Technischer Defekt beim Abflugvorgang
AG Rüsselsheim: Technischer Defekt beim Abflugvorgang
Ein Fluggast verklagt das ihn befördernde Unternehmen auf Schadensersatz, weil sein Flug mit einer Verspätung von mehr 18 Stunden am Zielflughafen ankam. Die Beklagte weigert sich der Zahlung. Grund für die Verspätung sei ein defektes Höhenruder, welches einen haftungsbefreienden außergewöhnlichen Umstand darstelle.
Das Amtsgericht Rüsselsheim sprach dem Kläger einen Schadensersatzanspruch zu. In einem technischen Defekt sei kein in den normalen Abläufen des täglichen Flugverkehrs nicht zu erwartender Umstand zu sehen.
AG Rüsselsheim | 3 C 1392/10 (31) (Aktenzeichen) |
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AG Rüsselsheim: | AG Rüsselsheim, Urt. vom 21.01.2011 |
Rechtsweg: | AG Rüsselsheim, Urt. v. 21.01.2011, Az: 3 C 1392/10 (31) |
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Leitsatz:
2. Ein defektes Höhenruder stellt keinen, im täglichen Flugbetrieb nicht zu erwartenden, außergewöhnlichen Umstand dar und befreit nicht von der Schadensersatzpflicht.
Zusammenfassung:
3. Ein Fluggast erreicht seinen Zielflughafen erst mit 18 Stunden Verspätung. Der zuständige Pilot hatte den geplanten Start wegen eines defekten Höhenruders abgebrochen. Der Geschädigte verlangt nun Schadensersatz von dem ihn befördernden Luftfahrtunternehmen. Die Beklagte hingegen sieht sich nicht in der Leistungspflicht. Das defekte Höhenruder sei in dieser Form nicht einkalkulierbar gewesen und stelle insofern einen haftungsbefreienden außergewöhnlichen Umstand dar.
Das Amtsgericht Rüsselsheim verneint das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands und spricht dem Kläger einen entsprechenden Schadensersatz zu. Ein technischer Defekt am Flugzeug, so auch die mangelnde Funktionstüchtigkeit des Höhenruders, sei stets auf das den Flug ausführende Unternehmen zurückzuführen. Ein außergewöhnlicher Umstand liege schon aus dem Grund nicht vor, weil es den Vorkommnissen des alltäglichen Flugbetriebs entspreche, dass die Funktionsfähigkeit der verwendeten technischen Geräte nachlässt. Wegen der mehr als 3-stündigen Verspätung des Fluges habe der Kläger einen Schadensersatzanspruch aus Art. 7 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 600 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.05.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der durch Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts Bad Homburg vor der Höhe entstandenen Verfahrenskosten, die der Kläger zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
5. Von der Ausführung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
7. Der Kläger hat gegen die Beklagte im zuerkannten Umfange wegen der nicht planmäßigen Durchführung einer Flugreise einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.
8. Nach dem insoweit unstreitigen Parteienvortrag führte die Beklagte den Flug DE 2248 vom 02.03.2010 nicht planmäßig um 14.40 Uhr aus, sondern erst am Folgetag um 8.50 Uhr.
9. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 18.02.2010, Az.: Xa ZR 95/06) hat daher der Kläger als Fluggast der Beklagten wegen einer mehr als 3-stündigen Abflug- und Ankunftsverspätung einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der vorgenannten Verordnung.
10. Soweit die Beklagte vorträgt, der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er den streitgegenständlichen Flug gebucht habe, vermag dies das Gericht nicht nachzuvollziehen. Der Kläger hat im Verlauf des Verfahrens im Original die Reiseunterlagen des Reiseveranstalters … Reisen vorgelegt, in denen ein Flugschein für Hin- und Rückflug von Frankfurt am Main nach Puerto Plata angeführt ist, insbesondere der streitgegenständliche. Darüber hinaus hat der Kläger in Kopie den Boarding-Pass für den streitgegenständlichen Flug als Anlage zu einem Schriftsatz vorgelegt. Für das Gericht ist daher die Buchung seitens des Klägers nachgewiesen.
11. Soweit die Beklagte das Vorliegen einer Abflugverspätung in Abrede stellt, vermag das Gericht dem gleichfalls nicht zu folgen. Ein Abflug ist gegeben, wenn das Fluggerät vom Boden abhebt und fliegt. Das ergibt sich aus der Natur der Sache. Die Anzeige eines Defektes im vorliegenden Fall im Verlauf des Startvorgangs vor einem Abheben begründet nicht einen planmäßigen Abflug. Die Tatsache, dass der Kläger erst am Folgetag von der Beklagten in einem Flugzeug transportiert wurde, stellte mithin eine mehr als 3-stündige Abflugverspätung im Sinne der vorgenannten Verordnung dar.
12. Dem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der vorgenannten Verordnung als Begründung für den verspäteten Abflug sich auf außergewöhnliche Umstände berufen hat. Die vorgetragene Funktionsbeschränkung des linken Höhenruders als technischer Defekt ist kein außergewöhnlicher Umstand. Die genaue Ursache für den Eintritt dieses Defektes ist nicht dargelegt. Als außergewöhnliche Umstände sind nur Ereignisse anzusehen, die von außen her auf den Flugbetrieb bzw. das konkrete Fluggerät einwirken und von einem Luftfahrtunternehmen weder vorhersehbar noch beherrschbar sind. Ein derartiges Ereignis liegt hier nicht vor, so dass von einem normalen technischen Defekt auszugehen ist, der in die betriebliche Sphäre der Beklagten fällt und nicht zu einer Exkulpation gemäß Art. 5 Abs. 3 der vorgenannten Verordnung führt. Der Klage war daher stattzugeben.
13. Der Zinsanspruch ist aus dem Zahlungsverzug der Beklagten begründet (§§ 286 ff BGB).
14. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO.
15. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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