Flugverspätung durch Streik der französischer Fluglotsen

AG Rüsselsheim: Flugverspätung durch Streik der französischer Fluglotsen

Die Kläger hatten bei der Beklagten einen Flug gebucht. Dieser wurde mit einer Verspätung durchgeführt. Die Beklagte führt dies auf einen Streik zurück. Die Kläger verlangen Ausgleichszahlung für die Verspätung.

Das Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof eine Frage zum Ausmaß der Beweislast der Beklagten vorgelegt.

AG Rüsselsheim 3 C 3969/13 (36) (Aktenzeichen)
AG Rüsselsheim: AG Rüsselsheim, Urt. vom 09.07.2014
Rechtsweg: AG Rüsselsheim, Urt. v. 09.07.2014, Az: 3 C 3969/13 (36)
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Amtsgericht Rüsselsheim

1. Urteil vom 09. Juli 2014

Aktenzeichen 3 C 3969/13 (36)

Leitsatz:

2. Dem europäischen Gerichtshof wird die Frage vorgelegt, ob ein Luftfahrtunternehmen zur Entlastung nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) 261/2004 darlegen muss, alles mögliche zur Vermeidung des außergewöhnlichen Umstands oder zur Vermeidung von Negativfolgen des außergewöhnlichen Umstands getan zu haben.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger hatten bei der Beklagten einen Flug von München nach Santorin gebucht. Dieser wurde mit einer Verspätung von ca. vier Stunden durchgeführt. Die Beklagte führt dies auf einen Streik französischer Fluglotsen zurück. Die Kläger verlangen Ausgleichszahlung für die Verspätung.

Das Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof eine Frage zum Ausmaß der Beweislast der Beklagten vorgelegt. Im Detail wird gefragt, ob ein Luftfahrtunternehmen zur Entlastung nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) 261/2004 darlegen muss, alles mögliche zur Vermeidung des außergewöhnlichen Umstands oder zur Vermeidung von Negativfolgen des außergewöhnlichen Umstands getan zu haben.

Tenor:

4. Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung von Art. 7 Abs. 1, Artikel 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) 261/2004 des Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 vom 11.02.2004 folgende Frage vorgelegt:

Muss ein Luftfahrtunternehmen, um die Entlastungsmöglichkeit des Art. 5 Abs. 3 VO für sich in Anspruch nehmen zu können, darlegen und nachweisen, dass es alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die zu erwartenden Folgen eines außergewöhnlichen Umstandes in Gestalt der Annullierung oder erheblichen Verspätung zu vermeiden, oder dass ihm keine solchen zumutbaren Maßnahmen zur Verfügung standen?

Gründe:

5. Die Parteien streiten unter anderem um die Zahlung von Ausgleichsansprüchen nach der Verordnung (EG) 261/2004 (nachfolgend „VO“ genannt) wegen Flugverspätung.

6. Die Kläger buchten für den 12. 06. 2013 einen Flug von München nach Santorin (Flug DE 3226). Die Kläger erreichten den Ankunftsort erst mit einer Verspätung von mehr als 4 Stunden. Die Flugentfernung betrug mehr als 1.500 km.

7. Die Kläger verfügten über bestätigte Buchungen und fanden sich rechtzeitig vor dem Abflug des gebuchten Fluges am Flugsteig ein.

8. Die Beklagte behauptet, Grund für die eingetretene Verspätung sei ein Streik der französischen Fluglotsen gewesen, der den gesamten Tag des Vortages (11. 06. 2014) des streitgegenständlichen Fluges angedauert und bereits den direkten Vorflug verzögert habe. Der Streik sei am späten Nachmittag des 10. 06. 2013 angekündigt worden. Aufgrund dessen sei für den Vorflug ein gegenüber dem ursprünglich geplanten Abflugzeitpunkt weitaus späterer Slot vergeben worden, der nicht habe genutzt werden können, da die Maschine dann während des Nachtflugverbots in München angekommen wäre, mangels einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung dort aber nicht hätte landen können. Nachdem diverse Subcharter- und Air Partner- Anfragen am späten Abend des 11. 06. 2013 erfolglos geblieben waren, sei schließlich eine Maschine aus der sogenannten „operationellen Reserve“ nach München gesandt worden, um die Verspätung zu reduzieren und den Flug der Kläger darzustellen

9. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Verspätung des streitgegenständlichen Fluges zumindest mittelbar auf den Streik der Fluglotsen am Vortrag zurückzuführen war, was nach der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts für eine Berücksichtigung im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 VO ausreicht. Ein Streik stellt nach der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO dar.

10. Für das vorlegende Gericht ist nun die Frage entscheidungserheblich, ob in einem solchen Fall das Luftfahrtunternehmen sämtliche ihm zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der infolge des außergewöhnlichen Umstandes zu erwartenden Annullierung oder erheblichen Verspätung und nicht lediglich zur Vermeidung des außergewöhnlichen Umstandes selbst ergreifen und im Prozess darlegen und beweisen muss.

11. Nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 VO sowie von Erwägungsgrund 14 der VO, insbesondere angesichts der dortigen grammatikalischen Verknüpfung – die desgleichen in der englischen Sprachfassung zu finden ist – sind nur solche Maßnahmen zu ergreifen, die der Vermeidung der außergewöhnlichen Umstände, nicht aber deren Folgen dienen (so auch der Wortlaut der Entscheidungsgründe des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 22. 12. 2008, Az. C-549/07, Rdn. 39- 41).

12. Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 24. 09. 2013 (Az. X ZR 129/12) sowie vom 21. 08. 2012 (Az. X ZR 146/11) die Art und den Umfang der vom Flugunternehmen zu treffenden beziehungsweise getroffenen Maßnahmen zur Vermeidung der Annullierung /Verspätung für entscheidungserheblich gehalten. Nach dortiger Rechtsauffassung kann lediglich dann von einem im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO ausreichenden Zusammenhang zwischen einem eingetretenen außergewöhnlichen Umstand und der darauf folgenden Annullierung oder erheblichen Verspätung ausgegangenen werden, wenn das Luftfahrtunternehmen dartut, dass es auf Störungen seines Flugplans, die als Folge eines außergewöhnlichen Ereignisses oder aus anderen Gründen, insbesondere wegen auftretender technischer Defekte, eintreten können, angemessen vorbereitet ist und die im Personenluftverkehr üblichen Vorkehrungen getroffen hat, um auf solche Störungen reagieren und die Annullierung oder erhebliche Verspätung eines hiervon betroffenen Flugs wenn möglich vermeiden zu können (BGH, Urteil vom 24. 09. 2013, Az. X ZR 129/12, Rdn. 21). Diese Auslegung findet ihre Stütze in Erwägungsgrund 15 der VO, nach dessen Wortlaut alleiniger Bezugspunkt für die zumutbaren Maßnahmen die Annullierung beziehungsweise Verspätung eines Fluges ist.

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: Flugverspätung durch Streik der französischer Fluglotsen

Verwandte Entscheidungen

BGH, Urt. v. 21.08.12, Az: X ZR 138/11
AG Hannover, Urt. v. 26.11.14, Az: 506 C 3954/14
AG Bühl, Urt. v. 20.02.17, Az: 3 C 480/16

Berichte und Besprechungen

Pressename: Titel
Forum Fluggastrechte: Rechte des Reisenden bei Streik
Passagierrechte.org: Außergewöhnliche Umstände im Flugrecht

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte