Schadensersatz wegen vorzeitiger Beendigung einer Nilkreuzfahrt

BGH: Schadensersatz wegen vorzeitiger Beendigung einer Nilkreuzfahrt

Die Kläger nahmen den Reiseveranstalter auf Schadensersatz für: vertane Urlaubszeit, Reisekosten und verlorenes Reisegepäck in Anspruch, weil die Reise wegen eines Schiffsbands vorzeitig beendet werden musste.

Der BGH hat den Klägern Recht zugesprochen und entschieden, dass der Reiseveranstalter die Beweislast bei Entlastungsbeweis für seine Erfüllungsgehilfen trägt.

BGH VII ZR 172/86 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 12.03.1987
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 12.03.1987, Az: VII ZR 172/86
OLG Frankfurt, Urt. v. 24.04.1986, Az: 16 U 51/85
LG Frankfurt, Urt. v. 13.05.1985, Az: 2/21 O 97/84
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Der Bundesgerichtshof

1. Urteil vom 12.03.1987

Aktenzeichen: VII ZR 172/86

Leitsatz:

2. Der Reiseveranstalter trägt die Beweislast bei Entlastungsbeweis für seine Erfüllungsgehilfen.

Zusammenfassung:

3. Die klagenden Eheleute buchten bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Ägyptenreise mit einer Nilkreuzfahrt. Die Reise musste jedoch aufgrund eines Brandes auf dem Schiff vorzeitig beendet werden. Das Gepäck der Kläger konnte aufgrund des Brandes nicht mehr gerettet werden. Die Kläger verlangten von der Beklagten Ersatz der Reisekosten und Schadensersatz für vertane Urlaubszeit und verlorenes Reisegepäck. Die Beklagte verweigerte die Zahlung und trug vor, dass der Brand durch höhere Gewalt ausgelöst wurde.

Der BGH hat den Klägern Recht zugesprochen. Der Brand wurde nicht durch höhere Gewalt ausgelöst, da höhere Gewalt i.S.v. § 651 j BGB als ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis definiert wird und der Schiffsbrand im Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes gestanden ist und deshalb ein durch vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt abwendbares Ereignis darstellt. Die Beklagte musste beweisen, dass der Brand nicht durch ihr Verschulden oder das Verschulden der Schiffsbesatzung (Erfüllungsgehilfen) herbeigeführt wurde, dies ist ihr nicht gelungen.

Tatbestand:

4. Die klagenden Eheleute buchten bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Ägyptenreise mit siebentägiger Nilkreuzfahrt und fünftägigem Aufenthalt in Kairo für die Zeit vom 25. Dezember 1983 bis 6. Januar 1984. Am Abend des 28. Dezember 1983 brach auf dem Schiff „Nile Concorde“ Feuer aus. Die Kläger konnten wie die anderen Passagiere das ans Ufer gesteuerte Schiff unverletzt verlassen, verloren aber ihr gesamtes Reisegepäck. Sie wurden am nächsten Morgen nach Kairo gebracht und am 30. Dezember 1983 nach Frankfurt am Main zurückgeflogen. Die Beklagte zahlte 3.660 DM auf den Reisepreis von 7.518 DM zurück.

5. Mit der Klage haben die Kläger den Restbetrag von 3.858 DM, weitere 104 DM Reisekosten, 7.339 DM für verlorenes Reisegepäck sowie je 4.000 DM für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit, insgesamt 19.301 DM nebst Zinsen verlangt. Die Beklagte hat sich demgegenüber auf „höhere Gewalt“ berufen.

6. Landgericht und Oberlandesgericht haben den Klägern 2.407,60 DM auf die Reisekosten, 4.606,50 DM für das Reisegepäck und je 2.500 DM für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit, insgesamt 12.014,10 DM nebst Zinsen zugesprochen, im übrigen die Klage abgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, erstrebt die Beklagte weiterhin die volle Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

7. Das Berufungsgericht sieht wie das Landgericht im Abbruch der Nilkreuzfahrt und in der vorzeitigen Beendigung des Aufenthalts in Ägypten einen Mangel der Reise, dessentwegen die Kläger den Reisepreis in nicht mehr streitigem Umfang mindern dürften. Der vorzeitige Rückflug habe weder eine einverständliche Aufhebung des Reisevertrages bewirkt noch dessen Umwandlung in ein Abwicklungsverhältnis als Folge einer Kündigung. Weder die Klägerin noch die Beklagte hätten den Vertrag in Kairo gekündigt. Ohnehin sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, den Vertrag gemäß § 651j BGB zu kündigen, denn nicht höhere Gewalt habe die Reise beeinträchtigt. Vielmehr habe der Schiffsbrand im Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes gestanden und als eine im Gefahrenbereich der Reiseveranstalterin liegende Mangel- und Schadensursache zu einer objektiven Pflichtverletzung der Beklagten geführt. Die im Zweifel dafür verantwortliche Beklagte habe nicht beweisen können, daß sie den Mangel und seine Folgen nicht zu vertreten habe. Sie müsse daher auch in nicht mehr streitiger Höhe Schadensersatz gemäß § 651f BGB leisten, nämlich den Wert des verlorenen Reisegepäcks ersetzen und eine angemessene Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit erbringen.

8. Gegen all das wendet sich die Revision ohne Erfolg.

9. 1. Wie Landgericht und Berufungsgericht zutreffend ausgeführt haben, stellt die vorzeitige Beendigung der von den Klägern gebuchten Pauschalreise einen Mangel der Reise im Sinne des § 651c Abs. 1 BGB dar, und zwar unabhängig davon, ob den Klägern eine Fortsetzung der Reise auf dem Nil oder in Kairo hätte ermöglicht werden können. Wird nämlich bei einer Pauschalreise eine nach dem Vertrag geschuldete Leistung aus Gründen, die nicht allein in der Person des Reisenden liegen, ganz oder teilweise nicht erbracht, so handelt es sich grundsätzlich um einen Reisefehler, für den der Reiseveranstalter nach den §§ 651c ff. BGB haftet (BGHZ 85, 301, 303; 97, 255, 259/260). Die Kläger können daher Minderung des Reisepreises gemäß §§ 651d, 472 BGB verlangen.

10. 2. Zu Recht haben Landgericht und Berufungsgericht ein durch Kündigung des Reisevertrages bewirktes Rückgewährschuldverhältnis (vgl. BGHZ 85, 50, 59/60) verneint.

11. a) Keine Seite hat den Reisevertrag ausdrücklich gekündigt. Darin, daß die Beklagte den Klägern mitteilen ließ, sie würden am 30. Dezember 1983 zurückgeflogen, und diese das ohne Widerspruch hinnahmen, kann eine einverständliche Aufhebung oder Umwandlung des Reisevertrages nicht gesehen werden. Die Beklagte hat den Klägern keine andere Wahl gelassen, als das Flugzeug zu besteigen.

12. b) Ob in der Anordnung eines vorzeitigen Rückflugs der Reisenden eine schlüssige Kündigung seitens der Reiseveranstalterin gesehen werden könnte, kann dahinstehen, da die Beklagte zur Kündigung nicht berechtigt war. Dabei braucht auch nicht entschieden zu werden, ob eine Einstandspflicht des Reiseveranstalters gemäß den §§ 651c ff. BGB ein Kündigungsrecht nach § 651j BGB im Umfang seiner Gewährleistung auch dann ausschließt, wenn der Reisemangel auf höhere Gewalt zurückzuführen ist, eine Frage, die der Senat (BGHZ 85, 50, 58) bisher offen gelassen hat.

13.  c) Hier sind nämlich, wie das Berufungsgericht richtig feststellt, der Abbruch der Nilkreuzfahrt und der Verlust des Reisegepäcks nicht auf höhere Gewalt, sondern auf Umstände zurückzuführen, die in der Risikosphäre der Beklagten liegen.

14.  Höhere Gewalt im Sinne des § 651j BGB als einer haftpflichtrechtlichen Bestimmung ist ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis (RGZ 117, 12, 13; so auch Bartl, Reiserecht, 2. Aufl., Rdn. 147; Löwe in MünchKomm, BGB § 651j Rdn. 3; Staudinger/Schwerdtner, BGB 12. Aufl., § 651j Rdn. 4; Soergel/Mühl, BGB 11. Aufl., § 651j Rdn. 2; Erman/Seiler, BGB 7. Aufl.,§ 651j Rdn. 2; Jauernig/Teichmann, BGB 3. Aufl., § 651j Anm. 2b; Derleder, AK-BGB § 651j Rdn. 2). Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags hat im Gesetzgebungsverfahren solche außergewöhnlichen Umstände wie Krieg, innere Unruhen oder Naturkatastrophen als Beispiele höherer Gewalt genannt (vgl. BT- DS 8/2343 S. 12).

15.  Hier ist das Feuer auf dem Nilschiff nicht von außen entfacht worden, sondern im Heck des Schiffes ausgebrochen, in dem sich (nach dem bei den Akten befindlichen Schiffsprospekt) die Mannschaftsunterkünfte, der Maschinenraum und die Küche, aber keine Passagierkabinen befanden. Damit steht der Brand in engem Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes, mag seine genaue Ursache auch ungeklärt geblieben sein. Die Beklagte kann sich daher nicht auf höhere Gewalt berufen und ihre reisevertragliche Haftung entsprechend eingrenzen. Sie haftet vielmehr voll für den Reisemangel und schuldhaft verursachte Mangelfolgeschäden.

16.  3. Für die Verschuldenshaftung der Beklagten gemäß § 651f BGB, die sich auch auf Mangelfolgeschäden erstreckt (BGHZ 92, 177, 180; 97, 255, 260), greift das Berufungsgericht zutreffend auf die Grundsätze der Beweislastverteilung zurück, die der Senat im Werkvertragsrecht entwickelt hat (vgl. BGHZ 48, 310, 312; NJW 1983, 1731, 1732 m.N.). Danach hat der Unternehmer, der mangelhaft geleistet oder sonstwie pflichtwidrig gehandelt und dadurch aus seinem Gefahrenbereich heraus dem Besteller Schaden zugefügt hat, zu seiner Entlastung nachzuweisen, daß er die schädigenden Umstände nicht zu vertreten hat. Es ist sach- und interessengerecht, diese Grundsätze des allgemeinen Werkvertragsrechts auf den Reisevertrag als eine besondere Art des Werkvertrages (vgl. BGHZ 85, 50, 58; NJW 1983, 2699, 2701) entsprechend anzuwenden (so auch Löwe aaO § 651f Rdn. 19; Staudinger/ Schwerdtner § 651f Rdn. 78).

17.  Entgegen der Meinung der Revision rechtfertigt es keine abweichende Beweislastverteilung, daß der Reiseveranstalter kein fertiges, bei der Abnahme prüfbares Werk abzuliefern hat, sondern eine Mehrheit neben- und nacheinander zu erbringender Reiseleistungen schuldet und sich dabei weitgehend ferner Leistungsträger als Erfüllungsgehilfen bedienen muß. Denn ihm allein obliegen die Gestaltung der Reise und die Auswahl der Leistungsträger im Hinblick auf deren Eignung und Zuverlässigkeit. Nur er besitzt in der Regel die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, die Umstände aufzuklären, auf denen Reisemängel und deren Folgen beruhen. Dem Reisenden ist es durchweg weder möglich noch zumutbar, den Nachweis zu erbringen, daß ein aufgetretener Reisemangel vom Reiseveranstalter oder von den Leistungsträgern und deren Erfüllungsgehilfen zu vertreten ist. Das gilt selbst im vorliegenden Fall, obwohl gewichtige Umstände dafür sprechen, daß der Schiffsbrand durch Unachtsamkeit der Besatzung herbeigeführt und eine systematische Brandbekämpfung unterlassen worden ist.

18.  Das Berufungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß die Beklagte zu ihrer Entlastung hätte nachweisen müssen, weder der Schiffahrtgesellschaft als Leistungsträgerin noch dem Schiffspersonal als deren Erfüllungsgehilfen könne Verschulden vorgeworfen werden. Dieser Beweis ist der Beklagten nicht gelungen, weil die Brandursache letztlich ungeklärt geblieben ist. Brandstiftung durch Passagiere kommt den Umständen nach nicht in Betracht, nachdem der Brand im Heck des Schiffes entstanden ist.

19.  4. Da der Brand, der zum Abbruch der Reise und zum Verlust des Reisegepäcks geführt hat, aus einem der Beklagten zuzurechnenden Gefahrenbereich hervorgegangen ist und die Beklagte sich von der Verschuldensvermutung für ihre Erfüllungsgehilfen nicht entlasten kann, muß sie auch Schadensersatz gemäß § 651f Abs. 1 und 2 BGB in zuerkannter, nicht mehr streitiger Höhe leisten.

20. 5. Nach alledem ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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