Versicherungsfall bei Abbruch der Reise

AG München: Versicherungsfall bei Abbruch der Reise

Ein Reisender verlangte die Auszahlung einer Reiserücktrittsversicherung, weil er aufgrund einer Erkrankung eine Südamerikarundreise unterbrechen musste.

Das Amtsgericht München hat die Klage abgewiesen. Für den Eintritt eines Versicherungsfalls sei ein entgültiger Reiseabbruch notwendig. Da ein solcher nicht vorlag, stehe dem Reisenden kein Zahlungsanspruch zu.

AG München 223 C 27643/09 (Aktenzeichen)
AG München: AG München, Urt. vom 10.12.2009
Rechtsweg: AG München, Urt. v. 10.12.2009, Az: 223 C 27643/09
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Amtsgericht München

1. Urteil vom 10. Dezember

Aktenzeichen 223 C 27643/09

Leitsatz:

2. Wird eine Rundreise aufgrund einer Erkrankung zeitweilig unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt von einer anderen Station aus fortgesetzt, liegt kein Abbruch der Reise und folglich kein Reiserücktrittsversicherungsfall vor.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger war gemeinsam mit seiner Ehefrau Teilnehmer einer einmonatigen Südamerikarundreise, für die er bei der Beklagten eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen hatte. Aufgrund von akuten gesundheitlichen Beschwerden musste er sich nach Reiseantritt für einige Tage in stationäre Behandlung begeben und konnte die Reise erst später von einer anderen Station aus fortsetzen, wodurch ihm und seine Frau ein Teil der Reiseleistungen entging. Hierfür forderte er die Auszahlung der Reiserücktrittsversicherung, welche die Beklagte ablehnte.

Das Amtsgericht München wies die Klage des Versicherungsnehmers ab. Im vorliegenden Fall bestand kein Reiseabbruch, sondern lediglich eine Unterbrechung. Dass eine solche vom Versicherungsschutz nicht erfasst ist, ergibt sich aus dem Wortlaut der Bezeichnung einer Reiserücktritts- bzw. -abbruchversicherung. Demnach sei ein Abbruch eine „plötzliche und vorzeitige Beendigung eines Vorgangs“, die gerade bei einer Rundreise nicht gegeben sei, wenn diese nach einer Pause wieder aufgenommen werde.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 2.060,52 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Versicherungsverhältnis.

6. Der Kläger ist Versicherungsnehmer der Beklagten hinsichtlich einer Reiserücktrittskostenversicherung. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Reiserücktrittskostenversicherung LBBW Special Gold Card (ABRV) der Beklagten in der Fassung vom 15.04.2004 zugrunde. § 2 der ABRV lautet wie folgt:

1.

7. Der Versicherer leistet Entschädigung:

A.

8. Bei Nichtantritt der Reise für die dem Reiseunternehmen oder einem anderen vom Versicherten vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten;

B.

9. Bei Abbruch der Reise für die nachweislich entstanden zusätzlichen Rückreisekosten und die hierdurch unmittelbar verursachten sonstigen Mehrkosten des Versicherten, vorausgesetzt, dass An- und Abreise in dem Versichertenarrangement enthalten sind; dies gilt auch im Falle nachträglicher Rückkehr.


C.

10. Bei Abbruch der Reise zusätzliche Aufwendungen des Versicherten für gebuchte, jedoch nicht in Anspruch genommene Leistungen.

2.

11. … Der Versicherer ist im Umfang von Ziffer 1 leistungspflichtig, wenn infolge eines der nachstehend genannten wichtigen Gründe entweder die Reiseunfähigkeit des Versicherten nach allgemeiner Lebenserfahrung zu erwarten ist oder ihm der Antritt der Reise oder deren planmäßige Beendigung nicht zugemutet werden kann:

A.

12. … Unerwartete schwere Erkrankung des Versicherten …

13. Der Kläger und seine Ehefrau befanden sich vom 08.02. bis zum 09.03.2008 auf einer Südamerikarundreise, für die Versicherungsschutz bei der Beklagten bestand. Vom 15.02.2008 bis 20.02.2008 musste sich der Kläger aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes in stationäre Behandlungen einem Krankenhaus in La Paz begeben. Bei ihm wurden ein akutes Lungenödem, sekundäre Pneumonitis, Ateminsuffizenz Typ A sowie Bluthochdruck diagnostiziert. Am 21.02.2008 stießen der Kläger und seine Ehefrau, die während der Krankheit ebenfalls in La Paz geblieben war, wieder zu ihrer Reisegruppe und setzen die Reise wie geplant bis zum 09.03.2008 fort. Der Kläger zeigte den Versicherungsfall mit Schreiben vom 12.03.2008 der Beklagten an.

14. Für die Ehefrau des Klägers bestand nach dem ABRV ebenfalls Versicherungsschutz. Aufgrund des Krankenhausaufenthalts des Klägers konnten der Kläger und seine Ehefrau in der Zeit vom 15.02. bis 20.02.2008 im Gesamtpreis der Rundreise enthaltene Einzelleistungen im Gesamtwert von 3.166 US Dollar nicht in Anspruch nehmen. Mit den ABRV war ein Selbstbehalt von 200,00 EUR vereinbart.

15. Der Kläger vertritt die Auffassung, aufgrund seines stationären Krankenhausaufenthalts sei es zu einem Abbruch der Reise im Sinne der ABRV gekommen, so dass die Beklagte die nicht in Anspruch genommenen Reiseleistungen zu erstatten habe. Es handele sich nicht um eine bloße Unterbrechung der Reise. Eine Unterbrechung der Reise setze voraus, dass die Reise an der Stelle fortgesetzt werde, an der sie unterbrochen wurde. Dies sei gerade im Fall einer Rundreise nicht der Fall.

16. Nach teilweiser Klagerücknahme in Höhe des zunächst ebenfalls geltend gemachten Selbstbehalts in Höhe von 200,00 EUR beantragt der Kläger zuletzt:

17. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.870 US Dollar zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.04.2008 zu bezahlen.

18. Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

19. Nach Auffassung der Beklagten besteht ein Anspruch auf Leistungen aus der Reiserücktrittsversicherung nur im Falle eines Abbruchs der Reise. Unter einem Abbruch sei nur eine Beendigung der Reise aufgrund des Eintritts des Versicherungsfalls zu verstehen, nicht jedoch eine nur zeitweise vorliegende Reiseunfähigkeit, nach deren Behebung die Reise fortgesetzt werde.

20. Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die sonstigen Aktenteile Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

21. Die Klage ist zulässig. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts München ergibt sich in sachlicher Hinsicht aus § 1 ZPO i.V.m. § 23 Nummer 1 GVG.

II.

22. Die Klage ist unbegründet.

23. Der Kläger hat keinen vertraglichen Anspruch auf Erstattung der nicht in Anspruch genommenen Reiseleistungen aus der Reiserücktrittskostenversicherung. Die Erstattung von Leistungen im Falle einer Reiseunterbrechung ist vom Versicherungsumfang nicht erfasst.

1.

24. Der Kläger und seine Ehefrau waren unstreitig bei der Beklagten versichert. Ebenfalls unstreitig war grundsätzlich der Versicherungsfall für die Reiserücktrittskostenversicherung eingetreten, da eine unerwartete schwere Erkrankung des Klägers vorlag. Die Erstattung von nicht in Anspruch genommenen Reiseleistungen ist jedoch im Falle einer bloßen Unterbrechung der Reise nicht vom Versicherungsumfang gemäß § 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen umfasst.

2.

25. Es handelte sich vorliegend nicht um einen Abbruch, sondern um eine Unterbrechung der Reise. Unstreitig trat der Kläger die Reise wie geplant am 08.02.2008 an. Vom 15.02. bis 20.02.2008 befand er sich im Krankenhaus. Anschließend setzte der Kläger die Reise wie geplant bis zu deren Ende fort. Ein Reiseabbruch liegt nur vor, wenn die Reise aufgrund des Ereignisses, welches den Versicherungsfall herbeiführt, beendet wird. Dies ergibt sich bereits aus dem Wort „Abbruch“. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist das Wort Abbruch als eine plötzliche und vorzeitige Beendigung eines Vorgangs zu verstehen. Dagegen liegt bei einem vorläufigen Einstellen eines Vorgangs, um diesen später wieder aufzunehmen, eine bloße Unterbrechung vor. Vorliegend setzte der Kläger die Reise nach seiner Genesung fort, beendete sie also gerade nicht.

26. Das Erfordernis einer Beendigung der Reise zur Herbeiführung einer Leistungspflicht wegen eines Reiseabbruchs ergibt sich auch bereits aus dem Sinn und Zweck einer Reiserücktrittskostenversicherung. Bereits das Wort Rücktrittskosten impliziert, dass sich der Versicherungsnehmer durch den Abschluss der Versicherung vor hohen Aufwendungen für eine Reise, die er wegen eines unerwarteten Ereignisses nicht in Anspruch nehmen kann, schützen will. Abgesichert wird grundsätzlich der Totalverlust der gesamten Reise. Durch die Versicherungsbedingungen wird dies auf einen Reiseabbruch nach angetretener Reise ausgeweitet, weil auch dann der Versicherungsnehmer nicht davor sicher ist, die Reise wegen eines unerwarteten Ereignisses beenden zu müssen.

3.

27. Soweit der Kläger vorgetragen hat, gerade bei einer Rundreise ergebe sich ein Abbruch auch bei einer Nichtinanspruchnahme einzelner Reiseleistungen, weil die Reise nicht am selben, sondern an einem anderen Ort fortgesetzt werden müsst, überzeugt dies nicht. Gerade bei einer Rundreise wird, wenn eine Teilstrecke der Rundreise ausgelassen wird, die Rundreisestrecke im Wortsinne „unterbrochen“. Sie wird dann an einer anderen Stelle der vorgesehenen Route fortgesetzt.

28. Im Übrigen wäre – erachtete man die Rechtsauffassung des Klägers für zutreffend – jede noch so kurze Unterbrechung einer Reise, den grundsätzlichen Versicherungsfall vorausgesetzt, von der Leistungspflicht der Reiserücktrittsversicherung erfasst. Dies widerspricht den vereinbarten Versicherungsbedingungen.

4.

29. Im Ergebnis lag kein Abbruch der Reise, sondern nur eine nichtentschädigungspflichtige Reiseunterbrechung vor, da der Kläger und seine Ehefrau an einzelnen Reiseteilen nicht teilgenommen haben, sich danach der Gruppe wieder angeschlossen haben und mit dem von vornherein vorgesehenen Beförderungsmittel planmäßig aus dem Urlaub zurückgekehrt sind. Dies wird in der Rechtsprechung allgemein als bloße Reiseunterbrechung verstanden (vgl. Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage 2004, ABRV § 1 Rn. 7).

30. Eine Leistungspflicht der Beklagten bestand damit nicht.

31. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

III.

32. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.

IV.

33. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.

V.

34. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

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