Ansprüche bei Reiseverschiebung

LG Frankfurt: Ansprüche bei Reiseverschiebung

Ein Fluggast bucht für sich und seine Familie eine Reise inklusive Flug bei einem Reiseunternehmen. Wegen eines Buchungsfehlers auf Seiten des Unternehmens, konnte die Familie erst mit 3-tägiger Verspätung ihren Urlaub beginnen. Weil sie erst am Flughafen von der Verschiebung erfuhren und den gesamten Urlaub auf das Reisedatum ausgelegt hatten, verklagt der Vater nun, stellvertretend für die restlichen Familienmitglieder, das Unternehmen auf Schadensersatz und Reisepreisminderung.
Das Landgericht Frankfurt hat dem Kläger Recht zugesprochen. Die unplanmäßige Reiseverschiebung begründe einen Minderungsanspruch, während die unnötige An- und Abreise zum bzw. vom Flughafen das Unternehmen schadensersatzpflichtig mache.

LG Frankfurt 2-24 S 382/90 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 08.07.1991
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 08.07.1991, Az: 2-24 S 382/90
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Hessen-Gerichtsurteile

Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 08. Juli 1991

Aktenzeichen: 2-24 S 382/90

Leitsätze:

2. Wird der Reisebeginn verschoben, so stehen dem Reisenden Minderungs- und möglicherweise auch Schadensersatzansprüche für den An- und Abreisetag zum Flughafen zu.

Für weitere Wartetage stehen Reisenden eventuell Ansprüche aus entstandenem Vermögensschaden zu.

Zusammenfassung:

3. Ein Vater bucht für sich und seine Familie eine Urlaubsreise. Am Tag der Abreise am Flughafen angekommen, müssen sie jedoch feststellen, dass die Reise, aufgrund eines Buchungsfehlers des Reiseunternehmens, um drei Tage verschoben werden musste. Die Familie begeht die Reise mit dreitägiger Verspätung, verlangt vom Reiseveranstalter aber Schadensersatz und eine Reisepreisminderung.

Das Landgericht Frankfurt bestätigt die Aussagen der Kläger. Wegen der unnötigen Anreise zum Flughafen und der zwangsläufigen Heimfahrt, sei die Familie schadensersatzberechtigt. Insbesondere spiele in diesem Fall der sinnlos am Flughafen verbrachte Urlaubstag eine Rolle. Da die Familie darauf vertraute, dass die Urlaubsreise zum geplanten Zeitpunkt stattfinde, hätten sie ihren gesamten Urlaub auf den erwarteten Rahmen ausgelegt. Die Folge sei vertane und unnötig aufgewendete Urlaubszeit. Diese begründe einen Minderungsanspruch, durch den sie einen Teil des Reisepreises erstattet bekommen müsse.
Wegen der enttäuschenden Verschiebung des Urlaubs sei hingegen kein Minderungsanspruch entstanden. Obwohl zeitlich versetzt, habe die Reise nicht an Wert verloren und sei, wie von den Klägern gebucht, durchgeführt worden.


Tenor:

4. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main-​Höchst, (Hö 3 C 2145/90) teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 432,35 nebst 8 % Zinsen seit 01.09.1989 zu zahlen; im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung und die Anschlußberufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 3/4, die Beklagte 1/4, von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte für sich und seine Familie (Ehefrau, eine weitere Erwachsene und 3 Kinder) eine Flugpauschalreise nach Kusadasi zum Gesamtpreis von 5 845,00 DM. Die Reise sollte in der Zeit vom 16.07. bis 30.07.1989 stattfinden, und zwar mit Direktflügen Frankfurt – Izmir – Frankfurt.

6. Als der Kläger und seine Familie am 16.07.1989 vormittags auf dem Flughafen Rhein-​Main eintrafen, konnten sie die um 14.25 Uhr Abflugzeit vorgesehene Maschine nicht besteigen. Die Generalagentur der Fluglinie hatte keine Platzreservierung getroffen. Der Kläger kehrte mit seiner Familie abends nach Hause zurück, nachdem sich um 19.00 Uhr herausgestellt hatte, daß an diesem Tag keine weiteren Flüge nach Izmir mehr stattfanden.

7. Auf Reklamation des Klägers teilte die Beklagte mit, daß die Reise nunmehr am Mittwoch, dem 19.07.1989 beginne und entsprechend später, nämlich am Mittwoch, dem 02.08.1989, ende. So wurde nunmehr die Reise zeitlich um drei Tage verschoben durchgeführt. Hin- und Rückflug erfolgten allerdings nicht im Direktflug, sondern mit einer Zwischenlandung in Istanbul. Bei dem Hinflug kamen der Kläger und seine Familie nach einem Bustransfer von Izmir nach Kusadasi (ca. 120 km) gegen 02.00 Uhr erst im Hotel an. Bei dem Rückflug mußten sie das Hotel gegen 03.00 Uhr morgens verlassen.

8. Der Kläger hat Minderungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht, die er wie folgt begründet:

9.

verlorene Urlaubstage DM 900,00
verdor­bener Abflugtag (16.07.1989) DM 584,55
Beein­träch­tigter Hin- und Rückflug DM 300,00
Gesamt­betrag DM 1 784,55

10. Die Beklagte hat hierauf am 18.06.1990 einen Teilbetrag von 300,00 DM geleistet. Im übrigen verweigert sie die Zahlung.

11. Der Kläger hat beantragt,

12. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1 484,55 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 24.08.1989 aus 1 784,55 DM bis 18.06.1990 zu zahlen und aus weiteren 1 484,55 DM ab 19.06.1990.

13. Die Beklagte hat beantragt,

14. die Klage abzuweisen.

15. Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Beklagte zur Zahlung weiterer 221,91 DM nebst Zinsen verurteilt, im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

16. Gegen das am 02.10.1990 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.11.1990 Berufung eingelegt und diese am 26.11.1991 begründet. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,

17. die Beklagte unter Abänderung des angegriffenen Urteils zu verurteilen, an den Kläger weitere DM 1 262,64 zu zahlen.

18. Die Beklagte beantragt,

19. die Berufung zurückzuweisen,

20. sowie im Wege der Anschlußberufung,

21. das Urteil vom 12.09.1990 (Hö 3 C 2145/90) abzuändern und die Klage abzuweisen.

22. Der Kläger beantragt,

23.  die Anschlußberufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

24. Berufung und Anschlußberufung sind zulässig.

25. Auf die Berufung des Klägers war das Urteil teilweise abzuändern. Dem Kläger steht nach der Berechnung der Kammer ein Minderungs- und Schadensersatzanspruch in Höhe von 732,35 DM abzüglich gezahlter 300,00 DM zu. Im übrigen sind die weitergehende Berufung und die Anschlußberufung unbegründet.

26. Wegen der nutzlosen Anfahrt zum Flughafen am 16.07.1989 steht dem Kläger ein Zahlungsanspruch in Höhe von 314,82 DM zu.

27. Die Reise war in ihrem Wert durch den Ausfall des Fluges am 16.07.1989 gemindert. Nach der Rechtsprechung der Kammer mußte der Kläger eine Verzögerung des Fluges um 4 Stunden hinnehmen, konnte aber erwarten, spätestens um 18.25 Uhr abzufliegen. Die restliche Zeit des Tages (5 1/2 Stunden) rechtfertigt eine Minderung um 27,5 % des anteiligen Flugpreises von DM 417,53, was zu einem Minderungsanspruch von DM 114,82 führt.

28. Außerdem steht dem Kläger und seiner Ehefrau für den verlorenen Anreisetag gem. § 651 f II BGB ein Anspruch auf Entschädigung zu, der pro Person nach der Rechtsprechung der Kammer (NJW-​RR 1988, 1451) mit 100,00 DM zu veranschlagen ist. Der Kläger hat diesen Anspruch für sich, und mit Schriftsatz vom 27.06.1990, S. 4, auch für seine Ehefrau geltendgemacht.

29. Dagegen kann der Kläger für die „Wartetage“ vom 17.07. und 18.07.1989 weder Minderung noch Schadenersatz bzw. Entschädigung verlangen.

30. Ein Anspruch auf Minderung (§ 651 d I BGB) steht dem Kläger nicht zu, da der Wert der Reise insgesamt nicht gemindert worden ist. Die gebuchte Reise hat in gleicher Länge – nur zeitlich verschoben – stattgefunden. Die Verschiebung der Reise um zwei Tage vermag ihren Wert nicht zu beeinträchtigen. Insbesondere kann die Rechtsprechung der Kammer betr. die Minderung bei verspätetem Abflug (zuletzt Kammer, NJW-​RR 1991, 630) nicht in der Weise über den unter Ziffer 1 a behandelten Abflugtag dahin erweitert werden, daß dem Kläger für die beiden Wartetage der anteilige Reisepreis voll erstattet wird. Die Rechtsprechung der Kammer betrifft den Minderwert einer Reise, wenn der Reisende auf dem Flughafen über eine Toleranzzeit von 4 Stunden hinaus auf seinen Abflug warten muß. Ist er dagegen nach gescheitertem Abflug an seinen Wohnort zurückgekehrt, so kann für die zu Hause verbrachte Wartezeit keine Minderung zugebilligt werden.

31. Aus den gleichen Gründen kann für die Wartetage keine Entschädigung nach § 651 f II BGB zugebilligt werden. Die Enttäuschung über den verzögerten Abflug ist durch die Zubilligung einer Entschädigung für den nutzlosen Anreisetag zum Flughafen abgegolten. Die beiden Wartetage können auch nicht über die Grundsätze des „Balkonurlaubs“ in eine Entschädigung einbezogen werden. Denn im Gegensatz zum Balkanurlaub haben der Kläger und seine Familie die volle Urlaubszeit am Urlaubsort verbracht. Die geringe Wartezeit von zwei Tagen kann nicht als eine erhebliche immaterielle Beeinträchtigung angesehen werden, die einen zusätzlichen Geldausgleich nach Billigkeit rechtfertigen könnte.

32. Der Kläger kann hier auch nicht gemäß § 651 f I BGB einen materiellen Schaden in Form zweier verlorener Urlaubstage geltend machen. Er trägt selbst vor, daß er an diesen beiden Tage im Betrieb tätig war. Dann aber war sein Arbeitgeber gehalten, ihm diese beiden Arbeitstage wieder als Urlaub gutzuschreiben. Er durfte das nicht mit der Begründung verweigern, er habe für ihn nutzlose Arbeit in Form von Umterminierungen betr. die beiden Verlängerungstage (01. und 02.08.1989) geleistet, die auf ein Verschulden des Reiseveranstalters zurückzuführen seien. Darin mag zwar ein materieller Schaden des Arbeitgebers liegen, der aber nur mittelbar verursacht ist und zu keiner Ersatzpflicht im Vertragsverhältnis zwischen den beiden Parteien des Reisevertrages führen kann.

33. Zu Recht hat das Amtsgericht dem Kläger wegen der unterbliebenen Direktflüge und der damit verbundenen Nachteile eine Minderung in Höhe des anteiligen Tagespreises zugebilligt. Der Wegfall des Direktfluges wird von der Kammer pro Flug mit 20 % des anteiligen Tagespreises berechnet. Dieser Minderungssatz ist aber zu erweitern. Beim Hinflug strahlt die verspätete Ankunft im Hotel (02.00 Uhr morgens) auf den nächsten Tag aus, da der Kläger und seine Familie den teilweise verlorenen Schlaf nachholen mussten. Dies rechtfertigt einen Zuschlag von 30 %. Der gleiche Zuschlag ist aber auch für den Rückflug gerechtfertigt, da der Kläger und seine Familie bereits um 03.00 Uhr morgens das Hotel verlassen mussten (siehe Kammer, NJW-​RR 1986, 1174).

34. Insgesamt hat der Kläger damit Zahlungsansprüche in Höhe von 732,35 DM, von denen die Zahlung von 300,00 DM abzuziehen ist. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die weitergehende Berufung und die Anschlußberufung als unbegründet zurückzuweisen sind.

35. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 I, 97 I ZPO.

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