7-tägige Anzeigefrist bei Reisegepäckschäden

AG Bremen: 7-tägige Anzeigefrist bei Reisegepäckschäden

Ein Fluggast nahm eine Luftfahrtgesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch, aufgrund von fehlenden Sachen aus seinem Gepäck.

Das Amtsgericht Bremen wies die Klage ab und entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz hat, aufgrund der abgelaufenen Anzeigefrist.

AG Bremen 9 C 244/13 (Aktenzeichen)
AG Bremen: AG Bremen, Urt. vom 05.12.2013
Rechtsweg: AG Bremen, Urt. v. 05.12.2013, Az: 9 C 244/13
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Bremen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Bremen,

1. Urteil vom 05.12.2013

Aktenzeichen: 9 C 244/13

Leitsätze:

2. Im Sinne des Montrealer Übereinkommens muss für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund von Reisegepäckbeschädigung muss dem Schadensverursacher der Schadensreport innerhalb von 7 Tagen nach Schadenseintritt zukommen.

Ein „damage report“ am Flughafen ist für die Geltendmachung dieser Ansprüche ungenügend.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden fall buchte der Kläger einer Luftfahrtgesellschaft einen Flug von Bremen nach Bergamo. Am 11.07.2012 gab der Kläger sein Gepäck bei der Beklagten ab und stieg anschließend in die Maschine um den gebuchten Flug wahrzunehmen. In Bergamo angekommen war der Koffer des Klägers geöffnet und einige Sachen abhanden gekommen. Aus diesem Grund erstattete der Kläger umgehend bei einem zuständigen Mitarbeiter am Flughafen eine Schadensanzeige („damage report“) und gab am 22.07.2012 postalisch einen Schadensreport ab.

Der Kläger begehrt von der Luftfahrtgesellschaft einen Schadensersatz für die abhandengekommenen Sachen.

Das Amtsgericht Bremen wies die Klage ab und entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz hat. Hier findet das Montrealer Übereinkommen Anwendung. Gemäß Art. 31 Abs. 2 MÜ muss der Schadensreport innerhalb von 7 Tagen nach Schadenseintritt abgegeben werden. Der Kläger ließ mit 11 Tagen die Frist verstreichen. Ein „damage report“ am Flughafen ist für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ungenügend.

 

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger begehrt vom Beklagten Zahlung von 1.212,85 € für verlorenes Gepäck.

6. Im Juli 2012 buchte Herr H. S. bei der Beklagten einen Flug von B. nach B./M.

7. Am 11. Juli 2012 nahm Herr S. die Maschine mit der Flugnummer … nach B. Er gab ein Gepäckstück bei der Beklagten auf. Nach der Ankunft in B. erstattete Herr S. am Flughafen beim zuständigen Mitarbeiter eine Schadensanzeige („damage report“; Bl. 22 d. A.). Am 22. Juli 2012 schrieb er sowohl auf normalen Postwege als auch per Telefax einen Schadensreport an den Kundendienst der Beklagten (Bl. 13 d. A.). Mit Datum vom 09.08.2012 forderte er die Beklagte erneut dazu auf, sich zu seinen als verloren angegebenen Sachen zu äußern.

8. Am 26.09.2012 machte der Klägervertreter die Forderung gegenüber der Beklagten geltend. Weitere Zahlungsaufforderungen unter ergebnisloser Fristsetzung erfolgten am 23.10. 2012 und 26.11.2012.

9. Am 29.01.2013 trat Herr S. seine Forderung gegen die Beklagte an den Kläger ab.

10. Der Kläger behauptet, dass bei Ankunft in B. der Koffer des Zedenten „in der Mitte geöffnet“ und einzelne Sachen verlustig waren. Aus dem Koffer seien ein Paar Herrenschuhe zum Preis von 299 €, ein Racing Jumper im Wert von 249,95 €, zwei Flaschen Parfum im Wert von zusammen 174 € und ein Herrenanzug nebst Hemd im Wert von 489,90 € entwendet wurden. Diese Gegenstände seien neuwertig gewesen und ausweislich der Rechnungen zwischen dem 03.-06.07.2012 in Hamburg gekauft wurden.

11. Die Klägerin beantragt,

12. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.212,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. August 2012 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,24 € zu zahlen.

13. Die Beklagte beantragt,

14. die Klage abzuweisen.

15. Sie trägt vor, dass die siebentägige Frist gemäß § 15.1.2 der AGB der Beklagten bzw. nach Art. 31 des Montrealer Übereinkommens nicht eingehalten worden sei.

16. Die Klageschrift ist der Beklagten am 01.08.2013 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe:

17. Die zulässige Klage ist unbegründet.

18. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus Art. 18 MÜ i V. m. § 398 BGB. Eventuelle Ansprüche gegen die Beklagte sind gem. Art. 31 Abs. 4 MÜ erloschen.

19. Das Montrealer Übereinkommen findet auf das Verhältnis zwischen dem Zedenten Hassan S. und der Beklagten Anwendung. Bei einem Flug von Bremen in Deutschland nach B. in Italien ist der sachliche und örtliche Anwendungsbereich des Montrealer Übereinkommens eröffnet (Art. 1 MÜ).

20. Das Schreiben des Klägers vom 22.07.2012 an den Kundendienst der Beklagten war nicht fristgerecht. Gemäß Art. 31 Abs. 2 MÜ muss eine Beschädigung von Reisegepäck innerhalb von sieben Tagen nach Entdeckung bzw. Gepäckannahme beim Luftfrachtführer angezeigt werden. Die Regelungen gelten auch bei dem hier geltend gemachtem Teilverlust von Reisegepäck. Der am 11.07.2012 unmittelbar nach der Entdeckung des Schadens ausgefüllte „damage report“ genügt den Anforderungen an die Schadensanzeige nicht:

21. Nach Art. 31 Abs. 3 MÜ muss jede Beanstandung schriftlich erklärt und innerhalb der dafür vorgesehenen Frist übergeben oder abgesandt werden. Der Schadensreport enthält keine Unterschrift des Zedenten Herrn S., die dem Schrifterfordernis genügt. Erst mit Schreiben vom 22.07.2012 wurde dem Schrifterfordernis nach Ablauf der einwöchigen Frist genüge getan. Nicht ausreichend ist, dass der Zedent einem Mitarbeiter vor Ort fristgerecht einen Damage Report diktierte. Denn diese Form der Anzeige entspricht allenfalls der Textform. Die Schriftform ist durch die eigenhändige Unterschrift gekennzeichnet. Insofern spricht Art. 31 Abs. 3 MÜ ausdrücklich von der Übergabe oder Absendung der (unterzeichneten) Erklärung des Fluggastes. Durch diese gesetzliche Regelung soll wohl sichergestellt werden, dass der Fluggast die – zu einem späteren Zeitpunkt ggf. nachzuweisende – Verantwortung für die Richtigkeit der gemachten Angaben trägt. Zwar erscheint die gesetzliche Frist – zugunsten der Luftfahrtunternehmen – sehr kurz bemessen. Es ist jedoch ausreichend, wenn der Fluggast die substantiierte Schadensanzeige binnen 1 Woche absendet; auf den Zugang kommt es nicht an. Somit ist hinreichend sichergestellt, dass auch der im Ausland befindliche Verbraucher die Anzeigefrist de facto einhalten kann. Stift und Papier sind auf jedem Flughafen erhältlich.

22. Die Beklagte handelte nicht arglistig i. S. v. Art. 31 Abs. 4 MÜ. Sie suggerierte dem Fluggast nicht, dass die Abgabe der Schadensanzeige im Flughafen ausreichend wäre. Auf dem „damage report“ wurde unter dem Text des Fluggastes vermerkt, dass ein Anspruch direkt gegenüber der Beklagten innerhalb von sieben Tagen geltend gemacht werden müsse. Es findet sich ein Verweis auf die Internetseite der Beklagten, die entsprechende Hinweise in ihren AGB enthält. Dass in der Klausel Ziffer 15.1.2 Satz 2 unzutreffend auf das Eingehen der Schadensanzeige (bei der Beklagten) binnen 7 Tage und nicht auf das Absendedatum abgestellt wird, ist unbeachtlich; eine Irreführung scheidet aus, weil sich der Fluggast angesichts des Klauseltextes erst recht veranlasst sehen müsste, sogleich nach Feststellung der Beschädigung des Reisegepäckseine schriftliche Anzeige aufzusetzen und diese sogleich zu übergeben oder abzusenden.

23. Das Internetformular der Beklagten, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom14.11.2013 zur Akte reichte, ist auch nicht zur Täuschung des Fluggastes geeignet. Mit dem Formular kann der Flugreisende nur vorab die Beklagte über abhandengekommenes Gepäck informieren. Die Vorabinformation dient dazu, dass die Beklagte die abhanden gemeldeten Gegenstände mit Fundstücken abgleichen kann. Außerdem soll sicher festgestellt werden, welche Sachen gemeldet werden, damit der Luftfrachtführer vor Betrug geschützt wird. In dem Formular weist die Beklagte außerdem auf die Fristen des Montrealer Übereinkommens und ihrer AGBs hin und nennt die Notwendigkeit, innerhalb von sieben Tagen einen Beleg über das abhandengekommene Gepäck direkt an die Beklagte zu senden. Das Schriftformerfordernis wird zwar nicht explizit erwähnt. Da jedoch ein Verweis auf das Montrealer Übereinkommen und die AGBs der Beklagten vorhanden ist, ist es dem Fluggast zuzumuten, dass er, schon um die gesetzten Fristen zu überprüfen, die bezeichneten Vorschriften selbstständig nachliest.

24. Es kann dahinstehen, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten in den Vertrag rechtswirksam einbezogen wurden, da maßgeblich auf Art. 31 MÜ abzustellen war.

25. Mangels Hauptforderung besteht keine Nebenforderung.

26. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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