Einwand der Mitverursachung im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs infolge Eigentumsbeeinträchtigung

BGH: Einwand der Mitverursachung im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs infolge Eigentumsbeeinträchtigung

Der Kläger erwarb mehrere Ackerparzellen. Auf zwei Seiten der Grenze zum benachbarten Grundstück des Beklagten wuchsen Pappeln, deren Wurzeln in die Grundstücke des Klägers flach hineinwuchsen. Der Kläger entfernte die Wurzeln und verlangt vom Beklagten Ersatz der Aufwendungen.

Der BGH entschied, dass der Beklagte dem Kläger die entstehenden Kosten zur Hälfte zu erstatten hat.

BGH V ZR 28/96 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 18.04.1997
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 18.04.1997, Az: V ZR 28/96
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Bundesgerichtshof
1. Urteil vom 18.04.1997

Aktenzeichen V ZR 28/96

Leitsatz:

2. Der im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs erhobener Einwand der Mitverursachung der Eigentumsbeeinträchtigung kann nicht erhoben werden, wenn eine Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger erwarb im Jahr 1979 mehrere Ackerparzellen, auf denen er Tennisplätze anlegte. Auf zwei Seiten der Grenze zum benachbarten Grundstück des Beklagten wuchsen Pappeln, deren Wurzeln in die Grundstücke des Klägers flach hineinwuchsen. Dies behinderte die Ausübung des Sports auf den vom Kläger angelegten Tennisplätzen. Daraufhin entfernte der Kläger die Wurzeln auf eigene Kosten und unter Eigenregie und verlangt vom Beklagten nun den Ersatz der von ihm getätigten Aufwendungen zur Wurzelbeseitigung.

Das Landgericht wies die Klage ab. Mit seiner Berufung wiederholte der Beklagte sein Feststellungsbegehren auf Aufwendungsersatz.
Das Oberlandesgericht urteilte, dass der Beklagte dem Kläger die entstehenden Kosten zur Hälfte zu erstatten hat. Daraufhin ging der Beklagte in Revision und begehrte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Kläger wiederum meint, ihn treffe kein Mitverschulden und begehrt weiterhin Feststellung des ganzen Aufwendungsanspruchs.

Der BGH entschied, dass die Revision des Beklagten uneingeschränkt zulässig ist. Der BGH bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichtes, dass sich der Kläger nach den Grundsätzen der Mitverursachung (§ 254 BGB) zur Hälfte beteiligen solle.

Tenor:

4. Auf die Revision der Beklagten und die Hilfsanschlußrevision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Dezember 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

5. Der Kläger erwarb im Jahr 1979 mehrere Ackerparzellen, auf denen er Tennisplätze anlegte. An deren östlicher und nord-östlicher Grenze stand auf dem benachbarten Grundstück der Beklagten schon damals eine Reihe Pappeln. Ihre Wurzeln sind in die Grundstücke des Klägers hineingewachsen und haben dort Verwerfungen und Verwölbungen des Bodenbelags zweier Spielfelder hervorgerufen.

6. Der Kläger hat in erster Instanz die Feststellung begehrt, daß die Beklagte ihm zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet sei, die ihm durch die Beseitigung der von dem Wurzelwerk ausgehenden Beeinträchtigungen entstünden. Hinsichtlich seines auf Unterlassung zukünftiger Störungen gerichteten Klageantrages haben die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte die Pappeln während des Rechtsstreits hatte fällen lassen.

7. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Kläger zunächst seinen Feststellungsantrag wiederholt und dann in erster Linie die Beseitigung der durch das Wurzelwerk verursachten Beeinträchtigungen verlangt und hilfsweise sein Feststellungsbegehren weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Beseitigung der in den Bereich der Tennisplätze hineingewachsenen Wurzeln und der durch das Wurzelwerk und dessen Beseitigung hervorgerufenen Grundstücksbeeinträchtigungen verurteilt mit dem Zusatz, daß der Kläger „der Beklagten die entstehenden Kosten zur Hälfte zu erstatten hat“.

8. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Kläger meint, die Revision sei beschränkt auf den Einwand des Mitverschuldens, also allein zu seinen Gunsten zugelassen und deshalb unzulässig.

9. Für den Fall ihrer Zulässigkeit verfolgt er seine Klage in vollem Umfang mit der bedingten Anschlußrevision weiter. Beide Parteien beantragen wechselseitig, das gegnerische Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10. Revision und Hilfsanschlußrevision haben Erfolg.

I.

11. Die Revision der Beklagten ist uneingeschränkt zulässig.

12. Das Berufungsgericht hat nach Festsetzung der Beschwer für beide Parteien auf unter 60.000 DM die Revision im Urteilstenor ohne beschränkenden Zusatz zugelassen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, von grundsätzlicher Bedeutung und klärungsbedürftig sei die Rechtsfrage, ob im Rahmen des Beseitigungsanspruchs § 254 BGB mit der Folge anzuwenden sei, daß der Kläger entsprechend seinem Verursachungsbeitrag dem Störer die durch die Beseitigung entstehenden Kosten erstatten müsse.

13. Darin liegt keine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung. Offen bleiben kann, ob sich eine Beschränkung der Revisionszulassung hier klar und eindeutig aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergibt (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 11. Oktober 1994, VI ZR 303/93, BGHR ZPO § 546 Abs. 1 Satz 1, Revisionszulassung, beschränkte 13), weil sie jedenfalls rechtlich nicht zulässig gewesen wäre. Es ist zwar grundsätzlich möglich, die Revision auch auf den Einwand des Mitverschuldens zu beschränken. Dies gilt jedoch nur dann, wenn das Berufungsgericht befugt gewesen wäre (nur auf diese Befugnis, nicht auf deren Verwirklichung kommt es an), zunächst ein Grundurteil (§ 304 ZPO) zu erlassen und den Einwand des Mitverschuldens dem Nachverfahren über den Betrag vorzubehalten (BGHZ 76, 397, 399 ff; BGH, Urt. v. 30. September 1980, VI ZR 213/79, NJW 1981, 287). Diese Möglichkeit schied im Streitfall aus, weil sie nur bei einem auf Zahlung von Geld oder die Leistung vertretbarer Sachen gerichteten Anspruch besteht, der der Höhe nach summenmäßig bestimmt ist (vgl. BGH, Urt. v. 14. Oktober 1993, III ZR 187/92, NJW-RR 1994, 319 m.w.N.). Für den geltend gemachten Beseitigungsanspruch trifft dies nicht zu, ein Grundurteil wäre mithin unzulässig gewesen. Der Senat hat deshalb auch über die zulässige Hilfsanschlußrevision des Klägers (vgl. dazu BGH, Urteile v. 8. Januar 1986, III ZR 292/84, NJW-RR 1986, 874, 875 und v. 10. November 1983, VII ZR 72/83, NJW 1984, 1240, 1241) zu entscheiden.

II.

14. 1. Das Berufungsgericht hält den Klagehauptantrag nach § 1004 BGB für begründet. Die Beseitigung des Wurzelwerks umfasse auch die anschließende Wiederherstellung der Tennisplätze. An den Beseitigungskosten müsse sich der Kläger nach den Grundsätzen der Mitverursachung (§ 254 BGB) zur Hälfte beteiligen, weil er in jedenfalls vorwerfbarer Unkenntnis einer möglichen Beeinträchtigung durch die Pappeln, deren starke oberflächennahe Wurzelbildung allgemein bekannt sei, die Tennisplätze ohne jegliche Vorkehrung gegenüber den sich aus der Nähe der Pappeln ergebenden Risiken errichtet habe. Der Fall, in dem Beseitigung geschuldet werde, sei nicht anders zu behandeln als der, in dem der Eigentümer nach erfolgter Beseitigung Kostenersatz verlange. Die beiderseitigen Verursachungsbeiträge hat das Berufungsgericht gleich hoch bewertet. Ein etwaiges Verschulden seines Bauunternehmers sei dem Kläger dagegen nicht anzulasten, weil dieser im Verhältnis zur Beklagten nicht sein Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) gewesen sei.

15. 2. Das Berufungsgericht bejaht mit Recht einen Anspruch des Klägers auf Beseitigung der Beeinträchtigungen, die durch die vom Nachbargrundstück der Beklagten her eindringenden Baumwurzeln verursacht worden sind (§ 1004 Abs. 1 BGB). Dies entspricht der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. BGHZ 97, 231; 106, 142; Senatsurteile v. 26. April 1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826 und v. 21. Oktober 1994, V ZR 12/94, NJW 1995, 395, 396). Der Anspruch umfaßt nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts – auch nachdem die Pappeln gefällt sind – nicht nur die isolierte Beseitigung der weiter störenden Baumwurzeln, sondern auch die anschließende Wiederherstellung der Tennisplätze, denn der Beklagte muß auch diejenige Eigentumsbeeinträchtigung beseitigen, die zwangsläufig durch das Beseitigen des Wurzelwerks eintritt (vgl. BGHZ 97, 231, 236; Senatsurt. v. 21. Oktober 1994, V ZR 12/94, aaO und Senatsurt. v. 1. Dezember 1995, V ZR 9/94, NJW 1996, 845, 847). An dieser Rechtsprechung wird gegen kritische Stimmen im Schrifttum (vgl. Kohl, Anm. zu LM § 1004 BGB Nr. 223; Gursky, JZ 1996, 683) festgehalten (zustimmend auch Kluth, WiB 1996, 275). Auch die Revision zieht die ständige Senatsrechtsprechung nicht in Zweifel.

16. Im Rahmen der Revision und auch der Hilfsanschlußrevision geht es allein noch um die Frage, ob und inwieweit der Anspruch des Klägers nach § 254 BGB beschränkt ist.

17. 3. a) Die Rechtsprechung hat sich auch im Rahmen von § 1004 BGB wiederholt mit der Anwendung von § 254 BGB befaßt. Auch der Senat geht davon aus, daß diese Vorschrift insoweit grundsätzlich entsprechend anwendbar ist (vgl. zuletzt Senatsurt. v. 21. Oktober 1994, V ZR 12/94, NJW 1995, 395, 396 m.w.N. zu Rechtsprechung und Literatur). Allerdings betrafen die ergangenen Entscheidungen bisher stets Fälle, in denen der gestörte Eigentümer nach erfolgter Beseitigung der Beeinträchtigung Kostenerstattung begehrte (vgl. Senat aaO; RGZ 127, 29, 35; 138, 327, 330; BGHZ 106, 142, 144; 110, 313, 317). Im Rahmen des eigentlichen Beseitigungsanspruchs kann nichts anderes gelten. Mit Recht verweist das Berufungsgericht darauf, daß es nicht einleuchten würde, wenn der beeinträchtigte Eigentümer eine Kostenerstattung nach von ihm veranlaßter Beseitigung nur teilweise verlangen, einen Beseitigungsanspruch selbst aber voll durchsetzen könnte. Soweit im Schrifttum von einigen Autoren die Anwendung von § 254 BGB in diesem Fall verneint wird (vgl. etwa MünchKomm-BGB/Medicus, 2. Aufl., § 1004 Rdn. 68; Roth, Ansprüche auf Rechtsfortsetzung und Mitverschulden, AcP 180, 263, 282 ff) beruht dies teilweise auf einem engeren Begriff der Beeinträchtigung und ihrer Beseitigung, der von der Auffassung des Senats abweicht. Dehnt man den Beseitigungsanspruch mit der Senatsrechtsprechung jedoch weiter aus und nähert er sich dem Umfang nach einer Verpflichtung zum Schadensersatz (dies zeigt der vorliegende Fall besonders deutlich), so wächst auch das Bedürfnis zur entsprechenden Anwendung von § 254 BGB. Die rechtstechnische Lösung des Problems muß sich diesem Erfordernis unterordnen. Der Senat hält auch insoweit den vom Berufungsgericht beschrittenen Weg für zutreffend. Es schränkt den Beseitigungsanspruch durch eine Feststellung zur Kostenbeteiligung des Klägers ein. Ein besserer Weg ist nicht erkennbar. Die endgültige Höhe der Beseitigungskosten ist noch unbekannt, die Verurteilung zur nur teilweisen Beseitigung oder zur gemeinsamen Beseitigung durch die Parteien scheidet aus oder ist kaum praktikabel. Auch im Rahmen der Beseitigung geht es letztlich um die Frage, wer die hierfür anfallenden Kosten zu tragen hat. Im Rahmen der vollstreckungsrechtlichen Ersatzvornahme (§ 887 ZPO) steht nach der Lösung des Berufungsgerichts fest, daß der Vorschuß- und Erstattungsanspruch des beeinträchtigten Eigentümers (§ 887 Abs. 2 ZPO) um seine Haftungsquote zu kürzen ist. Aus dieser Sicht ist die einschränkende Feststellung des Berufungsgerichts kein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO, sondern ein „Minus“ des Beseitigungsanspruchs.

18. b) Mit Recht geht das Berufungsgericht auch im vorliegenden Fall von einer Mitverantwortung des Klägers für die nunmehr gegebene Beeinträchtigung seiner Tennisplätze durch die von den Bäumen der Beklagten hereingewachsenen Wurzeln aus.

19. § 254 BGB ist eine Ausprägung des in § 242 BGB festgelegten Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. z.B. BGHZ 34, 355, 363 ff; BGH, Urt. v. 22. September 1981, VI ZR 144/79, NJW 1982, 168 m.w.N.). Da die Rechtsordnung eine Selbstgefährdung und Selbstbeschädigung nicht verbietet, geht es im Rahmen von § 254 BGB nicht um eine rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem anderen oder gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Rechtspflicht, sondern nur um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung, der Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden „Obliegenheit“ (h.M. z.B. BGHZ 57, 137, 145; RGZ 156, 193, 207; MünchKomm/Grunsky, BGB, 3. Aufl., § 254 Rdn. 2). Sie beruht auf der Überlegung, daß jemand, der diejenige Sorgfalt außer acht läßt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, auch den Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muß (vgl. z.B. BGHZ 9, 316, 318; RGZ 112, 284, 287), weil es im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem unbillig erscheint, daß jemand für den von ihm erlittenen Schaden trotz eigener Mitverantwortung vollen Ersatz fordert (vgl. z.B. BGHZ 34, 355, 363; 56, 163, 170).

20. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes hat bisher eine Mitverantwortlichkeit des gestörten Eigentümers dort bejaht oder in Betracht gezogen, wo sich aus dem Zustand seiner Sache ein abwehrfähiger Eingriff in fremdes Eigentum ergeben konnte (vgl. RGZ 138, 327, 331: Bahndamm aus feuergefährlichem Material), ein abwehrfähiger Verursachungsbeitrag aus der Sphäre des beeinträchtigten Eigentümers stammte (BGHZ 110, 313, 317: Brandfolgen) oder die beeinträchtigte Sache sich in einem mangelhaften Zustand befand (vgl. BGHZ 44, 130, 137; 63, 176, 182; Urt. v. 8. Juli 1964, V ZR 173/63, WM 1964, 1102, 1104). Im Falle grenzüberschreitender Wurzeln hat der Senat zuletzt auf den fehlerhaften Bau eines Kanalrohrs abgestellt (vgl. Senatsurt. v. 21. Oktober 1994, V ZR 12/94, NJW 1995, 395, 396). Auf solche Fälle ist die Anwendung von § 254 BGB im Rahmen von § 1004 BGB aber nicht beschränkt (vgl. auch schon RGZ 154, 161, 167). Die Mitverantwortung des Eigentümers kann sich generell auch daraus ergeben, daß er Vorkehrungen zur Schadensabwehr unterlassen und so die Beeinträchtigung mitverursacht hat.

21. Der vorliegende Fall ist insoweit von mehreren Besonderheiten geprägt, die im eigenen Interesse des Klägers Schutzmaßnahmen geboten. Er hat unmittelbar neben der damals schon vorhandenen Pappelreihe der Beklagten Tennisplätze angelegt. Erst der Bau dieser Tennisplätze schuf die maßgebliche Voraussetzung, daß sich die grenzüberschreitenden Pappelwurzeln durch ihren Verdrängungseffekt negativ auf den Belag dieser Plätze auswirken konnten und es so zu einer maßgeblichen Eigentumsbeeinträchtigung kam (vgl. § 910 Abs. 2 BGB). Der Senat hat dem Gedanken der Priorität gegenüber dem Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB zwar grundsätzlich keine Bedeutung beigemessen (vgl. z.B. BGHZ 60, 235, 242 m.w.N.), aber nur in dem Sinne, daß die zeitliche Priorität dem Störer keinen Rechtfertigungsgrund für die Eigentumsbeeinträchtigung liefert (BGHZ aaO). Hier geht es um die Frage der Mitverantwortung des beeinträchtigten Eigentümers. Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß es der Kläger war, der eine erworbene Ackerfläche in Tennisplätze umwandelte. Beeinträchtigten die Baumwurzeln die Nutzung einer benachbarten Ackerfläche nicht oder allenfalls geringfügig, so steigerte die Nutzungsänderung die Möglichkeit einer Eigentumsbeeinträchtigung ganz erheblich; die Wurzelbeeinträchtigung führte schließlich im Blick auf die Wiederherstellungskosten für die Tennisplätze auch zu einer erheblichen Vermögenseinbuße in der vom Sachverständigen geschätzten Höhe von ca. 370.000 DM. Unangefochten stellt das Berufungsgericht nach dem eigenen Vortrag des Klägers fest, eine starke und die Erdoberfläche beeinflussende Wurzelbildung von Pappeln sei allgemein bekannt. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, das Wurzelwachstum entspreche seiner Länge nach der Höhe der Pappeln. In einer solchen Situation würde jeder verständige Mensch Schutzmaßnahmen gegen eine Wurzelbeeinträchtigung ergreifen und so einen hohen Schaden vermeiden. Es widerspräche auch Treu und Glauben, in der Nachbarschaft entsprechender Bäume und der durch ihre Wurzeln drohenden Beeinträchtigung eine teuere Anlage zu schaffen, so eine spätere Beeinträchtigung „sehenden Auges“ gewissermaßen zu provozieren und dann die Beseitigungskosten voll dem Baumeigentümer zu überbürden.

22. Fraglich ist allerdings, welche von mehreren in Betracht kommenden Maßnahmen dem Kläger vernünftigerweise angesonnen werden kann, um die drohende Beeinträchtigung zu verhüten. Das Berufungsgericht spricht lediglich von „Vorkehrungen“ gegenüber den sich aus dem Vorhandensein der Pappeln ergebenden Risiken, ohne diese näher zu benennen. Nach Auffassung des Senats war der Kläger nicht gehalten, seine Grundstücksnutzung auf die mögliche Beeinträchtigung durch Wurzeln auszurichten. Er mußte insbesondere den Bau der Tennisplätze nicht unterlassen (vgl. auch § 903 Satz 1 BGB). Auch im Rahmen eigener Interessenwahrnehmung oblag dem Kläger nicht, bauliche Maßnahmen gegen das Eindringen der Wurzeln (etwa Bau einer Sperrmauer) zu ergreifen. Falls das Berufungsgericht dies unter „Vorkehrungen“ versteht, wäre es rechtlich unzutreffend. Der gestörte Eigentümer kann zur Abwendung der Beeinträchtigung nicht gehalten sein, u.U. mit erheblichem Kostenaufwand diejenigen Maßnahmen durchzuführen, die der Störer schuldet. Es bleibt im übrigen grundsätzlich diesem überlassen, mit welchen Maßnahmen er eine vorhandene Beeinträchtigung beseitigt oder eine drohende verhindert (vgl. BGHZ 67, 252, 253). Schon daraus folgt, daß er dem beeinträchtigten Eigentümer regelmäßig nicht entgegenhalten kann, dieser habe eine bestimmte bauliche Maßnahme zu seinem Schutz unterlassen.

23. Es bleibt die naheliegende Möglichkeit einer rechtlichen Abwehr vor dem Bau der Tennisplätze. Dabei geht es nicht lediglich – wie die Revision offenbar meint – um einen Hinweis des Klägers auf den Bau der Tennisplätze. Eine solche Aufklärung der Beklagten war aus der Sicht des Klägers unnötig, weil diese die Anlage nach ihrem eigenen Vortrag am 8. Mai 1980 baurechtlich genehmigt hatte und ihr auch im übrigen der Bau der Tennisplätze nicht verborgen geblieben sein konnte. Um seiner im eigenen Interesse bestehenden Verantwortung zur Schadensverhütung gerecht zu werden, mußte der Kläger vielmehr gegenüber der Beklagten seinen Abwehranspruch (§ 1004 BGB) geltend machen. Hätte er sich so verhalten, so muß revisionsrechtlich davon ausgegangen werden, daß die Beklagte seinem Verlangen entsprochen hätte und es gelungen wäre, mit einem relativ niedrigen Kostenaufwand (z.B. durch das Fällen der Pappeln und der Nachbehandlung der Wurzelstöcke wie im Verlaufe des Rechtsstreits geschehen) die Gefahr einer Beeinträchtigung abzuwenden.

24. Aus dieser Sicht ist sowohl die Revision wie auch die Hilfsanschlußrevision begründet. Nachdem der Senat den Ansatzpunkt für eine Mitverursachung durch den Kläger festgelegt hat, muß das Berufungsgericht diese dem Grunde und der Höhe nach tatrichterlich neu prüfen. Einerseits stellt sich zugunsten des Klägers die Frage der Kausalität neu, andererseits ist zugunsten der Beklagten nicht ausgeschlossen, daß der Beitrag des Klägers höher als bisher angenommen bewertet wird, weil er durch seine kostenintensive Nutzungsänderung in Anbetracht der bereits vorhandenen Bäume die Gefahr einer Beeinträchtigung seines Eigentums durch Wurzeln erheblich erhöht hat.

25. Vom Ansatzpunkt des Senats aus (notwendiges Abwehrverlangen des Klägers) kommt es nicht mehr darauf an, ob dem Kläger ein etwaiges Verschulden seines Bauunternehmers wegen der Art der Bauausführung nach § 278 BGB zugerechnet werden muß. Soweit bisher die Anwendung von § 278 BGB auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis verneint worden ist (BGHZ 42, 374, 377), mag zweifelhaft sein, ob sich dieser Standpunkt in Anbetracht der heutigen Bewertung dieses Verhältnisses aufrechterhalten ließe. War der Kläger nach § 254 BGB lediglich gehalten, einen Abwehranspruch geltend zu machen und so der Beklagten die Möglichkeit einzuräumen, mit geringem Aufwand den drohenden Schaden zu vermeiden, so kommt es auf die Art seiner Bauausführung schon im Ansatz nicht mehr an.

26. Der Beseitigungsanspruch ist im vorliegenden Fall untrennbar mit der Frage nach der Mithaftungsquote des Klägers verknüpft; es war deshalb nicht möglich, den Ausspruch des Berufungsgerichts zur Beseitigungspflicht der Beklagten isoliert aufrechtzuerhalten.

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