Flugtickets von einem Consolidator
AG Bremen: Flugtickets von einem Consolidator
Eine Reisende buchte über einen Ticketzwischenhändler für sich und eine Mitreisende Flüge von Düsseldorf nach Havanna. Aufgrund der Insolvenz der Airline wurde der Flug storniert. Die Reisende erklagte die Rückerstattung durch den Zwischenhändler, da dieser und nicht die Fluggesellschaft Vertragspartner geworden war.
AG Bremen | 9 C 247/17 (Aktenzeichen) |
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AG Bremen: | AG Bremen,, Urt. vom 22.02.2018 |
Rechtsweg: | AG Bremen, Urt. v. 22.02.2018, Az: 9 C 247/17 |
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Leitsatz:
2. Ein als Ticketzwischenhändler auftretender Vertragspartner trägt das Insolvenzrisiko seiner Leistungsträger.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin hatte über die Beklagte eine Flugreise von Düsseldorf nach Havanna und zurück gebucht. Das ausführende Luftfahrtunternehmen sollte AirBerlin sein. Aufgrund deren Insolvenz wurden die Flüge ersatzlos gestrichen. Die Reisende forderte die Erstattung der Ticketkosten, doch die Beklagte verweigerte dies mit der Begründung, sie sei lediglich als Vermittler aufgetreten.
Das Amtsgericht Bremen verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung und Übernahme vorgerichtlicher Anwaltskosten, denn tatsächlich war sie Vertragspartner der Klägerin. Entscheidend war, dass die Klägerin den Ticketpreis an die Beklagte gezahlt hatte. Demnach war AirBerlin der Träger einer Leistung, die von der Beklagten geschuldet worden wäre. Somit trägt sie das Insolvenzrisiko und haftet für die schuldhafte Unterlassung der Vertragserfüllung.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.915,63 € nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen seit dem 05.10.2017 zu zahlen.
Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die nicht anzurechnende außergerichtliche Geschäftsgebühr in Höhe von 139,83 € zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
5. Die Beklagte macht Rückzahlungsansprüche geltend.
6. Die Klägerin erwarb bei der Beklagten am 10.06.2017 über das Portal T…com unter dem Buchungscode Q… einen Air-Berlin Flug von Düsseldorf nach Havanna für den 28.10.2017 nebst Rückflug am 18.11.2017 (2 Personen). Hierfür zahlte sie per Kreditkarte 3.888,73 € für sich und die Mitreisende S… auf ein Konto der Beklagten.
7. „T…“, bzw. „T… Service Center Flug”, bzw. “T…“ unter “www.T…com“ bestätigte die Buchung mit Schreiben vom 10.06.2017 (Bl. 5 d.A.). Darin heißt es unter anderem: „Herzlichen Dank, dass Sie ihren Urlaub bei T…com […] gebucht haben. Diese Buchung wird bei unserem Partner T… betreut, der auch den Einzug des Buchungsbetrages abwickelt. 1. Leistungsträger: Air Berlin […]“.
8. Angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen Insolvenz von Air Berlin wurde der gebuchte Flug sodann ersatzlos storniert, was der Klägerin mit Mail der Beklagten vom 12.09.2017 mitgeteilt wurde. Eine Erstattung des Flugpreises sei aus insolvenzrechtlichen Gründen ausgeschlossen (Bl. 6 d.A.).
9. Mit Anwaltsschreiben vom 20.09.2017 und 27.09.2017 erklärte die Klägerin den Rücktritt und forderte vergeblich Rückzahlung einer Hauptforderung in Höhe von insgesamt 3.888,73 €.
10. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte das Insolvenzrisiko des Luftfahrtunternehmens trage, weil sie Vertragspartnerin der Klägerin geworden sei. Zudem habe die Beklagte gegen Hinweispflichten verstoßen, weil ihr die drohende Insolvenz von Air Berlin bei Vertragsabschluss bekannt gewesen sein müsse.
1.
12. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.915,63 € nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen seit dem 05.10.2017 zu zahlen.
2.
13. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die nicht anzurechnende außergerichtliche Geschäftsgebühr in Höhe von 139,83 € zu zahlen.
die Klage abzuweisen.
15. Sie ist der Ansicht, dass sie lediglich als Vermittlerin eines Ticketverkaufs zwischen dem Luftfahrtunternehmen und der Klägerin zu bewerten sei. Dies ergebe sich aus den einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Bl. 18, 18 R d.A.) der Beklagten.
16. Die Beklagte hat sich im Verhandlungstermin auf Nachfrage des Gerichts weiter zur Sache eingelassen; auf den Inhalt des Protokolls vom 01.02.2018 wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
17. Die zulässige Klage ist begründet. Es besteht in tenorierter Höhe ein Rückzahlungsanspruch gemäß §§ 275 IV, 326 IV, 346 BGB.
18. Denn die Beklagte schuldete als Vertragspartnerin der Klägerin den Erfolg einer bestimmten Beförderungsleistung mit dem „Leistungsträger“ Air Berlin; die Rechtsnatur dieses Vertragsverhältnisses (Kaufvertrag, Werkvertrag oder Vertrag eigener Art) kann dahingestellt bleiben. Diese Leistung ist durch die Insolvenz des Luftbeförderungsunternehmens – als Erfüllungsgehilfen – nachträglich unmöglich geworden. Die bereits vorab auf ein Konto der Beklagten gezahlte Gegenleistung ist somit zurück zu gewähren. Nach § 308 ZPO beschränkt sich der Zahlungsanspruch auf 1.915,63 € (Ticketpreis für 1 Person).
19. Entscheidend ist, dass die insgesamt 3.888,73 € über Kreditkarte von der Klägerin (unstreitig) auf ein Geschäftskonto der Beklagten gezahlt wurden und eine Leistungserbringung sodann unterblieb. Wann eine Weiterleitung des vereinnahmten Geldbetrages an Air Berlin erfolgte, bleibt hingegen unklar; auch zum Datum der Insolvenzeröffnung trug die Beklagte nicht vor.
20. Selbst wenn der Geldbetrag vor der Insolvenzeröffnung auf ein Konto von Air Berlin weiter geleitet worden sein sollte, trüge die Beklagte das Insolvenzrisiko ihres „Leistungsträgers“.
21. Zum Vertragsschluss bzw. dem Ablauf des Erwerbsvorgangs über T…com, trug die Beklagte nicht substantiiert vor. Maßgeblich ist hinsichtlich der Bewertung der Vertragsbeziehung zwischen den Parteien nach dem Beibringungsgrundsatz daher ausschließlich die Buchungsbestätigung vom 10.06.2017 (Bl. 5 d.A.). Da unstreitig ist, dass kein Vertragsverhältnis mit dem T…com bestehen soll, war das Gericht nicht gehalten, weiteren Vortrag zum Internetauftritt des T… Konzerns und dessen differenzierter juristischer Struktur anzuregen.
22. Demnach ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte lediglich Vermittlerin eines Geschäfts zwischen der Klägerin und Air Berlin war und im Rahmen des Buchungsgeschäfts als Ticketgroßhändlerin und Vertreterin im fremdem Namen handelte (§§ 164 ff. BGB). Vielmehr wurde dem Internetkunden unter dem Logo des bekannten Pauschalreiseveranstalters T…, die Buchung des Urlaubs bei „T…com“ bestätigt. Auch die Bezeichnung des Luftfahrtunternehmens Air Berlin als „Leistungsträger“ weist im – hier zwar nicht unmittelbar einschlägigen – Pauschalreiserecht darauf hin, dass der Vertragspartner bestimmte, von ihm selbst geschuldete Leistungen, durch Dritte (§ 278 BGB) erbringen wird. Die Beklagte wird lediglich als Betreuer erwähnt, welcher den Einzug des Buchungsbetrages abwickele. Somit ist aus der maßgeblichen Perspektive des Kunden/Verbrauchers bzw. nach dem objektiven Empfängerhorizont davon auszugehen, dass die Beklagte als Vertragspartnerin handeln wolle (§§ 133, 157 BGB).
23. Hierfür spricht auch der Umstand, dass sich die Beklagte als Consolidator, also Ticketzwischenhändler, bewertet. Denn ein Zwischenhändler kauft typischerweise Ware ein, die er sodann (mit Gewinn) auf Basis einer selbständigen Leistungsbeziehung an einen Dritten weiter veräußert. Bei Fehlen rechtswirksamer Vertragsbeziehungen würde das Leistungsverhältnis nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts entsprechend der jeweiligen Leistungsbeziehungen „über´s Eck“ (Zahlung Kunde an Zwischenhändler – weitere Zahlung vom Zwischenhändler an den Dienstleister) abgewickelt werden. Nichts anderes kann insofern hinsichtlich der Frage, wer das Insolvenzrisiko des Dienstleisters tragen soll, gelten.
24. Dass die Klägerin vorliegend den Leistungsträger aus einem Angebot diverser Luftfahrtunternehmen selbst ausgesucht haben könnte, wäre unbeachtlich (vgl. BGH NJW 2015, 1444 für Reiseveranstalter und Dynamic Packaging Modell).
25. Ob entgegenstehende AGB der Beklagten (vgl. §§ 1.1; 1.2; 3.1; 6.3) überraschend im Sinne des § 305c I BGB oder unzulässig gemäß § 307 BGB gewesen wären (vgl. Palandt, 77. A., Rn. 125 für Vermittlerklausel bei Pauschalreisen), kann gleichfalls dahinstehen. Denn die darlegungs- und beweispflichtige (Palandt, 77. A., § 305, Rn. 43) Beklagte hat hinsichtlich der wirksamen Einbeziehung ihrer AGB in das Rechtsverhältnis zu der Klägerin kein Beweisangebot unterbreitet und bleibt insofern beweisfällig. Zudem soll der Vertrag unstreitig über das Internetportal T…com geschlossen worden sein. Die Beklagte ist jedoch eine eigenständige juristische Person.
26. Außerdem hat die Beklagte zumindest faktisch Aufschläge auf ihren Ticketeinkaufspreis genommen, auch wenn diese in der Abrechnung als 4,00 € Serviceentgelt und 57,47 € Kreditkartenentgelt (?) deklariert werden. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beklagte die Tickets ansonsten tatsächlich zum Einkaufspreis angeboten hat. Denn die Umstände des Preisaufschlags und der Zahlung auf ein Konto der Beklagten indizieren deren Stellung als Vertragspartnerin (vgl. LG Frankfurt, RRa 2017, 72; AG Neuss, RRa 2009, 87 für Reisebüro; wohl a.A.: LG Würzburg, Urt. v. 17.12.2008, 43 S 1765/08, juris).
27. Wegen Erfüllungsverweigerung hat die Beklagte auch die sachdienlichen Rechtsverfolgungskosten der Klägerin zu tragen (§§ 280 ff., 249 BGB). Die Höhe der vorgerichtlich abgerechneten Geschäftsgebühr wurde nicht streitig gestellt. Da die Gesamtzahlung für beide Passagiere über die Kreditkarte der Klägerin erfolgte, war der Gebührenberechnung der Gesamtstreitwert von 3.888,73 € zugrunde zu legen.
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