Informationspflicht über Pass- und Visumserfordernis, sowie Aufenthaltsbestimmungen

LG Bonn: Informationspflicht über Pass- und Visumserfordernis, sowie Aufenthaltsbestimmungen

Der Kläger hatte bei der Beklagten Tickets gebucht. Wegen der fehlenden Maschinenlesbarkeit des Reisepasses wurde ihm die Einreise verweigert. Er verlangt Schadensersatz.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Dem schloss sich das Landgericht an. Es sei keine Pflicht der Beklagten ersichtlich, die Dokumente des Klägers auf ihre Validität zu prüfen. Soweit sie ihm bei der Ausfüllung des ESTA-Antrages geholfen hatte, sei lediglich eine Gefälligkeit anzunehmen.

LG Bonn 8 S 139/16 (Aktenzeichen)
LG Bonn: LG Bonn, Urt. vom 18.10.2016
Rechtsweg: LG Bonn, Urt. v. 18.10.2016, Az: 8 S 139/16
AG Bonn, Urt. v. 04.05.2016, Az: 111 C 4/16
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Landgericht Bonn

1. Urteil vom 18. Oktober 2016

Aktenzeichen 8 S 139/16

Leitsatz:

2. Die Buchung eines Flugtickets beinhaltet regelmäßig nicht den Anspruch auf Prüfung der Reiseunterlagen.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten Zug- und Flugtickets in die USA gebucht. Wegen der fehlenden Maschinenlesbarkeit des Reisepasses wurde ihm die Einreise verweigert. Er verlangt Schadensersatz.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Dem schloss sich das Landgericht an. Es sei keine Pflicht der Beklagten ersichtlich, die Dokumente des Klägers auf ihre Validität zu prüfen. Soweit sie ihm bei der Ausfüllung des ESTA-Antrages geholfen hatte, sei lediglich eine Gefälligkeit anzunehmen. Ein entsprechender Beratungsvertrag sei nicht geschlossen worden. Der Kläger trage ohnehin ein überwiegendes Mitverschulden.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn (111 C 4/16) wird zurück gewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

5. Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet. Da die Revision nicht zugelassen wurde und der für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht wird, ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig.

II.

6. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch in Höhe von 4.513,23 EUR zu.

7. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 2.521,56 EUR gemäß § 651f. BGB scheidet bereits deshalb aus, da auch nach dem klägerischen Vortrag zwischen den Parteien kein Reisevertrag (vgl. BGH NJW 1983, 35) zu Stande gekommen ist. Eine Analogie im Hinblick auf den von dem Kläger behaupteten Beratungsvertrag scheidet – unabhängig von dessen Zustandekommen – aufgrund der Spezialität des Reiserechts aus.

8. Darüber hinaus steht dem Kläger aber auch ein Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 1.821,67 EUR nicht zu. Zwar könnte entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ein solcher Anspruch aufgrund des von dem Kläger behaupteten Beratungsvertrags in Betracht kommen. Denn der der Kläger hat behauptet, dass die Beklagte es übernommen hätte, die Pässe auf ihre Einreisefähigkeit in die USA zu prüfen. Dann wäre er über Pass- und Visumserfordernisse zu informieren gewesen, soweit dies die Anforderungen betrifft, die sich aus den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen am Reiseziel ergeben; hingegen nicht über solche Umstände, die die Gültigkeit des eigenen Reisepasses betreffen (vgl. zum Reiserecht BGH NJW 2014, 2955f.). Gerade die Maschinenlesbarkeit der Reisepässe ist – unstreitig – Voraussetzung für die Einreise in die USA. Im Gegensatz zu der Gültigkeit, die leicht für jeden Laien durch Inaugenscheinnahme des abgedruckten Datums zu erfassen ist und ihren Ursprung in den passrechtlichen Bestimmungen des Herkunftslandes des Reisenden hat, ist die erforderliche Maschinenlesbarkeit jedoch ein Umstand, welcher sich gerade nicht aus dem Reisedokument selbst sondern aus den Einreisebestimmungen des Reiselandes ergibt.

9. Jedoch ist kein dergestalt weitgehender Beratungsvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen. Dass der Kläger auf Basis des unstreitigen Sachverhaltes bei der Beklagten „Rail&Fly“Tickets erworben hat und diese darüber hinaus bei dem Ausfüllen des ESTA-Antrages behilflich war, führt nicht dazu, dass die Beklagte hinsichtlich der Einreisefähigkeit der Dokumente eine Beratungspflicht inne gehabt hätte. Die rechtliche Argumentation in der von dem Kläger zitierten Entscheidung des Landgerichts Frankfurt (NJW-RR 2001, 1423ff.) lässt sich nicht übertragen. Denn die Beklagte hat entgegen der dortigen Sachlage gerade keine Pauschalreise sondern unstreitig lediglich Bahntickets vermittelt. Auch eine sonstige Einbeziehung in reisevertragliche Schutzpflichten ist aufgrund des unstreitigen Sachverhaltes nicht ersichtlich. Die Kammer kann offen lassen, ob durch die Hilfestellung betreffend den ESTA-Antrag zwischen den Parteien ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis oder mangels Rechtsbindungswillen lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis ohne vertragliche Verpflichtung begründet worden ist (vgl. BeckOK BGB/Sutschet BGB § 241 Rn. 18). Weder das Gefälligkeitsverhältnis noch das rechtsgeschäftliche Schuldverhältnis hätten die von dem Kläger begehrten weiten haftungsrechtlichen Folgen. Das Gefälligkeitsverhältnis kennt lediglich die Deliktshaftung (BeckOK BGB/Sutschet BGB § 241 Rn. 23). Auch das rechtsgeschäftliche Schuldverhätlnis begründet aufgrund der eingeschränkten Willenserklärung betreffend den ESTA-Antrag jedoch keine die Einreisebestimmung berücksichtigende vertragliche Nebenpflicht im Sinne einer Beratungsverpflichtung.

10. Der Kläger hat darüber hinaus nicht bewiesen, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag begründet worden ist, der die Verpflichtung mit umfasst hat, die Reisedokumente auf ihre Tauglichkeit zur Einreise in die USA zu überprüfen. Die Kammer ist nach Durchführung der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des sonstigen Inhalts der mündlichen Verhandlung hiervon nicht unter Ausschluss vernünftiger Zweifel überzeugt. Die Aussagen der beiden klägerseits benannten Zeuginnen N2 und F waren diesbezüglich bereits nicht übereinstimmend. Während die Zeugin N – teils wörtlich – den klägerischen Sachvortrag bestätigte, verneinte die Zeugin F den klägerischen Vortrag ausdrücklich. Da keine der beiden Aussagen vorzugswürdig erscheint, geht dieses offene Beweisergebnis zu Lasten des Klägers.

11. In Folge dessen kann die von dem Amtsgericht aufgeworfene Frage nach einem überwiegenden Mitverschulden des Klägers im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB, welches durchaus zu einem vollständigen Untergehen eines Anspruches des Klägers gegen die Beklagte führen könnte, dahinstehen.

III.

12. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

13. Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO besteht keine Veranlassung. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

14. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 4.513,23 EUR festgesetzt.

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