Verspätung durch Verschulden der Flughafengesellschaft

AG Düsseldorf: Verspätung durch Verschulden der Flughafengesellschaft

Ein Reisender buchte bei einer Airline einen Linienflug von Rhodos nach Deutschland. Wegen einer Sperrung des örtlichen Flughafens verspätete sich dieser um mehrere Stunden. Der Reisende fordert von der Gesellschaft nun eine Ausgleichszahlung.

Das Amtsgericht Düsseldorf hat dem Klägerbegehren entsprochen. In dem, die Sperrung verursachenden Unwetter, könne ein außergewöhnlicher Umstand gesehen werden. Für einen solchen habe die Airline jedoch Vorkehrungen zu treffen, die einen reibungslosen Ablauf nach Wiedereröffnung des Flughafens gewährleisten.

AG Düsseldorf 11c C 25/16 (Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 24.06.2016
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.2016, Az: 11c C 25/16
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Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 24. Juni 2016

Aktenzeichen 11c C 25/16

Leitsätze:

2. In der erneuten Sperrung eines Flughafens nach Reperaturarbeiten wegen Unwetterschäden, besteht kein außergewöhnlicher Umstand, wenn nicht nachgewiesen wird, dass die Unzulänglichkeiten besagter Arbeiten auch bei höchster Sorgfalt nicht erkennbar waren.

Der Flughafenbetreiber ist als Erfüllungsgehilfe der Fluggesellschaft anzusehen.

Flugveranstalter müssen ihre Flugpläne so gestalten, dass zeitliche Reserven zum Ausgleich von Verspätungen bestehen und in der Konsequenz haften, wenn die Wendezeiten nicht genügen, um unter gewöhnlichen Umständen eine pünktliche Beförderung zu gewährleisten.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger sind Reisende, die bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, Hin- und Rückflüge nach Rhodos gebucht hatten. Die Heimreise verzögerte sich um 9 Stunden, weil der Flughafen unwetterbedingt geschlossen werden musste. Nachdem vom Flughafenbetreiber Reparaturen vorgenommen worden waren, wurde der Flughafen wieder eröffnet, wenig später aber wieder geschlossen.

Das Amtsgericht Düsseldorf entschied entsprechend früherer höchstrichterlicher Entscheidungen, dass Verspätungen in diesem Umfang einer Annullierung gleichkommen. Zwar kann in einem Unwetter an sich ein außergewöhnlicher Umstand bestehen, ein solcher liegt jedoch nicht vor, wenn nicht ersichtlich ist, dass die darauffolgenden Reparaturmaßnahmen mit höchster Sorgfalt vorgenommen wurden.

Allerdings ist  die Verspätung nicht aufgrund der Sperrung, sondern wegen verzögerter Vorleistungen der Airline zustande gekommen. Da sie verpflichtet ist, ihre Flugpläne so zu gestalten, dass die Wendezeiten genügen und Reserven zum Ausgleich von Verspätungen bestehen, wurde sie verurteilt, den Klägern Schadensersatz zu zahlen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 400,00 EUR (in Worten: vierhundert Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.10.2015 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten hat das Gericht gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand:

5. Die Beklagte ist ausführendes Luftfahrtunternehmen eines im Rahmen einer Reise bei einem Drittveranstalter gebuchten Fluges #### der Kläger von Rhodos nach Düsseldorf. Der Flug sollte am 24.09.2015 um 18:15 Uhr starten. Tatsächlich erfolgte der Abflug erst am 25.09.2015 um 02:45 Uhr, zur Landung kam es in Düsseldorf um 05:04 Uhr statt – wie geplant – am Vorabend um 20:55 Uhr. Die Entfernung von Rhodos nach Düsseldorf gemäß Großkreismethode beträgt 2‘365 km. Zu der Flugverspätung kam es auf Grund einer Sperrung des Flughafens Rhodos nach einer unwetterartigen Unterspülung im Bereich der Start- und Landebahnen am 21. / 22.09.2015. Am 23.09.2015 um 04:58 Uhr wurde der Flughafen nach durchgeführter Reparaturarbeiten wiedereröffnet. Sodann kam es wegen eines erneut aufgetretenen Schadens im Bereich der Start- und Landebahnen zu einer neuerlichen Schließung am 24.09.2015 um 08:50 Uhr. Diese neuerliche Schließung dauerte bis 12 Uhr, sodann kam es zu einer Wiederöffnung unter verkürzten Start- und Landebahnen. Hierdurch kam es zu einer Verspätung der Vorleistung #### von Rhodos nach Wien, planmäßige Abflugzeit (alle folgenden Zeitangaben in UTC) um 08:15 Uhr, Ankunft in Wien um 11:00 Uhr um 03:45 Stunden, mithin landete dieser Flug erst um 14:45 Uhr in Wien. Dies führte zu entsprechenden Folgeverspätungen des Rückfluges von Wien nach Rhodos, planmäßig ab 11:55 Uhr in Wien, an Rhodos 14:25 Uhr und letztlich auch des von den Klägern gebuchten Fluges, ab 15:15 Uhr UTC bzw. 18:15 Uhr Ortszeit wie in der Klageschrift angegeben.

6. Mit Schreiben vom 12.10.2015 forderte die Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beklagte auf, an die Kläger je 400 Euro Entschädigung gemäß Fluggastrechteverordnung bis zum 24.10.2015 zu zahlen.

7. Die Kläger haben ursprünglich neben der Entschädigung gemäß Fluggastrechteverordnung von 400 Euro pro Person weitere Park- und Übernachtungskosten in Höhe von 50,50 Euro geltend gemacht und die Klage insoweit nach mündlicher Verhandlung zurückgenommen, wozu die Beklagte ihre Zustimmung erteilt hat.

8. Die Klägerin beantragt nunmehr,

an die Kläger jeweils 400 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2015 zu zahlen.

9. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10. Die Beklagte ist der Ansicht,

der Grund der Flugverspätung liege in einem außergewöhnlichen Umstand, zudem sei sie auch für eine etwaige Fehlorganisation im Bereich des Flughafens nicht verantwortlich.

Entscheidungsgründe:

11. Die zulässige Klage ist begründet.

12. Den Klägern steht jeweils ein Anspruch in Höhe von 400 Euro gemäß Art. 5 Abs. 1c, 7 Abs. 1b der FluggastrechteVO zu. Unstreitig kam es zu einer Verspätung der Abflugzeit vom 24.09.2015 18:15 Uhr auf den 25.09.2015 02:45 Uhr und hieran anschließend auch der Ankunftszeit. Es handelt sich hierbei um eine Verspätung in einem Umfang, die gemäß Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof einer Annulierung gleichsteht und daher die Verpflichtung zur Zahlung der in Art. 7 Abs. 1b FluggastrechteVO genannten Pauschalen nach sich zieht.

13. Die Voraussetzungen für einen Entfall der Entschädigungspflicht gemäß Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO liegen nicht vor. Voraussetzung der eng formulierten Ausnahmevorschrift ist, dass außergewöhnliche Umstände für die Verspätung vorliegen, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Hinsichtlich des Vorliegens dieser Voraussetzungen trifft die Fluggesellschaft eine umfangreiche Darlegungs- und Beweislast. Dabei kann ein Unwetter grundsätzlich einen außergewöhnlichen Umstand darstellen, wenn zugleich feststeht, dass alle zumutbaren Maßnahmen zur baldmöglichen Beseitigung der Unwetterschäden betrieben worden sind. Dabei hat die Fluggesellschaft auch für solche Fehler einzustehen, die auf Leistungen eines für den Flug notwendigen Dritten beruhen, insbesondere etwa auch für den Fall fehlender Enteisungsmittel, wenn die Enteisung im Auftrag der Flughafengesellschaft erfolgt (OLG Brandenburg BeckRS 2013, 20622). Gleiches gilt auch für die Eignung der Beschaffenheit der Start- und Landebahnen für den Flugbetrieb. Zwar hat die Fluggesellschaft hierauf keinen Einfluss, jedoch bedarf sie für die Durchführung ihrer Leistungen einer funktionierenden Infrastruktur des Flughafens, sodass der Flughafenbetreiber als eine Art Erfüllungsgehilfe der Fluggesellschaft anzusehen ist, somit also Organisationsmängel dort der Annahme außergewöhnlicher Umstände entgegen stehen (Sendmeyer NJW 2011, 809 (813)). Eine solche Auslegung folgt insbesondere auch aus Punkt 1 der Erwägungen zur Fluggastrechteverordnung, wonach die Verordnung ein hohes Schutzniveau der Fluggäste sicherstellen soll. Ein solch hohes Schutzniveau erfordert, dass solche Umstände nicht als außergewöhnlich anzusehen sind, die im Verantwortungsbereich des Flughafenbetreibers liegen. Eine Haftungsfreistellung von derartigen Umständen würde dazu führen, dass einem beträchtlichen Anteil von Annulierungen und beträchtlichen Verspätungen die Flugreisenden schutzlos gestellt wären, was den Erwägungsgründen der Verordnung widerspricht. Eine derartige Auslegung entspricht auch der Billigkeit, weil ein regulärer Flugbetrieb typischerweise die Nutzung der technisch komplexen Einrichtungen eines Flughafens bedarf und dort bestehenden Hindernisse daher in der Risikosphäre der Fluggesellschaft, nicht hingegen des Fluggastes, liegen.

14. Hier verhält es sich zunächst nun so, dass die unwetterartigen Regenfälle am 21. / 22.09.2015, die zur Unterspülung der Start- und Landebahnen geführt haben, als solches einen außergewöhnlichen Umstand darstellen können, wenn zugleich durch die Fluggesellschaft dargelegt und bewiesen ist, dass alle zumutbaren Anstrengungen unternommen worden sind, den Schaden so schnell wie möglich zu beseitigen. Dies ergibt sich aus den Darlegungen der Beklagtenseite aber gerade nicht. Nach ihren eigenen Darlegungen wurde der Flughafen durch die zuständigen griechischen Behörden nach Durchführung von Reparaturarbeiten und anschließenden Belastungstests am 23.09.2015 um 04:59 Uhr wiedereröffnet. Am 24.09.2015 um 08:50 Uhr kam es dann zu einer erneuten Sperrung – ohne dass vorgetragen wäre, dass es erneut zu unwetterartigen Regenfällen gekommen ist – und eine Wiederöffnung um 12:00 Uhr mit verkürzten Bahnen und hierdurch zu erwartenden Behinderungen zu erwarten sei. Der Ablauf der Dinge, insbesondere die zunächst erfolgte Freigabe des Flughafens und sodann eine erneute Sperrung mehr als 24 Stunden später, legen es nach der Lebenserfahrung nahe, dass die Arbeiten zur Beseitigung der Unwetterschäden nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sind. Eine Exkulpation wegen außergewöhnlicher Umstände kann dann nur in Betracht kommen, wenn detailliert dargelegt und bewiesen ist, dass die Unzulänglichkeit des ersten Reparaturversuchs auch bei Beachtung aller Sorgfalt nicht erkennbar war. Diesbezüglich fehlt es hier aber schon an der Darlegung der Beklagten, sodass die Beklagte schon deswegen haftet.

15. Die Beklagte würde allerdings auch dann haften, wenn auch die erneute Sperrung des Flughafens auf einem außergewöhnlichen Umstand beruhen würde, weil die Verspätung des Flugs der Kläger nicht unmittelbare Folge dieser neuerlichen Sperrung war, sondern auf einer Folgeverspätung zweier Vorleistungen beruht, ohne dass die Beklagte hier eine Änderung des Flugplanes vornahm. Dabei besteht jedoch keine generelle Verpflichtung stets anlasslos Ersatzflugzeuge bereit zu halten, jedoch muss der Flugplan so gestaltet sein, dass unter gewöhnlichen Umständen eine pünktliche Beförderung möglich ist, insbesondere müssen Reserven eingeplant sein, die unter üblichen Umständen auftretende kleinere Verspätungen ausgleichen können (BGH NJW 2014, 3303). Hieran fehlt es hier, denn nach dem Beklagtenvortrag beruht die Verspätung letztlich auf der Verspätung eines zweifach vorausgehenden Fluges, wobei in Wien und Rhodos lediglich Wendezeiten von jeweils 55 Minuten vorgesehen waren. Eine solche Wendezeit ist aber offensichtlich ungeeignet, kleinere Verspätungen ausgleichen zu können, sondern hat mangels jedweder Reserve zur Folge, dass Verspätungen eines vorausgehenden Fluges ungekürzt auf den Folgeflug übertragen werden. Wendezeiten sind aber so zu planen, dass zumindest in gewissen Umfang die einmal aufgetretene Verspätung von Folgeflug zu Folgeflug abgebaut werden kann. Dies ist hier aber offensichtlich nicht der Fall, im Gegenteil hat sich die Verspätung wegen der kurzen Wendezeit weiter aufgeschaukelt, denn der hier streitgegenständliche Flug hatte keine Verspätung mehr von lediglich 03:45 Stunden – wie die zuerst verspätet erfolgte Vorleistung – sondern von mehr als 8 Stunden.

16. Die Zinsforderung folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

17. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Teilklagerücknahme wirkt sich auf die Kostenentscheidung nicht aus, weil durch die Zuvielforderung keine Mehrkosten ausgelöst worden sind.

18. Der Streitwert wird auf bis zu 1’500 EUR festgesetzt.

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