Flugkostenerstattung eines Prozessbevollmächtigten

OLG Brandenburg: Flugkostenerstattung eines Prozessbevollmächtigten

Die Verliererin eines Rechtsstreits, hält die von ihr zu übernehmenden Flugkosten der Prozessbevollmächtigten der Gegenseite für unverhältnismäßig und weigert sich diese zu zahlen.
Das Oberlandesgericht Brandenburg stimmt der Klägerin zu und begrenzt die von ihr zu übernehmenden Kosten auf den Preis einer 1. Klasse Bahnfahrt zum selben Ziel.

OLG Brandenburg 6 W 77/13 (Aktenzeichen)
OLG Brandenburg: OLG Brandenburg, Urt. vom 09.09.2013
Rechtsweg: OLG Brandenburg, Urt. v. 09.09.2013, Az: 6 W 77/13
LG Neuruppin, Urt. v. 20.02.2013, Az: 3 O 72/06
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Oberlandesgericht Brandenburg

1. Urteil vom 09.09.2013

Aktenzeichen: 6 W 77/13

Leitsatz:

2. Wird ein Prozessbevollmächtigter mit dem Flugzeug zu einem Termin befördert, so kann er nur die Kosten zurückverlangen, die bei einer Beförderung mit der 1. Klasse der Bahn zum gleichen Ziel entstehen würden.


Zusammenfassung:

3. Die Klägerin ist nicht bereit die Reisekostenerstattung einer Prozessbevollmächtigten, zwecks Beförderung zu einem Gerichtstermin, zu übernehmen. Diese war zu insgesamt vier Terminen in der Business-Class eines Flugzeugs angereist. Fraglich ist zu welcher Höhe die Kosten bei einer Beförderung mittels Flugzeug erstattet werden können. Hierzu ist nach Maßgabe des Oberlandesgerichts in Brandenburg nicht nur die Zeitersparnis durch eine Flugbeförderung im Vergleich zu einer Bahnbeförderung zu beachten, sondern auch der Kostenunterschied. Wird ein Prozessbevollmächtigter also mittels eines Flugzeugs befördert, unabhängig ob in der Business- oder Economy-Class, werden diesem in jedem Fall die Kosten erstattet die auch bei einer Beförderung zum gleichen Ziel mit der 1. Klasse der Bahn entstehen wären.

Tenor:

4. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Neuruppin vom 20. Februar 2013, Az.: 3 O 72/06, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Auf Grund des Schlussurteils des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 30.05.2012 sind vom Kläger an Kosten für die II. Instanz

7.278,40 €

(in Worten: Siebentausendzweihundertachtundsiebzig und 40/100 Euro)

nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 04.07.2012 an die Beklagte zu erstatten.

Der dieser Kostenfestsetzung zugrunde liegende Titel ist rechtskräftig.

Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger zu 45% und die Beklagte zu 55% zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 1.075,86 €.

 

Gründe:

5. Die Parteien streiten in dem vorliegenden Kostenfestsetzungs- und Beschwerdeverfahren über die Erstattungsfähigkeit der von der Beklagten zur Festsetzung angemeldeten Reisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten.

6. Die in H. ansässige Beklagte wurde in dem Berufungsverfahren vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht von ihren in München ansässigen Prozessbevollmächtigten vertreten. In der Berufungsinstanz fanden insgesamt vier Termine zur mündlichen Verhandlung statt, zu denen die Prozessbevollmächtigten der Beklagten jeweils mit dem Flugzeug von München nach Berlin-​Tegel anreisten. Mit rechtskräftigem, am 30.5.2012 verkündetem Schlussurteil wurden dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

7. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Beklagte für die zweite Instanz Prozesskosten in Höhe von insgesamt 7.874,26 € netto zur Festsetzung angemeldet, darunter Reisekosten der Prozessbevollmächtigten zu den jeweiligen Verhandlungsterminen auf der Basis des Tarifs für die Business-​Class der Deutschen Lufthansa, Fahrtkosten für die Fahrten zum Flughafen München, Taxi- bzw. Mietwagenkosten für die Fahrten vom Flughafen Berlin-​Tegel nach Brandenburg und zurück sowie Parkgebühren und ein Abwesenheitsgeld gemäß Nr. 7005 VV-​RVG.

8. Die Rechtspflegerin hat mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss die von dem Kläger an die Beklagte für die zweite Instanz zu erstattenden Kosten auf 6.798,40 € nebst Zinsen festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, Flugreisekosten des Rechtsanwalts seien nur erstattungsfähig, soweit sie die Kosten einer Bahnreise in der 1. Wagenklasse nicht überstiegen. Die fiktiven Kosten einer Bahnfahrt 1. Klasse betrügen zuzüglich Tages- und Abwesenheitsgeld für zwei Tage sowie Übernachtungskosten lediglich 630,00 € netto und lägen somit unter den begehrten Flug- und Taxikosten. Für die jeweiligen Terminstage seien daher nur Reisekosten in Höhe von jeweils 630,00 € in Ansatz zu bringen.

9. Gegen die teilweise Absetzung der von ihr angemeldeten Reisekosten wendet sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, die Kürzung stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit von Flugreisekosten. Diese seien dann erstattungsfähig, wenn durch die Benutzung des Flugzeuges der Zeitaufwand erheblich verringert und dadurch andere sonst notwendig werdende Kosten erspart werden könnten. Dies sei vorliegend der Fall. Die einfache Fahrtdauer mit dem Pkw betrage mindestens 5 ½ Stunden. Unter Berücksichtigung eines entsprechenden Zeitpuffers für Staus betrage die Gesamtreisezeit 12 bis 13 Stunden, während die An- und Abreise mit dem Flugzeug 7 Stunden betrage, sodass eine Zeitersparnis von 5 bis 6 Stunden eingetreten sei. Der Rechtsanwalt müsse sich auch nicht auf einen Billigflug oder einen Flug in der Economy-​Class verweisen lassen. Darüber hinaus habe das Landgericht bei der Vergleichsberechnung hinsichtlich der fiktiven Kosten für eine Bahnfahrt die Taxikosten für die Fahrten zum Bahnhof, vom Bahnhof zum Hotel und vom Hotel zum Gericht nicht berücksichtigt.

10. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 18.4.2013 nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

11. Der zunächst zuständige Einzelrichter hat mit Beschluss vom 9.9.2013 die Sache gemäß § 568 Satz 2 ZPO auf den Senat in vollständiger Besetzung übertragen.

12. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie nur teilweise Erfolg.

13. Im Ergebnis zu Recht hat die Rechtspflegerin die angemeldeten Reisekosten der Prozessbevollmächtigten der Beklagten der Höhe nach auf die fiktiven Kosten einer Bahnfahrt in der 1. Wagenklasse beschränkt.

14. Flugreisekosten des Prozessbevollmächtigten zum Termin sind nicht schlechthin unter dem Gesichtspunkt der Zeitersparnis erstattungsfähig, wie sich aus der Verweisung in § 91 Abs. 1 Satz 2 2. HS ZPO auf § 5 Abs. 1 und 3 JVEG ergibt. Vielmehr sind die Kosten einer Flugreise nur dann in vollem Umfang erstattungsfähig, wenn die dadurch verursachten Mehrkosten nicht außer Verhältnis zu den Kosten einer Bahnfahrt 1. Klasse stehen (vgl. BGH NJW-​RR 2008, 654, Juris Rn. 13; OLG Köln Rechtspfleger 2010, 549, Juris Rn. 10; OLG Naumburg JurBüro 2006, 87) und sich die geltend gemachten Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung des Rechtsstreits bewegen (vgl. BGH a.a.O.). Dabei ist die Partei grundsätzlich gehalten, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, solange sich dies mit der vollen Wahrung ihrer Rechte vereinbaren lässt, und unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (vgl. BGH a.a.O.; OLG Köln a.a.O., Juris Rn. 9).

15. Im Streitfall hat die Beklagte für die Teilnahme am Verhandlungstermin vom 21.1.2009 einen Betrag von 785,71 € netto, für die Teilnahme am Verhandlungstermin vom 20.5.2009 einen Betrag von 787,61 € netto, für die Teilnahme am Verhandlungstermin vom 30.9.2009 einen Betrag von 724,28 € netto und für die Teilnahme am Verhandlungstermin vom 9.5.2012 einen Betrag von 974,27 € netto, jeweils inklusive Taxi- bzw. Mietwagenkosten und Parkgebühren, zur Festsetzung angemeldet. Hinzu kommen für jeden der vier Termine Fahrtkosten vom Büro der Prozessbevollmächtigten zum Flughafen in Höhe von jeweils 21,00 € sowie ein Abwesenheitsgeld in Höhe von jeweils 60,00 €, insgesamt 3.595,87 € netto. Ausgehend von den (fiktiven) Kosten, die für eine Bahnanreise in der ersten Wagenklasse von München nach Brandenburg und zurück angefallen wären, ist allein zu prüfen, ob die durch die Anreise der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu den jeweiligen Terminen entstandenen und zur Erstattung angemeldeten Kosten in dem hier vorliegenden Einzelfall dem Gebot einer möglichst sparsamen Prozessführung gerecht werden (vgl. OLG Köln a.a.O., juris Rn. 12).

16. Die Rechtspflegerin hat als fiktive Kosten für eine Bahnfahrt von München nach Brandenburg und zurück in der 1. Wagenklasse den Betrag von 450,00 € netto angesetzt. Zusätzlich hat sie Übernachtungskosten in Höhe von 60,00 € sowie ein Tage- und Abwesenheitsgeld in Höhe von 120,00 € für zwei Tage berücksichtigt, da angesichts der jeweils zwischen 13.00 Uhr und 14.15 Uhr angesetzten Terminszeiten die Prozessbevollmächtigten nicht gehalten gewesen wären, bei einer Fahrzeit von 7 ½ Stunden noch am gleichen Tage anzureisen. Nicht bedacht ist in dieser Vergleichsrechnung jedoch, dass die Beweisaufnahmetermine vom 20.5.2009 und vom 9.5.2012 so spät beendet waren, dass den Prozessbevollmächtigten eine Rückreise noch am gleichen Tag mit dem Zug nach München nicht mehr zumutbar gewesen wäre, so dass an diesen Tagen Kosten für eine weitere Übernachtung sowie jeweils weitere 60,00 € an Abwesenheitsgeld gem. VV Nr. 7005 angefallen wären. Der Senat hält zudem die Höhe der von der Rechtspflegerin angesetzten Übernachtungskosten für recht knapp bemessen und schätzt diese für eine Übernachtung in einem Hotel der gehobenen Mittelklasse unter der Woche auf 80,00 € (§ 287 ZPO). Somit ist von fiktiven Kosten in Höhe von jeweils 650,00 € (450,00 + 80,00 + 120,00) für die Verhandlungstermine vom 21.1.2009 und vom 30.9.2009 sowie in Höhe von jeweils 790,00 € (450,00 + 160,00 + 180,00) für die Verhandlungstermine vom 20.5.2009 und vom 9.5.2012 auszugehen, insgesamt 2.880,00 €. Ferner sind zu berücksichtigen weitere Kosten für die Fahrten vom Bahnhof zum Gericht, vom Gericht zum Hotel etc., die mit geschätzt 30,00 € pro Terminstag anzusetzen sind. Demnach ist insgesamt von fiktiven Reisekosten bei Bahnanfahrten erster Klasse von 3.000,00 € netto auszugehen.

17. Mit diesen fiktiven Kosten wären die von der Beklagten angemeldeten tatsächlich entstandenen Kosten in Höhe von 3.595,87 € netto auf ihre Angemessenheit hin zu vergleichen. Die tatsächlich entstandenen Kosten überschreiten die fiktiven Kosten um rd. 20%. Ob dieses Verhältnis grundsätzlich noch als angemessen anzusehen ist, braucht nicht entschieden zu werden. Denn im Streitfall beruht die Überschreitung allein darauf, dass die die Prozessbevollmächtigten der Beklagten entgegen dem Gebot der möglichst sparsamen Prozessführung Flüge zum Tarif der Business-​Class gebucht hat.

18. Über die fiktiven Kosten einer Bahnanreise hinausgehende Mehrkosten, die durch die Buchung eines Fluges in der Business-​Class gegenüber einem Tarif der Economy-​Class entstanden sind, sind grundsätzlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erstattungsfähig. Der Senat folgt insoweit der wohl überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, dass nach dem Gebot der Kostengeringhaltung regelmäßig nur die Kosten für einen Flug der Economy-​Class vom Gegner erstattet verlangt werden können (vgl. OLG Köln a.a.O.; OLG Frankfurt MDR 2008, 1005; OLG Düsseldorf NJW-​RR 2009, 1422; OLG Stuttgart Rechtspfleger 2010, 548; OLG Hamburg AGS 2011, 463; Müller-​Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 20. Aufl., VV 7003 bis 7006 Rn. 50). Die Mehrkosten, die durch die Buchung eines Fluges zum Tarif der Business-​Class entstehen, sind nicht notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Eine solche Notwendigkeit ergibt sich insbesondere nicht aus dem Verweis auf § 5 Abs. 3 JVEG. Danach sind höhere Kosten als die Kosten der Benutzung der 1. Klasse der Bahn nur erstattungsfähig, wenn sie wegen besonderer Umstände notwendig sind. Welche besonderen Umstände die Benutzung der Business-​Class gegenüber der Economy-​Class im Streitfall notwendig gemacht haben sollen, ist nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht dargelegt worden.

19. Selbst wenn die Reise in der Business – Class bessere Möglichkeiten bietet die Flugzeit zum Aktenstudium oder zur Terminsvorbereitung zu nutzen, vermag dies eine Abwälzung der erhöhten Flugkosten auf den Prozessgegner nicht zu rechtfertigen. Denn erstattet werden lediglich die Kosten der Reise, nicht jedoch zusätzliche Arbeitszeit. Die Reisezeit dient nicht dazu, dem Prozessbevollmächtigten auf Kosten der Gegenpartei zusätzliche Arbeitszeit zu verschaffen (vgl. OLG Hamburg AGS 2011, 463). Soweit der Prozessbevollmächtigte während der Reisezeit daran gehindert wird, seine Arbeitszeit anderweitig einzusetzen, wird dies durch die von ihm verdienten Gebühren, insbesondere das Tage- und Abwesenheitsgeld, mit abgegolten.

20. Der gegenteiligen Auffassung, wonach auch die Kosten für einen Flug in der Business-​Class uneingeschränkt erstattungsfähig sind (vgl. OLG Hamburg JurBüro 2008, 432; KG RVG-​Report 2006, 113; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 2.4.2009 – 5 W 58/09, jew. zitiert nach Juris), vermag sich der Senat aus den vorstehenden Gründen daher nicht anzuschließen.

21. Nach alledem ist die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Reisekosten im Streitfall auf die fiktiven Kosten beschränkt, die bei einer Anreise mit der Bahn entstanden wären. Diese Kosten sind, wie aus der Verweisung auf § 5 Abs. 1 und 3 JVEG folgt, als alleiniger Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Bis zu dieser Höhe sind die den Prozessbevollmächtigten der Beklagten entstandenen Kosten in jedem Fall zu erstatten, selbst wenn bei Buchung eines Tarifes der Economy-​Class fiktive Kosten in geringerer Höhe entstanden wären (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.; anders OLG Düsseldorf a.a.O.). Entsprechendes muss gelten, wenn – wie im vorliegenden Fall – keine Angaben dazu vorliegen, in welcher Höhe Flugkosten bei Buchung eines Tarifes der Economy-​Class entstanden wären, oder wenn die entstandenen Kosten in diesem Fall über die fiktiven Kosten bei Benutzung der Deutschen Bahn hinausgegangen wären (so etwa OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Hamburg AGS 2011, 463; OLG Saarbrücken NJW-​RR 2009, 1423). Bei der Prüfung der Angemessenheit der tatsächlich entstandenen Reisekosten sind allein die fiktiven Kosten bei einer Anreise mit der Bahn, nicht jedoch fiktive Kosten bei einer Anreise mit dem Flugzeug zum Tarif der Economy-​Class maßgeblich. Hierfür sprechen darüber hinaus auch praktische Gründe, da die Höhe der Tarife bei der Buchung einer Flugreise jeweils von unterschiedlichen Faktoren wie der jeweiligen Fluglinie, der Verfügbarkeit oder dem Zeitpunkt der Buchung abhängt und sich im Kostenfestsetzungsverfahren im Nachhinein nicht mehr oder nur noch unter großen Schwierigkeiten feststellen lässt, während die fiktiven Kosten einer Bahnanreise sich auch nachträglich noch unschwer durch eine entsprechende Preisauskunft der Deutschen Bahn ermitteln lassen.

22. Vergleicht man im Übrigen die über das Internet recherchierbaren Tarife der Deutschen Lufthansa (www.lufthansa.com), besteht zwischen dem Tarif für einen entsprechenden Flug von München nach Berlin in der Business-​Class und dem Tarif für einen Flug zum Tarif der Economy Flex eine Preisdifferenz von ca. 28%. Geht man davon aus, dass zu den hier fraglichen Zeiträumen ein ähnliches Preisverhältnis bestanden hat, wären bei Buchung eines Tarifes Economy Flex jeweils um 28% niedrigere Flugkosten angefallen, und zwar zum Termin am 21.1.2009 statt 570,33 € netto lediglich 410,64 €, zum Termin am 20.5.2009 statt 584,24 € netto lediglich 420,65 €, zum Termin am 30.9.2009 statt 589,28 € netto lediglich 424,28 € und zum Termin am 9.5.2012 statt 750,74 € netto lediglich 540,53 €. Zuzüglich der geltend gemachten Taxi- bzw. Mietwagenkosten, der Parkgebühren, der Fahrtkosten für die Anfahrt zum Flughafen in München sowie dem Abwesenheitsgeld liegen die Kosten, die danach bei Benutzung eines Tarifs der Economy-​Class entstanden wären, noch unter den fiktiven Kosten einer Bahnfahrt 1. Klasse.

23. Darauf, ob die angemeldeten Taxi- bzw. Mietwagenkosten für die Fahrten vom Flughafen Berlin-​Tegel nach Brandenburg und zurück in voller Höhe erstattungsfähig sind, kommt es demnach nicht an.

24. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss war daher insoweit abzuändern, als die Beklagte Erstattung der Reisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten bis zur Höhe von 3.000,00 € netto verlangen kann. Da die Rechtspflegerin in dem angefochtenen Beschluss erstattungsfähige Reisekosten in Höhe von nur 4 x 630,00 € = 2.520,00 € festgesetzt hat, hat die sofortige Beschwerde in dem Umfang Erfolg, als noch weitere 480,00 € zu Gunsten der Beklagten festzusetzen sind.

25. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Gerichtsgebühr auf Nr. 1812 KV (Anlage zu § 3 GKG), hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten auf § 92 Abs. 1 ZPO.

26. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf die divergierende Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur Erstattungsfähigkeit von Flugkosten der Business-​Class wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

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