Sturzverletzung auf Kreuzfahrt

LG Bremen: Sturzverletzung auf Kreuzfahrt

Der Teilnehmer einer Kreuzfahrt stürzt wegen starker Schwankungen des Schiffes und erleidet Verletzungen, die ihm die Teilnahme an den geplanten Landgängen unmöglich machen. Er verlangt nun vom Reiseveranstalter Schadensersatz und ein Schmerzensgeld.

Das Landgericht Bremen hat die Klage abgewiesen. Der Sturz sei durch kein schuldhaftes Handeln oder Unterlassen des Beklagten verursacht worden. In der Folge sei eine Haftung seinerseits ausgeschlossen.

LG Bremen 7 O 124/03 (Aktenzeichen)
LG Bremen: LG Bremen, Urt. vom 05.06.2003
Rechtsweg: LG Bremen, Urt. v. 05.06.2003, Az: 7 O 124/03
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Landgericht Bremen

1. Urteil vom 05. Juni 2003

Aktenzeichen: 7 O 124/03

Leitsatz:

2. Keine Haftung des Veranstalters einer Kreuzfahrt für Sturzverletzungen während eines Sturms.

Zusammenfassung:

3. Ein 87-jähriger Mann buchte für sich und seine Ehefrau eine Kreuzfahrt von Deutschland nach Island. Während eines Unwetters stürzte der Rentner und zog sich Verletzungen zu, die ihn daran hinderten die geplanten Reiseaktivitäten vollumfänglich wahrzunehmen.
Er beklagt das Fehlen von notwendigen Sicherungsgriffen an Bord und verlangt von seinem Reiseveranstalter Schadensersatz sowie ein angemessenes Schmerzensgeld.

Das Landgericht Bremen hat die Klage abgewiesen. Der Veranstalter einer Kreuzfahrt hafte nicht für Verletzungen eines Reisenden, die dieser infolge eines durch einen Sturms verursachten Sturzes in der Kabine erleide. Teilnehmer einer Seereise müssten sich bei stürmischem Wetter stets auf rollende und schlingernde Bewegungen des Schiffs und die damit verbundene Gefahr von Stürzen einstellen.

Ein Anspruch auf Schadensersatz nach §280 I BGB ergebe sich nur bei einer vertraglichen Pflichtverletzung des Beklagten. Der Kläger stellt vorliegend auf die mangelnde Verkehrssicherung des Veranstalter ab und wirft ihm somit die Verletzung einer vertraglichen Schutzpflicht vor.

Sicherheitsbestimmungen, wonach auf Kreuzfahrtschiffen jeweils in Reichweite der Passagiere Haltegriffe angebracht sein müssten, existieren jedoch nicht. In Ermangelung einer Pflicht, sei somit auch eine Verletzung von selbiger ausgeschlossen.
Im Ergebnis steht dem Kläger kein Anspruch auf Schadensersatz zu.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau gemäß Reisebestätigung vom 15.3.2002 eine Kreuzfahrt mit der MS „Astoria“ von Bremen/Bremerhaven nach Island und Spitzbergen für die Zeit vom 5.7. bis 21.7.2002. Der Gesamtreisepreis ohne Versicherungsleistungen betrug 11.040,00 €. Der Kläger erlitt am 11.7.2002, zwei Tage nach seinem 87 Geburtstag, gegen 10.55 Uhr in seiner Kabine einen Unfall. Zum Unfallzeitpunkt herrschten starker Wind (Windstärke 7) und Seegang.

6. Der Kläger behauptet, die Höhe der Wellen hätte 8 bis 9 Meter betragen. Er sei auf dem Weg in das zu seiner Kabine gehörende Badezimmer gewesen, da er das WC habe aufsuchen wollen. Als er durch die Badezimmertür getreten sei, sei das Schiff in ein Wellental gefallen und er habe das Gleichgewicht verloren und sei zu Boden gestürzt. Er sei mit der linken Körperseite und dem Kopf aufgeschlagen. Einige Zeit sei er ohne Bewußtsein gewesen. Es hätten sich starke Schmerzen im Kopf, in den Schultern, in dem Becken und der Wirbelsäule eingestellt.

7. Es sei eine Langzeit-Schmerztherapie erforderlich gewesen. An den im Reiseprogramm enthaltenen Landgängen und Ausflügen in Spitzbergen, Nordkap und Tromsö sowie an dem Klavierkonzert von Grieg in Bergen habe er wegen der Verletzung, die er sich bei dem Unfall zugezogen habe, nicht teilnehmen können. Der Unfall sei auf einen nicht genügend verkehrssicheren Zustand der Kabine zurückzuführen. Es fehlten jegliche Haltegriffe, insbesondere auf dem Weg ins Badezimmer, wo nur glatte Schrankflächen vorhanden seien, die keinen Halt böten.

8. Gerade für ältere, nicht mehr so rüstige oder gar behinderte Passagiere begründe dieser Zustand jedenfalls bei stärkerem Seegang eine erhebliche Unfallgefahr. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass das eingesetzte Schiff durch den Germanischen Lloyd klassifiziert und überprüft worden sei. Ein Reiseveranstalter könne sich durch eine solche Prüfung nicht von der eigenen Haftung für Körperschäden befreien. Der Kläger bestreitet, dass die Prüfung durch den Germanischen Lloyd sich auf die Verkehrssicherheit der gebuchten Suite bezogen habe und dabei die Begehbarkeit unter schlechten Wetterbedingungen geprüft worden sei. Ihm und seiner Ehefrau, die die ihr zustehenden Ansprüche abgetreten habe, stünden daher Minderungs- und Schadensersatzansprüche zu. Der Kläger beziffert die Ansprüche mit insgesamt 9.520,54 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Seiten 5 und 6 der Klagschrift Bezug genommen.

9. Der Kläger beantragt,

10. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.520,54 €

11. zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab 30.8.2002 zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt,

13. die Klage abzuweisen.

14. Die Beklagte trägt vor, die MS „Astoria“ erfülle alle für Kreuzfahrtschiffe geltenden Sicherheitsbestimmungen. Sie werde regelmäßig von den Besichtigern des Flaggenstaates und der für sie zuständigen Klassifikationsgesellschaft, nämlich des Germanischen Lloyd, besichtigt. Auch vor dem Unfall sei sie u. a. im Mai 2002 in Hamburg besichtigt worden und habe dort wiederum das für Kreuzfahrtschiffe u. a. vorgeschriebene Passenger Ship Safety Certificate erhalten. Die Anbringung von Haltegriffen in den Passagierkabinen auf Kreuzschiffen sei weder gesetzlich vorgeschrieben, noch (freiwillig) üblich.

15. Die MS „Astoria“ werde nicht von der Beklagten selbst, sondern von einem Leistungsträger betrieben. Sämtliche Einrichtungen des Schiffes und auch die Kabinen würden regelmäßig auf ihre Sicherheit kontrolliert. Etwa festgestellte Beanstandungen würden stets beseitigt. Am Tage des Unfalls sei die Kabine des Klägers auch ohne irgendwelche Haltegriffe in einem – in sicherheitsrelevanter Hinsicht – einwandfreien Zustand gewesen. Zum Unfallzeitpunkt hätten Wellen in Höhe von 8 bis 9 Metern nicht geherrscht, sondern „hohe (grobe) See“, was bei einer Seegangsstärke von 6 eine mittlere Wellenhöhe von 2 bis 3,5 Meter bedeutet habe.

16. Dabei habe das Schiff Wind und See nahezu von „gegenan“ gehabt und möge trotz der laufenden Stabilisatoren in Folge des Seeganges gestampft haben. Das Stampfen gehöre jedoch zu den üblichen seebedingten Bewegungen eines Kreuzfahrtschiffes und sei dieser Reiseart immanent. Passagiere und Besatzung hätten Gelegenheit gehabt, sich auf die Schiffsbewegungen einzustellen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte liege nicht vor.

17. Wegen der Einzelheiten des Parteienvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

18. Die zulässige Klage ist nicht begründet, da die Reise nicht mangelhaft war und auch ein Verschulden der Beklagten nicht vorliegt.

19. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger den Unfall in seiner persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.4.03 anders schildert, als in der Klage dargestellt. Demnach hörte er nämlich auf dem Rückweg zur Kabine Lautsprecherdurchsagen: „Halten Sie sich fest, es ist Sturm, es ist starker Wellengang, halten Sie sich fest!“ Er habe die Tür zum Badezimmer mit der linken Hand geöffnet, dann habe er, da das Schiff sehr schaukelte, mit der linken Hand an den Türrahmen gegriffen, um sich dort festzuhalten.

20. Dort habe er aber keinen Halt gefunden, weil er in den Duschvorhang gegriffen habe, der sich durch das schaukelnde Schiff offenbar hin- und herbewegt habe und nun direkt am Türrahmen gehangen habe. Er habe keinen Halt gefunden und sei hingefallen. Dabei habe er sich verletzt. Schon nach dieser eigenen Schilderung des Klägers ist davon auszugehen, dass er den Unfall nicht durch etwa fehlende Haltegriffe erlitten hat, sondern weil er unabsichtlich, jedoch nicht aufgrund des Verschuldens der Beklagten, in den Duschvorhang griff, der keinen ausreichenden Halt bot. Dass ein Haltegriff hätte vorhanden sein müssen, kann der Kläger der Beklagten in diesem Zusammenhang nicht vorwerfen, da er durch die Lautsprecherdurchsagen ausreichend gewarnt war und sich auf die Bewegungen des Schiffes einstellen konnte.

21. Im Übrigen gehören, wie die Beklagte zutreffend bemerkt, Seegang und die damit zusammenhängenden Bewegungen eines Schiffes zu den immanenten Bestandteilen einer Kreuzfahrt. Der in der Positionsmeldung, Bl. 10 d. A., dokumentierte Seegang „6“ wird als „sehr grobe See“ bezeichnet, die bei einer Windstärke von 7 Beaufort, was einer Windgeschwindigkeit von 51 bis 61 km/h entspricht, mit einer Wellenhöhe von 2 bis 3,5 Metern einhergeht, wie sich aus den von der Beklagten vorgelegten Tabellen ergibt, die auch den dem Gericht zugänglichen Erkenntnissen entsprechen.

22. Wellenhöhen von 2 bis 3,5, Metern sind schon für sich genommen, nicht geeignet, die von dem Kläger behauptete starke plötzliche Schiffsbewegung zu erzeugen, sondern führen zu dem von der Beklagten geschilderten „Stampfen“ des Schiffes, also zu einer andauernden Auf- und Abbewegung des Schiffes, auf die Mannschaft und Passagiere sich einstellen können und müssen. Sicherheitsbestimmungen, wonach auf Kreuzfahrtschiffen jeweils in Reichweite der Passagiere Haltegriffe vorhanden sein müssen, existieren nicht.

23. Die allgemeine Vorhaltung des Klägers, es hätten Haltegriffe gefehlt, ersetzen keinen substantiierten Vortrag zu der Frage, aufgrund welcher Erfahrungssätze oder öffentlich-rechtlichen oder sonstigen Vorgaben solche Einrichtungen auf Kreuzfahrtschiffen angebracht sein müssten. Die Beklagte weist auch zutreffend darauf, dass die Teilnehmer einer Seereise sich bei stürmischem Wetter stets aufrollende und schlingernde Bewegungen des Schiffes und die damit verbundene Gefahr von Stürzen einstellen müssen (OLG Bremen, MDR 1997, 1108), was auch auf den hier vorliegenden Fall übertragbar ist. Mit dem Unfall des Klägers hat sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, wofür die Beklagte nicht haftet.

24. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 709 ZPO.

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