Haftung des Luftfrachtführers bei Brand im Zolllager
OLG Stuttgart: Haftung des Luftfrachtführers bei Brand im Zolllager
Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung in Anspruch genommen, da die beförderte Ware in einer Lagerhalle am Zielflughafen zerstört wurde.
Die Klage wird vom Oberlandesgericht Stuttgart abgewiesen, da nicht dem Absender sondern dem Empfänger ein Schaden entstanden ist.
OLG Stuttgart | 3 U 12/09 (Aktenzeichen) |
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OLG Stuttgart: | OLG Stuttgart, Urt. vom 10.06.2009 |
Rechtsweg: | OLG Stuttgart, Urt. v. 10.06.2009, Az: 3 U 12/09 |
LG Stuttgart, Urt. v. 17.12.2008, Az: 39 O 53/08 | |
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Leitsatz:
2. Schadensersatzansprüche können nur vom Empfänger gestellt werden da ihm ein Schaden durch den Verlust der beförderten Ware entstanden ist.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung in Anspruch genommen. Die Klägerin übergab der Beklagten Ware zur Beförderung zum Zielort. Nachdem die Ware am Zielflughafen in der Lagerhalle der Beklagten eingestellt war, brach ein Feuer unbekannter Ursache aus und zerstörte die Ware. Die Ware erreichte den eigentlichen Empfänger nicht.
Die Klage wird vom Oberlandesgericht Stuttgart abgewiesen, da nicht dem Absender sondern dem Empfänger ein Schaden entstanden ist und somit nur ihm ein Schadensersatz zusteht.
Tenor:
4. I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LGs Stuttgart vom 17.12.2008, Az. 39 O 53/2008 KfH, wie folgt
a b g e ä n d e r t:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert der Berufungsinstanz: EUR 21.735,00
Tatbestand:
5. Die Klägerin nimmt die Beklagte im Regressweg auf Schadensersatz aus einer Beförderung von Werkzeugen in Anspruch.
Die Klägerin ist führender Transportversicherer der Firma … GmbH & Co. KG mit Sitz in … (im Folgenden: Versicherungsnehmerin). Neben der Klägerin, die einen Versicherungsanteil von 60 % trägt, sind nach dem bestrittenen Vortrag der Klägerin die … AG und die … zu jeweils 20 % an dieser Versicherung beteiligt.
6. Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte mit der Beförderung von zwei Sendungen mit diversen Werkzeugen, bestehend aus einer ersten Sendung aus drei Packstücken mit einem Bruttogewicht von 244,8 kg und einem Warenwert von 28.427,55 € und einer zweiten Sendung aus fünf Packstücken mit einem Bruttogewicht von 560 kg und einem Warenwert von 42.502,74 €, im Wege der Luftfracht von ihrem Sitz in … zu ihrem Schwesterunternehmen, der Firma … A. S., nach Istanbul.
Die Sendungen wurden der Beklagten von der Versicherungsnehmerin jeweils übergeben, sind bei der Empfängerin jedoch nicht angekommen.
7. Nach Abzug eines Selbstbehalts i.H.v. 500 € zahlte die Versicherungsmaklerin, die Firma … GmbH, auf Veranlassung der Klägerin an die Versicherungsnehmerin 70.430,29 €.
8. Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von 70.930,29 € in Anspruch genommen. Nach den Bestimmungen der Versicherungspolice sei sie als führender Versicherer berechtigt, im eigenen Namen den Regress im Klagewege geltend zu machen.
9. Die Beklagte sei ggü. der Versicherungsnehmerin Luftfrachtführerin, da sie die Beförderung von Gütern als eigene Leistung versprochen habe. Die Streithelferin sei nicht Vertragspartnerin der Versicherungsnehmerin, da sie – die Streithelferin – von der Beklagten nicht im Namen der Versicherungsnehmerin, sondern im eigenen Namen mit der Durchführung der Luftbeförderung beauftragt worden sei. Aber selbst wenn das Vertragsverhältnis zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten als Speditionsvertrag zu werten sei, liege eine Fixkostenspedition vor, so dass auch insoweit die Beklagte nach Frachtrecht für den Verlust der Waren hafte.
10. Die Klägerin und die anderen beiden Versicherungen seien beim vorliegenden Schadensfall auch eintrittspflichtig gewesen, da nach der Versicherungspolice bei Transporten zwischen den einzelnen Firmen des … Firmenverbandes eine Eintrittspflicht ohne Rücksicht auf die Gefahrtragung und/oder die Lieferkonditionen bestehe. Die teilweise Zahlung des Kaufpreises durch die Empfängerin sei allein deshalb erfolgt, weil die Klägerin für die in Verlust geratenen Sendungen zu einem späteren Zeitpunkt Nachlieferungen veranlasst habe.
11. Das Vorbringen der Beklagten, die beiden Sendungen seien im Zolllager bzw. in einer Lagerhalle des „handling agent“ der Streitverkündeten, der Firma … A. S., auf dem Flughafen Istanbul aufgrund eines Brandes untergegangen, lasse die Haftung für die noch in der Obhut der Beklagten untergegangenen Waren nicht entfallen. Ein Nachweis für die Einlagerung und die anschließende Zerstörung der Waren in dieser Halle sei nicht erbracht. Im Ergebnis seien der Schadensort und die Schadensursache unbekannt. Außerdem sei nicht erwiesen, dass alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen worden seien. Eine Schnittstellendokumentation sei nicht vorgelegt worden.
12. Die Beklagte ist dem klägerischen Verlangen entgegengetreten. Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, zumindest nicht hinsichtlich 100 % der im Regresswege geltend gemachten Versicherungsleistung. Die Mitversicherereigenschaft der … AG und der … werden bestritten. Es sei auch nicht klar, für welche Versicherer die Zahlung i.H.v. 70.430,29 € erfolgt sei.
13. Die Beklagte sei auch nicht passivlegitimiert, da die Streithelferin Vertragspartnerin der Versicherungsnehmerin geworden sei. Die Beklagte habe die Luftfrachtbriefe jeweils nur als Agentin der Streithelferin und der Versicherungsnehmerin ausgestellt bzw. unterzeichnet. Die Waren seien jedenfalls auch nicht im Obhutsbereich der Beklagten untergegangen, da eine Beförderung nur bis zum Flughafen Istanbul geschuldet gewesen sei und die Waren erst nach der Ankunft am Flughafen im Zolllager des „handling agent“ der Streithelferin durch einen Großbrand zerstört worden seien. Das Feuer sei in einer staatlichen (Zoll-) Lagerhalle ausgebrochen und habe sich innerhalb kürzester Zeit zu den anderen Lagerhallen, u.a. der Lagerhalle des „handling agent“ der Streithelferin, ausgebreitet. Maßnahmen zur Verhütung des Brandschadens seien nicht möglich gewesen, so dass die Beklagte bzw. die Streithelferin kein Verschulden treffe.
Im Hinblick auf speditionsrechtliche Ansprüche der Klägerin hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
14. Die Streithelferin ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten und hat ausgeführt, dass die unmittelbaren Einlagerungsdokumente zusammen mit der Fracht durch den Brand zerstört worden seien.
Die Ursache des Brandes in der staatlichen Lagerhalle sei trotz Einholung von insgesamt fünf Sachverständigengutachten unklar geblieben. Die Entstehung und die Ausbreitung des Brandes habe jedoch keinen Ursachenbezug zur Beklagten oder zur Streithelferin gehabt. Ein derartiger Brand unterfalle nicht der Beherrschbarkeit durch den Luftfrachtführer.
15. Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 21.735 € zzgl. verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin aus übergegangenem Recht einen Anspruch auf Schadensersatz gem. Art. 18 und 22 des Warschauer Abkommens (WA 1955) habe, allerdings nur in Höhe der Haftungshöchstsumme von 21.735 €.
Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe:
16. Zwar ist die Aktivlegitimation der Klägerin vollumfänglich gegeben (1.). Auch die Voraussetzungen für einen nach § 67 VVG a.F. i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG übergegangenen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach Art. 18 WA 1955 sind grundsätzlich gegeben (2.). Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin scheitert jedoch an Art. 20 WA 1955 (3.).
17 Die Klägerin ist hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruches vollumfänglich aktivlegitimiert.
18. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte gem. Art. 18 WA 1955, welcher auf Grund der Versicherungsleistung der drei Versicherungsunternehmen gem. § 67 VVG a.F. i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG auf diese übergegangen ist und von der Klägerin im eigenen Namen geltend gemacht werden kann (vgl. 1.), sind grundsätzlich gegeben.
Das WA 1955 ist anwendbar, da die Staaten, in denen der Abgangsort und der Bestimmungsort der Luftbeförderung liegen, also Deutschland und die Türkei, Vertragsstaaten des WA 1955 sind (vgl. Koller, Transportrecht, 6. Aufl. 2007, Art. 1 WA 1955, Rz. 11) und die Türkei kein Vertragsstaat des jüngeren und daher sonst vorrangig einschlägigen Montrealer Übereinkommens (MÜ) ist.
19. Die Versicherungsnehmerin und die Beklagte haben auch zwei auf die internationale Beförderung von Gütern durch Luftfahrzeuge gerichtete Verträge i.S.d. Art. 1 Abs. 1 WA 1955 abgeschlossen. Diese Verträge sind durch die Aufträge der Versicherungsnehmerin an die Beklagte vom 15.5.2006 und vom 22.5.2006 und durch die entsprechenden Annahmen dieser Aufträge durch die Beklagte zustande gekommen.
20. Ein Beförderungsvertrag im Sinne des WA 1955 liegt auf jeden Fall dann vor, wenn der Vertrag auf eine Ortsveränderung der Güter durch den Luftfrachtführer gerichtet ist, die der Luftfrachtführer selbst als Erfolg schuldet und aufgrund dessen der Luftfrachtführer die Obhut über die Güter übernimmt. Dabei ist unerheblich, ob der Luftfrachtführer in der Lage oder willens ist, den Transport mit eigenen Mitteln zu bewerkstelligen, oder ob er beabsichtigt, den Transport Dritten als Unterfrachtführer zu übertragen. Auch der Luftfrachtführer, der über keine eigenen Transportmittel verfügt, ist dem WA 1955 unterworfen (Koller, a.a.O., Art. 1 WA 1955, Rz. 3). Verträge, in denen nicht der Beförderungserfolg selbst, sondern nur die Beauftragung Dritter mit der Ortsveränderung versprochen wird, fallen dann in den Anwendungsbereich des WA 1955, wenn der Vertragspartner auf eigene Rechnung die Beauftragung Dritter versprochen hat. Soweit gemäß den Regeln des internationalen Privatrechts der Vertrag deutschem Recht unterliegt und als Speditionsvertrag zu qualifizieren ist, ist der Vertrag jedenfalls dann den Normen des WA 1955 unterworfen, wenn ein Vertrag zu festen Kosten i.S.d. § 459 HGB abgeschlossen worden ist (vgl. Koller, a.a.O., Art. 1 WA 1955, Rz. 4).
21. Vorliegend ist die Beklagte von der Versicherungsnehmerin mit dem Transport bzw. Weitertransport von Gütern per Luftfracht auf der Grundlage eines vorherigen Generalangebotes beauftragt worden. Durch dieses Generalangebot hatte die Beklagte unstreitig die Güterversendung per Luftfracht zum Preis von 1,20 € pro kg angeboten. Durch die auf diesem Generalangebot basierenden Verträge hat die Beklagte sich mithin zum Transport der Güter selbst und nicht nur zur Beauftragung Dritter mit diesem Transport verpflichtet. Schon deshalb ist vom Vorliegen von Beförderungsverträgen im Sinne des WA 1955 auszugehen. Aber selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Beklagte nur die Beauftragung Dritter mit der Luftbeförderung versprochen haben sollte, so wäre auf den Vertrag zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten dennoch das WA 1955 anwendbar. Der Vertrag unterliegt nach Art. 28 Abs. 1 und 4 EGBGB deutschem Recht. Außerdem ist der Vertrag als eine sog. Fixkostenspedition i.S.d. § 459 HGB anzusehen, da die Beklagte den Transport zu einem festen Satz, nämlich zu 1,20 € pro kg, versprochen hat. Diesen Satz hatte die Versicherungsnehmerin zu bezahlen und es war für sie nicht von Interesse, zu welchen Konditionen die Beklagte Frachtführer bzw. Unterfrachtführer beauftragen würde. Der Umstand, dass die Beklagte neben diesem festen Satz für „AWB-Gebühr“, „Abfertigung“, „Treibstoffzuschlag“, „Security-Surcharge“ und „Vorfracht“ Aufwendungsersatz bzw. weitere Vergütungen in Rechnung gestellt hat, ist diesbezüglich unschädlich, da hierdurch das Handeln der Beklagten auf eigene Rechnung nicht im Kern in Frage gestellt worden ist (vgl. insoweit Koller, a.a.O., § 459 Rz. 20).
22. Die Versicherungsnehmerin war mithin Absenderin und die Beklagte Luftfrachtführerin im Sinne des WA 1955. Die Frage, mit wem die Streithelferin in vertragliche Beziehungen getreten ist, ist daher für die Frage, ob zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten ein Beförderungsvertrag im Sinne des WA 1955 abgeschlossen worden ist, ohne Belang. Für den Fall, dass hier vertragliche Beziehungen zwischen der Versicherungsnehmerin und der Streithelferin zu bejahen wären, würde eine eventuelle vertragliche Haftung der Streithelferin lediglich neben die vertragliche Frachtführerhaftung der Beklagten treten.
23. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte gem. Art. 18 WA 1955 liegen vor.
Durch die Zerstörung bzw. den Verlust der Waren ist ein Schaden i.S.v. Art. 18 WA 1955 entstanden.
Die Versicherungsnehmerin – bzw. auf Grund des Forderungsüberganges die Klägerin – kann diesen Schaden als Absenderin auch gegen die Beklagte als Luftfrachtführerin geltend machen.
24. Der Schadensersatzanspruch gegen den Luftfrachtführer wegen der Zerstörung bzw. des Verlustes von Gütern steht zum einen gem. Art. 13 Abs. 3 WA 1955 dem Empfänger der Ware zu. Ob neben dem Empfänger auch der Absender diesen Schadensersatzanspruch geltend machen kann, ist umstritten. Nach einer Auffassung steht die Aktivlegitimation des Absenders neben der des Empfängers, so dass Empfänger und Absender als Gesamtgläubiger anzusehen sind (vgl. Reuschle, Montrealer Übereinkommen, 2005, Art. 18, Rz. 85 zur Berechtigung des Absenders nach dem Warschauer Abkommen; Koller, a.a.O., Art. 18 WA 1955, Rz. 24 i.V.m. Art. 13 WA 1955, Rz. 9). Nach der Gegenmeinung hingegen sollen die Ansprüche nur entweder vom Empfänger oder vom Absender geltend gemacht werden können (Ebenroth/Boujong/Jost-Gass, HGB, 2001, Art. 14 WA 1955, Rz. 5 sowie weitere Nachweise in Koller, a.a.O., Art. 13 WA 1955, Fußnote 40).
25. Der ersten Auffassung ist zumindest dann, wenn der Absender der Vertragspartner des Luftfrachtführers ist, der Vorzug zu geben. Sowohl im Rahmen des CMR als auch im deutschen Transportrecht (vgl. § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB) werden sowohl dem Absender als auch dem Empfänger in Bezug auf Schadensersatzansprüche eine Doppellegitimation eingeräumt, so dass insoweit die These der obigen zweiten Auffassung, dass es nicht zwei Anspruchsberechtigte für einen Schadensersatzanspruch geben könne, längst widerlegt ist. Außerdem wird nur durch die Doppellegitimation sichergestellt, dass ein Anspruchsverlust wegen Geltendmachung durch die „falsche Partei“ ausgeschlossen ist. Der Luftfrachtführer hingegen ist auf Grund der bestehenden Gesamtgläubigerschaft von Absender und Empfänger auch nicht der Gefahr ausgesetzt, zweimal in Anspruch genommen zu werden (vgl. Reuschle, a.a.O.).
26. Aber selbst dann, wenn man grundsätzlich eine alleinige Anspruchsberechtigung des Empfängers nach Ablieferung der Waren bejahen wollte, bliebe der Absender zumindest dann, wenn der Empfänger deutlich gemacht hat, dass er Ansprüche gegen den Frachtführer nicht geltend machen will, weiterhin anspruchsberechtigt. Vorliegend hat die Firma … Istanbul als Empfängerin die Versicherungsnehmerin nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin auf Nachlieferung in Anspruch genommen und hierdurch deutlich gemacht, dass sie sich wegen des Schadens an die Versicherungsnehmerin und gerade nicht an die Beklagte als Frachtführerin halten will bzw. hält.
27. Die mithin ursprünglich bestehende Anspruchsberechtigung der Versicherungsnehmerin als Absenderin der Waren hängt nicht davon ab, ob auf Grund der Regeln über die Gefahrtragung die Versicherungsnehmerin selbst oder die Empfängerin, also die Firma … Istanbul, einen wirtschaftlichen Schaden erlitten hat. Dieses ergibt sich zum einen aus der oben bejahten Doppellegitimation, bei der in aller Regel nur einer der beiden Anspruchsberechtigten wirtschaftlich betrachtet den Schaden erlitten hat. Zum anderen folgt aus Art. 14 WA 1955, dass der Absender ggf. zur Schadensliquidation des Drittinteresses befugt ist. Die Frage, ob die Gefahrtragung durch eventuell vereinbarte Klauseln „CFR“ oder „CPT“ im Zeitpunkt des Verlustes der Güter bereits auf die Empfängerin übergegangen war, ist daher für das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen des Art. 18 WA 1955 ohne Belang.
28. Der Schaden ist auch während der Luftbeförderung i.S.d. Art. 18 Abs. 1 WA 1955 eingetreten. Gemäß Art. 18 Abs. 2 WA 1955 umfasst die Luftbeförderung den Zeitraum, während dessen die Güter sich auf einem Flughafen, an Bord eines Luftfahrzeuges oder bei Landung außerhalb eines Flughafens an einem beliebigen Orte unter der Obhut des Luftfrachtführers befinden. Zum Flughafen i.S.d. Art. 18 Abs. 2 WA 1955 gehören auch auf dem Flughafen stehende Zollgebäude und Lagerhallen. Der Haftungszeitraum endet in dem Moment, in dem der Luftfrachtführer oder einer seine Leute das Gut am Flughafen wirksam abliefert oder mit dem Gut die Grenze des Flughafens überschreitet (Koller, a.a.O., Art. 18 WA 1955, Rz. 9). Von einer Ablieferung wiederum ist auszugehen, wenn der Frachtführer den Gewahrsam über das beförderte Gut aufgibt und den Empfänger mit dessen Willen und Einverständnis in Stand setzt, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben (Koller, a.a.O., Art. 18 WA 1955, Rz. 4 unter Verweis auf ebenda, Art. 17 CMR, Rz. 6). Wird einem Dritten Besitz verschafft, so stellt dies grundsätzlich keine Ablieferung dar. Dies gilt auch dann, wenn das Gut in einem Zolllager hinterlegt wird, es sei denn, dass das Gut nach dem Frachtvertrag nur bis zum Zoll zu transportieren war (Koller, a.a.O., Art. 17 CMR, Rz. 7).
29. Eine Ablieferung der Güter und somit eine Beendigung des Haftungszeitraumes des Art. 18 WA 1955 lag nicht vor. Zum einen liegt eine Gewahrsamsaufgabe und Übergabe des Gutes an einen Dritten nicht vor, da der „handling agent“ der Streithelferin die Verwahrung der Güter auf Grund unmittelbarer vertraglicher Beziehungen zur Streithelferin vorgenommen hat und somit der „Luftfrachtführerseite“, mithin der Beklagten, zuzurechnen ist. Aber selbst wenn man den „handling agent“ als Dritten ansehen würde, so würde die Ablieferung in dessen (Zoll-) Lagerhalle nur dann eine Ablieferung darstellen, wenn die Beklagte die Güter nach dem Frachtvertrag nur bis zum Zoll hätte transportieren müssen. Nach den Aufträgen (Anlagen K 1 und K 8) hatte die Beklagte die Sendungen per Luftfracht nach Istanbul zu transportieren und als Empfängerin war die Firma … in Istanbul angegeben. Aus diesen Angaben ergibt sich nicht, dass die Waren der Empfängerin nicht übergeben werden mussten und nur bis zum Zoll zu liefern waren.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer vereinbarten „CFR“- bzw. „CPT“-Klausel.
30. Die Incoterms 2000, zu denen die „CFR“- und die „CPT“-Klausel gehören, beziehen sich nur auf das Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer, also auf den Kaufvertrag und nicht auf einen Beförderungsvertrag (vgl. Baumbach/Hopt – Hopt, HGB, 33. Aufl. 2008, Incoterms Einleitung, Rz. 4). Der Zeitpunkt der Lieferung der Waren, der mit diesen Klauseln vereinbart ist, bezieht sich also nur auf den Kaufvertrag und besagt nichts darüber, ab wann der Transport der Waren auf der Grundlage des neben dem Kaufvertrag abgeschlossenen Beförderungsvertrages bewirkt ist. Eine Gleichsetzung wäre hier auch widersinnig, da nach der Klausel „CFR“ die Lieferung bereits durch das Verbringen der Waren an Bord des Schiffes im Verschiffungshafen (Baumbach/Hopt, a.a.O., Incoterms CFR, Anm. A. 4) und nach der Klausel „CPT“ durch die Übergabe der Ware an den Frachtführer (Baumbach/Hopt, a.a.O., Incoterms CPT, Anm. A. 4) bewirkt ist. Dass hierdurch die Beförderungsverpflichtung aus dem Beförderungsvertrag noch nicht bewirkt bzw. beendet sein kann, ergibt sich zwingend. Aber auch der Umstand, dass nach beiden Klauseln im Verhältnis der Kaufvertragsparteien der Käufer die Zollformalitäten auf eigene Gefahr und Kosten zu erledigen hat (Baumbach/Hopt, a.a.O., Incoterms CFR und CPT, jeweils Anm. B. 2), führt nicht dazu, dass der Frachtführer nach dem Beförderungsvertrag die Waren dem Empfänger, in der Regel also dem Käufer, nicht zu übergeben braucht und sich darauf beschränken kann, die Waren bis zum Zoll zu liefern. Auch wenn man in einem solchen Fall möglicherweise davon ausgehen kann, dass ein vom Verkäufer beauftragter Frachtführer für die Verzollung der Waren nicht zu sorgen bräuchte, so ändert dieses nichts an der grundsätzlich bestehenden Verpflichtung zur Übergabe der Waren an den Empfänger. In Betracht kommt hier vielmehr eine Übergabe der Waren an den Empfänger vor der Abwicklung der Zollformalitäten bzw. Ablieferung in einem Zolllager eines vom Empfänger beauftragten Zoll- bzw. Handlungsagenten oder aber die Übergabe an den Empfänger nach der vom Empfänger veranlassten Verzollung der Waren.
31. Die Pflicht der Beklagten zur Ablieferung der Waren an die Empfängerin wäre somit auch bei einer Geltung der „CFR“- bzw. „CPT“-Klausel nicht beseitigt, so dass die Frage, ob die Klauseln überhaupt (zwischen den Kaufvertragsparteien) wirksam vereinbart worden sind, im Ergebnis nicht geklärt zu werden braucht. Mangels Übergabe an die Empfängerin befanden sich die Güter also im Zeitpunkt des Verlustes bzw. der Zerstörung noch in der Obhut der Beklagten, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 18 WA 1955 vorliegen.
32.. Eine Ersatzpflicht der Beklagten scheitert jedoch an Art. 20 WA 1955. Nach dieser Vorschrift tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Luftfrachtführer beweist, dass er und seine Leute alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen haben oder dass sie diese Maßnahmen nicht treffen konnten.
Eine unbekannte Schadensursache, bei deren Vorliegen ein Entlastungsbeweis keinesfalls erbracht werden könnte (vgl. Ebenroth/Boujong/Jost-Gass, HGB, 2001, Art. 20 WA 1955, Rz. 12), liegt nicht vor. Die Beklagte hat vielmehr den Beweis erbracht, dass die beiden Lieferungen am 17.5.2006 bzw. 24.5.2006 nach Eintreffen auf dem Flughafen Istanbul in das dortige Zolllager des „handling agent“ der Streithelferin gebracht worden sind und dort durch den Großbrand vom 24.5.2006 vernichtet worden sind. Sie hat diesbezüglich beweiskräftige Unterlagen vorgelegt: (Wird ausgeführt.)
Nachdem der Brand im Zolllager des „handling agent“ und die vollständige Zerstörung dieses Lagers unstreitig sind, muss auch davon ausgegangen werden, dass die Waren bei diesem Brand vernichtet worden sind.
33. Als Schadensursache ist somit die Vernichtung der Waren durch einen Brand im Zolllager des „handling agent“ der Streithelferin bekannt. Außerdem ist unstreitig und somit bekannt, dass der Brand nicht im Lager des „handling agent“, sondern in einem anderen, weder dem „handling agent“ noch der Streithelferin gehörenden Lager ausgebrochen ist und dann das Lager des „handling agent“, in welchem die Waren der Versicherungsnehmerin eingelagert waren, ergriffen hat. Lediglich die Ursache für die Brandentstehung in dem anderen Lagerbereich ist – auch nach Einholung mehrerer Sachverständigengutachten in anderen Verfahren – nach wie vor unbekannt.
Die Beklagte und ihre „Leute“ haben auch alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung des Schadens getroffen.
34. Nach h.M. hat der Luftfrachtführer immer dann alle erforderlichen Maßnahmen i.S.d. Art. 20 WA 1955 getroffen, wenn ihm bzw. seinen „Leuten“ das Unterlassen zusätzlicher schadensverhütender Maßnahmen nicht als objektives Verschulden vorgeworfen werden kann (vgl. Koller, Transportrecht, 6. Aufl. 2007, Art. 20 WA 1955, Rz. 2). Nicht erforderlich sind alle denkbaren Maßnahmen. Lediglich übliche Maßnahmen sind hingegen nicht ausreichend (Ebenroth/Boujong/Jost-Gass, HGB, 2001, Art. 20 WA 1955, Rz. 4).
35. Dem „handling agent“ der Streithelferin war von der Streithelferin die Lagerung der Waren während der Verzollung bzw. bis zur Abholung der Waren vertraglich übertragen worden. Er zählt somit zu den „Leuten“ der Streithelferin, da auch selbständige Unternehmer, die dem Luftfrachtführer zum Schutz des Gutes verpflichtet sind, zu diesem Personenkreis zählen (vgl. Koller, a.a.O., Art. 20 WA 1955, Rz. 19). Da die Streithelferin wiederum als (Unter-)Frachtführerin der Beklagten anzusehen ist, zählt der „handling agent“ auch zu den „Leuten“ i.S.d. Art. 20 WA 1955 der Beklagten.
36. Der Streithelferin selber kann die Lagerung von Waren bei einem Handlungs- bzw. Zollagenten auf dem Flughafen Istanbul unzweifelhaft nicht vorgeworfen werden. Das Betreiben von eigenen Lagerhallen durch jeden denkbaren Luftfrachtführer kommt nicht in Betracht.
Die Vernichtung der Waren der Versicherungsnehmerin beruht auch nicht auf einem schuldhaften Unterlassen von Schadensverhütungsmaßnahmen durch den „handling agent“. (Wird ausgeführt.)
Auch der Umstand, dass das Lager des „handling agent“ im Schadenszeitpunkt wohl über keine Sprinkler-Anlage verfügte, verhindert den Entlastungsbeweis nach Art. 20 WA 1955 nicht.
37. Nach Art. 96 und i.V.m. Art. 7 der genannten „Verordnung zum Schutz von Gebäuden gegen Feuer“ war bei der Halle des „handling agent“ eine Sprinkler-Anlage nicht vorgeschrieben. Schon hieraus kann gefolgert werden, dass dem „handling agent“ das Fehlen einer solchen Anlage nicht als objektives Verschulden vorgeworfen werden kann.
38. Außerdem wäre eine Sprinkler-Anlage auch nicht in der Lage gewesen, einen von außen über das Dach kommenden Großbrand zu löschen. Sprinkler-Anlagen sind in aller Regel nur zur Bekämpfung der Anfangsphase eines Brandes (Entstehungsbrand) und nicht zur Bekämpfung eines großflächigen Vollbrandes in der Lage. Dieses liegt daran, dass das Rohrnetz und die Wasserversorgung nur so dimensioniert sind, dass nur Wasser für eine bestimmte Anzahl von Wasserdüsen zur Verfügung steht und bei einer Öffnung zu vieler Düsen die Wirksamkeit der Anlage rapide sinkt. Selbst wenn man also nach den Grundsätzen des Art. 20 WA 1955 eine Sprinkler-Anlage vom „handling agent“ verlangen würde, so würde es hier an der Ursächlichkeit dieses Versäumnisses für den Schadensfall fehlen.
39. Im Ergebnis scheidet daher ein Schadensersatzanspruch der Klägerseite nach Art. 20 WA 1955 aus, da keine der Beklagten und ihre „Leuten“ zumutbaren Schadensverhütungsmaßnahmen vorhanden waren, die den Schadenseintritt verhindert hätten.
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