Inanspruchnahme von Reisevorleistungen

FG Hessen : Inanspruchnahme von Reisevorleistungen

Die Klägerin ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft einer Aktiengesellschaft, die europaweit Ferienhäuser und -wohnungen vermietet und ihre Leistungen nicht direkt den Endabnehmern anbietet, sondern den Vertrieb auf die Klägerin übertragen hat. Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass es sich bei der Bereitstellung und Vermietung dieser Ferienunterkünfte nicht um Reiseleistungen handelt, so dass § 25 UStG nicht anwendbar und die Leistungen nicht entsprechend zu besteuern seien. Die Beklagte, das Finanzamt, tritt dieser Darstellung entgegen, weil die Klägerin eigene Reiseleistungen gem. § 25 Abs. 1 UStG erbringe.

Das Hessische Finanzgericht hält die Klage für begründet. Die von der Beklagten zugrundegelegte Margenbesteuerung von Reiseleistungen findet hier keine Anwendung, weil die Leistungen, die die Klägerin erbracht hat, nicht im Inland erbracht wurden und dadurch nicht steuerbar seien. Gem. § 3a Abs.2 Nr.1 a) UStG sind die Leistungen in den jeweiligen Ländern, in denen sich die angemieteten Ferienhäuser und Hotelzimmer befanden, zu besteuern.

FG Hessen 6 K 3093/93 (Aktenzeichen)
FG Hessen: FG Hessen, Urt. vom 21.07.1998
Rechtsweg: FG Hessen, Urt. v. 21.07.1998, Az: 6 K 3093/93
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Hessen-Gerichtsurteile

Hessisches Finanzgericht

1. Urteil vom 21. Juli 1998

Aktenzeichen 6 K 3093/93

Leitsatz:

2. Wird ein Unternehmen lediglich als Reisevermittler für ein anderes Unternehmen tätig, so können die von dem anderen Unternehmen in Anspruch genommenen Reisevorleistungen nicht dem vermittelnden Unternehmen zugerechnet werden, auch wenn es zu den Reisenden nach den Grundsätzen der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zu § 651a Abs. 2 BGB selbst als Reiseveranstalter anzusehen wäre.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin, eine 100 %ige Tochtergesellschaft einer Aktiengesellschaft, die europaweit Ferienhäuser und -wohnungen vermietet, wendet sich gegen einen Steuerbescheid des Finanzamtes, der die Besteuerung ihre Leistungen gem. § 25 UStG fordert. Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass es sich bei der Bereitstellung und Vermietung ihrer Ferienunterkünfte nicht um Reiseleistungen handelt, so dass § 25 UStG nicht anwendbar und die Leistungen nicht entsprechend zu besteuern seien.

Das Hessische Finanzgericht hält die Klage für begründet, weil die Leistungen, die die Klägerin erbracht hat, nicht im Inland erbracht wurden und dadurch nicht gem. § 25 UStG steuerbar seien. Die von der Beklagten zugrundegelegte Margenbesteuerung von Reiseleistungen findet hier keine Anwendung. Gem. § 3a Abs.2 Nr.1 a) UStG sind die Leistungen in den jeweiligen Ländern, in denen sich die angemieteten Ferienhäuser und Hotelzimmer befanden, zu besteuern.

Tatbestand:

4. Die Klägerin -Klin.- ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der XXX. Diese wiederum ist eine Aktiengesellschaft nach ausländischem Recht mit Sitz und Geschäftsleitung in H. Durch ihre Generalvertreter bietet die XXX in verschiedenen europäischen Ländern Ferienhäuser und -wohnungen wochenweise als Mietobjekte an. Im Inland ist aufgrund eines im November 1969 unter den früheren Firmenbezeichnungen XXX und der Klin. abgeschlossenen Vertrages die Klin. mit Sitz in Z als Generalvertreterin auf Provisionsbasis tätig. Auf den Inhalt des Vertrages (Bl. 34/35 der FG-Akte) wird Bezug genommen.

5. Die XXX schließt jeweils vor Saisonbeginn mit Ferienwohnungseigentümern und Hoteliers Mietverträge über Ferienwohnungen und Hotelunterkünfte ab, die dem interessierten Publikum in einem nach Zielländern geordneten Saisonkatalog unter der Bezeichnung „XXX“ nebst zugehöriger Preisliste angeboten werden.

6. Aufgrund des Vertrages von November 1969 bietet die XXX in Deutschland ihre Leistungen nicht direkt den Endabnehmern an, sondern hat den Vertrieb auf die Klin. übertragen.

7. Einen Katalog für die Streitjahre vermochte die Klin. dem Gericht trotz diesbezüglicher Aufforderung nicht mehr vorzulegen. In einem in den beigezogenen Finanzamtsakten (Bl. 169 ff. der Akte Sonderband Fallheft Klägerin) befindlichen Katalogauszug betreffend die Saison Winter 1990 heißt es u.a.:

8. „Das Buchen einer Wohnung ist sehr einfach. Suchen Sie sich ein, oder besser noch mehrere Angebote heraus, notieren sich die Bestellnummer (…). Telefonieren Sie Ihrem Reisebüro oder Ihrer XX-Buchungsstelle.

9. Partner: Klägerin vermittelt Ferienwohnungen und Hotels im Namen der XXX, und im Namen der Eigentümer. Dieser Katalog ist das Ergebnis unserer 25jährigen erfolgreichen
Vermittlertätigkeit.

10. Herausgeber dieses Katalogs: Klägerin …“

12. In den der Preisliste für 1992 -in der als Herausgeber lediglich die Klägerin Z und eine B GmbH benannt sind- beigefügten „XX-Bedingungen“ (Bl. 171f. der Akte Sonderband Fallheft Klägerin) heißt es auszugsweise:

13. „XX und ihre Partnerinnen: Die B GmbH und die Klägerin vermitteln Ferienwohnungen, -häuser und Hotels im Namen der Eigentümer und im Namen der XXX.

14. XX und Ihre Haftung: Die XX-Kataloge werden ebenso wie die Ihnen vorliegende Preisliste sehr sorgfältig zusammengestellt. Es ist für uns selbstverständlich, daß wir die vermittelten Ferienwohnungen, -häuser und Hotels regelmäßig prüfen. Sollten Sie dennoch etwas zu beanstanden haben, so melden Sie die Beschwerdepunkte … innerhalb eines Monats Ihrem Reservierungsbüro.“

15. Die Buchung der Ferienhäuser oder -wohnungen erfolgt durch -in der Regel telefonische- Anfrage der Reiseinteressenten bei einer Reservierungsstelle der Klin. oder bei einem selbständigen Reisebüro. Soweit sich die Kunden unmittelbar an die Klin. wenden, wird von deren Mitarbeitern durch Rückfrage bei der XXX geprüft, ob das Mietobjekt frei ist. Sodann wird die Reservierung vorgenommen und an die XXX gemeldet, die im Anschluß daran die Rechnung erstellt und diese aus H an die Kunden versendet. Der Kopf der Rechnung (Kopien siehe Bl. 59-62 der Akte „Sonderband-Klage Klägerin“) enthält Name und Anschrift der Klin. in Z. Die Rechnungen enthalten den Hinweis, daß die Vermittlung des Ferienobjekts im Namen und für Rechnung der XXX erfolge. Außerdem erhalten die Kunden eine Reservierungsbestätigung, auf der sich links
oben bei der Absenderangabe Name und Adresse der Klin. befinden. Der Kunde bestätigt seine Reservierung durch Zahlung eines Rechnungsteilbetrages. Erfolgt eine Zahlung auch nach mehrmaliger schriftlicher oder telefonischer Erinnerung nicht, wird die Reservierung storniert. Bestätigt der Kunde seine Reservierung, so erhält er nach Zahlung des Restbetrages vier Wochen vor Reiseantritt die Reiseunterlagen.

16. Interessenten können sich direkt an die Klin., aber auch an ein Reisebüro wenden, welches dann seinerseits die Reservierungswünsche an die XXX weiterleitet. In diesem Fall wird dem Reisebüro die Rechnung von der XXX aus H übersandt und von dort ohne den sog. Reisebüroabschnitt, der der eigenen Provisionsabrechnung des betreffenden Reisebüros dient, an den Kunden geschickt. Die Zahlungen der Kunden erfolgen an das Reisebüro und werden von dort an die Klin. weitergeleitet.

17. Die Klin. bietet den Kunden bei der Reservierung eines Objekts eine Reiserücktrittskostenversicherung an und hat diesbezüglich selbst eine derartige Rahmenversicherung mit dem Versicherer abgeschlossen. Reklamationen und Meinungsverschiedenheiten von Kunden werden von der Klin. bearbeitet. Diese tritt auch in zivilgerichtlichen Verfahren als Beklagte in Erscheinung. Nach einem früheren Prospekt (Ausg. 1987, welches dem Gericht nicht vorliegt) sollte unstreitig für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen das Gericht in Z zur Verfügung stehen.

18. In ihren Umsatzsteuererklärungen für 1987-1989 erklärte die Klin. keinerlei Reiseleistungen, da sie davon ausging, daß es sich hierbei nur um Leistungen der XXX in H und damit um nicht steuerbare Auslandsumsätze gehandelt habe. Dementsprechend ging die Klin. in den Erklärungen davon aus, daß sie lediglich für ihre Muttergesellschaft als Generalvertreterin Vermittlungsleistungen erbracht habe.

19. Der Beklagte -das Finanzamt (FA)- folgte dieser Beurteilung zunächst und setzte die Umsatzsteuer erklärungsgemäß fest. Aufgrund einer bei der XXX und der Klin. 1990 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Streitjahre gelangte der Prüfer zu der Auffassung, daß die Vermietungsleistungen der Klin. als Reiseleistungen gem. § 25 Abs. 1 UStG zuzurechnen seien, die gem. § 3 a Abs. 1 UStG im Inland erbracht und sowohl steuerbar, als auch steuerpflichtig seien. Der Betriebsprüfer erhöhte daraufhin die steuerpflichtigen Umsätze für 1987 um ———– DM, für 1988 um ———– DM und für 1989 um ——– DM (Tz. 10.6. des Bp.-Berichts vom 4. 6. 1991) wobei die Höhe dieser ermittelten Marge für den Fall, daß die Margenbesteuerung des § 25 UStG Anwendung findet, zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Entsprechend dieser Auffassung erließ das FA im Anschluß an die Außenprüfung am 10. 7. 1991 für 1987-1989 geänderte Umsatzsteuerbescheide, gegen den die Klin. erfolglos Einspruch einlegte.

20. Mit ihrer Klage begehrt die Klin. die Anerkennung der die Bereitstellung der Ferienhäuser und -wohnungen betreffenden Umsätze als im Inland nicht steuerbare Auslandsumsätze der XXX. Sie selbst habe demgegenüber nur Vermittlungsleistungen erbracht und sei nicht als Reiseveranstalterin in Erscheinung getreten.

21. Sie vertritt zunächst die Auffassung, daß es sich bei der Bereitstellung und Vermietung dieser Ferienunterkünfte nicht um Reiseleistungen handele, so daß § 25 UStG schon von daher nicht anwendbar sei. Dies begründet die Klin. damit, daß bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung, ob Reiseleistungen vorlägen, den zivilrechtlichen Grundsätzen zu folgen sei und daß nach Einfügung der §§ 651 a -651 k des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB- das hierdurch neu geregelte Reisevertragsrecht eine Gesamtheit von Leistungen für die Annahme eines Reisevertrages voraussetze. Dies sei bei der Bereitstellung lediglich einer Unterkunft ohne weitere Leistungen wie Beförderung, Beköstigung etc. nicht der Fall. Soweit der Bundesgerichtshof –BGH- in seinem Urteil vom 17. 1. 1985 VII ZR 163/84 (NJW 1985, 906) entschieden habe, daß auch bei der Bereitstellung eines Ferienhauses zu Urlaubszwecken als alleinige Leistung das zivilrechtliche Reisevertragsrecht entsprechende Anwendung finde, könne diese Rechtsprechung weder im Hinblick auf den +unterschiedlichen Sinn und Zweck der §§ 651 a ff BGB – Verbraucherschutz- im Verhältnis zu § 25 UStG, noch im Hinblick auf den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung auf das Umsatzsteuerrecht übertragen werden. Die Annahme einer Reiseleistung bei der alleinigen Bereitstellung einer Unterkunft entsprechend der zivilrechtlichen Rechtsprechung führe zu einer im Steuerrecht unzulässigen Analogie zu Lasten des Steuerpflichtigen.

22. Die Klin. trägt vor, daß, selbst wenn man insoweit der Auffassung des FA folgen und davon ausgehen wolle, daß es sich bei den hier in Frage stehenden Leistungen um Reiseleistungen i.S. des § 25 UStG handele, dennoch diese Leistungen als von der XXX im Ausland erbracht anzusehen und damit im Inland nicht steuerbar seien. Reiseveranstalterin sei die XXX, die Klin. in Z erbringe hingegen lediglich typische Vermittlungsleistungen. Dies ergebe sich aus dem Vertrag von November 1969, der Grundlage der Tätigkeit der Klin. für die XXX sei. Diese schließe die Verträge mit den Ferienhauseigentümern und den Hoteliers ab und stelle den Katalog zusammen, die Klin.
vermittele der XXX lediglich die Kunden gegen Provision. Zwar sei für die Beurteilung der Frage, ob ein Reiseunternehmer Vermittlungs- oder Eigenleistungen erbringe, die Rechtsprechung der Zivilgerichte maßgebend und danach hänge es unter Bezugnahme auf § 651 a Abs. 2 BGB entscheidend davon ab, wie das Reiseunternehmen aus der Sicht des Reisenden jeweils nach außen auftrete. Jedoch ergebe sich aus den von der XXX herausgegebenen Prospekten und Katalogen für die Interessenten eindeutig, daß die Klin. lediglich im Namen und für Rechnung der XXX vermittelnd tätig werde und daß nur diese Vertragspartnerin der Kunden werde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Feststellung des FA, daß die Klin. selbst Mängelrügen bearbeite und in Schadensersatzprozessen als Beklagte auftrete. Dies sei formalrechtlich zwar nicht richtig, sei aber lediglich als Entgegenkommen gegenüber den Kunden zu würdigen, die ansonsten die XXX im Ausland verklagen müßten. Im Innenverhältnis würden die Prozesse jedoch für Rechnung der XXX geführt. Auch aus dem Umstand, daß die Klin. mit den Kunden auf Wunsch eine Reiserücktrittskostenversicherung abschließe, lasse sich nicht auf deren Eigenschaft als Reiseveranstalterin schließen, da ein solcher Versicherungsschutz auch von allen anderen Reisebüros, die Vermittlungsleistungen erbringen, angeboten werde. Folge man der Auffassung des FA und sehe die Klin. als Reiseveranstalterin an, so laufe dies darauf hinaus, jeden Reisevermittler als Veranstalter anzusehen, was im Ergebnis auch Art. 26 Abs. 1 der 6. EG-USt.- Richtlinie zuwiderlaufe.

23. Abschließend beruft sich die Klin. darauf, daß das beklagte FA die Beweislast für die den Steueranspruch begründenden Tatsachen trage. Da sich die für den Steueranspruch relevante Frage, ob die Klin. selbst in den Streitjahren als Reiseveranstalterin aufgetreten sei, mangels aus dem Streitjahr vorhandener Unterlagen -Prospekte, Kataloge, Preislisten etc.- nicht mehr abschließend klären lasse, sei zugunsten der Klin. davon auszugehen, daß sie lediglich als Vermittlerin nach außen in Erscheinung getreten sei.

24. Die Klin. hat zunächst entsprechend ihrer ursprünglichen Umsatzsteuererklärungen beantragt, die Umsatzsteueränderungsbescheide 1987-1989 dahingehend abzuändern, daß die Umsatzsteuer 1987 für auf — DM, die Umsatzsteuer 1988 auf — DM und die Umsatzsteuer 1989 auf — DM festgesetzt wird.

25. Nunmehr beantragt die Klägerin,

26. die Umsatzsteueränderungsbescheide 1987-1989 vom 10. 7. 1991 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. 9. 1993 dahingehend abzuändern, daß die Umsatzsteuer 1987 auf — DM, die Umsatzsteuer 1988 auf — DM und die Umsatzsteuer 1989 auf — DM festgesetzt wird.

27. Der Beklagte beantragt,

28. die Klage abzuweisen.

29. Das FA ist der Auffassung, daß die Klin. in Z eigene Reiseleistungen gem. § 25 Abs. 1 UStG erbringe, die gem. § 25 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 3 a Abs. 1 UStG im Inland ausgeführt würden und mithin steuerbar und -soweit sie nicht steuerfreien Reisevorleistungen i.S. des § 25 Abs. 2 UStG zuzurechnen seien- auch steuerpflichtig seien.

30. Das FA geht davon aus, daß die Rechtsprechung des BGH in seinem Urteil vom 17. 1. 1985(a.a.O.) auch auf die umsatzsteuerliche Beurteilung der Frage, ob Reiseleistungen i.S. des § 25 Abs. 1 UStG anzunehmen seien, zu übertragen sei und daß danach auch die alleinige Gewährung von Ferienunterkünften ohne die Erbringung anderer Leistungen als Reiseleistung anzusehen sei.

31. Für die umsatzsteuerlich bedeutende Frage der Person des Leistenden komme es entscheidend darauf an, wer aus Sicht des jeweiligen Kunden -insbesondere im Hinblick auf die Prospektgestaltung- als Reiseveranstalter anzusehen sei. Danach seien die Reiseleistungen nicht von der XXX in H, sondern von der Klin. in Deutschland erbracht worden. Nach den gesamten Umständen dränge sich hier der Anschein auf, die Reiseleistungen würden von der Klin. in eigener Verantwortung erbracht. In den vorliegenden Katalog- und Preislistenauszügen späterer Jahre trete nur die Klin., nicht jedoch die XXX als Herausgeberin in Erscheinung. Weitere wesentliche Indizien für die eigene Reiseveranstaltertätigkeit der Klin. seien insbesondere die Tatsache, daß diese auch in Schadensersatzprozessen vor den Zivilgerichten als Vertragspartnerin in Anspruch genommen werde und daß überdies die Klin. auf Wunsch Reiserücktrittsversicherungen im eigenen Namen anbiete. Das FA meint, daß die Klin. – wenn sie als Reiseveranstalterin anzusehen sei- auch Reisevorleistungen in Anspruch genommen habe, was sich dadurch ergebe, daß sie aufgrund der Vertragsbeziehungen zu der XXX berechtigt gewesen sei, die von der XXX angemieteten Ferienobjekte selbst an die Reisenden weitervermieten konnte.

Entscheidungsgründe:

32. Die zulässige Klage ist begründet.

33. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 UStG findet die vom Beklagten in den streitigen Umsatzsteueränderungsbescheiden zugrundegelegte Margenbesteuerung von Reiseleistungen keine Anwendung. Vielmehr sind die hier im Streit stehenden sonstigen Leistungen, welche die Klin. in den Streitjahren 1987-1989 erbracht hat, nicht steuerbar, da sie nicht im Inland erbracht wurden, sondern gem. § 3a Abs.2 Nr.1 a) UStG in den jeweiligen Ländern, in denen sich die angemieteten Ferienhäuser und Hotelzimmer befanden.

34. Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer u.a. die sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Erhebungsgebiet -und damit im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

35. Der Ort, an dem eine sonstige Leistung erbracht wird, richtet sich nach § 3a UStG. Eine Besonderheit besteht insoweit für die Besteuerung von Reiseleistungen, da sich hierbei der Ort dieser sonstigen Leistungen gem. § 25 Abs. 1 Satz 4 UStG nur nach dem Auffangtatbestand des § 3a Abs. 1 UStG richtet (Sitz des Unternehmens bzw. einer Betriebstätte).

36. Nach der Überzeugung des Senats findet -entgegen der Auffassung des FA- jedoch imvorliegenden Fall § 25 UStG mit dem Verweis auf § 3a Abs. 1 UStG keine Anwendung, da es insoweit an einer sonstigen Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 UStG fehlt, als die Klin. keinerlei Reisevorleistungen selbst in Anspruch genommen hat.

37. Gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 UStG gelten die nachfolgenden Vorschriften des § 25 UStG für Reiseleistungen eines Unternehmers, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt.

38. Es kann nach dem Dafürhalten des Senats dahingestellt bleiben, ob die Klin. in den Streitjahren lediglich Vermittlungsleistungen für die XXX im Ausland erbracht hat oder ob sie -insbesondere unter Berücksichtigung der herausgegebenen Prospekte bei Anwendung der von den Zivilgerichten aufgestellten Grundsätze des Reisevertragsrechts- selbst als Reiseveranstalterin anzusehen ist. Auch kann die von der Klin. aufgegriffene Frage, ob bereits in den Fällen, in denen der Unternehmer nur eine Leistung -wie z.B. die Vermietung einer Ferienwohnung- erbringt, eine Reiseleistung i.S. des § 25 Abs. 1 Satz 1 UStG vorliegt, unerörtert bleiben: Selbst wenn die Klin. nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung als Reiseveranstalterin anzusehen wäre und wenn das Gericht mit der Rechtsprechung des BFH (Beschluß vom 21. 1. 1993 V B 95/92 BFH/NV 1994, 346) von dem Vorliegen von Reiseleistungen ausginge, scheitert eine Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 UStG mit dem Verweis auf § 3a Abs. 1 UStG hier daran, daß die Klin. nach der Überzeugung des Senats keinerlei Reisevorleistungen selbst in Anspruch genommen hat (§ 25 Abs 1 Satz 1 UStG).

39. Der Ankauf der Ferienhaus- und Hotelzimmerkapazitäten erfolgte nur durch die XXX in H, die intern mit der Klin. einen Vermittlungsvertrag abgeschlossen hatte, ungeachtet der zivilrechtlichen Beurteilung des Auftretens gegenüber den Kunden. Reisevorleistungen in Form des Ankaufs von Ferienhaus bzw. – wohnungsmietverträgen und Hotelkapazitäten hat danach nur die XXX in H in Anspruch genommen. Ein Weiterverkauf an die Klin. hat im Innenverhältnis unstreitig nicht stattgefunden und kann auch nicht über die Fiktion des Zivilrechts (§ 651 a Abs. 2 BGB: „… wenn nach den äußeren Umständen der Anschein erweckt wird, daß der Erklärende vertraglich vorgesehene Reiseleistungen in eigener Verantwortung erbringt“), die von den Zivilgerichten im Interesse des Verbraucherschutzes weit ausgelegt wird (vgl. u.a. Urteile des BGH vom 9. 7. 1992 VIII ZR 7/92, Der Betrieb 1992, 2615; vom 17. 1. 1985 VII ZR 163/84, NJW 1985, 906 und vom 26. 6. 1980 VII ZR 210/79, BGHZ 77, 310 und Urteil des OLG München vom 8. 1. 1991 25 U 2694/90, Fundstelle: JU-RIS) hergeleitet werden, da diese Fiktion nur für die Frage, ob die Klin. selbst als Reiseveranstalterin anzusehen ist, Bedeutung hätte.

40. Die Klin. selbst hat keinerlei Reisevorleistungen in Anspruch genommen. Für die Frage des Vorliegens von Reiseleistungen ist zwar grundsätzlich den zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen auch umsatzsteuerrechtlich zu folgen, wenn sie erfüllt worden sind. Dies gilt jedoch nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 16. 3. 1995 V R 128/92, BStBl. II 1995, 651) nur, wenn die für das Umsatzsteuerrecht maßgebende tatsächliche Leistungshandlung keine eigenständige Beurteilung erfordert. Die Frage, ob Reisevorleistungen in Anspruch genommen wurden, erfordert jedoch nach der Auffassung des Senats, insbesondere auch im Hinblick auf § 25 Abs. 3 UStG, eine eigenständige Beurteilung: Inanspruchnahme von Reisevorleistungen i.S. des § 25 Abs. 1 Satz 1 UStG bedeutet, daß umsatzsteuerliche Leistungsbeziehungen zwischen dem Leistungsträger und dem Unternehmer sowie zwischen Unternehmer und dem Leistungsempfänger bestehen müssen (Sölch-Ringleb-List, Kommentar zur Umsatzsteuer, § 25 Rdnr. 30). Die Inanspruchnahme von Reisevorleistungen liegt vor, wenn der Dritte -der eigentliche Leistungsträger- auf Veranlassung des Reiseunternehmers gegenüber dem Reisenden tatsächlich tätig wird (Bunjes/Geist, UStGKommentar, 5. Aufl. 1997, § 25 Tz.5). Umsatzsteuerliche Leistungsbeziehungen zwischen den Eigentümern der Ferienwohnungen und -häuser bzw. den Betreibern der Hotels und der Klin. bestanden jedoch offensichtlich nicht. Soweit diese Leistungsträger gegenüber den Reisenden durch die Überlassung der Ferienunterkünfte vor Ort tätig geworden sind, geschah dies nur auf Veranlassung der XXX, die alleinige Vertragspartnerin der Leistungsträger war.

41. Entgegen der Auffassung des FA hat auch kein Übergang der von der XXX erworbenen Ferienhauskapazitäten auf die Klin. stattgefunden. Dies ergibt sich schon daraus, daß letztlich bei der XXX in H die letzte Entscheidung darüber getroffen wurde, ob die Reservierung eines Ferienobjekts für die ihr von der Klin. zugeleiteten Kunden vorgenommen wurde und daß auch die Rechnungsstellung von H aus erfolgte und bei der Klin. lediglich eine Provision verblieb. Die Klin. konnte hingegen nicht bei den Reservierungswünschen der Kunden über die Vergabe der Ferienobjekte frei entscheiden, sondern mußte jeweils die Bestätigung bei der XXX darüber einholen, ob das Objekt nicht bereits anderweitig vergeben war und die Reservierung für den gewünschten Zeitraum verbindlich vorgenommen werden könnte. Auch das Risiko etwaiger Leerstandszeiten der angemieteten Objekte trug nicht etwa die Klin., sondern nur die XXX.

42. Daß entgegen der Auffassung des Beklagten tatsächlich eine umsatzsteuerliche Leistungsbeziehung -und nicht nur eine fingierte- zwischen den Leistungsträgern und dem Reiseveranstalter notwendig ist für die Annahme der Inanspruchnahme von Vorleistungen ergibt sich auch insbesondere aus § 25 Abs. 3 UStG, der die Berechnung der zu versteuernden Marge regelt: Danach bemißt sich die zu versteuernde sonstige Leistung nach dem Unterschied zwischen dem Betrag, den der Leistungsempfänger -also der Kunde- aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und dem Betrag, den der Unternehmer -der Reiseveranstalter- für die Reisevorleistungen aufwendet. Da hiernach tatsächliche Aufwendungen erforderlich sind, ist für eine fingierte, den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der XXX und der Klin. von November 1969 zuwiderlaufende- Überleitung der von der XXX in Anspruch genommenen Reisevorleistungen auf die Klin. kein Raum. Insbesondere ist nicht ersichtlich, mit welcher Rechtsgrundlage der Beklagte die Aufwendungen für die Anmietung der Ferienobjekte, die alleine die XXX zu tragen hatte, als Aufwendungen der Klin. angesehen hat, um diese von dem Endpreis, den die Kunden zu zahlen hatten, zur Berechnung der zu versteuernden Marge in Abzug zu bringen.

43. Da damit im Ergebnis eine Besteuerung nach § 25 UStG und eine Bestimmung des Leistungsorts nach § 25 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 3a Abs. 1 UStG nicht in Betracht kommt, richtet sich der Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 2 Nr. 1a) UStG, der vorrangig vor Abs. 1 dieser Vorschrift gilt: Danach wird eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück dort ausgeführt, wo das Grundstück liegt (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG). Als sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück sind gem. § 3a Abs. 2 Nr. 1 a) i.V.m. § 4 Nr. 12 a) UStG insbesondere die Vermietung von Grundstücken anzusehen. Jedoch galt als eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück auch schon vor der späteren Einfügung des § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1993 die Vermittlung der Vermietung eines Grundstücks (vgl. Bunjes/Geist, UStGKommentar, 3. Aufl. 1990, § 3a Rdnr.4; Plückebaum-Malitzky, UStG, 10. Aufl., § 3a, Rz. 293, Abschn. 34 Abs. 8 UStR 1990/91). Danach kann auch für die Bestimmung des Leistungsortes nach § 3a Abs. 2 Satz 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 a) UStG dahingestellt bleiben, ob die Klin. selbst als Vermieterin der Ferienobjekte anzusehen ist -wie der Beklagte meint- oder lediglich Vermittlungsleistungen in Bezug auf Vermietungsleistungen der XXX an die Kunden erbracht hat, da sich in beiden Fällen der Leistungsort nach dem Ort der vermieteten Ferienobjekte richten würde. Da sich die Ferienhäuser und Ferienwohnungen sowie die in Anspruch genommenen Hotels jedoch allesamt nicht im Inland befanden, waren die sonstigen Leistungen der Klin., gleich ob es sich um Vermietungs- oder Vermittlungsleistungen handelte, im Inland nicht steuerbar (§ 1 Abs. 1 Satz 1 UStG), ohne daß dies einen Einfluß auf die Vorsteuerabzugsberechtigung gem. § 15 UStG bzgl. der der Klin. in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge hätte.

44. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO stattzugeben. Soweit die Klin. ihren ursprünglich gestellten Antrag durch Schriftsatz vom 17. 7. 1998 eingeschränkt hat, waren ihr gem. § 136 Abs. 2 FGO die Kosten aufzuerlegen.

45. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozeßordnung.

46. Die Entscheidung, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ergibt sich aus § 139 Abs. 3 FGO.

47. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: Hessisches Finanzgericht: Inanspruchnahme von Reisevorleistungen

Verwandte Entscheidungen

OLG Frankfurt, Urt. v. 16.01.2014, Az: 16 U 78/13
OLG Köln, Urt. v. 11.04.2005, Az: 16 U 12/05

Berichte und Besprechungen

Forum Fluggastrechte: Besteuerung von Reiseleistungen im Ausland
Passagierrechte.org: Vermittlung von Ferienwohnungen: Umsatzsteuer

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte