Fristgemäße Schadensmeldung
AG Rüsselsheim: Fristgemäße Schadensmeldung
Der Kläger buchte bei der Beklagten einen Flug von Antalya nach Frankfurt am Main. In Frankfurt angekommen, bemerkte er, dass sein Gepäckstück abhanden gekommen war. Ein paar Tage später wurde er benachrichtigt, dass es gefunden wurde. Es war beschädigt und der Inhalt wurde zum Teil entwendet. Der Kläger verlangt nun Schadensersatz für das beschädigte Gepäck und die entwendeten Sachen von der Beklagten.
Das Amtsgericht Rüsselsheim sprach dem Kläger einen Schadensersatz in Höhe von 1.111,– € gegen die Beklagte zu, gemäß Artikel 18 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommens.
AG Rüsselsheim | 3 C 1433/08 (32) (Aktenzeichen) |
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AG Rüsselsheim: | AG Rüsselsheim, Urt. vom 27.07.2010 |
Rechtsweg: | AG Rüsselsheim, Urt. v. 27.07.2010, Az: 3 C 1433/08 (32) |
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Leitsätze:
2. Nach Artikel 18 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommens wird der Verlust von verschiedenen Gegenständen und Beschädigung einer Reisetasche ersetzt.
Dieser ist allerdings gemäß Artikel 22 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens auf 1000 Sonderziehungsrechte beschränkt.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger buchte bei der Beklagten einen Flug von Antalya nach Frankfurt am Main. Als er in Frankfurt ankam, bemerkte er, dass sein Reisegepäck verschwunden ist. Einen Tag später erhielt der Kläger von der Polizeidienststelle am Frankfurter Flughafen die telefonische Nachricht, dass seine Reisetasche defekt auf einer Toilette im Flughafengebäude gefunden worden ist. Als er sie abholte, musste er feststellen, dass ihm außerdem einige Sachen aus der Tasche entwendet wurden. Nun verlangt er Schadensersatz für die beschädigte Gepäcktasche und den fehlenden Inhalt.
Das Amtsgericht Rüsselsheim sprach ihm einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte hierfür zu, gemäß Artikel 18 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommens. Dieser ist jedoch gemäß Artikel 22 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens auf 1000 Sonderziehungsrechte beschränkt. Zunächst ist eine unverzügliche Anzeigefrist- binnen sieben Tagen- erforderlich. Hier ist der Kläger fünf Tage nach dem Anruf der Polizei zum Flughafen gefahren und konnte dann erst den Schaden erkennen. Damit wurde die Anzeigefrist eingehalten. Des Weiteren ist anzumerken, dass es die Aufgabe der Beklagten gewesen wäre, den Kläger in den Besitz seines Gepäcks zu bringen.
Eine Zeugin bestätigte auch, dass sämtliche vom Kläger angegebenen Gegenstände sich tatsächlich im Reisegepäck befunden haben und es sich auch um seine Reisetasche handelte. Unerheblich ist es, dass es sich um eine leichte Sporttasche handelte, da diese aus der Obhut der Beklagten verschwunden ist. Die Beklagte hat folglich den Schaden des Klägers zu ersetzen.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den am 27.07.2010 geltenden Gegenwert von 1.000 Sonderziehungsrechten in Euro in Höhe von maximal 1.111,– € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. September 2008 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichten Anwaltsgebühren in Höhe 155,30 € gegenüber Herrn RA H… freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent der zu vollstreckenden Summe abzuwenden, wenn nicht zuvor die Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand:
5. Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen behaupteten Verlustes und Beschädigung von Fluggepäck.
6. Die Beklagte beförderte den Kläger am 19. Juni 2008 von Antalya nach Frankfurt am Main. Dort angekommen fehlte auf dem Gepäckband ein Gepäckstück des Klägers. Dies hat er umgehend der zuständigen Stelle mitgeteilt. Einen Tag später erhielt der Kläger von der Polizeidienststelle am Frankfurter Flughafen die telefonische Nachricht, dass eine Reisetasche defekt auf einer Toilette im Flughafengebäude gefunden worden ist. Der Kläger holte am 25. Juni 2008 das beschädigte Gepäckstück am Flughafen ab und teilte der Beklagten mit Schreiben vom 01.07.2008 mit, dass verschiedene Gegenstände aus der beschädigten Tasche abhanden gekommen seien und forderte die Beklagte zum Schadensersatz auf (vergleiche Aufstellung Bl. 8 und 9 d.A.). Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 11.07.2008 die Ansprüche zurückgewiesen hat, schaltete der Kläger den Klägervertreter ein, der mit Schreiben vom 13.08.2008 die Beklagte vergeblich zur Bezahlung eines Gegenwerts von 1000 Sonderziehungsrechten binnen zwei Wochen aufforderte.
7. Der Kläger behauptet, dass die auf Bl. 3 d.A. aufgeführten Gegenstände aus dem Koffer entwendet worden seien, sowie die Anschaffungsdaten und Anschaffungspreise.
8. Der Kläger behauptet weiter, dass es sich bei der beschädigten Reisetasche um eine der Marke „Umbro“ gehandelt habe.
die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.150,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. September 2008 zu bezahlen;
die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren in Höhe von 155,30 € freizustellen.
die Klage abzuweisen.
11. Sie ist der Ansicht, dass die Ausschlussfrist des Artikels 31 Abs. 2 Montrealer Übereinkommen einschlägig sei und insoweit eine Verfristung vorliege.
12. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß des Beweisbeschlusses vom 07.07.2009 (Bl. 48 d.A.) und vom 04.03.2010 (Bl.84 d.A.) durch uneidliche Vernehmung der Zeugin S… sowie durch schriftliche Auskunft der Zeugin.
13. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll des Rechtshilfegerichts AG Gießen vom 12.11.2009 (Bl. 63 – 65 d.A.) und auf die schriftliche Aussage der Zeugin S… (Bl. 85 – 87 d.A.) verwiesen.
14. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
15. Die Klage ist überwiegend begründet.
16. Dem Kläger steht gemäß Artikel 18 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommens aufgrund des Verlusts von verschiedenen Gegenständen und Beschädigung einer Reisetasche ein Anspruch in Höhe von 1.111,– € gegen die Beklagte zu. Dieser ist jedoch gemäß Artikel 22 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens auf 1000 Sonderziehungsrechte beschränkt.
17. Bei der Wertbemessung im Falle eines gerichtlichen Verfahrens kommt es allerdings gemäß Artikel 23 Abs. Montrealer Übereinkommens entscheidend nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an, sondern zwingend auf den Zeitpunkt der Entscheidung, also der Urteilsverkündung. Da der oben angegebene Rechnungsbetrag zum Verkündungstermin am 27.07.2010 im Vorhinein bei der Abfassung des Urteils nicht bekannt ist, ist abstrakt und ohne konkrete Berechnung in Form des tagesaktuellen Wertes der Sonderziehungsrechte zu entscheiden (vergleiche so LG Darmstadt, Az.: 7 S 136/09 mit weiteren Nachweisen).
18. Unabhängig von der Frage, ob Artikel 31 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens auch auf verloren gegangenes Reisegepäck dergestalt Anwendung findet, die eine unverzügliche Anzeigefrist, jedenfalls binnen sieben Tagen, vorsieht, sind diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt. Der Kläger hat zwar am 20.06.2008 von der Polizei mitgeteilt bekommen, dass sein Gepäck aufgefunden worden ist, ist dann am 25.06.2008 zur Polizeidirektion am Flughafen gefahren und konnte erst zu diesem Zeitpunkt den Schaden erkennen. Unabhängig von der Behauptung, ob die Polizei das Gepäck nicht vorher freigegeben hat oder nicht, konnte vom Kläger auch nicht verlangt werden, dass er am nächsten oder übernächsten Tag zum Flughafen fährt, sondern ein dortiges Erscheinen nach fünf Tagen ist noch angemessen.
19. Im Übrigen darf dabei nicht verkannt werden, dass es Aufgabe der Beklagten gewesen wäre, den Kläger wieder in den Besitz des Gepäcks zu bringen, dass aus der Obhut der Beklagten verschwunden ist.
20. Da die vorgenannte Vorschrift des Montrealer Übereinkommens zwar eine unverzügliche Mitteilung an die Beklagte vorsieht, jedenfalls aber eine Benachrichtigung innerhalb von sieben Tagen ausreichend ist, ist letztere durch das Schreiben vom 01.07.2008 erfolgt. Insoweit können die Anforderungen an den Geschädigten auch nicht überspannt werden, da dieser aufgrund des Verschuldens der Beklagten einen nicht unbeträchtlichen zeitlichen Mehraufwand hatte und insoweit Infolge anderer Beschäftigungen auch eine Schadensmeldung nach sieben Tagen als unverzüglich anzusehen ist.
21. Zur Überzeugung des Gerichts hat die Vernehmung der Zeugin S… den Beweis dafür erbracht, dass sämtliche vom Kläger angegebenen Gegenstände sich tatsächlich im Reisegepäck befunden haben und die Reisetasche auch von der Marke „Umbro“ war. Keine Rolle spielt es insoweit, ob es sich hierbei um eine leichte Sporttasche handelt und möglicherweise nicht um ein festes Gepäckstück. Denn diese Reistasche ist nicht nur gewaltsam geöffnet worden, sondern insgesamt aus der Obhut der Beklagten verschwunden, sodass die Beschaffenheit der Tasche keine Rolle spielt.
22. Während die Anschaffungspreise für die Taucheruhr, die Damenuhr und die Damenkette nicht belegt werden konnten, war dies durch Kaufquittungen für den Ohrstecker in Höhe von 89,– €, für den Montblancfüller in Höhe von 595,– € und den Ledergürtel in Höhe von 270,– € dagegen der Fall (Bl. 89 – 91 d.A.). Hinzu kommt die Angabe der Zeugin für die Lederjacke einen Anschaffungspreis von über 1.000,– €, so dass die angegebenen 1.199,– € nachvollziehbar nachgewiesen sind. Neben der Beschädigung der Reisetasche in Höhe von 69,– € ergibt sich somit insgesamt ein Betrag in Höhe 2.222,– €. Bei der Beweiswürdigung hat das Gericht nicht übersehen, dass es sich bei der Zeugin S… um die Ehefrau des Klägers handelt, die ein unmittelbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat. Diese hat jedoch sehr differenziert geschildert und auch nicht sämtliche Angaben des Klägers bestätigt, was für ihre Glaubwürdigkeit spricht.
23. Da der Kläger ein Abzug neu für alt in Höhe von 50% vornimmt, der für Gegenstände der vorgenannten Art im Alter von ein bis maximal drei Jahren mehr als angemessen erscheint, steht dem Kläger ein Anspruch in Höhe von 1.111,– € gegen die Beklagte zu. Dieser findet jedoch seine Obergrenze in den 1.000 Sonderziehungsrechten.
24. Von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 155,30€ ist der Kläger gemäß den §§ 280, 286 BGB i.V.m. den Vorschriften des RVG gemäß der Rechnung (Bl. 4 d.A.) von der Beklagten freizustellen. Nachdem zunächst der Kläger selbst die Beklagte in Verzug gesetzt hat, war es auch angemessen, durch ein anwaltliches Schreiben nochmals fundiert auf die Ansprüche des Klägers hinzuweisen.
25. Der Zinsanspruch ist gemäß den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
26. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
27. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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