Haftung des Reiseveranstalters bei einem Unfall während einer Ausflugsfahrt

OLG Frankfurt: Zur Haftung eines Reiseveranstalters bei einem Unfall während einer Ausflugsfahrt

Die Beklagte bot Reisen und Ausflüge an. Die Klägerin buchte mitsamt ihrem Ehemann eine solche Reise und entschied sich während der Reise zu einem Ausflug. Auf der Rückfahrt vom Ausflug zum Hotel geschah auf der Überfahrt mit dem Boot ein Unglück. Es sank und der Ehemann der Klägerin starb dabei. Die Klägerin fordert von der Beklagten Schmerzensgeld i.H.v. 14.122,31 DM.

Das Gericht gab der Klägerin zwar Recht, verurteilte die Beklagte aber nur auf Zahlung i.H.v. 1.725, 08 DM.

OLG Frankfurt 23 U 111/89 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 06.06.1990
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 06.06.1990, Az: 23 U 111/89
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Hessen-Gerichtsurteile

Oberlandesgericht Frankfurt
1. Urteil vom 06.06.1990
Aktenzeichen 23 U 111/89

Leitsatz:
2. Der Reiseveranstalters haftet bei einem Unfall während einer Ausflugsfahrt.

Zusammenfassung:

3. Die Beklagte – eine Reiseveranstalterin – bot Reisen und Ausflüge an. Die Klägerin buchte mitsamt ihrem Ehemann eine solche Reise nach Fuerteventura und entschied sich während der ihres Aufenthaltes zu einem Ausflug per Boot nach Lanzarote. Die Reiseveranstalterin selbst gab an, auch die Ausflüge zu organisieren. Auf der Rückfahrt vom Ausflug auf Lanzarote zum Hotel auf Fuerteventura geschah auf der Überfahrt mit dem Boot ein Unglück. Es sank und der Ehemann der Klägerin starb dabei. Da die Klägerin in der Wohnung ihres Mannes wohnte und aufgrund dessen Tod umziehen musste, fordert sie von der Beklagten die Umzugskosten, sowie Beerdigungskosten und Schmerzensgeld i.H.v. 14.122,31 DM.

Das OLG Frankfurt gab der Klägerin zwar Recht, aufgrund der geringen Erfolgsaussichten und weil die Beklagte der Klägerin bereits 1.184 DM vom Reisepreis zurückerstattet hat, verurteilte es die Beklagte nur auf Zahlung i.H.v. 1.725, 08 DM.

Tenor:

4. Auf die Anschlußberufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.9.1988 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.725,08 DM nebst 4% Zinsen seit 16.1.1982 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Berufung und die weitergehende Anschlußberufung werden zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zutragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,– DM abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit geleistet hat. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2400,– DM abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor in dieser Höhe Sicherheit geleistet hat. Der Beklagten wird gestattet, die Sicherheitsleistung durch eine selbstschuldnerische, unbefristete und unbedingte Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen und als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Sparkasse oder Bank zu erbringen. Die Beschwer der Beklagten beträgt 1.725,08 DM, die der Klägerin beträgt 5.438.915,72 DM.

Tatbestand

5. Am 7.11.1978 hatte die Klägerin zusammen mit ihrem verstorbenen Ehemann für die Zeit vom 17.12. bis 31.12.1978 bei der T. eine Pauschalreise nach Fuerteventura gebucht. Der Gesamtpreis
betrug 2.788,– DM. In dem Reisekatalog der Firma T. befand sich unter dem Stichwort „Ausflüge“ folgender Hinweis:

6. „… Unsere örtliche Reiseleitung hat für Sie ein paar interessante Ausflüge zusammengestellt z.B. Tagesausflug mit dem Schiff nach Lanzarote (etwa DM 100), …“

7. Auch in dem Reisekatalog der Beklagten war ein Ausflug nach Lanzarote angekündigt, allerdings mit etwas anderem Inhalt. Dort hieß es:

8. „… Lanzarote mit Schiff und Bus Zur Nachbarinsel, der Feuerinsel der Kanaren mit ihrer bizarren Vulkanlandschaft und den riesigen Lavafeldern. Essen und Getränke im Preis eingeschlossen. ca. DM 85,–…


8. Diese Ausflüge vermittelt Ihnen Ihre Reiseleitung am Urlaubsort.“

9. In ihrem Hotel am Urlaubsort fanden die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann folgenden Aushang: „…

10. N. AUSFLUGSPROGRAMM


11. MITTWOCH Lanzarote – Die Mondinsel Kommen Sie mit auf die Feuerinsel der Kanaren. Die bizarre Vulkanlandschaft und die riesigen Lavafelder werden auch sie begeistern. Sie müssen einfach die Mondinsel selbst gesehen haben. Kamelritt- Mittagessen und Getränke incl.

12. Abfahrt: 5.00 Uhr Ptas. 3.100,–…

13. HIER MITMACHEN – ZU HAUSE ZAHLEN

…“

14. Aufgrund dieses Aushangs entschlossen sich die Klägerin und ihr Ehemann am 20.12.1978 an einer Fahrt nach Lanzarote teilzunehmen. Die Buchung und Bezahlung dieses Ausflugs erfolgte
über die Reiseleiterin der Beklagten in dem Hotel. Die Kosten hierfür betrugen für beide Personen insgesamt 4.600,– Ptas, was nach dem damaligen Wechselkurs 121,08 DM entsprach.

15. Nur wenig später, in einem Schreiben an den erstinstanzlichen Bevollmächtigten der Klägerin vom 10.1.1979, hat die Beklagte selbst die Auffassung geäußert, Veranstalterin des Ausflugs
gewesen zu sein.

16. Am Morgen des 20.12.1978 trafen sich die Ausflugsteilnehmer im Hafen von Corralejo. Es waren insgesamt 33 Personen, unter denen sich auch die örtliche Reiseleiterin befand. Von dort aus
fuhr man mit dem Motorschiff „Poseidon“ nach Lanzarote. Bei dem Motorschiff handelte es sich um ein umgebautes Holzschiff älteren Baujahrs, das von einem 160 PS starken Motor angetrieben
wurde. Die Notfallausstattung des Schiffes ist im einzelnen streitig. Gelenkt wurde das Schiff von dem Zeugen J. P. S., der Inhaber des Patents eines Küstenfischers war. Dieses Patent berechtigte ihn jedoch nicht, ein Passagierschiff zwischen Lanzarote und Fuerteventura zu führen. Dennoch hatte er damals auf Bitte des Schiffeigners, des Zeugen M. G., die Führung des Schiffes übernommen.

17. Nach einer witterungsbedingt unruhigen Überfahrt verbrachten die Teilnehmer des Ausflugs den Tag auf Lanzarote. Wegen der bewegten See hatten sich einige Teilnehmer nach anderen Rückkehrmöglichkeiten erkundigt, ohne jedoch etwas passendes gefunden zu haben. Am frühen Abend traf man sich daher – wie verabredet – im Hafen von Playa Blanca, um von dort aus die Rückfahrt, zu der sich auch der Schiffsführer entschieden hatte, anzutreten.

18. Die ersten 20 Minuten der Rückfahrt verliefen auch fast normal und ruhig. Dann jedoch brach das Verbindungsteil zwischen Steuer- und Rudergestänge, wodurch die Steuerung des Schiffes stark beeinträchtigt wurde. Da eine Notsteuereinrichtung fehlte, ließ die Schiffsbesatzung einen an einer alten Ankerkette befestigten LKW-Reifen ins Wasser, um so den Kurs des Fahrzeugs zu
stabilisieren. Daraufhin wurde die Fahrt, ohne weitere Vorkehrungen oder Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, fortgesetzt.

19. Kurze Zeit später wurde das Schiff von einer großen Heckwelle erfaßt und in dem folgenden Wellental auf Grund gedrückt. Das Schiff kenterte infolgedessen und sank daraufhin.

20. Die Klägerin erreichte nach einer Schwimmzeit von etwa 90 Minuten aus eigener Kraft das Festland von Fuerteventura. Ihr damals 33 Jahre alter Ehemann, der von Beruf Arzt war und in R.
eine Praxis für Allgemeinmedizin betrieb, wurde am 22.12.1978 tot aus dem Rumpf des gesunkenen Schiffes geborgen. Seine Leiche befand sich in der Kajüte, deren Tür geschlossen und infolge des Unfalls verklemmt war. Am Kinn wies der Leichnam einen Bluterguß auf.

21. Insgesamt starben bei dem Unfall 11 Menschen. Zu ihnen gehörte auch die örtliche Reiseleiterin der Beklagten. Das Schiff wurde kurze Zeit später gehoben und wieder instandgesetzt.

22. Aufgrund dieses Unglücks mit seinen schlimmen Folgen brach die Klägerin ihren Urlaub ab. Die Firma T. erstattete ihr von dem Reisepreis 1.184,– DM.

23. Infolge des Todes ihres Ehemannes mußte die Klägerin, die erlernte Arzthelferin ist, umziehen. Sie bewohnte nämlich eine Wohnung, die zur Praxis ihres verstorbenen Ehemannes gehörte und für den Nachfolger geräumt werden mußte.

24. Mit der Klage verlangt die Klägerin, die sich zwischenzeitlich wegen persönlicher Beziehungen zu einem türkischen Mann vorwiegend in der Türkei aufhält Schadensersatz, der sich aus folgenden Positionen zusammensetzt:

25.
1. Kosten der Reise 2.788,– DM
2. Kosten des Ausflugs 121,08 DM
3. Umzug nach G. 1.911,69 DM
4. Grabstein 1.610,– DM
5. Bestattungskosten 6.395,– DM
6. Einrichtung der neuen
Wohnung
(verschiedene
Gegenstände)
1.221,54 DM
7. Friedhofsgebühren 75,– DM
– ————Summe: 14.122,31 DM

26. Des weiteren begehrt die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, das jedoch 5.000,– DM nicht unterschreiten soll, sowie Schadensersatz wegen entgangenen Unterhalts auf der Basis von monatlich 6.000,– DM mit einer jährlichen Steigerung von 5%. Dementsprechend beziffert die Klägerin den entgangenen Unterhalt für die Jahre 1979 und 1980 auf 147.600,– DM und verlangt für die Zukunft bis zum Jahre 2010 eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 6.000,– DM einschließlich der jährlichen Steigerung um 5%.

27. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, das Schiff „Poseidon“ sei nicht hochseetüchtig und deshalb für solche Ausflüge nicht geeignet gewesen. Außerdem habe es über keine ausreichende Ausrüstung für den Notfall verfügt. So hätten eine Notruderanlage, eine ausreichende Anzahl von Rettungsringen und Schwimmwesten sowie ein funktionstüchtiges Funkgerät gefehlt. Hinzu komme, daß die vorhandenen Rettungsringe nicht schnell genug einsatzfähig zu machen und die zwei mitgeführten Rettungsflöße für die Anzahl der Passagiere viel zu klein gewesen seien.

28. Abgesehen hiervon sei es unverantwortlich gewesen, bei den gegebenen Witterungsverhältnissen die Rückfahrt durchzuführen. Auf insoweit geäußerte Bedenken seitens einiger Teilnehmer habe die Reiseleiterin der Beklagten nur beruhigend reagiert.

29. In ebenso unverantwortlicher Weise habe die Schiffsbesatzung nach dem Bruch des Verbindungsteils zwischen Steuer und Ruder keinerlei Rettungsmaßnahmen ergriffen. Es seien weder die Rettungsflöße klargemacht, noch Schwimmwesten und Rettungsringe verteilt, noch sei versucht worden, fremde Hilfe herbeizuholen. Hätte ihrem Ehemann eine Schwimmweste oder ein Rettungsring zur Verfügung gestanden, so wäre sein Leben gerettet worden. In dem Zeitpunkt als die Welle das Schiff ergriffen habe, habe dieser noch neben ihr gestanden. In die Kajüte sei er offensichtlich erst nach Eintritt der Bewußtlosigkeit gespült worden.

30. Zur Höhe des auf 14.122,31 DM bezifferten Schadens hat die Klägerin vorgetragen, dieser ergebe sich aus den vorgelegten Rechnungen. Insoweit wird auf deren Kopien Bl. 78-91 d.A. Bezug
genommen.

31. Das Schmerzensgeld sei gerechtfertigt, weil sie infolge des Schiffsunglücks und des Todes ihres Ehemannes einen Schock erlitten habe und zudem noch ca. 90 Minuten in Todesangst habe schwimmen müssen. Über lange Zeit hinweg habe sie deswegen nur mit Beruhigungsmitteln leben können.

32. Der Ersatzanspruch hinsichtlich des entgangenen Unterhalts sowie die Höhe der Unterhaltsrente seien aufgrund der voraussichtlichen Umsatzentwicklung der Arztpraxis ihres verstorbenen Ehemannes, die ab 1979 als eingeführt hätte gelten können, errechnet worden. Im Jahre 1979 habe der durchschnittliche Jahresumsatz einer eingeführten ländlichen Praxis für Allgemeinmedizin 300.000,– DM betragen. Dies entspreche bei einem Reingewinn von 56% einem monatlichen Verdienst von 14.000,– DM, wovon ihr als Ehefrau 3/7, also 6.000,– DM, zugestanden hätten. Die jährliche Umsatzsteigerung einer solchen Praxis liege bei 13% und führe zu einer jährlichen Steigerung des Reingewinns um 5%. Hinsichtlich der Dauer des Anspruchs auf Unterhaltsrente habe sie darauf abgestellt, daß ihr Ehemann voraussichtlich bis zum 65. Lebensjahr gearbeitet hätte.

33. Die Klägerin hat beantragt,

34. die Beklagte zu verurteilen, an sie

35. 1. 14.122,31 DM nebst 10% Zinsen seit dem 16.1.1982,

36. 2. ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 10% Zinsen seit dem 16.1.1982,

37. 3. für entgangene Unterhaltsleistungen vom 1.1.1979 bis zum 31.12.1980 147.600,– DM nebst 10% Zinsen seit dem 16.1.1982,

38. 4. vom 1.1.1981 eine monatlich im voraus zu zahlende Unterhaltsrente von 6.615,– DM zuzüglich einer jährlichen Steigerungsrate von je 5% bis zum Jahre 2010

39. zu zahlen.

40. Die Beklagte hat beantragt,

41. die Klage abzuweisen,

42. hilfsweise,

43. ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden und zu gestatten, daß die Sicherheitsleistung durch Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts erfolgen kann.

44. Die Beklagte hat vorgetragen, das Schiff „Poseidon“ sei hochseetüchtig und habe auch bei extremen Wetterbedingungen eingesetzt werden können. Am Unfalltag habe jedenfalls kein so außergewöhnlich hoher Seegang und starker Wind geherrscht, daß es aufgrund der Wetterlage geboten gewesen wäre. den Ausflug ganz abzusagen.

45. Außerdem sei das Schiff mit einem funktionstüchtigen CB-Funkgerät, Leuchtraketen, Rettungsflößen sowie einer ausreichenden Anzahl von Rettungsringen und Schwimmwesten ausgestattet gewesen. Durch den Bruch des Verbindungsteils zwischen Steuer und Ruder sei aber keine solch bedrohliche Lage entstanden, die den Einsatz von Rettungsmitteln erfordert hätte. Das Schiff sei nur gekentert und gesunken, weil dessen Heck von einer Welle in unvorhersehbarer Größe erfaßt worden sei.

46. Abgesehen hiervon hätte dem Ehemann der Klägerin auch eine Schwimmweste oder ein Rettungsring nichts genützt, da dieser sich im Zeitpunkt des Unfalls in der Kajüte befunden habe und dort eingeschlossen worden sei.

47. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege ein Verschulden der ebenfalls bei dem Unfall ums Leben gekommenen Reiseleiterin nicht vor. Bei Antritt der Fahrt habe die Wetterlage keine Veranlassung gegeben, den Ausflug ganz abzusagen. Ferner sei diese nicht befugt gewesen, der Schiffsbesatzung irgendwelche Weisungen zu erteilen.

48. Schließlich hafte sie aus unerlaubter Handlung auch nicht für ein etwaiges Verschulden der Schiffsbesatzung bzw. des Schiffseigners, da diese nicht ihre Verrichtungsgehilfen gewesen seien.

49. Das Landgericht hat gemäß der Beschlüsse vom 8.10.1982 (Bl. 94/95 d.A.), 19.11.1985 (Bl. 169 i.V.m. Bl. 132 d.A.) und vom 1.7.1987 (Bl. 227/228 d.A.) Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 1.6.1983 (Bl. 105-107 d.A.), 9.6.1983 (Bl. 108-111 d.A.), 13.9.1983 (Bl. 112-114 d.A.), 19.10.1983 (Bl. 119-124 d.A.), 30.1.1984 Bl. 115-118 d.A.) und vom 15.10.1984 (Bl. 125/126 d.A.), die schriftlichen Auskünfte des Deutschen Wetterdienstes – Seewetteramt – vom 9.12.1982 und vom 16.3.1983 (Bl. 97-100 d.A.), das schriftlichen Gutachten des Sachverständigen O. vom 13.2.1986 (Bl. 171-185 d.A:) mit seinen Ergänzungen vom 15.5.1985 (Bl. 206-208 d.A.) und vom 24.8.1986 (Bl. 213-215 d.A.) sowie das schriftliche Gutachten der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen vom 23.12.1987 (Bl. 240/241 d.A.) Bezug genommen.

50. Mit Urteil vom 21.9.1988 hat das Landgericht der Klage in Höhe von 2.909,08 DM nebst 4% Zinsen seit dem 16.1.1982 stattgegeben. Bei dem zugesprochenen Betrag handelt es sich um die gesamten Kosten für den Urlaub in Höhe von 2.788,– DM sowie die Teilnahmekosten an der Ausflugsfahrt nach Lanzarote in Höhe von 121,08 DM. Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen.

51. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, die Beklagte sei Veranstalterin und nicht nur Vermittlerin der Ausflugsfahrt gewesen. Zwischen der Beklagten, der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann habe ein Werkvertrag bestanden, dessen Gegenstand die Ausflugsfahrt gewesen sei. Zur Erfüllung dieses Vertrags habe sich die Beklagte des Schiffseigners M G und seiner Schiffsbesatzung bedient. Deren schuldhaftes Verhalten bei Ausführung der Schiffsfahrt müsse sich die Beklagte anrechnen lassen. Sie habe daher den Werkvertrag nur mangelhaft erfüllt und hafte der Klägerin deswegen auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Dieser Schadensersatzanspruch erfasse nur die zugesprochenen Schadensteile. Ein Anspruch aus unerlaubter Handlung, der zum Ersatz der übrigen Schäden führen könnte, bestehe nicht. Sofern die Beklagte gegenüber den Teilnehmern der Ausflugsfahrt überhaupt Verkehrssicherungspflichten verletzt habe, seien diese nicht kausal für die Entstehung des konkreten Schadens. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Entscheidung wird auf Bl. 254-268 d.A. verwiesen.

52. Gegen dieses am 3.10.1988 zugestellte Urteil richtet sich die am 3.11.1988 bei Gericht eingegangene Berufung der Klägerin, die innerhalb der bis zum 3.1.1989 verlängerten Frist begründet worden ist. Die ebenfalls gegen dieses Urteil gerichtete Anschlußberufung der Beklagten ist bei Gericht mit Begründung am 28.4.1989 eingegangen.

53. Die Klägerin hält das landgerichtliche Urteil, soweit die Klage abgewiesen wurde, für falsch. Sie meint, die Beklagte habe ihren Leistungsträger, den Schiffseigner der „Poseidon“, nicht sorgfältig genug ausgewählt und überwacht. Nur deshalb sei es möglich gewesen, daß ein schlecht ausgerüstetes, nicht hochseetüchtiges Schiff und der Zeuge P. S. als Schiffsführer, ohne jedoch die erforderlichen Patente zu besitzen, zum Einsatz gekommen sei. Dafür, daß der Zeuge das Schiff nur ausnahmsweise geführt habe, gebe es keine Anhaltspunkte. Das Gutachten des Sachverständigen O. über die Eignung des Schiffes „Poseidon“ für Fahrten dieser Art sei nicht verwertbar, da dieser das Schiff nicht besichtigt habe, sondern nur von Bildern her kenne und seine Ausführungen sich deshalb ausschließlich in Vermutungen erschöpften.

54. Dafür, daß die Beklagte Veranstalterin der Ausflugsfahrt war, spreche noch ergänzend die Tatsache, daß das Schiff „Poseidon“ zusätzlich deren Firmennamen getragen habe.

55. Die Klägerin behauptet weiter, nicht wieder verheiratet zu sein und beantragt,

56. das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.9.1988 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie

57. 1. über den bereits zuerkannten Betrag von 2.909,08 DM nebst 4% Zinsen seit dem 16.1.1982 hinaus weitere 11.213,23 DM nebst 4% Zinsen seit dem 16.1.1982,

58. 2. ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen seit dem 16.1.1982,

59. 3. 147.600,– DM nebst 4% Zinsen seit dem 16.1.1982 für entgangene Unterhaltsleistungen in der Zeit vom 1.1.1979 bis zum 31.12.1980,

60. 4. vom 1.1.1981 an eine monatlich im voraus zu zahlende Unterhaltsrente von 6.615,– DM zuzüglich einer jährlichen Steigerungsrate von je 5% bis zum Jahre 2010

61. zu zahlen.

62. Die Beklagte beantragt,

63. die Berufung zurückzuweisen,

64. hilfsweise,

65. der Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung aus einem gegen sie ergehenden Urteil durch Sicherheitsleistung in Form der selbstschuldnerischen und unwiderruflichen Bürgschaft einer als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Bank abzuwenden,

66. und im Wege der Anschlußberufung

67. das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt vom 21.9.1988 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

68. Unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags verteidigt die Beklagte das landgerichtliche Urteil, soweit durch dieses die Klage abgewiesen wurde. Ergänzend weist sie noch darauf hin, nicht Veranstalterin sondern nur Vermittlerin der Ausflugsfahrt gewesen zu sein. Dies ergebe sich aus dem Inhalt der Tickets sowie der Tatsache, daß diese Fahrten auch über andere Reiseunternehmen hätten gebucht werden können. Der Hinweis auf der Werbung „HIER MITMACHEN – ZU HAUSE ZAHLEN“ besage nichts anderes. Er sei lediglich ein Angebot zur Vermittlung von Kleinkrediten, was ihren Kunden bekannt gewesen sei. Da sie aber nicht Veranstalterin gewesen sei, bestehe der Klageanspruch auch insoweit nicht, wie er der Klägerin vom Landgericht zugesprochen worden sei.

69. Die Klägerin beantragt,

70. die Anschlußberufung zurückzuweisen.

71. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

72. Die Berufung sowie die Anschlußberufung sind zulässig, in der Sache war aber nur die Anschlußberufung zu einem Teil begründet.

73. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld, auf Ersatz der mit dem Umzug verbundenen Aufwendungen, der Beerdigungskosten für ihren verstorbenen Ehemann, des entgangenen Unterhalts bis zum 31.12.1980 sowie den Anspruch auf eine monatliche Unterhaltsrente ab 1.1.1981 bis einschließlich 2010 weiter. Sie konnte hiermit jedoch keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat die Klage insoweit zu recht abgewiesen, da der Klägerin diese Ansprüche unter keinem rechtlichen Aspekt zustehen.

74. Eine unerlaubte Handlung (§ 823 BGB) der Beklagten, durch die die geltend gemachten Schäden hätten entstehen können, hat die Klägerin nicht nachweisen können.

75. Die Beklagte war zwar im Verhältnis zur Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann Veranstalterin der Ausflugsfahrt nach Lanzarote. Deshalb oblagen ihr auch Verkehrssicherungspflichten, zu denen die sorgfältige Auswahl des Leistungsträgers und dessen regelmäßige Überwachung gehörte (BGH NJW 1988, 1380 ff). Aber auch dann, wenn man davon ausgehen wollte, daß die Beklagte in diesem Bereich nicht allen ihren Verpflichtungen in ausreichender Sorgfalt nachgekommen ist, so sind die Ansprüche der Klägerin dennoch nicht begründet. Die in dieser Hinsicht denkbaren Pflichtverletzungen der Beklagten waren nämlich nicht kausal für das Unfallgeschehen und damit den Tod des Ehemanns der Klägerin.

76. Die Beklagte war, jedenfalls im Verhältnis zu der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann, Veranstalterin der Ausflugsfahrt nach Lanzarote.

77. Diese Ausflugsfahrt gehörte nicht zum Leistungsumfang der von der Klägerin und ihrem Ehemann bei der Firma T. gebuchten Pauschalreise. In dem Reisekatalog der Firma T. befand sich lediglich ein Hinweis darauf, daß die örtliche Reiseleitung ein paar interessante Ausflüge zusammengestellt habe, zu denen auch eine Tagesfahrt nach Lanzarote gehörte. Hiervon machten die beiden aber gerade keinen Gebrauch. Vielmehr nahmen sie ein Angebot der Beklagten, das diese ihren Pauschalreisekunden schon im Reisekatalog als Vermittlerin unterbreitet hatte, wahr. Für sie, die die Ausflugsfahrt aufgrund eines in ihrem Hotel vorgefundenen Angebots der Beklagten und nicht aufgrund der Angaben in deren Reisekatalog buchten, war nicht erkennbar, daß die Beklagte nur als Vermittlerin auftreten wollte. Alle äußeren Umstände sprachen vielmehr dafür, daß die Beklagte Veranstalterin dieser Fahrt war (BGH NJW 1985, 906 f).

78. Obwohl das Reisevertragsrecht der §§ 651 a ff BGB Ende 1978 noch keine Geltung hatte, kann für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei dem Ausflug nach Lanzarote, zu dessen Umfang die Fahrt, das Mittagessen, die Getränke und ein Kamelritt gehörte, um eine von der Beklagten geschuldete und nicht nur vermittelte Reiseveranstaltung handelte, die Rechtsprechung und Kommentierung zu § 651 a BGB herangezogen werden. § 651 a BGB enthält nämlich nur die Kodifizierung der damals in Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze über das Reiserecht, so daß alle hierzu folgenden Auseinandersetzungen lediglich deren kontinuierliche Weiterentwicklung beinhalten. Demnach ist die Beklagte schon deshalb als Veranstalterin der Ausflugsfahrt anzusehen, weil sie gegenüber der Klägerin und deren verstorbenem Ehemann aufgrund ihrer Werbung und ihres Auftretens den Eindruck erweckt hat, sie führe den Ausflug in eigener Verantwortung durch und werde auch für den Erfolg einstehen (vgl. BGH NJW 1985, 906 ff).

79. Dafür, daß die Klägerin und deren verstorbener Ehemann tatsächlich auch diesen Eindruck hatten, spricht vor allem der Inhalt der örtlichen Werbung für diese Fahrt. Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann haben sich nämlich für diese Fahrt aufgrund eines Aushangs in ihrem Hotel interessiert, der mit „N. AUSFLUGSPROGRAMM“ überschrieben und in dem für den 20.12.1978 der Ausflug nach Lanzarote als Leistungspaket für einen Gesamtpreis angeboten war. Die Überschrift „N. AUSFLUGSPROGRAMM“ ließ aber nur den Schluß zu, daß die Beklagte auch Veranstalterin der hierunter angebotenen Ausflüge war. Für die Annahme einer bloßen Vermittlungstätigkeit gab sie jedenfalls keinen Anlaß. Verstärkt wurde dieser Eindruck noch durch das abschließende Angebot „HIER MITMACHEN – ZU HAUSE ZAHLEN“. Denn von einem einheimischen kleinen Unternehmen war nicht zu erwarten, daß er seine ausländischen Gäste kreditieren werde. Für ihn wäre es nämlich viel zu aufwendig gewesen, im Ausland die offenen Forderungen geringen Umfangs beizutreiben. Deutlich wird auch nicht, daß es sich hierbei nur um das Angebot eines unabhängigen Kreditinstituts für Kleinkredite gehandelt hat, wie es die Beklagte nunmehr vorträgt. Alles sprach vielmehr dafür, daß die Beklagte aufgrund eigenen Interesses das Risiko der Bezahlung tragen wollte.

80. Zu dem Eindruck, den der Inhalt des Aushangs vermittelte, paßte auch die Teilnahme der Reiseleiterin an dem Ausflug, die für sich allein gesehen jedoch noch nicht für die Veranstalterrolle der Beklagten sprechen würde.

81. Dahingestellt bleiben kann, ob das Schiff „Poseidon“, so wie es die Klägerin behauptet, mit einem Hinweis auf die Beklagte versehen war. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, wäre wie oben dargelegt, der Eindruck entstanden, die Beklagte sei der Veranstalter der Ausflugsfahrt.

82. Der Inhalt der Tickets, der im übrigen nicht genau bekannt ist, wäre nicht geeignet diesen Eindruck, der aufgrund des Aushangs entstanden war, zu zerstören. Selbst wenn die Tickets mit dem Namen des Schiffseigners versehen gewesen sein sollten, wäre dies ohne Bedeutung. Denn auch bei den Pauschalreisen erhält der Kunde Unterlagen mit dem Namen des Leistungsträgers, d.h. des Hotels pp.

83. Daß selbst die Beklagte davon ausgegangen ist, sie habe in zurechenbarer Weise den Eindruck erweckt, Veranstalterin der Ausflugsfahrten gewesen zu sein, zeigt ihr Schreiben vom 31.1.1979, dessen Inhalt unbestritten dem Schreiben vom 10.1.1979 an die erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin entsprach. Hierin bestätigt immerhin die Rechtsabteilung der Beklagten, daß die Beklagte Veranstalterin war. Dieses deklaratorische Anerkenntnis konnte die Beklagte auch nicht entkräften.

84. Aufgrund ihrer Stellung als Veranstalterin der angebotenen Ausflugsfahrt oblagen der Beklagten auch Verkehrssicherungspflichten gegenüber der Klägerin und deren verstorbenem Ehemann. Danach war sie zur sorgfältigen Auswahl und Überwachung des Leistungsträgers verpflichtet (BGH NJW 1988, 1380/1381).

85. Dafür, daß die Beklagte einen in persönlicher Hinsicht unzuverlässigen einheimischen Unternehmer, den Schiffseigner M. G., als Leistungsträger eingesetzt hat, gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die Klägerin hat die persönliche Zuverlässigkeit des Leistungsträgers zwar angezweifelt, ihre Zweifel aber mit zu wenig Tatsachen belegt.

86. Selbst wenn das Schiff „Poseidon“ nicht hochseetüchtig gewesen sein und in seiner Ausrüstung nicht dem westdeutschen Sicherheitsstandard entsprochen haben sollte, so spricht dies noch nicht unmittelbar gegen die persönliche Zuverlässigkeit des Schiffseigners. Völlig unbekannt bleibt nämlich, ob der Einsatz dieses Schiffes auf der Strecke Fuerteventura nach Lanzarote und dessen Ausstattung gegen irgendwelche spanischen Gesetze oder behördliche Ge- bzw. Verbote verstoßen hat. Auch die Beauftragung des Zeugen P. S., der kein Patent zur Beförderung von Personen besaß, reicht allein nicht aus, um davon ausgehen zu können, daß der Leistungsträger nicht sorgfältig genug ausgewählt war. Ebenso berechtigt auch der Umstand, daß der Schiffseigner M. G. fahrlässig gehandelt hat, als er dem Zeugen P. S. die Schiffsführung überließ, ohne sich zuvor davon zu überzeugen, ob dieser auch eine entsprechende Erlaubnis hatte, noch nicht zu einem solchen Schluß. Ein einmaliges Fehlverhalten spricht nämlich noch nicht dafür, daß der Leistungsträger persönlich unzuverlässig und dies bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich bei der Auswahl und Überwachung, erkennbar war. Anhaltspunkte dafür, daß der Zeuge G. wiederholt so gehandelt hat, gibt es nicht. Sofern die Klägerin behauptet, die Schiffsführung sei dem Zeugen P. S. nicht nur ausnahmsweise überlassen worden, fehlt es an einem detaillierten Sachvortrag.

87. Dahingestellt bleiben kann es, ob die Beklagte bei Auswahl des Leistungsträgers fahrlässig gehandelt hat, weil sie sich nicht in ausreichender Weise um die Eignung und Ausrüstung des zum Einsatz kommenden Schiffes gekümmert hat. Selbst wenn insoweit eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegen sollte, so war diese doch nicht ursächlich für den Tod des Ehemanns der Klägerin.

88. Der Sachverständige O. führt in seinem ausführlichen Gutachten überzeugend und glaubhaft aus, daß auch jedes hochseetüchtige Schiff dieser Größenordnung einen derartigen Wellenangriff nicht überstanden hätte. Die Frage der Hochseetüchtigkeit der „Poseidon“ und der damit verbundene Umstand, daß eine Notrudereinrichtung gefehlt hat, war also nicht entscheidend für die Tatsache, daß das Schiff kenterte und unterging. Maßgebend war vielmehr allein die Übergroße Welle, die das Schiff am Heck erfaßt und in dem nächsten Wellental auf Grund gedrückt hat. Die Höhe der Wellen, die damals in dem niedrigen Wasser herrschten, lagen bei ca. 6 m. Hiervon geht der Sachverständige in seinem Gutachten zu recht aus. Daß die Wellen diese Größe hatten, ergibt sich nämlich aus den insoweit einheitlichen und überzeugenden Aussagen der Zeugen F., D., K., R. E. und W. Sie alle haben die Größe der Wellen auf 6 m und mehr geschätzt. obwohl nicht verkannt wird, daß Schätzungen von Höhen- und Entfernungsangaben immer mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sind, überzeugen die Aussagen. Für ihre Richtigkeit spricht zum einen, daß alle Zeugen mit nur geringen Abweichungen die gleichen Beobachtungen schilderten, und zum anderen, daß die Zeugen E. und R. als Vergleichsmaßstab die Höhe der Aufbauten der „Poseidon“ verwendet haben und ebenfalls zu Wellen von ca. 6 m kamen. Besondere Bedeutung erhält in diesem Zusammenhang aber auch die Aussage des Zeugen K., der die Wellen auf um 8 m Höhe schätzte. Als Sporttaucher verfügte er nämlich über einige Erfahrung mit der See und hatte außerdem gleich nach dem Unfall einen detaillierten Bericht erstellt. Deshalb kann davon ausgegangen werden, daß seine Angaben auf tatsächlichen Beobachtungen beruhen und unbeeinflußt waren von den nachträglichen Erörterungen über das Unfallgeschehen.

89. Nicht ursächlich für den Tod des Ehemanns der Beklagten war auch die Ausrüstung des Schiffes mit Rettungsmitteln. Nach den Angaben der Zeugen R. und E. waren 6 bis 10 Rettungsringe sowie Rettungsflöße vorhanden, was nach der Beurteilung des Sachverständigen ausreichend war. Außerdem wäre aber der Tod des Ehemanns der Klägerin auch dann nicht verhindert worden, wenn sich die Befestigung der Rettungsringe leicht genug hätte lösen lassen, da dieser im Zusammenhang mit dem Unfall in der Kajüte eingeschlossen wurde. Daß der Ehemann der Klägerin erst durch eine Welle in die Kajüte hineingespült worden ist, deren Tür sich hinter ihm dann geschlossen und verklemmt hat, wird nicht hinreichend dargelegt und plausibel gemacht. Für diesen Geschehensablauf spricht nichts, insbesondere nicht, daß der Ehemann der Klägerin kurz zuvor noch in deren Nähe gesehen worden ist. So ist nämlich vorstellbar, daß der Ehemann der Klägerin, sozusagen in letzter Minute, in die Kajüte gegangen ist, um fremde Hilfe oder Rettungsmittel herbeizuholen, und infolge der Ereignisse diese dann nicht mehr verlassen konnte. In diesem Zusammenhang besagt auch der am Kinn des Verstorbenen festgestellte Bluterguß nichts, da dieser vor seinem Tod auch durch einen Sturz in der Kajüte verursacht werden sein konnte.

90. Daß in dem Schiff keine Schwimmwesten und keine Leuchtpatronen vorhanden waren, ist nicht bewiesen. Allein aus der Tatsache, daß diese nicht zum Einsatz gekommen waren, kann noch nicht auf das Fehlen dieser Einrichtungen geschlossen werden.

91. Ebenso hätte ein funktionierendes und leistungsstarkes Funkgerät die Situation nicht verhindert, in der sich die „Poseidon“ befand, als sie von der Welle im Heckbereich erfaßt wurde.

92. Eigentliche Ursache des Unglücks war, wie der Sachverständige O. in seinem Gutachten überzeugend dargelegt hat, fehlerhaftes Verhalten der Schiffsbesatzung. Diese hätte die Rückfahrt wegen der Wetterverhältnisse nicht antreten dürfen. Spätestens hätte der Schiffsführer die Fahrt aber nach dem Ruderschaden abbrechen müssen, zumal sich das Schiff zu dieser Zeit noch in sicheren Gewässern befand. Ein weiterer Fehler war auch, daß zu dieser Zeit keine Rettungsmittel verteilt wurden. Damals wäre auch noch genug Zeit gewesen, um die Befestigung der Rettungsringe lösen zu können.

93. Dafür, daß dieses Fehlverhalten der Schiffsbesatzung auf einer mangelnden Überwachung des Leistungsträgers beruhte, gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Eine Veranlassung, zu überprüfen, ob der Schiffseigner M. G. einen geeigneten Schiffsführer eingesetzt hatte, gab es nicht. Von der Beklagten kann auch nicht verlangt werden, daß sie vor jeder Fahrt derartige Überprüfungen vorzunehmen hat. Dies würde die Anforderungen an die Überwachungspflicht bei weitem übersteigen. Weitere Details, die auf Fehler der Beklagten bei der Überwachung ihres Leistungsträgers hinweisen, gibt es nicht.

94. Die von der Klägerin mit der Berufung weiter verfolgten Schadensersatzansprüche können auch nicht auf ein der Beklagten zurechenbares Verschulden ihrer Verrichtungsgehilfen gestützt werden (§ 831 BGB).

95. Die Schiffsbesatzung bzw. der Schiffseigner waren keine Verrichtungsgehilfen der Beklagten, da es an der hierfür erforderlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit fehlt. Gerade deswegen können Leistungsträger im allgemeinen nicht als Verrichtungsgehilfen des Reiseveranstalters angesehen werden.

96. Eine derartige Haftung der Beklagten besteht aber auch nicht hinsichtlich ihrer Reiseleiterin, die den Ausflug begleitet hat. Sie hatte auf die Entscheidungen der Schiffsbesatzung keinen Einfluß. Insbesondere ist auch nicht vorgetragen, daß sie den Schiffsführer zu den tragischen Fehlentscheidungen in schuldhafter Weise veranlaßt hat.

97. Schließlich lassen sich die mit der Berufung weiter verfolgten Ansprüche der Klägerin auch nicht auf eine vertragliche Haftung der Beklagten wegen Schlechterfüllung des Vertrags, der die Ausflugsfahrt zum Gegenstand hatte, stützen. Der Schmerzensgeldanspruch, der Anspruch auf Beerdigungskosten, auf Ersatz für entgangenen Unterhalt und der Anspruch auf eine Unterhaltsrente setzen jeweils eine unerlaubte Handlung voraus (vgl. Palandt-Thomas, 49. Aufl. 1990, § 844 BGB Anm. 1b m.w.N.; § 847 BGB Anm. la m.w.N.). Ferner gehören die Aufwendungen, die mit dem durch den Tod des Ehemanns verursachten Umzug verbunden waren, nicht mehr zu dem durch eine Vertragsverletzung verursachten Nichterfüllungsschaden.

98. Die Anschlußberufung der Beklagten ist zu einem Teil begründet.

99. Die Beklagte ist lediglich verpflichtet der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 1.725, 08 DM zu zahlen. Hierbei handelt es sich um den Nichterfüllungsschaden und einen Mangelfolgeschaden, der infolge der Schlechterfüllung des Vertrags über die Ausflugsfahrt nach Lanzarote entstanden ist (§§ 631, 635, 1922 BGB).

100. Zwischen der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann einerseits und der Beklagten andererseits bestand ein Reisevertrag, der den Ausflug nach Lanzarote zum Gegenstand hatte. Im einzelnen ist dies oben bereits ausgeführt worden. Diesen Reisevertrag hat die Beklagte schlecht erfüllt. Insoweit ist ihr das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen, zu denen der Schiffseigner und die Schiffsbesatzung gehörten (BGH NJW 1952, 217), zuzurechnen (§ 278 BGB). Daß die Schiffsbesatzung schuldhaft gehandelt hat und im Ergebnis auch der Schiffseigner, da er sich das Patent des Schiffsführers nicht hat zeigen lassen, ist bereits dargelegt.

101. Der Beklagten ist auch das Verschulden der von dem Schiffseigner, ihrem eigentlichen Vertragspartner, eingesetzten Schiffsbesatzung zuzurechnen, da davon ausgegangen werden kann, daß sie Entscheidungen über einzusetzendes Personal allein diesem überlassen hat. Selbst wenn dies aber anders gewesen wäre, so müßte das insoweit eigenmächtige Verhalten des Schiffseigners als Verschulden angesehen werden, das dann wiederum der Beklagten zuzurechnen wäre

102. Aufgrund der Schlechterfüllung dieses Vertrages kann die Klägerin Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Da die Beseitigung des Mangels unmöglich war, bedurfte es für einen Schadensersatzanspruch keiner Fristsetzung (§ 634 Abs. 2 BGB). Dieser Nichterfüllungsschaden umfaßt aber nur den Reisepreis für die Ausflugsfahrt in Höhe von insgesamt 121,08 DM.

103. Die Klägerin ist auch anspruchsberechtigt. Hierbei kann dahin gestellt bleiben, ob der Ehemann den Vertrag über die Fahrt nach Lanzarote in eigenem Namen und zu Gunsten der Klägerin geschlossen hat oder ob es umgekehrt war oder aber ob jeder in eigenem Namen gehandelt hat. Die Klägerin ist auch dann, wenn ihr Ehemann Vertragspartner war, Inhaberin des Anspruchs auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens geworden. Dieser Anspruch ist nämlich noch zu Lebzeiten des Ehemanns der Klägerin entstanden und gemäß §§ 1922 ff BGB auf die Klägerin übergegangen.

104. Bei dem Anspruch auf Ersatz der Kosten für die gesamte Urlaubsreise handelt es sich um einen Mangelfolgeschaden, da infolge des Unfalls der Zweck des Urlaubs nicht mehr erreichbar war. Dieser besteht jedoch nur in Höhe von 1.604,– DM, weil die Firma T. bereits einen Betrag von 1.184,– DM ersetzt hat. Für die Anspruchsberechtigung der Klägerin gilt das bereits zum Nichterfüllungsschaden Gesagte.

105. Der Zinsanspruch ist unter dem Aspekt der §§ 291, 288 BGB gerechtfertigt.

106. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Da der Erfolg der Klägerin nur verhältnismäßig gering war und keine besonderen Kosten verursacht hat, waren ihr die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

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