartungshaltung darüber hinaus eine ansprechend gestaltete Tischdekoration, Candlelight sowie einen Stehgeiger, der zum Abendessen aufspielt, schmerzlich vermißt haben könnte. Hierin liegt jedoch ebenfalls kein Reisemangel, weil nach Art und Zuschnitt der Hotelanlage der Mittelklasse kein Reisegast ein Abendessen mit dem „Ambiente eines guten Restaurants“ erwarten durfte und ein solches Abendessen von der Beklagten demgemäß auch nicht geschuldet war. Eine Zusicherung, er könne jeden Abend ein Essen „mit kommunikativer Phase“ einnehmen, hatte die Beklagte dem Kläger nicht gegeben.

12. Im Zuge des Massentourismus ist es ferner üblich, daß die Gäste ihre Mahlzeiten in mehreren Schichten einnehmen müssen, weil der zur Verfügung stehende Speisesaal von seiner Kapazität her nicht für alle Gäste zur gleichen Zeit Plätze bietet. Daß es hierdurch zu Wartezeiten von 5 bis 10 Minuten kommen kann, bevor ein Platz im Speisesaal frei wird, ist demgemäß ebenfalls kein Reisemangel.

V.

13. Schließlich hat der Kläger keinen Reisemangel im Servicebereich schlüssig dargelegt.

14. Die Beklagte schuldete nicht, während des Abendessens eines Tages jedes Mal die Tischwäsche zu wechseln, sobald ein Gast am Tisch seine Mahlzeit eingenommen hat. Ebensowenig mußte sie dafür sorgen, daß der Tisch jedesmal für den nachfolgenden Gast gewischt wird.

15. Dies war sicherlich nur dann erforderlich, wenn der Tisch und die Tischwäsche vom vorangegangenen Gast verschmutzt zurückgelassen wurde. Ob, wann und wie oft dies der Fall war und der Kläger und seine Lebensgefährtin daher an einem Tisch mit verschmutzter Tischdecke ihr Abendessen einnehmen mußten, hat der Kläger nicht vorgetragen. Deswegen kann die Kammer nicht feststellen, daß seine Reise durch einen verschmutzten Tisch im Speisesaal tatsächlich beeinträchtigt wurde. Allein der Umstand, daß es im Speisesaal Tische gab, an denen Gäste trotz einer beschmutzten Tischdecke ihr Abendessen eingenommen haben, stellt keinen Reisemangel dar, selbst wenn hierdurch bereits das sensible ästhetische Empfinden des Klägers nachhaltig tangiert wurde.

VI.

16. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Reiseleiterin sich bei dem Gespräch, das er im Zuge der Mängelanzeige mit ihr geführt hat, nicht so benommen, daß in ihrem Benehmen ein Reisemangel erblickt werden könnte. Der Kläger hatte keinen Anspruch darauf, die Reiseleiterin bei der Arbeit mit der Videokamera zu filmen, um ihre Reaktionen und Antworten auf die erhobenen Beanstandungen im Bild festzuhalten, so daß die Reiseleiterin es sich zu Recht verboten hat, daß der Kläger sie mit der Videokamera aufnimmt. Weil der Kläger die Videokamera gleichwohl nicht abgestellt hat, stellt es auch ein angemessenes Verhalten der Reiseleiterin dar, daß sie sich der Hilfe der örtlichen Polizei bedient hat, um den Kläger zur Aufgabe seines Verhaltens zu bewegen.

VII.

17. Weil die Reise des Klägers nicht fehlerhaft im Sinne des § 651 c BGB gewesen ist, stehen dem Kläger weder ein Anspruch auf Aufwendungsersatz wegen des Hotelwechsels gemäß § 651 c Abs. 3 BGB zu noch ein Anspruch auf Minderung des Reisepreises gemäß § 651 d Abs. 1 BGB. Schadensersatzansprüche gemäß § 651 f Abs. 1 BGB scheiden ebenfalls aus.

18. Weil dem Kläger keine Ansprüche gegen die Beklagte zustehen, ist die Beklagte schließlich auch nicht verpflichtet, die zur Geltendmachung der vermeintlichen Ansprüche entstandenen Rechtsanwaltskosten zu erstatten.

VIII.

19. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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