Anwendung des Reisevertragsrechts auf Ferienhausvertrag

LG Frankfurt: Anwendung des Reisevertragsrechts auf Ferienhausvertrag

Der Kläger buchte für sich und fünf weitere Mitreisende eine Ferienwohnung in Spanien. Am Urlaubsort angekommen war der Kläger mit der Unterkunft unzufrieden, auch ein weiteres von der Rezeption angebotenes Appartement lehnte er ab. Da er die örtliche Reiseleitung nicht erreichen konnte buchte er eigenständig eine andere Ferienwohnung zu einem Preis von 940,- DM. Diesen Betrag fordert der Kläger von der Beklagten zurück. Da sich diese weigerte erhob er Klage.

Das AG Frankfurt wies die Klage ab. Das LG Frankfurt gab dem Kläger in der Berufung Recht.

LG Frankfurt 2-24 S 146/84 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 19.11.1984
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 19.11.1984, Az: 2-24 S 146/84
AG Frankfurt, Urt. v. 20.3.1984, Az: 30 C 10503/82
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 19.11.1984

Aktenzeichen 2-24 S 146/84

Leitsätze:

2. Die §§ 651g und 651h BGB ausgenommen sind die Vorschriften über den Reisevertrag auf Ferienhausverträge anzuwenden.

Sind der Reiseveranstalter oder die örtliche Reiseleitung zum Zeitpunkt der Ankunft des Reisenden präsent um etwaige Abhilfeverlangen, Mängelrügen oder Fristsetzungen entgegenzunehmen, dass ist der Reisende berechtigt zur sofortigen Selbstabhilfe bzw. den Vertrag zu kündigen.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte für sich und fünf weitere Mitreisende eine Ferienwohnung in Spanien für den Zeitraum vom 5.6.1982 bis zum 19.6.1982 bei der Beklagten. Am Urlaubsort angekommen war der Kläger mit der Unterkunft unzufrieden, da sie nach seiner Ansicht verschmutzt und verwahrlost war. Auch ein weiteres von der Rezeption angebotenes Appartement lehnte er ab. Da er die örtliche Reiseleitung nicht erreichen konnte buchte er eigenständig eine andere Ferienwohnung zu einem Preis von 940,- DM. Dies teilte er am 07.06.1982 dem örtlichen Reiseleiter mit, der dies auch schriftlich notierte. Diesen Betrag fordert der Kläger von der Beklagten zurück. Da sich diese weigerte erhob er Klage.

Das AG Frankfurt wies die Klage ab, mit der Begründung, dass durch den Kläger keine Rüge mit Fristsetzung gem. §§ 651c III, 651e II BGB erfolgt sei. Das LG Frankfurt gab dem Kläger in der Berufung hingegen Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 940,- DM nebst 4 % Zinsen.

Tenor:

4. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 20.3.1984 – 30 C 10503/82 – abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 940,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20.12.1982 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte für sich und 5 Mitreisende (insgesamt 4 Erwachsene und 2 Kinder im Alter von 1 Jahr) bei der Beklagten für die Zeit vom 5.6.1982 bis 19.6.1982 ein Ferienappartement … in C/Spanien zum Preis von 530,– DM (Vierzimmerwohnung für 6 Personen). Die Anreise erfolgte am Samstag, den 5.6.1982. Als die Reisenden vormittags ankamen, wurde ihnen von der Rezeption ein Appartement zugeteilt, das sie unter Hinweis auf verschiedene Mängel, vor allem Verschmutzung und Verwahrlosung – nicht annahmen. Auch eine weiteres von der Rezeption angebotenes Appartement fand nicht ihre Billigung. Nachdem der Kläger vergeblich versucht hatte, die örtliche Reiseleitung der Beklagten zu erreichten, buchte er im Laufe der Mittagsstunden ein Ersatzappartement zum Preis von 35 800, Pts (940.– DM). Dies teilte er am 7.6.1982 dem örtlichen Reiseleiter der Beklagten mit, der daraufhin eine Niederschrift über das nicht in Anspruch genommene Appartement anfertigte (Bl. 16 d.A.), in der es heißt: „Gast war unzufrieden mit Unterkunft App. war verschmutzt, verschimmelt, Geschirr war verdreckt. Rolladen defekt, Toilette kaputt. Gast hat dann auf eigene Faust andere Unterkunft gesucht (also privat)“. Eine Rückvergütung ist in der Niederschrift nicht errechnet. Angekreuzt ist jedoch die Klausel „Auszahlung erfolgt in Deutschland“.

6. Der Kläger verlangt Erstattung des für das Ersatzappartements gezahlten Betrages von 940,– DM und trägt vor, der Reiseleiter der Beklagten sei weder am Samstag, den 5.6.1982 noch am Sonntag, den 6.6.1982 zu erreichen gewesen. Ein für Samstag 19.00 Uhr bekanntgegebener „Empfangscocktail“ habe nicht stattgefunden. Im Hinblick auf die 13 und 12 Monate alten Kinder habe man mit dem Anmieten der Ersatzappartements nicht länger warten können.

7. Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 940,– nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.

8. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

9. Sie hat bestritten, dass die beiden von der Rezeption angebotenen Appartements verschmutzt und verwahrlost gewesen seien. Sie macht hilfsweise geltend, dass der Kläger etwaige Mängel nicht bei der örtlichen Reiseleitung gerügt habe. Dies habe der Kläger spätestens bei dem Empfangscocktail am Sonntag, dem 6.6.1982 tun können, der bereits um 16.00 Uhr stattgefunden habe und dessen Zeitpunkt auf einer vielfarbigen großflächigen Informationstafel richtig bekannt gemacht worden sei.

10. Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen und dies vor allem mit der fehlenden Rüge unter Fristsetzung (§ 651c III, § 651e II BGB) begründet. Gegen das am 28.4.1984 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.4.1984 Berufung eingelegt und diese am 25.5.1984 begründet.

11. Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 940,– DM nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

13. Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie beruft sich noch darauf, sie habe lt. Prospekt zwar zweckmäßig eingerichtete Appartements, nicht aber Appartements mit „besonders guter Ausstattung“ angeboten. Im Hinblick auf den günstigen Preis von 530,– DM seien die angebotenen Appartements nicht mangelhaft gewesen.

 

Entscheidungsgründe:

14. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, mithin zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht der geforderte Betrag von 940,– DM, den er für das angemietete Ersatzappartement gezahlt hat, nach den §§ 651c, 651e III, 651f BGB zu.

15. Dem Kläger stand ein Recht auf Kündigung des Ferienhausvertrages analog § 651e BGB zu.

16. Der Ferienhausvertrag wird nach überwiegender Meinung und Rechtsprechung zwar als Werkvertrag eingestuft, da es bei ihm an dem notwendigen „Bündel“ von Reiseleistungen im Sinne des § 651a I BGB fehlt (Palandt-​Thomas, Anm. 3, Einf. vor § 651 a BGB; Löwe, MK, § 651 a BGB, Rdnr. 45; Tonner, NJW 1981, 1921; LG Frankfurt, NJW 1982, 1949). Die Kammer hat dies in der zitierten Entscheidung im Hinblick auf Art. 16 EuGVÜ unter Verneinung der Rechtsnatur eines Mietvertrages betont. Damit ist aber die Frage einer analogen Anwendung der Vorschriften des Reisevertrages auf den Ferienhausvertrag noch nicht entschieden. Die Nichtanwendung der Vorschriften der §§ 651a ff BGB entspricht nicht der Interessenlage; die Gründe, die den Gesetzgeber veranlasst haben, eine eigenständige Regelung des Reisevertrages zu schaffen, sind beim Ferienhausvertrag ebenso gegeben wie beim Pauschalreisevertrag. Die Formalien für den Gewährleistungsanspruch in § 634 BGB (Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung), die Möglichkeit der Wandlung und die Unzulässigkeit einer Häufung von Gewährleistung und Schadensersatz widersprechen den praktischen Gegebenheiten im Reiserecht. Ebensowenig will einleuchten, dass die in § 651f II BGB geschaffene Neuregelung des Schadensersatzes wegen entgangener Urlaubsfreude dem Buchenden eines Ferienhauses nicht zugutekommen soll, er also nach wie vor Schadensersatz nach § 635 BGB verlangen soll; besonders misslich ist diese Konsequenz, wenn man mit der Rechtsprechung des BGH (NJW 1983, 35; BGHZ 85, 168 = NJW 1983, 218) dem Anspruch auf Entschädigung einen anderen Inhalt als dem bisher nach §§ 635, 249 BGB gegebenen Schadensersatzanspruch (BGHZ 63, 98 = NJW 1975, 40) gibt. Ebensowenig will einleuchten, dass die Sonderregelungen in §§ 651e III, 651i, 651j BGB und die Unabdingbarkeitsregel des § 651k BGB nur dem Pauschalreisenden, nicht aber dem Buchenden eines Ferienhauses oder Ferienappartements zugute kommen sollen, obwohl ihnen eine Interessenlage zugrundeliegt, die für alle Reisen gilt. Auch in der praktischen Handhabung der Verträge – was die Angebote über Kataloge, den Abschluss und Inhalt der Verträge sowie die Behandlung von Mängelrügen am Urlaubsort betrifft – lässt sich eine Einheitlichkeit feststellen. Weder dem Reisenden noch dem örtlichen Reiseleiter des Reiseveranstalters wird die unterschiedliche Rechtsfolge bewusst, ob es sich um einen Reisevertrag oder um einen Ferienhausvertrag handelt.

17. In der Literatur ist versucht worden, die „Fehlleistung des Gesetzgebers“ auf verschiedene Weise zu korrigieren. So wird einmal vorgeschlagen, den Ferienhausvertrag durch extensive Interpretation des § 651a II BGB zu erfassen und sodann auch den § 651a I BGB genau so ausdehnend auszulegen (Tonner, Reisevertragsgesetz, § 651 a BGB, Rdnr. 27, 31, 32; ebenso Blaurock, Tourismus und Recht, Arbeiten zur Rechtsvergleichung, 1980, S. 7). Gegen eine solche Interpretation bestehen jedoch erhebliche Bedenken, da sie den Anwendungsbereich des § 651a I BGB entgegen seinem Wortlaut in sein Gegenteil verkehren (Staudinger-​Schwerdtner, § 651 a, Rdnr. 75. 76; vgl. auch Eberle, Betr. 1979, 341). Andere versuchen die Gleichstellung des Ferienhausvertrages dadurch herbeizuführen, dass sie die Bereitstellung der örtlichen Reiseleitung als selbständige Hauptpflicht des Reiseveranstalters auffassen und damit zu dem erwünschten „Gesamtbündel“ der Reiseleistungen gelangen (in dieser Richtung etwa Bartl, Reiserecht, 2. Aufl., Rdnr. 7, S. 23; ders. in Fünf Jahre Reisevertragsgesetz, FRW-​Scriptum, 1984, S. 2; anders jedoch in R-​Tour, § 651a BGB Rdnr. 8). Dagegen bestehen nach Meinung der Kammer ebenfalls Bedenken, da die Bereitstellung einer örtlichen Reiseleitung nach ihrem Inhalt und Gewicht kaum als Hauptpflicht zu bezeichnen ist, abgesehen davon, dass bei kleineren Reiseveranstaltern eine eigene örtliche Reiseleitung fehlt und auch nicht verlangt werden kann (Staudinger-​Schwertner, § 651a BGB Rdnr. 19)

18. Die Kammer ist der Auffassung, dass der Interessenlage ohne Missachtung des Gesetzes dadurch Rechnung getragen werden kann, dass die materiellen Regeln der §§ 651af, i, j, k BGB auf den Ferienhausvertrag analog anzuwenden sind. Diese analoge Anwendung ist aufgrund der gleichen Interessenlage und der gleichen Behandlung der Verträge in der Praxis gerechtfertigt. Auch beim Ferienhausvertrag ist der Reiseveranstalter zwischen Reisenden und Leistungsträger zwischengeschaltet. Er erbringt die Leistung in eigenem Namen und organisiert zumindest teilweise die Reise, indem er für die Bereitstellung der Unterkunft sorgt, die Weiterleitung der Vergütung übernimmt und bei Vorliegen von Mängeln gegenüber dem Buchenden einzustehen hat. Hinsichtlich der Mängel ist die örtliche Reiseleitung im Regelfall als Ansprechstelle für den Reisenden vorhanden. Der Sache nach geht es darum, für alle Verträge einheitliche Abwicklungsnormen zu schaffen, was zur Folge hat, die teilweise unpraktischen Vorschriften des Werkvertragsrechts durch diejenigen über den Reisevertrag zu ersetzen. Im Ergebnis befindet sich die Kammer in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Derleder im Alternativkommentar (1979, § 651 a, Rdnr. 2), der über eine nach §§ 133, 157, 242 BGB vorzunehmende Auslegung des Vertrages zur Anwendung der §§ 651a ff. BGB gelangen will. Die analoge Anwendung erscheint der Kammer aber sachgerechter, da die von Derleder befürwortete Auslegung nur auf einen vage vorhandenen, rechtsgeschäftlichen Willen der Vertragspartner gestützt werden kann. Bedenken hat die Kammer nur hinsichtlich der analogen Anwendung der §§ 651g und h BGB, da es sich insoweit um strikte Regelungen handelt, die zum Teil zu Ungunsten des Reisenden ausschlagen. Insoweit muss eine analoge Anwendung von Gesetzes wegen unterbleiben. Die insoweit ebenfalls wünschenswerte Angleichung muss der Parteivereinbarung vorbehalten bleiben, wobei einer solchen Vereinbarung durch AGB nach Auffassung der Kammer keine Bedenken entgegenstehen (vgl. LG Frankfurt, NJW 1982, 1538; vgl. jedoch BGH NJW 1983, 1612).

19. Die Voraussetzungen für eine Kündigung des Ferienhausvertrages gemäß dem analog anwendbaren § 651e BGB waren gegeben.

20. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme waren die beiden von der Rezeption angebotenen Appartements mit erheblichen Mängeln behaftet, so dass dem Kläger und seinen Mitreisenden ein Einzug in eines dieser Appartements nicht zumutbar war. Die Zeugen Eheleute … haben glaubhaft bekundet, dass beide Appartements erheblich verschmutzt waren. Die schriftliche Aussage des Reiseleiters … steht dieser Feststellung nicht entgegen. Er will sich zwar nach der Rüge des Klägers am 7.6.1982 das ursprüngliche Appartement angesehen haben. Nach seiner Erklärung bleibt offen, wann dies genau geschehen ist und ob sichergestellt war, dass er überhaupt das gleiche Appartement gesehen hat. Abgesehen davon hat er die Beschreibung des besichtigten Appartements recht vorsichtig vorgenommen; er erklärt, dass von Ameisenbevölkerungen keine Spur gewesen und es natürlich jedem bekannt sei, „dass man die spanische Sauberkeit nicht mit der deutschen vergleichen kann“. Solange nicht aufgrund konkreter Umstände – z.B. einer gemeinsamen Besichtigung des zugewiesenen Objekts durch den Reisenden und den Reiseleiter – sichergestellt ist, dass der Reiseleiter wirklich das angebotene Appartement in dem damaligen Zustand gesehen hat, sieht sich die Kammer außerstande, aufgrund derart vager Äußerungen einen Gegenbeweis als geführt anzusehen.

21. Die nachgewiesene Verschmutzung des Appartements (Wohnzimmer und Nebenräume) ist mit einem Minderungssatz von 20 % zu bewerten und rechtfertigte damit nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (LG Frankfurt, NJW 1983, 2884) eine Kündigung nach § 651e I BGB. Die für den Regelfall nach § 651e II S. 1 BGB vorgesehene Rüge des Mangels nebst Fristsetzung zur Abhilfe bedurfte es hier nicht. Denn eine solche Rüge und Fristsetzung waren dem Kläger aus Gründen nicht möglich, die die Beklagte zu vertreten hat.

22. Ein Bezug des verschmutzten Appartements vor Beseitigung der Mängel in Form einer Generalreinigung war dem Kläger und seinen Mitreisenden nicht zumutbar. Eine schnelle Abhilfe war aber am Samstagmittag aus der Sicht des Klägers (ex ante) in absehbarer Zeitspanne nicht zu erwarten.

23. Nach den glaubhaften Aussagen der Zeugen Eheleute … haben der Kläger und sie nach der Ankunft und Zurückweisung der beiden angebotenen verschmutzten Appartements im Verlauf des Samstagmittags – wahrscheinlich zwischen 12 und 13 Uhr – zweimal in kurzen Abständen vergeblich versucht, die örtliche Reiseleitung telefonisch zu erreichen. Nachdem sich in der letzten mündlichen Verhandlung vor der Kammer herausgestellt hat, dass das Büro der örtlichen Reiseleitung wegen des Wochenendes ab Samstag, 13 Uhr, geschlossen war, hätten der Kläger und seine Mitreisenden den Reiseleiter frühestens am Sonntagnachmittag während des angesagten „Empfangscocktails“ erreichen können, wobei der streitige Zeitpunkt dieses Cocktails – 16 oder 18 Uhr – in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben kann. Eine solche Wartezeit war den Reisenden nicht zuzumuten. Sie waren aus Deutschland mit dem PKW angereist und hatten einen Anspruch darauf, am Ankunftstag das gebuchte Appartement alsbald in bewohnbarem Zustand übergeben zu bekommen. Das gilt in besonderem Maße hier, als zwei Kleinkinder vorhanden waren, worauf es aber nach Meinung der Kammer nicht entscheidend ankommt. Der Kläger hatte demnach Anspruch darauf, dass etwaige Mängel des Appartements in Form unzureichender Reinigung oder Vorhandenseins von Ameisen unverzüglich abgestellt oder ihm ein anderes, mangelfreies Appartement zugewiesen würde. Diese Abhilfe hatte binnen weniger Stunden am gleichen Tag zu erfolgen, damit der Kläger und seine Mitreisenden die Koffer auspacken, zu Abend essen und die Nachtruhe wie vereinbart pflegen konnten. Die Schaffung dieser Voraussetzungen war jedenfalls am Samstagmittag nach den vergeblichen Versuchen telefonischer Kontaktnahme und der Schließung des Büros um 13 Uhr nicht mehr fristgerecht zu erwarten; allein darauf kommt es an (vgl. Urteil der Kammer vom 15.10.1984, 2/24 S 100/84), nicht aber auf unvorhersehbare, zufällige Abläufe, z.B. ob der Reiseleiter vielleicht später doch noch von sich aus die Appartementanlage aufsuchen und sich nach dem Wohl der von ihm zu betreuenden Reisenden erkundigen werde.

24. Zwar ist nach der Konzeption des Gesetzes in §§ 651c III S. 1, 651e II S. 1 BGB der Reisende zunächst gehalten, durch eine Anzeige der Mängel und ein Verlangen auf Abhilfe dem Reiseveranstalter Gelegenheit zur Beseitigung der Mängel zu geben. Hiervon sind aber in den §§ 651c III S. 2 und 651e II S. 2 BGB Ausnahmen dahin zugelassen, dass die sofortige Abhilfe bzw. die sofortige Kündigung durch ein besonderes Interesse des Reisenden geboten ist. Der Reiseveranstalter ist im Interesse des Reisenden gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass derselbe nach Ankunft am Urlaubsort und erster Inspektion der zugewiesenen Unterkunft etwaige Mängelrügen der örtlichen Reiseleitung bekanntgeben und auf sofortige Abhilfe dringen kann. Hiermit ist es nicht vereinbar, wenn ausgerechnet am Ankunftstag das Büro der örtlichen Reiseleitung zeitweise telefonisch nicht erreichbar ist und sodann um 13 Uhr die Pforten endgültig schließt. Der Reiseveranstalter und seine örtliche Reiseleitung muss damit rechnen, dass Reisende mit eigenem Auto erst im Laufe des Nachmittags am Urlaubsort eintreffen, zumal – wie der Kammer bekannt ist – viele Ferienhäuser und Appartements wegen Auszug der Vorbenutzer am Vormittag und der anschließenden Reinigung erst ab den Nachmittagsstunden bezogen werden können. Ist eine solche Vorsorge für das Anbringen von Mängelrügen nicht getroffen, kann der Reiseveranstalter sich auf das Fehlen der Rüge bzw. das Fehlen einer Fristsetzung nicht berufen.

25. Nach der am 7.6.1982 wirksam ausgesprochenen Kündigung steht dem Kläger nach § 651e III S. 1 BGB ein Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Vergütung von 530 DM zu. Außerdem kann er nach § 651f I BGB die Differenz zwischen dieser Vergütung und dem gezahlten Preis für das Ersatzappartement als Schadensersatz verlangen, da die Beklagte nach den Ausführungen unter Ziff. 2 den Mangel und damit die vorzeitige Auflösung des Vertrages zu vertreten hat. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass das bezogene Ersatzappartement komfortabler war und ein dem gebuchten Objekt gleichwertiges, aber billigeres Appartement in der Kürze der Zeit hätte beschafft werden können.

26. Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 291, 288 BGB.

27. Die Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 91 ZPO.

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