Verspäteter Langstreckenflug und Lärm im Hotel

AG Wiesbaden: Verspäteter Langstreckenflug und Lärm im Hotel

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einer Reise, die der Kläger beim beklagten Reiseveranstalter gebucht hatte. Der Kläger trägt vor, dass es während des zehnstündigen Hinfluges zu einer Verspätung von zwei Stunden kam. Im Hotel angekommen habe sich der Kläger außerdem vom Strömungsgeräusch der Klimaanlage in seinem Zimmer, sowie von Baulärm auf der Hotelanlage belästigt gefühlt. Aus diesen Gründen verlangt der Kläger Schadensersatz vom beklagten Reiseveranstalter.

Das Amtsgericht in Wiesbaden hält die Klage für überwiegend unbegründet. Eine Flugverspätung von zwei Stunden stelle im internationalen Flugverkehr keinen Reisemangel gem. § 651 c BGB dar. Auch das Strömungsgeräusch der Klimaanlage muss unter Berücksichtigung der landestypischen klimatischen Bedingungen hingenommen werden. Baulärm auf der Hotelanlage begründet eine Reisemangel und berechtigt den Reisenden zum Schadensersatz, jedoch muss dieser den Mangel beweisen.

AG Wiesbaden 93 C 2731/96 (Aktenzeichen)
AG Wiesbaden: AG Wiesbaden, Urt. vom 04.12.1996
Rechtsweg: AG Wiesbaden, Urt. v. 04.12.1996, Az: 93 C 2731/96
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Amtsgericht Wiesbaden

1. Urteil vom 04. Dezember 1996

Aktenzeichen: 93 C 2731/96

Leitsätze:

2. Eine zweistündige Verspätung bei einem zehnstündigen Flug stellt keinen Reisemangel dar.

Strömungsgeräusche einer Klimaanlage in Hotelzimmer begründen keinen Reisemangel, außer in einem Luxushotel.

Baulärm auf der Hotelanlage begründet einen Reisemangel und berechtigt den Reisenden zu einem Schadensersatzanspruch.

Zusammenfassung:

3. In diesem Fall streiten die Parteien um Schadensersatzansprüche aus einer Reise. Der Kläger buchte bei dem beklagten Reiseveranstalter eine Reise nach Kuba in ein 3-Sterne-Hotel. Während des zehnstündigen Hinfluges kam es zu einer Verspätung von zwei Stunden. Im Hotel angekommen fühlte sich der Kläger vom Strömungsgeräusch der Klimaanlage in seinem Zimmer, sowie von Baulärm auf der Hotelanlage belästigt.

Aus diesen Gründen verlangt der Kläger Schadensersatz vom beklagten Reiseveranstalter. Der Beklagte hält dagegen, dass der Mängelvortrag des Klägers unsubstantiiert sei und bestreitet im übrigen seinen Tatsachenvortrag mit Nichtwissen.

Das Amtsgericht in Wiesbaden hält die Klage für überwiegend unbegründet. Eine Flugverspätung von zwei Stunden stellte im internationalen Flugverkehr keinen Reisemangel gem. § 651 c BGB dar. Bei einem zehnstündigen Flug sei eine zweistündige Verspätung eine dem üblichen Maß entsprechende Unannehmlichkeit.

Auch das Strömungsgeräusch der Klimaanlage muss unter Berücksichtigung der landestypischen klimatischen Bedingungen hingenommen werden, solange es sich bei dem Hotel um kein Luxushotel handelt. Baulärm auf der Hotelanlage begründet eine Reisemangel und berechtigt den Reisenden zum Schadensersatz, jedoch muss dieser den Mangel beweisen und dem Gericht hinreichend vortragen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 296,85 DM nebst 4% Zinsen seit 19.08.1996 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 9/11, die Beklagte 2/11 zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte bei der Beklagten für die Zeit vom 05. bis 18.01.1996 eine „F-​Reise“ nach Kuba in ein 3-​Sterne-​Hotel zum Preise von 2.199,-​- DM zuzüglich einer Touristenkarte von 50,-​- DM. Der Kläger rügt diverse Mängel, wegen derer auf die Klageschrift Bezug genommen wird. Vor Ort forderte er den örtlichen Reiseleiter erfolglos zur Abhilfe auf.

6. Mit Schreiben vom 29.01.1996 verlangte der Kläger Zahlung von 127,10 DM Aufwendungsersatz für Ersatzvornahme von Leistungen, die nach dem Reisevertrag von der Beklagten zu erbringen waren und 1.500,-​- DM Reisepreisminderung.

7. Der Kläger beantragt,

8. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.627,10 DM nebst 12% Zinsen seit 17.02.1996 zu zahlen.

9. Die Beklagte beantragt,

10. die Klage abzuweisen.

11. Die Beklagte hält den Mängelvortrag des Klägers für unsubstantiiert und bestreitet im übrigen seinen Tatsachenvortrag mit Nichtwissen.

12. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

13. Die Klage ist nur teilweise begründet. Der Kläger kann von der Beklagten nach § 651 c Abs. 3 BGB Ersatz der ihm entstandenen Aufwendungen für die erste Übernachtung (45.00 $) und für die Verpflegung an den beiden ersten Reisetagen (82,00 $) verlangen.

14. Nach dem Reisevertrag schuldete die Beklagte dem Kläger Unterbringung in einem 3-​Sterne-​Hotel sowie Verpflegung und Getränke zu allen Mahlzeiten. Entgegen dieser Verpflichtung stand für den Kläger in der ersten Nacht kein Zimmer zur Verfügung und er erhielt an den beiden ersten Tagen lediglich gegen Bezahlung von 82,00 $ etwas zu Essen und zu Trinken.

15. Soweit die Beklagte diesen Vortrag mit Nichtwissen bestreitet, führt dies nicht zu einer Beweiserheblichkeit des Klägervortrages.

16. Eine Partei darf zulässig mit Nichtwissen nur bestreiten, wenn sie nach Einholung von Informationen von Dritten eine Behauptung des Gegners als nicht vorliegend ansieht. Voraussetzung für ein beachtliches Bestreiten mit Nichtwissen ist danach die vorausgegangene Information über den substantiierten Vortrag des Gegners. Dementsprechend ist es dem Reiseveranstalter auch unter Beachtung der im § 138 Abs. 1 und 2 ZPO normierten Erklärungspflicht verwehrt, durch einfaches Bestreiten durch Nichtwissen den klagenden Reisenden zu einer Beweisführung zu veranlassen (Landgericht Frankfurt NJW RR 1991, 378, Bechhofer, Reisevertragsrecht Seite 149). Mangels substantiierten Bestreitens gilt damit der Vortrag des Klägers zu den ihm entstandenen Aufwendungen als zugestanden.

17. Unter Zugrundelegung des vom Kläger konkludent vorgetragenen Dollarkurses von 1,55 DM kann er damit von der Beklagten nach § 651 c Abs. 3 BGB Aufwendungsersatz in Höhe von 196,85 DM verlangen (45,00 und 82,00 $).

18. Darüberhinaus kann der Kläger nach § 651 d BGB eine Reisepreisminderung in Höhe von 100,-​- DM wegen des fehlenden Hotelzimmers in der ersten Nacht verlangen. Denn der Kläger erreichte erst nach äußerst umständlichen Verhandlungen, die etwa 4 Stunden dauerten, daß er gegen Bezahlung von 45 $ ein Zimmer erhielt. Diese erheblichen Unannehmlichkeiten, die auf das vertragswidrige Verhalten der Beklagten zurückzuführen sind, führen zu einer Minderung des Reisepreises in Höhe von 100,-​- DM.

19. Im übrigen ist die Klage unbegründet. Weitergehende Ansprüche gegen die Beklagte stehen dem Kläger aus §§ 651 a ff. BGB nicht zu.

20. Eine ca. 2-​stündige Verspätung beim Hinflug von Frankfurt nach Kuba stellt keinen Mangel im Sinne des § 651 c BGB dar. Verspätungen sind im internationalen Flugverkehr üblich und in einem bestimmten Ausmaß von einem verständigen Reisenden ersatzlos hinzunehmen (Bechhofer, Reisevertragsrecht § 651 c BGB Anmerkung 2). Bei einem Langstreckenflug von mindestens 10 Stunden sind 2 Stunden Verspätung ohne Belang.

21. Die gerügte Geräuschentwicklung der Klimaanlage stellt ebenfalls keinen Mangel im Sinne des § 651 c BGB dar.

22. Klimaanlagen in außereuropäischen Ländern entwickeln sehr häufig höhere Laufgeräusche als mitteleuropäische Modelle. Dies stellt jedoch kein Mangel dar, sondern kann unter Berücksichtigung der Landesüblichkeit nur als Unannehmlichkeit qualifiziert werden (Bechhofer a.a.O. § 651 c BGB Anmerkung 3 c). Es ist gerichtsbekannt, daß in Entwicklungsländern Klimaanlagen in Hotelzimmern grundsätzlich ein relativ lautes Geräusch erzeugen. Eine Inbetriebnahme während der Schlafenszeit ist deshalb in der Regel nicht möglich. Da der Kläger ein 3-​Sterne und nicht ein außerordentliches Luxushotel gebucht hat, stellt die Geräuschentwicklung der Klimaanlage keinen minderungsfähigen Mangel dar.

23. Die weiter vorgetragenen Mängel sind unsubstantiiert.

24. Soweit der Kläger rügt, etwa 20 m vorm Hotel entfernt habe sich eine Baustelle befunden, die in der Zeit von 6 – 22.30 Uhr Lärm erzeugt habe, genügt dieser Vortrag nicht den Substantiierungsanforderungen. Denn die Hotelanlage ist weitläufig ausgerichtet. Damit hätte der Kläger angeben müssen, wieweit die Baustelle von seinem Zimmer aus bzw. von den von ihm genutzten Hoteleinrichtungen entfernt gewesen ist und welche Art von Geräuschentwicklung ihn in seiner Erholung gestört hat. Behauptet der Reisende die Beeinträchtigung durch Baulärm, so muß er genaue Angaben bzgl. Bauzeiten und der eingesetzten Baumaschinen machen (Bechhofer a.a.O.) prozessuale Hinweise IV, Seite 148).

25. Gleiches gilt für die Rüge von Ungeziefer und Kakerlaken. Zum einen sind Insekten usw. in vielen Ländern der Erde, insbesondere solchen südlich des Äquators, Naturgegebenheiten. Ein verständiger Reisender muß mit deren Vorhandensein rechnen, wenn er ein solches Land als Urlaubsziel bucht (Bechhofer a.a.O. § 651 c Anmerkung 3 g). Auch selbst bei Unterkunft in einem Hotel gehobenen Qualitätsstandards in einem subtropischen Land darf der Reisende nicht das Niveau eines gehobenen mitteleuropäischen Hotels erwarten. Er muß folglich täglich 5 – 6 Kakerlaken ersatzlos hinnehmen (Bechhofer a.a.O.). Der Kläger hat in keinster Weise seinen Vortrag über das behauptete Ungeziefer substantiiert. Die Vorlage zweier unscharfer Fotos, auf denen ein nicht näher identifizierbares Insekt erkennbar ist, reicht hierfür nicht aus.

26. Ebenfalls unsubstantiiert ist sein Vortrag hinsichtlich Schimmelbildung und modrigen Geruchs.

27. Zwar sind Feuchtigkeitsschäden, also Schwamm- und Schimmelbildung, durchaus Mängel der Zimmerausstattung. Jedoch hat der Kläger nicht dargelegt, in welchem Ausmaß sich eine derartige Schimmelbildung in seinem Hotelzimmer befunden hat. Seine eingereichten Fotos können seinen Vortrag nicht belegen. Vielmehr deuten die Aufnahmen der Klimaanlage, die auch einen Einblick in den weiteren Zimmerbereich ermöglichen, in keinsterweise auf Schimmelbildung hin. Die auf den Fotos erkennbaren Wände sind ohne jegliche Flecken. Daß dem gegenüber einzelne Foto einer möglichen Schimmelbildung ist zur Substantiierung ungeeignet. Es ist weder angegeben, an welcher Stelle im Zimmer dieses Foto aufgenommen ist, noch ist vorgetragen oder aus dem Bild zu erkennen, wie groß der darauf abgebildete Bereich gewesen ist.

28. Eines gerichtlichen Hinweises auf die mangelnde Substantiierung des Klägervorbringens bedurfte es nicht, nachdem bereits die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 09.09.1996 eine entsprechende Rüge erhoben hatte.

29. Die zuerkannten Zinsen gründen sich auf §§ 284, 288 BGB.

30. Zinsen auf die Klageforderung stehen dem Kläger erst ab Eintritt der Rechtshängigkeit zu, da er einen früheren Verzugseintritt der Beklagten nicht dargelegt hat. Die in seinem Aufforderungsschreiben vom 29.01.1996 enthaltene Fristsetzung entfaltet nicht die Wirkungen des § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB, da es sich hierbei nicht um eine vereinbarte, sondern um eine einseitige Fristsetzung handelt.

31. Mangels eines Nachweises der Inanspruchnahme von Bankkredit kann der Kläger nur den gesetzlichen Zinssatz in Höhe von 4% beanspruchen.

32. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

33. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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