Slotvergabe außergewöhnlicher Umstand

AG Erding: Slotvergabe außergewöhnlicher Umstand

Vorliegend buchten die Kläger bei der Beklagten einen Flug, welcher annulliert wurde. Begründet wurde die Flugannullierung mit Radarproblemen. Nun begehren sie von dem ausführenden Luftfahrtunternehmen Schadensersatz sowie Ausgleichszahlungen, da den Klägern durch diese Flugannullierung, Kosten für Rückflugtickets, Taxi und Bus entstanden sind.

Das Amtsgericht Erding lehnte einen Anspruch auf Schadensersatz und Ausgleichszahlungen ab. Die Annullierung des Fluges basierte auf Radarproblemen, wodurch eine Slotvergabe stattfand. Dies stellt einen außergewöhnlichen Umstand dar und somit besteht kein Ausgleichsanspruch nach der VO.

AG Erding 2 C 1053/10 (Aktenzeichen)
AG Erding: AG Erding, Urt. vom 18.04.2011
Rechtsweg: AG Erding, Urt. v. 18.04.2011, Az: 2 C 1053/10
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Amtsgericht Erding

1. Urteil vom 18. April 2011
Aktenzeichen 2 C 1053/10

Leitsatz:

2. Die Vergabe eines Abflugslots, aufgrund von Radarproblemen, der zu einer Landezeit führt, die gegen ein Nachtflugverbot verstößt, stellt einen außergewöhnlichen Umstand im Sinn von Art. 5 Abs. 3 der EG Verordnung dar.

Zusammenfasung:

3. Die Kläger buchten bei der Beklagten einen Flug von London nach München. Da es in Deutschland zu Radarausfällen kam, wurde ein Abflugslot vergeben, wodurch die Flugzeit gegen das Nachtflugverbot verstoßen hätte. Folglich musste der Flug annulliert werden. Dem Kläger entstanden dadurch Kosten für Rückflugtickets, Taxi und Bus. Nun verlangt er von der Beklagten Ausgleichszahlungen und Schadensersatz.

Das Amtsgericht Erding wies die Klage ab. Die Vergabe eines Abflugslots, aufgrund von Radarproblemen, der zu einer Landezeit führt, die gegen ein Nachtflugverbot verstößt, stellt einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der EG Verordnung dar. Somit wird kein Ausgleichsanspruch begründet.

Auch ein Schadensersatzanspruch ist nicht ersichtlich. Dieser ergibt sich insbesondere nicht wegen vertaner Urlaubsfreude, da ein Schadensersatzanspruch, nach § 651 f Abs. 2 BGB, nur auf Reisevertäge Anwendung findet. Des Weiteren wurden hier keine geschützten Rechtsgüter verletzt, sodass auch ein Schmerzensgeldanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB ausscheidet.

Tenor:

4. Die Beklagte wird auf ihr Anerkenntnis hin verurteilt, 90,41 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.09.2010, sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 186,24 € an die Beklagte zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

5. Der Streitwert wird auf 2.176,60 € festgesetzt.

Tatbestand:

6. Die Parteien streiten um Schadensersatz und Ausgleichsansprüche aus einer Flugannullierung.

7. Die Kläger waren als Fluggäste auf dem Flug der Beklagten am 30.05.2010 von London Gatwick nach München gebucht. Der Flug sollte planmäßig in London um 17.35 Uhr Universalzeit abgehen und in München um 19.20 Uhr Universalzeit ankommen.

8. Der Flug wurde seitens der Beklagten annulliert.

9. Die Kläger hatten für den annullierten Flug 199,96 € bezahlt.

10. Infolge der Flugannullierung entstanden den Klägern folgende Kosten:

909,59 € für Rückflugtickets von …
7,18 € Buskosten
59,87 Taxikosten

11. Die Kläger bestreiten, dass der Flug infolge von Radarproblemen annulliert werden musste.

12. Am 19.10.2010 leistete die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 1.176,60 € an die Kläger. Die Parteien haben den Rechtsstreit in dieser Höhe für erledigt erklärt.

13. In Höhe von 90,41 € zuzüglich Zinsen und hinsichtlich außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 186,24 € hat die Beklagte die Forderung anerkannt.

14. Die Kläger beantragen zuletzt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 1.000,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 11.09.2011 zu bezahlen und
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 466,82 € zu bezahlen.

15. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass der Flug infolge von Radarproblemen über Deutschland annulliert werden musste. Diese Radarprobleme hätten dazu geführt, dass der streitgegenständliche Flug erst nach dem ab 22.00 Uhr Universalzeit auf dem Flughafen München geltenden Nachtflugverbot in München hätte landen können.

16. Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Einvernahme des Zeugen … . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 18.04.2011.

17. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen sowie die weiteren Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe:

18. Die Beklagte war im Hinblick auf ihr Anerkenntnis hin zu verurteilen, an die Kläger 90,41 € zuzüglich Zinsen sowie 186,24 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu bezahlen.

19. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.

20. Den Klägern steht kein Ausgleichszahlungsanspruch gemäß Art. 7 Abs. 1 a der EG Verordnung Nr. 261/2004 zu. Die Flugannullierung beruhte auf außergewöhnlichen Umständen im Sinn von Art. 5 Abs. 3 der EG Verordnung.

21. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Beklagten für den streitgegenständlichen Flug von dem zuständigen Central Flow Management ein Abflugslot von 20.36 Universalzeit zugeteilt wurde. Bei einem Abflug um 20.36 Uhr wäre es der Beklagten nicht möglich gewesen, vor Eintritt des Nachflugverbotes um 22.00 Universalzeit auf dem Flughafen München zu landen. Die Verschiebung des ursprünglich auf 17.35 Uhr vorgesehenen Abflugslots auf 20.36 Uhr beruhte auf einer zeitweiligen Schließung des Luftraumes über Süddeutschland infolge eines Radarausfalles.

22. Dies hat der Zeuge … in seiner uneidlichen Einvernahme am 18.04.2011 so ausgesagt. Weiter hat der Zeuge angeben, dass es der Beklagten nicht möglich war, bei dem Central Flow Management die Vergabe eines früheren Abflugslots zu erwirken. Infolge des zeitweisen Radarausfalles war der Flugbetrieb im süddeutschen Raum stark eingeschränkt und betrug nur ca. 50 % der normalen Kapazität. Andere Flugstreckenplanungen, als die ursprünglich vorgesehenen, wurden seitens der Central Flow Managements nicht akzeptiert.

23. Das Gericht hat keine Zweifel an der Aussage des Zeugen. Dieser hat seine Aussage überaus ruhig und überlegt getroffen. Er hinterließ bei Gericht einen seriösen und glaubwürdigen Eindruck.

24. Die Vergabe eines Abflugslots, der zu einer Landezeit führt, die gegen ein Nachtflugverbot ver- stößt, stellt einen außergewöhnlichen Umstand im Sinn von Art. 5 Abs. 3 der EG Verordnung dar. Gemäß dem 15. Erwägungsgrund der EG Verordnung stellt eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements, die zur Folge hat, dass es zu großen Verspätungen oder Annullierungen kommt, einen außergewöhnlichen Umstand dar. Die Vergabe von Abflugslots durch das Central Flow Management stellt eine derartige Entscheidung dar. Seitens der Beklagten gab es keine Möglichkeit, auf diese Entscheidung Einfluss zu nehmen.
25. Die Slotvergabe führte dazu dass der Flug am Flughafen München infolge des Nachtflugverbotes nicht mehr landen durfte. Auch das auf dem Flughafen München geltende Nachtflugverbot stellt außergewöhnliche Umstände im Sinn von Art. 5 Abs. 3 der EG Verordnung dar. Hierbei handelt es sich um Bestimmungen, auf die die Beklagte keinen Einfluss hat und die von ihr einzuhalten sind.

26. Das Vorbringen der Beklagten hinsichtlich des Vorliegens der außergewöhnlichen Umstände ist nicht gemäß § 296 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Zwar wurde erstmals mit Schriftsatz vom 10.02.2011 nach Ablauf der Klageerwiderungsfrist vorgetragen, dass der Flug infolge von Radarproblemen annulliert wurde. Die Zulassung des verspäteten Vorbringens hat jedoch nicht zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreites geführt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wäre auch ohne die nunmehr erforderliche Beweisaufnahme erforderlich gewesen, da der Entscheidung im schriftlichen Verfahren nicht zugestimmt wurde.

27. Den Klägern steht ein über die bereits geleistete Zahlung in Höhe von 1.176,60 € und dem anerkannten Betrag in Höhe von 90,41 € hinausgehender weiterer Zahlungsanspruch nicht zu.

28. Ein derartiger Zahlungsanspruch ergibt sich insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt der vertanen Urlaubsfreude. Ein derartiger Schadensersatzanspruch ist lediglich in § 651 f Abs. 2 BGB vorgesehen, der nicht auf die hier streitgegenständliche reine Flugreise Anwendung findet. Gemäß § 651 a finden die §§ 651 a ff lediglich Anwendung auf Reiseverträge, die sich aus mehreren Einzelleistungen zusammensetzen (Palandt, BGB, 69. Aufl., Einf. vor § 651 a RNr. 3). Bei § 651 f Abs. 2 handelt es sich um eine nicht analogiefähige Vorschrift. Gemäß § 253 Abs. 1 kann wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

29. Ein Schmerzensgeldanspruch steht den Klägern bereits mangels Verletzung geschützter Rechtsgüter im Sinn von § 823 Abs. 1 BGB nicht zu.

30. Die Kläger wären darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass sie infolge einer Handlung der Beklagten an Leben, Körper, Gesundheit oder ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschädigt wurden. Der pauschale Hinweis darauf, dass infolge der Flugannullierung und der mitreisenden Kinder Unannehmlichkeiten entstanden sind, ist insoweit nicht ausreichend.

31. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 und 91 a ZPO.

32. Die Kosten hinsichtlich der Teilerledigterklärung waren gemäß dem Anerkenntnis der Kostentragungspflicht der Beklagten unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage diesbezüglich aufzuerlegen.

33. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 1 und 11, 711 ZPO.

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