Kündigung eines Reisevertrags wegen Schiffsunglück

LG Frankfurt: Kündigung eines Reisevertrags wegen Schiffsunglück

Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten eine Ägyptenreise, bestehend aus einer Nil-Reise und 4 Tagen in einem Hotel in Kairo. In Ägypten angekommen, wurde den Reisenden mitgeteilt, dass die Nilkreuzfahrt nicht stattfinden könne. Daraufhin flogen die Reisenden umgehend zurück und bekamen von der Beklagten 5000 DM zurückerstattet.

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von DM 2.945,– nebst 4 % Zinsen verurteilt. Dagegen legte die Beklagte Berufung ein.

Das Landgericht sah die Berufung als form- und fristgerecht an. Es bestätigte im Ganzen das Urteil des Amtsgerichtes.

LG Frankfurt 2-24 S 328/90 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 03.06.1991
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 03.06.1991, Az: 2-24 S 328/90
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Hessen-Gerichtsurteile

Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 03.06.1991
Aktenzeichen 2-24 S 328/90

Leitsatz:

2. Ein Schiffsunglück ist höhere Gewalt und berechtigt nicht zur Kündigung eines Reisevertrages.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten eine Ägyptenreise, bestehend aus einer Nil-Reise und 4 Tagen in einem Hotel in Kairo. In Ägypten angekommen, wurde den Reisenden mitgeteilt, dass die Nilkreuzfahrt nicht stattfinden könne. Daraufhin flogen die Reisenden umgehend zurück und bekamen von der Beklagten 5000 DM zurückerstattet.
Da das Kreuzfahrtschiff nach Beklagtenvortrag aufgrund von höherer Gewalt fahruntüchtig wurde, verweigerte sie die weitere Zahlung i.H.v. 2840,- DM. Gegen diese Zahlungsverweigerung klagte der Kläger.

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von DM 2.945,– nebst 4 % Zinsen verurteilt. Dagegen legte die Beklagte Berufung ein.

Das Landgericht sah die Berufung als form- und fristgerecht an. Das Landgericht bestätigte im Ganzen das Urteil des Amtsgerichtes. Als Begründung führte es an, dass kein Fall von höherer Gewalt vorliegt, da das Schiff aus betriebsgründen vor Anker lag, als es gerammt wurde. Zudem läge ein Fehlverhalten eins Dritten vor, was darüber hinaus eine höhere Gewalt ausschließt.

Tenor:

4. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 5.Juli 1990 – 31 C 795/90-83 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

5. Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten eine Ägyptenreise vom 5.11. bis 19.11.1989, bestehend aus einer Nil-Reise und 4 Tagen Hotel in Kairo, zum Gesamtpreis von DM 7.840,–. Nach der Ankunft in Kairo wurde dem Kläger und seiner Ehefrau mitgeteilt, daß die geplante Schiffsreise nicht stattfinden könne, weil das vorgesehene Schiff „DAR S“ in der Nacht vom 4./5.11.1989 in Assuan vor Anker liegend von dem Schiff „H“ (einer anderen Reederei) gerammt und fahruntauglich geworden war. Die Beklagte bot als Ausweichmöglichkeit zwei Ausweichprogramme, Mitreise mit Busfahrten, an, die der Kläger und seine Ehefrau ablehnten. Diese verlangten vielmehr noch am 5.11.1989 den sofortigen Rückflug, der dann erst am 10.11.1989 erfolgte.

6. Die Beklagte hat von der erhaltenen Vergütung von 7.840,– DM einen Teilbetrag von 5.000,– DM zurückbezahlt. Die Rückzahlung des Restbetrages hat sie unter Hinweis auf § 651 j BGB verweigert.

7. Der Kläger hat mit der Klage Zahlung der Restvergütung von 2.840,– DM sowie Erstattung der Visagebühren von 64,– DM und Taxikosten von 64,– DM und Taxikosten von 105,– DM verlangt. Die Beklagte hat weitere 210,– DM anerkannt. Im übrigen ist sie der Auffassung, es läge ein Fall höherer Gewalt vor, da die „DAR S“ von dem Schiff „MS H“ schuldhaft gerammt worden sei. Höhere Gewalt sei zu definieren als eine Unmöglichkeit, die von keinem Vertragspartner zu vertreten sei. Deshalb könne sie die aufgewendeten Flugkosten von DM 1.606, 100,– Transferkosten und 924,– DM Aufenthaltskosten im M einbehalten.

8. Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von DM 2.945,– nebst 4 % Zinsen seit 31.1.1990 verurteilt. Es hat damit der Klage bis auf die Visagebühren von 64,– DM entsprochen.

9. Gegen das am 30.7.1990 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.8.1990 Berufung eingelegt und

diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 15.11.1990 – am 15.11.1990 begründet.

10. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,

11. unter Abänderung des am 9.7.1990 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main – 31 C 795/90-83 – die Klage – soweit nicht durch Teilanerkenntnis erledigt – abzuweisen.

12. Der Kläger beantragt,

13. die Berufung zurückzuweisen.

1. Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

15. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

16. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

17. Das Amtsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Rückzahlung von DM 2.945,– nebst Zinsen verurteilt.

18. Der Kläger kann Rückzahlung des gesamten Reisepreises und der Taxikosten von 105,– DM nach § 651 e BGB verlangen. Er kann den Reisevertrag wegen der eingetretenen Unmöglichkeit, die Nil-Reise durchzuführen, nach § 651 e I BGB kündigen und den sofortigen Rücktransport nach § 651 e IV BGB verlangen.

19. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf § 651 j BGB.

20. Ein Fall höherer Gewalt i.S.d. § 651 j I BGB liegt nicht vor.

21. Nach der … Rechtsprechung ist höhere Gewalt „ein von außen kommendes keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis“ (BGHZ 100, 185, 188 = NJW 1987, 1938 m.w.N.).

22. Der Zusammenstoß erfolgte einmal in dem betrieblichen Zusammenhang mit dem Vorankerliegen des Schiffes in Assuan. Er war außerdem auf ein schuldhaftes Fehlverhalten eines Dritten – der Besatzung des Schiffes MS H – zurückzuführen und schon deshalb kein von außen kommendes Ereignis, das den typischen Fällen der höheren Gewalt – Krieg, innere Unruhen, Naturkatastrophen – gleichgestellt werden kann. Dagegen spricht bereits die Überlegung, daß die Beklagte den ihr durch die Rückerstattung der Reisevergütungen entstandenen Schaden im Wege des Rückgriffs auf die Reederei des Schiffes MS H verlangen kann. Höhere Gewalt ist aber immer ausgeschlossen, wenn ein Dritter für den eingetretenen Schaden verantwortlich ist. Nur dann ist die besondere Interessenlage gegeben, die eine völlige Entlastung des Reiseveranstalters in Form der Vergütung für erbrachte Reiseleistungen rechtfertigt.

23. Die im Schrifttum teilweise vertretene Auffassung, § 651 j BGB sei ausdehnend auf alle Fälle auszudehnen, in denen ein Ereignis von vornherein nicht in den Risikobereich einer der beiden Parteien falle und damit nicht zumutbar sei (so Führich Reisevertragsrecht, Rdnr. 451) wird von der Kammer nicht geteilt. Sie kann – entgegen Führich – nicht als Konsequenz der in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.3.1986 – VII ZA 187/85 (NJW 1986, 1749) vorgenommene Abgrenzung zwischen § 323 BGB und §§ 651 c ff BGB gesehen werden. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung lediglich ausgesprochen, daß auch die Fälle der Unmöglichkeit der Reiseleistungen nach §§ 651 c ff BGB zu beleuchten sind. Damit ist für den Anwendungsbereich des § 651 j BGB und die Abgrenzung der Vorschrift gegenüber §§ 651 c, e BGB nichts gewonnen. Die subjektive Theorie, wonach höhere Gewalt bereits dann vorliegt, wenn der Schaden auch durch äußerste Sorgfalt hätte vermieden werden können, kann für den Bereich des § 651 j BGB keine Berücksichtigung finden (Wolter, MünchKom., 2.Aufl., § 651 j BGB Rdnr.8).

24. Der Kläger braucht demnach die erhobenen Flugleistungen nicht zu vergüten, da sie für ihn ohne Interesse war (§ 651 e III S.3 BGB). Gleiches gilt für die Kosten der Unterbringung Mena House, da er am 5.11.1989 sofortigen Rücktransport verlangt hat und die Beklagte ihrer aus § 651 e IV BGB folgenden Verpflichtung zur unverzüglichen Rückbeförderung nicht nachgekommen ist. Durch die Hinauszögerung der Rückbeförderung ist die Beklagte schadensersatzpflichtig geworden (Tonner, Der Reisevertrag, 2.Aufl., § 651 e BGB, Rdnr. 19) und kann für die „aufgedrängte Bereicherung“ keine Entschädigung verlangen.

25. Der Kläger kann schließlich Ersatz der Taxikosten von 105,– DM verlangen. Rechtsgrundlage hierfür ist allerdings nicht § 651 f I BGB i.V.m. dem Schiffsunfall, hinsichtlich dessen das Amtsgericht auf den fehlenden Entlastungsbeweis abgestellt hat. Die Ersatzpflicht folgt hier aus § 286 I BGB i.V.m. § 651 e IV S.1 BGB.

26. Die Beklagte hat ihre Pflicht zur unentgeltlichen Rückbeförderung verletzt. Wäre diese erfolgt, dann wären die Taxikosten nicht entstanden.

27. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum ThemaKündigung eines Reisevertrags wegen Schiffsunglück

Verwandte Entscheidungen

BGH, Urt. v. 23.09.1982, Az: VII ZR 301/81
OLG Frankfurt, Urt. v. 21.10.1981, Az: 19 U 13/81
AG Augsburg, Urt. v. 09.11.2004, Az: 14 C 4608/03

Berichte und Besprechungen

Forum Fluggastrechte: Kündigung eines Reisevertrags wegen Schiffsunglück möglich?

Passagierrechte.org: Bei Schiffsunglück Kündigung des Reisevertrages möglich?

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte.