Kostenfreie Stornierung einer Hotelbuchung

OLG Frankfurt: Kostenfreie Stornierung einer Hotelbuchung

Die Beklagte Reiseveranstalterin hatte bei der Klägerin, einer Hotelbetreiberin, für eine Reisegruppe von 48 Personen verbindlich einen einwöchigen Aufenthalt in deren Hotel gebucht. Allerdings stornierte sie die Reservierung wenig später aufgrund „zu geringer Teilnahme“, was die Klägerin für eine unrechtmäßige Stornierung hält. Sie fordert die Beklagte auf, die Kosten für en gebuchten Aufenthalt abzgl. 30% wegen gesparter Aufwendungen zu begleichen.

Das Oberlandesgericht in Frankfurt weist die Berufung der Beklagten ab und spricht der Klägerin den geforderten Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu.  Der Reisevertrag, den die Beklagte mit der Klägerin abgeschlossen hatte, konnte nicht storniert werden und folglich müsse die Beklagte auch die gesamten, von der Klägerin geforderten Kosten tragen.

OLG Frankfurt 17 U 91/98 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 20.12.2000
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 20.12.2000, Az: 17 U 91/98
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Hessen-Gerichtsurteile

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

1. Urteil vom 20. Dezember 2000

Aktenzeichen: 17 U 91/98

Leitsatz:

2. Die kostenfreie Stornierung einer Hotelbuchung nach bestätigter Reservierung durch einen Reiseveranstalter ist nicht möglich.

Einen Handelsbrauch, der eine Stornierung bis vier Wochen vor Antritt ermöglicht, existiert im Fichtelgebirge nicht.

Zusammenfassung:

3. Die Beklagte Reiseveranstalterin hatte bei der Klägerin, einer Hotelbetreiberin, für eine Reisegruppe von 48 Personen einen einwöchigen Aufenthalt in deren Hotel gebucht. Nachdem die Beklagte von der Klägerin eine Buchungsbestätigung erhalten hatte, stornierte sie die Reservierung wenig später aufgrund „zu geringer Teilnahme“. Die Klägerin erklärte, dass die nicht möglich sei und forderte den Betrag für die getätigte Buchung.

Weil die Beklagte dieser Zahlungsaufforderung nicht nachkam, fordert die Klägerin diesen nun gerichtlich ein. Die Beklagte beruft sich in ihrem Handeln dagegen auf einen Handelsbrauch, nachdem im Fichtelgebirge eine Kündigung bis zu vier Wochen vor dem Aufenthalt üblicherweise möglich sei.

Das Oberlandesgericht in Frankfurt weist die Berufung der Beklagten ab. Der Klägerin steht der geforderte Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu.  Der gültige Reisevertrag, den die Beklagte mit der Klägerin abgeschlossen hatte, konnte nicht storniert werden und folglich müsse die Beklagte auch die gesamten Kosten abzgl. 30% wegen gesparter Aufwendungen tragen.

Ein entsprechendes Rücktrittsrecht ergebe sich aus den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen nicht. Auch bei einer durchgeführten Beweisaufnahme wurde vom Gericht festgestellt, dass es im Bereich des Fichtelgebirges keinen Handelsbrauch dahingehend gibt, daß ein Reiseveranstalter von einem Hotelreservierungsvertrag noch 4 Wochen vor der vorgesehenen Ankunft kostenfrei stornieren könne, wie die Beklagte behauptet hatte.

Tenor:

4. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 20.04.1998 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt 14.661,65 DM.

Tatbestand:

5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

6. Die Beklagte betreibt ein Omnibusunternehmen. Ihr Geschäftsführer besuchte im Oktober 1996 die Klägerin, die in Erbendorf das Hotel-Restaurant, betreibt und besprach anläßlich seines Besuches die Buchung von Hotelzimmern durch die Beklagte. Nachdem ihr von der Klägerin ein Angebotsschreiben zugesandt wurde, wegen dessen Inhalts auf Blatt 7 d. A. verwiesen wird, fragte die Beklagte bei der Klägerin an, ob diese für die Zeit vom 13.07.1997 bis zum 20.07.1997 für eine Reisegruppe von ca. 48 Personen Hotelzimmer zur Verfügung stellen könnte. Dies wurde seitens der Klägerin mit Telefax vom selben Tage bejaht, woraufhin die Beklagte um Reservierung in der angegebenen Zeit für ca. 48 Personen bat. Die Klägerin reagierte hierauf mit Schreiben vom 29.11.1996 und teilte der Beklagten mit: „Gerne reservieren wir Ihnen verbindlich und fix für Ihre Reisegruppe mit etwa 48 Personen die Zeit vom 13.07. bis 20.07.1997 mit etwa 22 Doppelzimmern und 5 Einzelzimmern“. Am 04.06.1997 sandte die Beklagte an die Klägerin ein Schreiben, in dem es heißt, „leider müssen wir die oben genannte Buchung wegen zu geringer Beteiligung stornieren. Wir bitten um Ihr Verständnis.“ Die Klägerin lehnte die Stornierung mit Schreiben vom 05.06.1997 ab und übersandte der Beklagten ihre Rechnung vom 01.08.1997 (Bl. 16, 17 d. A.).

7. Die Klägerin macht, nachdem seitens der Beklagten eine Zahlung nicht erfolgte, Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend. Sie geht bei der Berechnung des geforderten Betrages von einer Reisegruppe von 45 Leuten aus, setzt die Preise ihres Angebots in Höhe von 76,00 DM pro Person für ein Doppelzimmer und in Höhe von 83,00 DM pro Person für ein Einzelzimmer an und zieht sodann von der Summe wegen ersparter Aufwendungen 30% ab und gelangt so zu der Klageforderung in Höhe von 14.661,65 DM.

8. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

9. Die Beklagte behauptet, sie sei zur Stornierung der Reise berechtigt gewesen, da in dem Gebiet, in dem die Klägerin ihr Hotel betreibt (südliches Fichtelgebirge) ein Handelsbrauch gelte, nachdem bis zu 4 Wochen vor Reiseantritt kostenlos storniert werden könne.

10. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Sachverständigenstellungnahme der Industrie- und Handelskammer München zu der Frage, ob der von der Beklagten behauptete Handelsbrauch besteht bzw. zum fraglichen Zeitpunkt (1996/1997) im Gebiet des südlichen Fichtelgebirges bestand. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gutachterliche Äußerung der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern vom 11.07.2000 (Bl. 141 d. A.) Bezug genommen.

11. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

12. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu, da durch die Beklagte die zwischen den Parteien geschlossene „Reservierungsvereinbarung“ nicht storniert werden konnte. Ein entsprechendes Rücktrittsrecht ergibt sich weder aus den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen, noch kann nach durchgeführter Beweisaufnahme davon ausgegangen werden, daß sich ein solches Rücktrittsrecht aus Handelsbrauch ergibt.

13. Die Industrie- und Handelskammer München führt in ihrer Stellungnahme vom 11.07.2000 aus, daß sie bei 135 Reiseveranstaltern und 150 Hotelbetrieben hinsichtlich der Stornierung von Buchungen von Reisegruppen angefragt habe. Auf ihre Anfrage bei Reiseveranstaltern habe sie 25 Rückläufe und auf ihre Anfrage bei Hotelbetrieben 34 Antworten erhalten. 75% der Reiseveranstalter hätten erklärt, sie würden bis 4 Wochen vor Reiseantritt Buchungen von Reisegruppen stornieren. Bei den Hotelbetrieben, die geantwortet hätten, würden 60% in Geschäftsbeziehungen zu Reiseveranstaltern stehen und Reisegruppen aufnehmen. Drei der Hotelbetriebe, die auf die Anfrage der IHK reagierten, hätten angegeben, kostenfreie Stornierungen völlig abzulehnen. Bis auf 2 weitere Ausnahmen, so heißt es in der gutachterlichen Äußerung der IHK weiter, pendele sich die Möglichkeit zur kostenlosen Stornierung bei 4-6 Wochen vor Ankunft ein. Eine schriftliche Fixierung erfolge nur bei 2 Betrieben. Schließlich heißt es, daß die Frage der Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund der Stornierung von den Hotelbetrieben fallweise geregelt werde. Als Gründe für den Verzicht auf die Durchsetzung von Ansprüchen werde in erster Linie die Pflege der Geschäftsverbindungen und Kulanz gegenüber den stornierenden Reiseveranstaltern genannt.

14. Nach all dem kann von einer „herrschenden“ tatsächlichen Übung, wie sie die Beklagte für den Bereich des Fichtelgebirges behauptet, keine Rede sein. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die Antwort von 34 Unternehmen der Hotelbranche, die sich an der Befragung beteiligt haben und von denen wiederum nur 60% und damit etwa 20 Hotels in Geschäftsbeziehungen zu Reiseunternehmern stehen und Reisegruppen aufnehmen, eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Handelsbrauchs bieten können. Von einer durchgängigen Übung kann nämlich bereits deshalb keine Rede sein, weil die befragten Hotels offensichtlich „fallweise“ entscheiden, ob sie eine Stornierung 4 Wochen vor dem vereinbarten Eintreffen einer Reisegruppe akzeptieren oder nicht. Von einem generellen sanktionslosen Akzeptieren der Abbestellung reservierter Zimmer kann daher nicht ausgegangen werden, so daß es als Handelsbrauch auch nicht Inhalt des zwischen den Parteien im November 1996 geschlossenen Hotelreservierungsvertrages geworden ist.

15. Der Senat nimmt damit Abstand von seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. NJW-RR 1986, 911), da die dieser zugrunde liegende und sich aus einem seinerzeit vom Senat bei seiner Entscheidung verwerteten Gutachten des DIHT ergebende Annahme, die Möglichkeit der kostenlose Stornierung von Hotelzimmern sei im Verhältnis zwischen Reiseunternehmen und Hotelbetrieben üblich, in dieser generellen Form nicht mehr zutreffend ist.

16. Dem zwischen den Parteien geschlossenen Reservierungsvertrag liegt auch keineswegs seiner Natur nach das von der Beklagten angenommene Rücktrittsrecht inne. Der BGH hat in einer Entscheidung vom 24.11.1976 (NJW 77, 385 ff.) zwar Argumente aufgeführt, die dafür sprechen können, daß einem Zimmerreservierungsvertrag zwischen einem Reiseunternehmen und einem Beherbergungsunternehmen die Möglichkeit einer sanktionslosen Stornierung immanent sein kann, jedoch deutlich gemacht, daß die entsprechenden Feststellungen nur unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls zu treffen seien. Nach den hier gegebenen Umständen kann aber von einer dem Vertrag inne wohnenden Stornierungsmöglichkeit nicht ausgegangen werden. Der BGH hat in dem genannten Urteil ausgeführt, daß Reiseunternehmen häufig in die Lage geraten, Zimmerreservierungen bereits vornehmen zu müssen, bevor sich der tatsächliche Bedarf ermitteln lasse. Dies könne im Einzelfall dazu führen, daß unter Billigkeitsgesichtspunkten bei späterer Stornierung durch das Reiseunternehmen auch das Beherbergungsunternehmen seinen Anteil an dem Risiko zu tragen habe, wenn das betroffene Beherbergungsunternehmen durch die Absage die so verfügbar gewordenen Räume kurzfristig disponierenden Kunden überlassen könne. Dies gelte umsomehr, je größer die Kapazität des Hotels sei und je stärker das Hotel auf das Wirken des Reiseunternehmers, d. h. die dauerhafte Verbindung zu ihm angewiesen sei.

17. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Überlegungen kann im vorliegenden Fall von einer der zwischen den Parteien geschlossenen Reservierungsvertrag immanenten sanktionslosen Stornierungsmöglichkeit nicht ausgegangen werden. Bei der Klägerin handelt es sich um einen kleineren Hotelbetrieb, dem auch wegen seiner ländlichen Lage eine kurzfristige Reaktion auf die durch die Beklagte erfolgte Absage nicht möglich war. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang aber auch, daß es der Beklagten vorbehalten gewesen wäre, mit der Klägerin vor dem Hintergrund etwaiger Risiken eine Stornierungsmöglichkeit zu vereinbaren. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr hat die Beklagte mit Schreiben vom 28.11.1996 definitiv Hotelzimmer für 48 Personen reservieren lassen und um entsprechende Bestätigung, die am 29.11.1996 erfolgte, gebeten. Für die Klägerin bestand daher überhaupt kein Anlaß anzunehmen, daß die von der Beklagten avisierte Reisegruppe kurzfristig diese Reise absagen würde.

18. Der Klage stehen auch der Höhe nach keine Bedenken entgegen. Hier kann auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen werden, gegen die sich die Beklagte mit ihrer Berufung auch nicht wendet. Durch den von der Klägerin angesetzten Abzug von 30% sind die von ihr durch die Stornierung der Hotelzimmer ersparten Aufwendungen in ausreichendem Maß berücksichtigt.

19. Die geltend gemachten Zinsen waren der Klägerin als Prozeßzinsen (§§ 291, 288 BGB) zuzusprechen.

20. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 ZPO.

21. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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