Unwirksame Klausel über Gerichtsstandort
AG Geldern: Unwirksame Klausel über Gerichtsstandort
Ein Reisegast buchte über ein Internetportal eine Reise. Bei der Buchung wurde er aufgefordert ein Häkchen bei den AGB zu setzten. In diesen AGBs stand, dass er damit das irische Gesetzt anerkennt sollte aus dem Flug Ansprüche entstehen. Der Reisegast bestätigte dieses Kästchen. Der Flug selbst hatte 9 Stunden Verspätung, daher möchte der Reisegast eine Entschädigung von dem Reisevermittler. Dieser weigert sich zu zahlen, da das irische Gesetzt dies nicht vorsieht.
Das Gericht entschied, dass eine solche Klausel die der Reisegast anklicken musste nicht gültig sei, da eine Bestätigung des Reisevermittlers dem Reisegast nicht zugeschickt wurde. Diese nicht bestätigte Vereinbarung ist einer mündlichen Vereinbarung gleichzusetzten.
AG Geldern | 4 C 33/11 (Aktenzeichen) |
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AG Geldern: | AG Geldern, Urt. vom 20.04.2011 |
Rechtsweg: | AG Geldern, Urt. v. 20.04.2011, Az: 4 C 33/11 |
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Leitsatz:
2. Das anklicken eines Kästchen bei einer Buchung (sog. „click-wrapping-Prinzip“) ist nur rechtskräftig, wenn auch eine Bestätigung des Anbieters dem Buchenden in Schriftform zugeht.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger eine Flugreise bei der Beklagten. Im Zuge dieser Buchung musste der Kläger durch ein Anklicken eines Kästchens (sog. „click-wrapping-Prinzip“) die AGBs des Reisevermittlers bestätigen. Diese enthielten unter anderem eine Vereinbarung, dass für den Vertrag irisches Recht gelte. Des Weiteren heißt es das Streitigkeiten, die aus diesem Vertrag resultieren irischen Gerichten unterstehen.
Der Kläger klickte dieses Kästchen an und buchte. Der geplante Flug sollte bereits um 7.55 Uhr starten, durch einen technischen Defekt hob das Flugzeug aber erst mit einer 9stündigen Verzögerung ab. Der Kläger ist der Meinung, dass ihm jetzt eine Ausgleichzahlung nach Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zustehen würde. Der Beklagte meint aber da der Kläger bei der Buchung das Kästchen angeklickt hat, dass dem Kläger nach dem irischen Gesetzt eine solche nicht zusteht.
Das Gericht entschied muss zunächst entscheiden, dass die Vereinbarung bei der Buchung, welche durch das click-wrapping-Prinzip geschlossen wurde keine Anwendung findet. Der Beklagte übersendete diese Vereinbarung aber nicht per E-mail an den Kläger und somit ist dieses click-wrapping-Prinzip wie eine mündliche Vereinbarung zu sehen.
Tenor:
4. Das AG Geldern ist international zuständig.
Tatbestand:
5. Die Parteien haben einen Vertrag über eine Luftbeförderung der Kläger von A….. nach B…… geschlossen, die am 02.11.2010 erfolgen sollte. Die Buchung erfolgte über die Internetseite der Beklagten. Bei der Buchung mussten die AGB der Beklagten durch die Kläger durch Anklicken eines Kästchens bestätigt werden (sog. „click-wrapping-Prinzip“). Diese AGB enthalten u.a. eine Vereinbarung, dass für den Vertrag irisches Recht gelte. Zudem ist folgende Klausel enthalten: „Alle Streitigkeiten, die aus dem oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag entstehen, unterliegen der Zuständigkeit irischer Gerichte.“ Planmäßig sollte die Maschine um 07.55 Uhr in A…… starten und um 10.40 Uhr in B…… landen. Tatsächlich hob die Maschine aber erst 9 Stunden später ab.
6. Die Kläger sind der Auffassung, dass ihnen nach der Rechtsprechung des EuGH aufgrund der Verspätung Ausgleichsansprüche analog Art. 7 FluggastrechteVO zustünden. Zudem habe die Beklagte die nach Art. 9 FluggastrechteVO vorgeschriebenen Leistungen nicht erbracht.
8. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 415,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2010 zu zahlen;
9. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 2) 415,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2010 zu zahlen;
12. Der Flug habe sich wegen eines unerwarteten technischen Defekts verzögert, weil die Beklagte eine Ersatzmaschine habe beschaffen müssen. Dies sei nicht schneller möglich gewesen. Zudem stehe Fluggästen bei Verspätungen kein Ausgleichsanspruch zu, weil die Rechtsprechung des EuGH in dieser Hinsicht gegen das Montrealer Übereinkommen verstoße. Mit Schriftsatz vom 29.03.2010 hat die Beklagte überdies erstmals die internationale Zuständigkeit des AGs Geldern gerügt.
13. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
14. Gemäß § 280 ZPO wird zunächst abgesondert über die internationale Zuständigkeit des AGs Geldern entschieden. Dieses ist gemäß Art. 5 Nr. lit. b) Spiegelstrich 2 EuGVVO international zuständig. Die Parteien haben seine Zuständigkeit nicht gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 EuGVVO abbedungen.
15. Die Gerichtsstandsklausel in den AGB der Beklagten ist formnichtig. Sie ist nicht in elektronischer Form im Sinne von Art. 23 Abs. 2 EuGVVO geschlossen worden.
16. Das „click-wrapping-Prinzip“ entspricht nicht der elektronischen Form des Art. 23 Abs. 2 EuGVVO, die der Schriftform des Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. a) Fall 1 EuGVVO gleichgestellt ist. Bei einem in klassischer Schriftform geschlossenen Vertrag liegt beiden Parteien der Vertragstext auch nach Vertragsschluss vollständig und jederzeit einsehbar vor. Dies ist beim „click-wrapping-Prinzip“ hingegen nicht zwingend der Fall. Wird der Text nicht ausgedruckt, entspricht eine durch „click-wrapping“ abgegebene Willenserklärung eher einer mündlichen Vereinbarung, da sie flüchtig und anschließend (jedenfalls für den Vertragspartner des Verwenders) nicht mehr vollständig reproduzierbar ist. Eine Vergleichbarkeit mit der Schriftform läge aber allenfalls dann vor, wenn eine Bestätigung der AGB nur möglich wäre, nachdem man diese ausgedruckt hat. Dies ist aber auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht erforderlich. Es ist auch nicht hinreichend, dass man die (aktuellen) AGB der Beklagten auf deren Internetseite abrufen kann, da dies nicht gewährleistet, dass diese mit denen übereinstimmen, die in den zuvor abgeschlossenen Vertrag einbezogen wurden.
17. Eine Gerichtsstandsvereinbarung durch „click-wrapping“ wäre daher gemäß Art. 23 Abs. 2, Abs. 1 S. 3 lit. a) Fall 2 EuGVVO nur formwirksam, wenn sie in schriftlicher oder elektronischer Form bestätig worden wäre. Die Beklagte hat keine derartige Bestätigung an die Kläger versandt. Für eine Bestätigung in elektronischer Form genügt nicht, dass der Vertragspartner des Verwenders die AGB bei Vertragsschluss ausdrucken kann. Eine entsprechende Bestätigung wäre etwa die Übersendung durch Fax oder E-mail, da der Kunde in diesen Fällen – ebenso wie bei Übersendung einer schriftlichen Bestätigung – den vollständigen Vertragstext ohne sein Zutun erhält. Die Möglichkeit des Ausdrucks bei Vertragsschluss verlangt von ihm demgegenüber ein aktives Tun. Dies kann nicht als gleichwertige Möglichkeit angesehen werden, zumal ein Kunde allein angesichts des Umfangs zahlreicher Klauselwerke häufig darauf verzichten wird, diese auszudrucken.
18. Letztlich kann sogar dahinstehen, ob das „click-wrapping Prinzip“ den Formanforderungen des Art. 23 Abs. 2 EuGVVO genügt, weil die Gerichtsstandsklausel dann AGB-rechtlich unzulässig ist, was das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. EuGH NJW 2000, 2571, 2573). Sie ist gemäß Art. 6 Abs. 1 Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1995 (nachfolgend: irisches AGB-Gesetz) insgesamt unwirksam, weil sie eine missbräuchliche Klausel im Sinne von Schedule 3 Nr. 1 lit. q irisches AGB-Gesetz ist. Die Zulässigkeit der Klausel ist nach irischem Recht zu beurteilen, weil die Parteien die Anwendbarkeit irischen Rechts vereinbart haben. Dies ist eine nach Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 lit. c) Rom-I-VO zulässige Rechtswahl, weil sich die Hauptverwaltung der Beklagten in Irland befindet.
19. Die Klausel verstößt gegen Schedule 3 Nr. 1 lit. q) irisches AGB-Gesetz, weil sie den Gerichtsstand des Bestimmungsflughafens nach Art. 33 Montrealer Übereinkommen (nachfolgend: MÜ), vorliegend B….. in Spanien, ausschließt. Dieser ist gemäß Art. 49 MÜ zwingend und nicht abdingbar, soweit Ansprüche nach Art. 17 ff. MÜ wegen Verletzung eines Fluggastes, Beschädigung von Reisegepäck, Verspätungen usw. geltendgemacht werden. Auch dies sind eindeutig Ansprüche, die mit dem Luftbeförderungsvertrag in Zusammenhang stehen. Der Ausschluss gesetzlich zwingend vorgeschriebener örtlicher Gerichtsstände ist missbräuchlich, weil dieser gesetzlichen Anordnung regelmäßig ein besonderer Gerechtigkeitsgedanke zugrundeliegt (vgl. BGH NJW 1983, 1320, 1322; Staudinger RRa 2007, 98, 100). Auch Anhang Nr. 1 lit. q) der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln (nachfolgend: Klauselrichtlinie) verbietet unangemessene Vereinbarungen über die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts (EuGH NJW 2000, 2571, 2572; EuGH EuZW 2011, 27, 30; Staudinger RRa 2007, 98, 104). Der Verstoß gegen Anhang 1 lit. q) der Klauselrichtlinie begründet stets auch einen Verstoß gegen Schedule 3 Nr. 1 lit. q) irisches AGB-Gesetz, da die Vorschriften beinahe wortgleich sind. Irland wollte die Klauselrichtlinie durch dieses Gesetz umsetzen, das sich eng an den Wortlaut der Klauselrichtlinie anlehnt (vgl. Pfeifer in: Wolf/Lindacher/Pfeifer, AGB-Recht, 5. Aufl. 2009, Einl. Rn. 58).
20. Die Klausel ist gemäß Art. 6 Abs. 1 irisches AGB-Gesetz insgesamt unwirksam, weil sie missbräuchlich ist. Auch im irischen AGB-Recht ist eine geltungserhaltende Reduktion unzulässig. Die Klauselrichtlinie verbietet eine geltungserhaltende Reduktion missbräuchlicher Klauseln (vgl. Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, 40. Aufl. 2009, Art. 6 Klauselrichtlinie Rn. 7). Das Schutzziel der Klauselrichtlinie, den Verbraucher als gegenüber dem Klauselverwender schwächerer Vertragspartei vor missbräuchlichen Klauseln dadurch zu schützen, dass diese für den Verbraucher stets unverbindlich sind (vgl. EuGH EuZW 2009, 503, 504) ließe sich nicht erreichen, die missbräuchlichen Klauseln nur auf ihren gerade noch zulässigen Inhalt zu reduzieren wären. Entgegen dem Verbraucherschutzgedanken der Klauselrichtlinie würde vielmehr ein Anreiz geschaffen, missbräuchliche Klauseln zu verwenden, weil der Verwender dadurch die größtmögliche Beschneidung der Rechte seines Vertragspartners erreichen würde.
21. Jedenfalls aber ist das AG Geldern nach Art. 24 EuGVVO zuständig, weil sich die Beklagte zur Sache eingelassen hat, ohne die (nach ihrer Auffassung) fehlende internationale Zuständigkeit des AGs Geldern zu rügen. Art. 24 EuGVVO ist auch anwendbar, wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen wurde (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl. 2010, Art. 24 EuGVVO Rn. 7). Die Beklagte hat sich rügelos zur Sache eingelassen, weil sie auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 07.03.2011 (Bl. 32 GA) beantragt hat, die Klage abzuweisen, was sie damit begründet hat, dass ein Ausgleichsanspruch bei Verspätung nicht gegeben ist. Art. 24 EuGVVO erfordert anders als § 39 ZPO keine Einlassung zur Hauptsache, sondern umfasst jede auf Klageabweisung gerichtete Verteidigungshandlung (Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl. 2011, Art. 24 EuGVVO Rn. 3). Jedenfalls in Verbindung mit einem Antrag auf Klageabweisung ist auch die Äußerung von Rechtsansichten, aufgrund derer der klägerische Anspruch nicht besteht, als Verteidigungshandlung aufzufassen, wenn nicht zugleich die internationale Zuständigkeit gerügt wird. Dies hat die Beklagte aber erst mit Schriftsatz vom 29.03.2011 getan.
22. Eine Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.
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