Ansprüche aus Reiseinsolvenzversicherung

LG Hamburg: Ansprüche aus Reiseinsolvenzversicherung

Der Kläger buchte eine Kreuzfahrtreise. Einige Zeit nachdem der Kläger den Reisepreis bereits überwiesen und er einen von der Beklagten, einem Absicherer, erstellten Sicherungsschein erhalten hatte, meldete sich der Reiseveranstalter, dass mangels ausreichend Teilnehmern die Reise nicht stattfinden würde. Daraufhin übersandte der Reiseveranstalter dem Kläger eine Gutschrift über den Reisepreis und den von der Beklagten ausgestellten Sicherungsschein. Einen Tag später meldete der Reiseveranstalter Insolvenz an. Der Kläger forderte vor Gericht von dem Absicherer die Erstattung des Reisepreises.

Das LG Hamburg gab dem Kläger Recht und verurteilte den beklagten Absicherer zur Erstattung des gezahlten Reisepreises.

LG Hamburg 334 O 249/09 (Aktenzeichen)
LG Hamburg: LG Hamburg, Urt. vom 19.08.2010
Rechtsweg: LG Hamburg, Urt. v. 19.08.2010, Az: 334 O 249/09
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Landgericht Hamburg

1. Urteil vom 19.08.2010

Aktenzeichen 334 O 249/09

Leitsatz:

2. Für den Eintritt des Versicherungsfalls einer Reiseinsolvenzversicherung müssen nicht zwangsläufig der Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung und der Zeitpunkt der Absage zusammenfallen. Ausreichend ist, wenn die Insolvenz ursächlich für die Absage der Reise war.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei der eine Kreuzfahrtreise für den Zeitraum vom 6. Januar bis zum 11. Februar 2010 zu einem Gesamtpreis von 7.482,30 €. Am 22. Januar 2009 überwies der Kläger den gesamten Preis an den Reiseveranstalter und erhielt dafür vom Reiseveranstalter einen von einem Absicherer, der Beklagten, erstellten Sicherungsschein. Am 8. August 2009 meldete sich der Reiseveranstalter, dass mangels ausreichend Teilnehmern die Reise nicht stattfinden würde. Am 31.08.2009 übersandte der Reiseveranstalter dem Kläger eine Gutschrift über den Reisepreis und den von der Beklagten ausgestellten Sicherungsschein. Einen Tag später meldete der Reiseveranstalter Insolvenz an. Der Absicherer verweigerte die Zahlung, mit der Begründung, dass nicht die Insolvenz, sondern die mangelnde Teilnahmerzahl ursächlich für die Absage der Reise war.
Der Kläger forderte vor Gericht von dem Absicherer die Erstattung des Reisepreises.

Das LG Hamburg gab dem Kläger Recht und verurteilte den beklagten Absicherer zur Erstattung des gesamten Reisepreises i.H.v. 7.482,30 €.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 7.482,30 (in Worten: siebentausendvierhundertzweiundachtzig 30/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. September 2009 zu zahlen sowie den Kläger von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwälte W. &. … in Höhe von EUR 661,16 freizuhalten.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Reiseinsolvenzversicherung.

6. Der Kläger hat bei d. T. T. GmbH, S. 2., 2. B. unter der Kundennummer 3. eine Kreuzfahrtreise für den Zeitraum vom 6. Januar bis zum 11. Februar 2010 zu einem Gesamtpreis von EUR 7.482,30 gebucht. Die Buchung wurde mit Schreiben vom 15. Januar 2009 bestätigt. Zugleich übergab der Reiseveranstalter, die T. T. T. GmbH, dem Kläger einen von der Beklagten als Absicherer ausgestellten Sicherungsschein. Mit Datum vom 22. Januar 2009 überwies der Kläger den vollständigen Reisepreis, wobei er in Hinblick auf die vorfällige Zahlung eine Gutschrift i.H.v. 5 % erhielt.

7. Mit Schreiben vom 8. August 2009 teilte die T. T. T. GmbH dem Kläger mit, dass die geplante Kreuzfahrt mit der „M. P.“ nicht stattfinden könne, da die notwendige Nachfrage nicht hoch genug sei. Am 31. August 2009 erteilte die T. T. dem Kläger eine Gutschrift über den Reisepreis und übersandte den von der Beklagten ausgestellten Sicherungsschein.

8. Am 1. September 2009 stellte der Geschäftsführer d. T. T. GmbH Insolvenzantrag. Mit Beschluss vom 2. September 2009 wurde durch das Amtsgericht V. das vorläufige Insolvenzverfahren und durch Beschluss vom 1. Dezember 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen d. T. T. GmbH angeordnet.

9. Mit Schreiben vom 11. September 2009 forderte der Kläger die Zahlung des Reisepreises von der Beklagten. Diese lehnte die Zahlung mit Hinweis darauf, dass die Reise nicht wegen Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters, sondern aufgrund geringer Beteiligung abgesagt worden sei, ab.

10. Der Kläger macht geltend, die Beklagte sei ihm gegenüber gemäß § 651k BGB wegen Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters verpflichtet.

11. Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 7.482,30 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. September 2009 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwälte W. und W. in Höhe von EUR 661,16 freizuhalten.

12. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13. Die Beklagte macht geltend, die Reise sei nicht wegen Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit d. T. T. GmbH ausgefallen, sondern mangels genügender Nachfrage. Den Kläger treffe ein erhebliches Mitverschulden an dem Ausfall des Reisepreises, da er den vollen Reisepreis ein Jahr vor Reiseantritt gezahlt hätte und die vorfällige Zahlung des Reisepreises sei als Darlehen zu behandeln, das nicht durch den Sicherungsschein gesichert sei.

14. Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die dazugehörigen Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

15. Der Kläger kann von der Beklagten die Rückzahlung des an die T. T. T. GmbH im Voraus geleisteten Reisepreises auf der Grundlage des in dem Sicherungsschein enthaltenen Zahlungsversprechens verlangen.

16. Die Beklagte hat Versicherungsschutz nach Maßgabe des § 651k BGB versprochen. Sie ist aus diesem Versprechen verpflichtet.

17. Der Versicherungsfall ist vorliegend eingetreten. Zum Zeitpunkt der gebuchten Reiseleistung, die Kreuzfahrt mit der “ M. P.“, die am 6. Januar 2009 beginnen sollte, war der Reiseveranstalter, die T. T. T. GmbH, insolvent und die gebuchte Reiseleistung konnte nicht durchgeführt werden.

18. Hinsichtlich der Feststellung, der Versicherungsfall sei eingetreten, ist nicht darauf abzustellen, ob die T. T. T. GmbH bereits zu dem Zeitpunkt der Absage der Kreuzfahrt mit der “ M. P.“, die mit Schreiben vom 8. August 2009 mitgeteilt worden war, zahlungsunfähig war. Eine Darlegung dazu kann von dem Kläger, der als Reiseteilnehmer keine Einsicht in die internen Vorgänge bei d. T. T. GmbH hat, nicht erwartet werden. Bereits kurze Zeit nach der Absage der Reise, nämlich am 31. August 2009, hat der Geschäftsführer d. T. T. GmbH Insolvenzantrag gestellt, und Reisen mit der “ M. P.“ wurden nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr durchgeführt. Zu dem Zeitpunkt zu dem die gebuchte Reise durchgeführt werden sollte, war der Reiseveranstalter insolvent.

19. Es kann nach Auffassung des Gerichts nicht angenommen werden, dass die Reiseleistung auch ohne die Zahlungsunfähigkeit und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen d. T. T. GmbH ausgefallen wäre. Der Verweis auf die mangelnde Nachfrage nach dieser Kreuzfahrt erscheint aufgrund des zeitlichen Ablaufes, die Absage erfolgte bereits etwa vier Monate vor Beginn der Reise, wenig plausibel. Zu diesem Zeitpunkt wären noch weitere Buchungen möglich gewesen.

20. Insbesondere gilt jedoch Folgendes:

21. Mit dem zum 1. November 1994 neu in das BGB eingefügten § 651k beabsichtigte der Gesetzgeber die Umsetzung des Artikels 7 der Pauschalreisenrichtlinie (Richtlinie 90/314 EWG vom 13. Juni 1990). Diese Richtlinie lautet: „Der Veranstalter und/oder Vermittler, der Vertragspartei ist, weist nach, dass im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sichergestellt sind.“ Auf den Wortlaut der Richtlinie nimmt die gesetzgeberische Begründung (vgl. BT-​Drucksache 12/5354) Bezug, in der es gleichlautend heißt, dass im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die Erstattung der von dem Reisenden gezahlten Beträge sichergestellt sein soll. Unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte des § 651k BGB führt Staudinger aus, § 651k BGB bewirke, dass der Reisende nunmehr gegen die Risiken des Verlustes des vorausgezahlten Reisepreises abgesichert sei. Die Rückzahlungspflicht entstehe mit der Insolvenz des Reiseveranstalters und beschränke sich auf den vorausgezahlten Reisepreis sowie die infolge der Insolvenz ausgefallenen Reiseleistungen (Staudinger, BGB § 551 k RdNr. 1, 9). Demgegenüber unterliegen Gewährleistungsansprüche des Reisenden wegen aufgetretener Reisemängel, mögen diese auch mittelbar auf die Insolvenz des Reiseveranstalters zurückzuführen sein, nicht der Insolvenzabsicherungspflicht nach § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB. Vorliegend macht der Kläger jedoch nicht etwa Gewährleistungsansprüche, sondern die Rückzahlung des im Voraus gezahlten Reisepreises geltend. Dieses ist vom Schutz des § 651a Abs. 1 BGB umfasst.

22. Soweit die Beklagte auf den Wortlaut des § 615k BGB verweist, der da lautet, „…soweit Reiseleistungen infolge Zahlungsunfähigkeit oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens … ausfallen …“ und meint, der Kläger hätte darzulegen und zu beweisen, dass die T. T. T. GmbH bereits zum Zeitpunkt der Absage der Reise zahlungsunfähig war, kann dem nicht gefolgt werden.

23. Nach dem Sinn und Zweck des § 651k BGB, mit dem ein vollständiger Schutz der Verbraucher gegen sämtliche Risiken, die sich aus einer Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters ergeben und insbesondere eine vollständige Kundengeldabsicherung im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Insolvenz beabsichtigt war (BGH NJW 2002, 38), und nach der bereits genannten gesetzgeberischen Begründung, die auf die Kundengeldabsicherung im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Insolvenz abzielt, hat, bei zum Zeitpunkt der gebuchten Reise eingetretenen Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz über das Vermögen des Reiseveranstalters, der Kundengeldabsicherer darzulegen und zu beweisen, dass die Reiseleistung auch ohne die Zahlungsunfähigkeit oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgefallen wäre. Entsprechend stellt der BGH in seiner Entscheidung zum Ablehnung einer Sicherungspflicht für Gewährleitungsansprüche (vgl. BGH NJW-​RR 2005, 782) auch darauf ab, dass die Reiseleistungen erbracht wurden und der Reiseveranstalter vor Abschluss der Reise nicht zahlungsunfähig geworden war.

24. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die vorfälligen Zahlung des Klägers als ein durch den Sicherungsschein nicht abgesichertes Darlehen anzusehen sei. Die von dem Kläger geleistete Zahlung wurde von diesem als Zahlung auf den Reisepreis geleistet. Der Kläger wollte d. T. T. GmbH kein Darlehen gewähren, sondern den Reisepreis vollständig zahlen und so in den Genuss des Rabatts i.H.v. 5 % zu kommen. Bei diesem Rabatt handelt es sich nicht etwa um eine Darlehensverzinsung, sondern um einen Preisnachlass auf den Reisepreis. Für diese Zahlung wurde der Sicherungsschein ausgehändigt, und die Beklagte hat als Kundengeldabsicherer den tatsächlich gezahlten Reisepreis zu erstatten.

25. Das Gericht ist auch nicht der Auffassung, dass den Kläger im Hinblick auf die vollständige Zahlung des Reisepreises ein Mitverschulden trifft. Der Kläger leistete die Zahlung des Reisepreises nach Übergabe des Sicherungsscheines im Hinblick auf den eingeräumten Preisnachlass. Dieses kann keineswegs als allgemein unüblich bezeichnet werden und mit der Möglichkeit des Insolvenz des Reiseveranstalters muss ein vernünftiger Mensch nicht rechnen. Ein Mitverschulden ist nicht ersichtlich.

26. Die Verpflichtung zur Freihaltung von den Rechtsanwaltskosten folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

27. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat in § 709 ZPO ihren Rechtsgrund.

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