Außergewöhnliche Umstände wegen Streiks
Außergewöhnliche Umstände wegen Streiks
Als ihr Flug annulliert wurde, klagten zwei Flugreisende auf je 250 € Entschädigung.
Das Gericht wies die Klage jedoch ab, da es aufgrund eines kurzfristigen Streiks zu dem Flugausfall gekommen war und es der Airline nicht möglich gewesen wäre den Ausfall zu verhindern.
AG Erding | 7 C 1205/14 (Aktenzeichen) |
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AG Erding: | AG Erding, Urt. vom 27.07.2015 |
Rechtsweg: | AG Erding, Urt. v. 27.07.2015, Az: 7 C 1205/14 |
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Leitsatz:
2. Ein kurzfristiger Streik (hier einen Tag zuvor angekündigt) kann als außergewöhnlicher Umstand für eine Flugverspätung oder -annullierung gesehen werden.
Zusammenfassung:
3. Zwei Flugreisende klagten gegen eine Airline, da ihr Flug annulliert worden war. Die Airline konnte sich jedoch auf außergewöhnliche Umstände berufen. Ein Streik französischer Fluglotsen machte es nötig, den gesamten Flugverkehr über Frankreich stark einzuschränken und diverse Flüge, so auch den der Kläger, zu annullieren.
Da der Streik erst sehr kurzfristig angekündigt wurde, entschied das Gericht, es die Airline könne nicht für den Flugausfall verantwortlich gemacht werden. Es hätte außerstande ihrer Möglichkeiten gelegen, die Annullierung zu verhindern.
Tenor:
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 500,00 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313 a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe:
5. Die zulässige Klage ist unbegründet.
6. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von je 250,00 EUR aus Art. 7 Abs. 1 S. 1 a) Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Zwar haben Fluggäste auch dann einen Anspruch nach Art. 7 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 261/2004, wenn sie ihr Endziel mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr erreichen und sich das Luftfahrtunternehmen nicht erfolgreich auf außergewöhnliche Umstände berufen kann (vgl. EuGH, Urt. v. 19.11.2009, Az. C-402/07, C-432/07; EuGH, Urt. v. 23.10.2012, Az. C-581/10, C-629/10). Entsprechendes gilt nach ständiger Rechtsprechung im Falle der Annullierung eines Fluges.
7. Die Beklagte kann sich aber erfolgreich auf außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 berufen. Danach ist ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung bzw. Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Nach Erwägungsgrund Nr. 14 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 können außergewöhnliche Umstände insbesondere bei einem den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streik eintreten.
8. Aufgrund der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Annullierung des streitgegenständlichen Flugs VY 1816 auf einen Streik der französischen Fluglotsen am 18.03.2014, welcher den gesamten französischen Luftraum betroffen hat, zurückzuführen ist und die Beklagte diese durch ihr zumutbare Maßnahmen nicht verhindern konnte.
9. Der Zeuge … hat bestätigt, dass die französischen Fluglotsen am 18.03.2014 gestreikt haben und dass der Streik erst am Vortag angekündigt wurde.
10. Weiter hat der Zeuge bestätigt, dass die streitgegenständliche Flugroute das Fluginformationsgebiet Marseille („LFMM“) überfliegen muss, welcher von französischen Fluglotsen kontrolliert wird, dass der Streik sämtliche von durch französische Fluglotsen kontrollierte Fluginformationsgebiete – somit den gesamten französischen Luftraum – betroffen hat und dass die Beklagte von Eurocontroll aufgefordert wurde, 20 % der Flüge, welche den französischen Luftraum überqueren, zu streichen. Insbesondere hat der Zeuge bestätigt, dass sich die Aufforderung der Eurocontroll (Anlage B1) nicht auf die Flughäfen Nizza, Marseille, Lyon und Toulouse, sondern auf die jeweiligen Fluginformationsgebiete bezogen hat. Weiter bestätigte der Zeuge, dass die Flugroute Barcelona-München zwingend den französischen Luftraum überfliegen muss. Weiter hat der Zeuge ausgeführt, dass die Entscheidung, den streitgegenständlichen Flug zu annullieren, auch darauf beruhte, dass am 18.03.2014 zwei Flüge Barcelona-München geplant waren und der streitgegenständliche Flug aufgrund der mit dem Fluglotsenstreik möglicherweise einhergehenden Verzögerungen in Gefahr war, das Nachtflugverbot in München nicht einhalten zu können.
11. Zweifel an den Angaben des Zeugen bestehen nicht. Der Zeuge hat seine Aussagen ruhig und überlegt getroffen. Die Aussagen stimmen auch mit den als Anlage B1–B3 vorgelegten Mitteilungen der Beklagten überein.
12. Das Gericht ist nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Streik der französischen Fluglotsen einen außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 begründet. Zur Überzeugung des Gerichts hat die Beklagte den ihr gegebenen Spielraum bei der Entscheidung, welcher Flug wegen außergewöhnlicher Umstände annulliert wird, fehlerfrei ausgeübt hat. Die Beklagte hat auf den verbleibenden Flugplan in zulässiger Weise Rücksicht genommen.
13. Für die Beklagte war es schließlich nicht möglich, die Annullierung des streitgegenständlichen Fluges durch die Ergreifung zumutbarer Maßnahmen zu verhindern. Solche zumutbaren Maßnahmen sind vorliegend nicht ersichtlich.
14. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
15. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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