Meldung von Gepäckschäden

OLG Hamm: Meldung von Gepäckschäden

Ein Reiseunternehmer wehrt sich gegen die, gegen ihn gerichtete, Forderung eines Verbraucherschutzbundes zur Zahlung eines Ordnunggeldes. Der Unternehmer hatte eine erstinstanzlich als unzulässig gewertete Klausel in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur unzureichend abgeändert und weiter verwendet.
Hierin verkürzte er die Frist, die es Reisenden ermöglicht, bei Gepäckverlust oder Verspätung Ansprüche gegen den Reiseveranstalter geltend zu machen.

Das Oberlandesgericht Hamm hat die Beschwerde des Unternehmers als unbegründet abgewiesen. Die fragliche Klausel verstoße weiterhin gegen die Grundsätze des Verbraucherschutzes und benachteilige diese auf unangemessene Art und Weise.

OLG Hamm 11 W 167/08 (Aktenzeichen)
OLG Hamm: OLG Hamm, Urt. vom 29.12.2008
Rechtsweg: OLG Hamm, Urt. v. 29.12.2008, Az: 11 W 167/08
LG Dortmund, Urt. v. 03.03.2007, Az: 8 O 210/06
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Oberlandesgericht Hamm

1. Urteil vom 29. Dezember 2008

Aktenzeichen: 11 W 167/08

Leitsatz:

2. Fristverkürzende Allgemeine Geschäftsbedingungen sind unzulässig.

Zusammenfassung:

3. Ein Reiseunternehmer wird von einem Gericht zur Unterlassung der Anwendung einer seiner AGB-Klauseln verurteilt. Die betroffene Klausel reduzierte die Frist, die Kunden zur Anspruchstellung bei verspätetem oder verlorenem Gepäck offen Stand, von einem Monat auf 7 Tage.
Der Unternehmer änderte die Klausel ab und weitete die Frist auf 21 Tage aus. Dies entspreche, in seinen Augen, der fristgerechten Schadensanzeige nach Art. 31 des Montrealer Übereinkommens.

Ein Verbraucherschutzbund hält die Klausel weiterhin für unzulässig und fordert von dem Reiseunternehmer die Zahlung eines Ordnungsgeldes.
Hiergegen wehrt sich der Unternehmer und beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Das Oberlandesgericht Hamm hat den Antrag des Reiseunternehmers zurückgewiesen. Anders, als von diesem vorgetragen, unterliege der Verlust von Gepäck nicht der Schadensregulierung aus Art. 31 des Montrealer Übereinkommens.
Im Verlust oder der Verspätung von Gepäck sei vielmehr ein Reisemangel nach §651 c BGB zu sehen. Die Frist zur Geltendmachung entsprechender Ansprüche belaufe sich, nach §651 g BGB auf einen Monat.

Die Verkürzung dieser Frist widerspreche den Vorgaben aus §651 h BGB und benachteilige den Verbraucher ohne rechtliche Grundlage.
Der Veranstalter habe das Ordnungsgeld zu zahlen und die Anwendung der Klausel, unter Androhung eines weiteren Ordnunggeldes, zu unterlassen.

Tenor:

4. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

5. Durch rechtskräftiges Anerkenntnisteil- und Schlussurteil des LGs Dortmund vom 02.03.2007 ist der Beschwerdeführerin unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, untersagt worden, im Wettbewerb handelnd in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klauseln zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klauseln zu berufen:

6. „Die Restzahlung ist 30 Tage vor Reiseantritt ohne nochmalige Aufforderung zu leisten“, sofern zu diesem Zeitpunkt die endgültige Durchführung der Reise noch nicht feststeht.

7. „Dies gilt jedoch nicht für die Frist zur Anmeldung von Gepäckschäden, Zustellungsverzögerungen bei Gepäck oder Gepäckverlust in Zusammenhang mit Flügen. Diese sind binnen sieben Tagen zu melden.“

8. Auf der Homepage der Beschwerdeführerin waren ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen eingestellt. In diesen fanden sich am 22.07.2008 folgende Klauseln:

9. „Die Restzahlung ist 30 Tage vor Reiseantritt ohne nochmalige Aufforderung zu leisten.“

10. „Dies gilt jedoch nicht für die Frist zur Anmeldung von Gepäckschäden, Zustellungsverzögerungen bei Gepäck oder Gepäckverlust im Zusammenhang mit Flügen gemäß Ziffer 9.2. Diese sind binnen 7 Tagen zu melden“.

11. Die Beschwerdeführerin entschuldigte sich nach entsprechendem Hinweis des Beschwerdegegners auf die Zuwiderhandlung mit Schreiben vom 12.08.2008 und erklärte, dass die notwendigen Korrekturen auf der Homepage durchgeführt würden. Trotz dieser Ankündigung fanden sich unter dem 23.09.2008 auf der Homepage der Beschwerdeführerin folgende Klauseln:

12. „Die Restzahlung ist 30 Tage vor Reiseantritt ohne nochmalige Aufforderung zu leisten.“

13. „Ansprüche wegen nicht vertragsgemäßer Erbringung der Reise müssen Sie innerhalb eines Monats nach dem vertraglich vereinbarten Reiseende möglichst schriftlich uns gegenüber geltend machen. Nach Ablauf dieser Frist können Sie Ansprüche nur dann noch geltend machen, wenn Sie an der Einhaltung der Frist ohne Ihr Verschulden gehindert waren. Dies gilt jedoch nicht für die Frist zur Anmeldung von Gepäckschäden, Zustellungsverzögerungen bei Gepäck oder Gepäckverlust im Zusammenhang mit Flügen. Diese sind binnen 7 Tagen bei Gepäckverlust, Gepäckschäden bzw. 21 Tagen nach Aushändigung bei Gepäckverspätung zu melden“.

14. Der Beschwerdegegner hat die Auffassung vertreten, die Beschwerdeführerin habe gegen dieses Verbot mehrfach und beharrlich verstoßen. Zur Begründung verwies er auf die auf der Homepage der Beschwerdeführerin eingestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

15. Mit Schriftsatz vom 26.09.2008 hat der Beschwerdegegner beantragt,

16. gegen die Beschwerdeführerin ein angemessenes Ordnungsgeld zu verhängen.

17. Die Beschwerdeführerin hat beantragt,

18. den Antrag zurückzuweisen.

19. Die Beschwerdeführerin hat die Auffassung vertreten, dass sie nicht gegen das Urteil des LGs vom 02.03.2007 verstoße. Der Inhalt der vorgenannten Klauseln sei von denen im LGlichen Urteil grundverschieden. Die ursprüngliche Klausel habe sämtliche Gepäckschäden, Gepäckverluste und Zustellungsverzögerungen bei Gepäck einer Frist von 7 Tagen unterworfen. In der neuen Klausel werde jedoch differenziert; danach unterfielen Gepäckverlust und –schäden der siebentätigen Frist, während bei Gepäckverspätungen die Frist von 21 Tagen gelte. Diese Formulierung berücksichtige Art. 31 Abs. 2 MontÜbk.

20. Mit angefochtenem Beschluss vom 11.11.2008 hat das LG gegen die Beschwerdeführerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 4.000,00 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, für je 500,00 € ein Tag Ordnungshaft festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin trotz des LGlichen Urteils die Klauseln weiterhin verwendet habe. Soweit die Klausel unter Ziffer 10.5. nunmehr bei der Gepäckverspätung eine Frist von 21 Tagen vorsehe, liege Inhaltsgleichheit vor. Denn auch diese Frist unterschreite ebenso wie die vorher bestimmte Frist die in § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmte Monatsfrist, welche zwingenden Charakter besitze, mithin nicht einmal durch Individualvereinbarung abgekürzt werden könne.

21. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie rügt, dass keine Inhaltsgleichheit vorliege, da die Frist von 21 Tagen im Einklang mit Art. 31 MontÜbk. stehe.

22. Das LG hat mit Beschluss vom 05.12.2008 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Ergänzend hat es ausgeführt, dass § 651h Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 MontÜbk. nur eine Einschränkung für Schadensersatzansprüche vorsehe. Die streitgegenständliche Klausel gelte jedoch für sämtliche Ansprüche.

23. Die gem. § 793 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin ist unbegründet.

24. Das LG hat zu Recht die Voraussetzungen des § 890 ZPO angenommen und ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft verhängt. Die Beschwerdeführerin hat durch Verwendung der Klauseln gegen das ihr mit Urteil vom 02.03.2007 erteilte Verbot verstoßen.

25. Sofern die unter 2.1. verwendete Klausel betroffen ist, hat die Beschwerdeführerin diese Klausel – trotz des Verbots – inhaltsgleich weitergeführt. Bereits damit aber hat sie schon gegen das ihr mit Urteil vom 02.03.2007 erteilte Verbot verstoßen.

26. Soweit die unter Ziffer 10.5. verwendete Klausel betroffen ist, ist die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass nach Art. 31 Abs. 2 MontÜbk. im Fall der Beschädigung des Gepäcks der Empfänger unverzüglich nach Entdeckung des Schadens, bei aufgegebenem Reisegepäck jedenfalls binnen sieben Tagen, dem Luftfrachtführer Anzeige erstatten, und im Fall einer Verspätung die Anzeige binnen einundzwanzig Tagen, nachdem das Reisegepäck oder die Güter dem Empfänger zur Verfügung gestellt worden sind, erfolgen muss, zutreffend (vgl. auch Schmid/Müller-Rostin). Werden diese Ausschlussfristen versäumt, so ist eine Klage gegen den Lufttrachtführer nur bei Arglist zulässig (Art. 31 Abs. 3 MontÜbk). Das MontÜbk. vom 28.05.1999, am 28.06.2004 für Deutschland und die EU-Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft einheitlich in Kraft getreten, ist unmittelbar anzuwenden (vgl. Tonner, in: Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl. 2005, § 651h Rn. 39); es regelt das internationale Luftprivatrecht der Personen-, Reisegepäck- und der Güterbeförderung.

27. Nach § 651h Abs. 2 BGB kann sich der Reiseveranstalter gegenüber Schadensersatzansprüchen des Reisenden auch ohne ausdrückliche Vereinbarung auf inter-nationale Übereinkommen oder darauf beruhende gesetzliche Vorschriften berufen, die zugunsten eines Leistungsträgers die Haftung einschränken oder ausschließen. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass der Reiseveranstalter dem Reisenden gegenüber nicht schärfer haftet, als der Leistungsträger gegenüber dem Reiseveranstalter. § 651h Abs. 2 BGB gilt jedoch nur für Schadensersatzansprüche des Reisenden, nicht für die Gewährleistungsrechte aus §§ 651c Abs. 3, 651d, 651e Abs. 3 und 4 BGB. Der Gepäckverlust oder die Gepäckverzögerung kann aber auch als Mangel „der Reise“ in Betracht kommen, so dass neben einem möglichen Schadensersatzanspruch auch ein Minderungsgrund in Betracht kommen kann; auf diesen bezieht sich § 651h Abs. 2 BGB ersichtlich nicht. Da nach Art. 29 MontÜbk. nur Ansprüche auf Schadensersatz geregelt werden, ist die Beschränkung des § 651h Abs. 2 BGB nicht etwa mit den Regelungen des MontÜbk. unvereinbar.

28. Mithin folgt hieraus, dass die Beschwerdeführerin mit der unbeschränkten Verwendung der Klausel die Mindestfrist des § 651g Abs. 1 BGB von einem Monat unterlief, was jedoch wegen § 651m Satz 1 BGB unzulässig ist, da diese Frist nicht verkürzt, sondern allenfalls verlängert werden kann (vgl. Jörn Eckert, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2003, § 651g Rn. 8). Damit kann sich die Beschwerdeführerin hinsichtlich der unbeschränkten Verwendung der Klausel nicht auf das MontÜbk. stützen.

29. Da die Frist des § 651g Abs. 1 BGB jedenfalls in allen Klauseln unterschritten ist, kommt es nicht darauf an, ob diese – angelehnt an Art. 31 Abs. 2 MontÜbk. – lediglich 7 oder 21 Tage beträgt. Damit aber ist die Inhaltsgleichheit zu bejahen.

30. Auch die Höhe des vom LG festgesetzten Ordnungsgeldes ist im Hinblick auf den wiederholten Verstoß der Beschwerdeführerin gegen das rechtskräftige Verbot nicht zu beanstanden.

31. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus §§ 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

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