Fehlen der im Reisekatalog angebotenen Kinderbetreuung als Reisemangel

LG Frankfurt: Fehlen der im Reisekatalog angebotenen Kinderbetreuung als Reisemangel

Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Urlaubsreise mit inbegriffener Kinderbetreuung gebucht. Diese stand vor Ort jedoch nicht zur Verfügung. Das Landgericht Frankfurt sprach ihr deshalb eine 25%-ige Reisepreisminderung zu.

LG Frankfurt 2-24 S 11/96 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 17.10.1996
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 17.10.1996, Az: 2-24 S 11/96
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 17. Oktober 1996

Aktenzeichen 2-24 S 11/96

Leitsatz:

2. Im Reisekatalog angegebene Angebote der Kinderbetreuung sind zugesicherte Eigenschaften.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte für sich, ihren Ehemann und das gemeinsame Kind bei der Beklagten eine Pauschalreise gebucht. Eine der im Prospekt beworbenen Leistungen war eine Kinderbetreuung. Tatsächlich stand diese jedoch nicht zur Verfügung. Die Klägerin verlangte folglich eine Reisepreisminderung und Schadensersatz für vertane Urlaubszeit.

In erster Instanz erreichte sie eine Minderung des Reisepreises um 10% und legte anschließend Berufung beim Landgericht Frankfurt ein. Dieses war wie das Amtsgericht in dem Fehlen der Kinderbetreuung einen Reisemangel, denn diese war eine zugesicherte Eigenschaft der Reise gewesen. Jedoch bewertete es den Ausgleichsanspruch, der sich daraus ergab, höher und gestand der Klägerin eine Minderung um 25% zu. Schadensersatzansprüche für vertane Urlaubszeit hatte sie aber nicht, da die Reise als ganze nicht erheblich beeinträchtigt gewesen war.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.090,39 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28.7.1995 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin 72 % und die Beklagte 28 % zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 83 % und die Beklagte 17 % zu tragen.

Tatbestand:

5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

6. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet. In der Sache hat sie teilweise Erfolg.

7. Denn entgegen der Auffassung des Amtsgerichts … das wegen des geschlossenen Kindergartens während der Reisezeit der Klägerin eine Minderung des Reisepreises gemäß § 651 d Abs. 1 BGB in Höhe von lediglich 10 % für angemessen hielt, steht der Klägerin wegen dieses Reisemangels ein Minderungsanspruch in Höhe von 25 %, mithin DM 964,75 DM, zu.

8. … Ausweislich des Katalogs der Beklagten war als im Reisepreis enthaltene Leistung der Beklagten auch ein Kindergarten geschuldet, der jedoch unstreitig während des Aufenthalts der Klägerin und ihrer Tochter geschlossen war, so daß die zu erwartende Kinderbetreuung nicht stattfand und die Klägerin unstreitig während ihres gesamten Urlaubs selbst auf ihre Tochter achten und sie beschäftigen mußte.

9. Dem Anspruch auf Kinderbetreuung, der sich aus dem Versprechen eines Kindergartens im Katalog ergibt, kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, daß die damals 2 1/2 Jahre alte Tochter der Klägerin für den Besuch eines Kindergartens zu jung gewesen sei. Aus dem Katalog der Beklagten ergibt sich eine Altersbeschränkung für den Besuch des Kindergartens nicht. Ebensowenig ergibt sich alleine aus dem Wort „Kindergarten“ eine solche, auch wenn es in Deutschland bei öffentlichen Kindergärten üblich ist, erst Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres aufzunehmen.

10. Denn der durchschnittlich verständige Reisende, von dessen Verständnis bei der Auslegung der Prospektbeschreibungen auszugehen ist, erwartet, wenn ein Reiseveranstalter einen „Kindergarten“ anbietet, nicht eine Institution, die einem öffentlichen deutschen Kindergarten vergleichbar ist. Denn im Vordergrund eines solchen Angebots des Reiseveranstalters steht nach allgemeinem Verständnis weniger die pädagogische Betreuung und Förderung der Kinder, die angesichts der Zufälligkeit des Teilnehmerkreises mit sich ständig überschneidenden Aufenthaltszeiten auch nicht erreichbar ist, als vielmehr die Möglichkeit für die Eltern, während eines Zeitraums, in dem für die Betreuung und Unterhaltung der Kinder gesorgt ist, alleine Urlaubsfreuden genießen zu können und Aktivitäten nachzugehen, die mit der Betreuung von Kindern nicht vereinbar sind. Daher kann ein Reisender erwarten, daß individuell nach der jeweiligen Reife des Kindes geprüft wird, ob und wie lange sein Kind in der Gruppe betreut werden kann; von starren Altersbeschränkungen kann ohne Hinweis im Katalog nicht ausgegangen werden. Diese Betrachtung wird auch von der Erfahrung der Kammer gestützt, daß in Urlaubsorten üblicherweise die Kinderbetreuung variabel erfolgt und nicht – wie in öffentlichen Kindergärten – an bestimmte Altersgrenzen fixiert wird.

11. Ohne weitere Anhaltspunkte, die die Beklagte deshalb nicht vortragen kann, weil der Kindergarten geschlossen war, und eine individuelle Prüfung der Möglichkeit, die Tochter der Klägerin zu betreuen, deshalb unterblieb, ist aber bei einem 2 1/2 jährigen Kind … davon auszugehen, daß es gemeinsam mit anderen Kindern vormittags und nachmittags zwei bis drei Stunden hätte betreut werden können, so daß die Klägerin während dieser Zeit eigenen Aktivitäten hätte nachgehen können.

12. Diese Beeinträchtigung der Urlaubsgestaltung der Klägerin, die sich aufgrund des Katalogs auf eine solche Planung hatte verlassen dürfen, ist hier für die Bemessung der Minderung des Reisepreises entscheidend. Insoweit hat das Amtsgericht die Minderung zu niedrig bemessen.

13. Die Klägerin hatte hier ein umfangreiches Clubangebot gewählt. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, daß typisch für ein solches Angebot ist, daß es keine langen Anfahrtszeiten zu den gebotenen Sport- und Unterhaltungsmöglichkeiten gibt, so daß solche Angebot bei einer stundenweisen Kinderbetreuung effektiv genutzt werden können. Laut Katalog wies die Anlage nicht nur „Hausstrand“ und Meerwasserschwimmbad, Cocktailbar, drei Süßwasser-​Swimmingpools und einen Meerwasser-​Swimmingpool auf; es wurden täglich wechselnde Animationsprogramme geboten. Als Sportmöglichkeiten wurde Volley-​, Basketball, Tischtennis und Darts angeboten. Es stand ein Gymnastik-​Fitnessraum zur Verfügung. Gegen Gebühr konnten 5 Tennisplätze und 2 Squashcourts genutzt werden; zudem konnte Billard gespielt werden, Mountainbikes konnten ausgeliehen werden und es standen Sauna und Massagemöglichkeiten zur Verfügung. Es bedarf keiner näheren Erläuterung, daß die Nutzung dieser Möglichkeiten bei gleichzeitiger Aufsichtsführung über ein 2 1/2 jähriges Kind teils unmöglich, teils wesentlich erschwert, in jedem Falle aber erheblich verändert wurde. Angesichts dessen ist die Beeinträchtigung, die die Klägerin hier angesichts des vielfältigen Angebots hinnehmen mußte, nach Auffassung der Kammer mit 25 % des Reisepreises zu bewerten. Eine Minderung in Höhe von 100 %, wie sie die Klägerin begehrt, wäre indessen übersetzt.

14. Ebenso mußte die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben, soweit sie sich auf Ansprüche wegen vertanen Urlaubs gemäß § 651 f Abs. 1 BGB bezog. Denn angesichts der Minderung des Reisepreises kann der Urlaub der Klägerin (über den ersten Aufenthaltstag hinaus) nicht als vereitelt oder erheblich beeinträchtigt angesehen werden, da dies nach der Rechtsprechung der Kammer voraussetzt, daß der Urlaub durch Reisemängel, die zu einer Minderung von mindestens 50 % führen, beeinträchtigt ist.

15. Zu dem Betrag von 964,75 DM ist der vom Amtsgericht wegen des Umzugs am ersten Aufenthaltstag der Klägerin zugesprochene Schadenersatzbetrag in Höhe von 125,64 DM, der mit der Berufung nicht angegriffen wurde, zu addieren, so daß sich insgesamt Ansprüche der Klägerin in Höhe von 1.090,39 DM ergeben, die entsprechend den amtsgerichtlichen Feststellungen zu verzinsen sind. Insoweit wird gemäß § 543 ZPO auf die amtsgerichtlichen Entscheidungsgründe Bezug genommen.

16. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO.

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