Magen-Darm-Erkrankung infolge defekter Kläranlage

LG Duisburg: Magen-Darm-Erkrankung infolge defekter Kläranlage

Eine Reisende buchte bei einem Reisedienstleister eine Reise ans Meer. Infolge der Reise erlitt die Reisende einen Magen-Darm-Infekt, den sie auf verschmutztes Meerwasser zurückführte. Durch einen Medienbericht aus dieser Zeit sah sie ihren Verdacht als bestätigt an.

Die Reisende machte deswegen eine Reisemängelanzeige und verlangte eine Reisepreisminderung vom Reiseveranstalter. Dieser wies die Ansprüche der Reisenden jedoch zurück. Daraufhin verklagte die Reisende den Reiseveranstalter vor dem Amtsgericht (kurz: AG) Duisburg. Dieses wies die Klage ab und die Reisende zog zur Berufung vor das Landgericht (kurz: LG) Duisburg. Dieses wies die Berufung zurück.

LG Duisburg 5 S 91/15 (Aktenzeichen)
LG Duisburg: LG Duisburg, Urt. vom 23.02.2016
Rechtsweg: LG Duisburg, Urt. v. 23.02.2016, Az: 5 S 91/15
AG Duisburg, Az: 50 C 1879/15
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Landgericht Duisburg

1. Urteil vom 23. Februar 2016

Aktenzeichen 5 S 91/15

Leitsätze:

2. Allein ein Verdacht, dass eine Erkrankung auf einen Reisemangel zurückzuführen ist, ist nicht ausreichend um Ansprüche geltend zu machen.

Ein Verdacht, dass eine Krankheit auf einen Reisemangel zurückzuführen ist, muss hinreichend belegt sein, um Ansprüche geltend machen zu können.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin buchte bei dem beklagten Reiseveranstalter eine Reise mit einem Aufenthalt in einem Hotel in der Nähe des Meeres. Vor Ort badete die Klägerin im dortigen Meerwasser und erlitt einen Magen-Darm-Infekt. Aufgrund medialer Berichterstattung während dieser Zeit erfuhr sie, dass das Meerwasser an ihrem Urlaubsort aufgrund einer defekten Kläranlage verschmutzt war und eine Vielzahl anderer Personen ebenfalls nach dem Baden im Meer erkrankten.

Die Klägerin führte daher ihre Erkrankung auf die defekte Kläranlage zurück und forderte vom Beklagten eine Preisminderung wegen Reisemängeln. Der Beklagte wies die Forderung zurück. Daraufhin verklagte die Klägerin den Beklagten vor dem AG Duisburg.

Das AG Duisburg wies die Klage ab, da die Klägerin nicht beweisen konnte, dass ihre Erkrankung auf das verunreinigte Meerwasser zurückzuführen war. Dafür wäre eine Stuhlprobe, sowie eine Probe des Meerwassers aus diesem Zeitraum erforderlich gewesen. Beides konnte die Klägerin nicht vorbringen. Die Klägerin zog daraufhin vor das LG Duisburg, da das AG kein Sachverständigengutachten eingeholt hatte. Das LG Duisburg wies die Berufung zurück, ein Sachverständigengutachten sei zwecklos gewesen, da keine Stuhlprobe der Klägerin während der Erkrankung vorlag. Auch ein Zeugenbericht wurde zurückgewiesen, da der Zeuge mangels fehlender Expertise nicht zur Klärung des Sachverhalts hätte beitragen können. Auch der Verweis auf den Medienbericht sei nicht ausreichend um Ansprüche zurechtfertigen, da die Angeklagte keine der erkrankten Personen ausfindig gemacht hatte.

Tenor:

4. weist die Kammer darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit, innerhalb eines Monats ab Zugang dieses Beschlusses zu der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.

Die Rücknahme der Berufung ist kostenrechtlich priviligiert. Es fallen statt 4 nur 2 Gerichtsgebühren an (Nr. 1422 KV zu § 3 Abs. 2 GKG).

Gründe:

5. Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

6. Das Amtsgericht hat zutreffend allein die Flugverspätung als Mangel feststellen können und insbesondere weder eine Reisepreisminderung noch einen Schadensersatzanspruch auf die Magen-Darm-Erkrankung infolge eines Defekts der Kläranlage gestützt.

7. Wegen der im Zusammenhang mit der Erkrankung behaupteten Umstände kommt eine Reisepreisminderung nicht in Betracht, weil die Klägerin dafür beweisfällig geblieben ist, dass die Erkrankung auf Umständen beruhte, die der Beklagten zuzurechnen sind. Die Beklagte hat eine solche Kausalität bestritten, ohne dass die Klägerin dazu einen tauglichen Beweis angeboten hätte. Hierauf beziehen sich ersichtlich auch die Ausführungen des Amtsgerichts auf S. 5 des angegriffenen Urteils. Die Klägerin kann den Beweis, dass ihre Erkrankung auf Umstände zurückzuführen ist, die im Verantwortungsbereich der Beklagten liegen, mit den angebotenen Beweismitteln nicht führen. Sie hat lediglich Indizien vorgetragen. Sie verkennt jedoch, dass eine Beweisaufnahme über Indiztatsachen nur einen Sinn ergibt, wenn diese bei Unterstellung als wahr den Schluss auf die zu beweisende Haupttatsache zulassen. Hierzu sind die vorgetragenen Indizien, nämlich das Auftreten einer Magen-Darm-Grippe einerseits und das verunreinigte Meerwasser andererseits, indessen nicht geeignet. Denn es ist allgemein bekannt, dass Magen-Darm-Erkrankungen verschiedene Ursachen haben können. Daher ist ohne einen Abgleich der Erreger aus dem Stuhl der Klägerin mit einer Probe belasteten Meerwassers o. ä. der Kausalitätsnachweis im strengen Sinne nicht zu führen. Weil die vorgenannten Daten infolge einer unterlassenen Beweissicherung vor Ort nicht zur Verfügung stehen, könnte selbst ein Sachverständiger allenfalls Aussagen über statistische Wahrscheinlichkeiten treffen, die zur Beweisführung im Sinne der ZPO nicht ausreichen. Daher stellt es entgegen dem Berufungsvorbringen keinen Rechtsfehler dar, dass das Amtsgericht kein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Die Nichteinholung steht insbesondere auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die von der Klägerin zitiert wird. Denn es ist auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin völlig ausgeschlossen, dass aus einem Sachverständigengutachten ohne Entnahme einer Stuhlprobe und einer zum Abgleich dienenden Wasserprobe zum damaligen Zeitpunkt jetzt noch eine Kausalität zwischen einer etwaigen Verschmutzung des Meerwassers und der Erkrankung der Klägerin festgestellt werden kann.

8. Auch die vorgelegte ärztliche Bescheinigung (Anlage K2), die aus der Zeit nach Urlaubsrückkehr stammt, vermag entsprechenden Beweis nicht zu erbringen, denn die behandelnde Ärztin hat zu der Ursache der Infektion und dem Krankheitsverlauf unmittelbar nach der Infektion keine Angaben machen können, sondern nur das spätere Krankheitsbild festgestellt.

9. Unterstellt, der Vortrag zur Entstehung der Krankheit wäre in das Zeugnis des Zeugen Q (S. 2 des Schriftsatzes vom 15.07.2015) gestellt, so wäre auch diesem Zeugenbeweis nicht nachzugehen. Die Ursache einer Erkrankung kann durch Zeugen nicht bewiesen werden. Es handelt sich dabei um einen Vorgang innerhalb des menschlichen Körpers, der für einen Dritten allenfalls nachzuvollziehen ist, wenn er über die dazu erforderlichen medizinischen Kenntnisse verfügt. Dies ist hinsichtlich des benannten Zeugen weder vorgetragen noch ersichtlich.

10. Schließlich kommt der Klägerin auch keine Beweiserleichterung nach den Regeln des sog. Anscheinsbeweises zugute. Nach gefestigter Rechtsprechung kommt die Anwendung des Anscheinsbeweises im Reiserecht bei Erkrankungen durch verdorbene Speisen in Betracht (Führich, Reiserecht, 7. Auflage 2015, § 11, Rn. 27, 107). Diese Fallkonstellation ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, denn bei einem Defekt einer Kläranlage handelt es sich um einen außerhalb des Organisationsbereichs des Reiseveranstalters liegenden Mangel. In der Fallgruppe der verdorbenen Speisen besteht nach der Rechtsprechung gerade dann keine Einstandspflicht des Reiseveranstalters (Führich, a. a. O., Rn. 107 unter (3)). Darüber hinaus müsste unstreitig sein oder zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass eine Vielzahl von Reisenden während des gleichen Zeitraums an den gleichen Symptomen erkrankt ist. Auch dies ist vorliegend nicht der Fall, denn die Klägerin hat auf den Hinweis des Gerichts und auch in der Berufungsbegründung nicht ausreichend substantiiert zu der behaupteten Magen-Darm-Erkrankung und der erforderlichen Kausalität vorgetragen. Der Reisende muss für das Eingreifen eines Anscheinsbeweises Art, Dauer und Intensität nicht nur der eigenen Erkrankung, sondern auch den etwaigen Krankheitsverlauf der angeblich erkrankten Mitreisenden substantiiert vortragen. Bis auf die pauschale Behauptung, es sei eine Vielzahl von Personen erkrankt und darüber gebe es eine mediale Berichterstattung, hat die Klägerin nichts vorgetragen.

11. Entgegen dem Berufungsvorbringen ist es der Klägerin gerade nicht unzumutbar, die erforderliche Vielzahl von Zeugen ausfindig zu machen und dem Gericht namentlich zu benennen, denn nur so wäre dem Gericht eine Beweisaufnahme zur Klärung der Grundlagen des Anscheinsbeweises (vorbehaltlich von dessen Anwendbarkeit im vorliegenden Fall, s. o.) möglich gewesen. Der pauschale Vortrag zu der großen Anzahl erkrankter Hotelgäste ist, worauf das Amtsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat, ungeeignet, um darauf eine Beweisaufnahme zu stützen.

12. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung der Kammer auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

 

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