Lebensrisko bei Sportverletzungen

LG Darmstadt: Lebensrisko bei Sportverletzungen

Vorliegend buchte der Kläger bei der Beklagten für sich und seine Angehörigen eine Mittelmeerkreuzfahrt auf deren Clubschiff. Dort verletzte der Kläger sich bei einem dort angebotenen Volleyballspiel so, dass er seine Mitreisenden die Reise abbrechen mussten, da er sich erheblich verletzte. Er verlangt nun von der Beklagten Ersatz für die Behandlungskosten und Schmerzensgeld.

Das LG Darmstadt sprach ihm einen solchen Anspruch nicht zu, da die Beklagte seine Verletzung nicht zu verschulden hat. Diese ist vielmehr auf das allgemeine Lebensrisiko zurückzuführen.

LG Darmstadt 13 O 577/05 (Aktenzeichen)
LG Darmstadt: LG Darmstadt, Urt. vom 11.05.2006
Rechtsweg: LG Darmstadt, Urt. v. 11.05.2006, Az: 13 O 577/05
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Hessen-Gerichtsurteile

Landgericht Darmstadt

1. Urteil vom 11.05.2006

Aktenzeichen 13 O 577/05

Leitsatz:

2. Abzugrenzen ist bei einer schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflicht immer die Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger für sich und seine Ehefrau, bei der Beklagten, eine Mittelmeerkreuzfahrt auf deren Clubschiff. Dort nahm der Kläger an einem dort angebotenen Volleyballspiel teil, wobei er sich erheblich verletzte. Der Volleyball war aufgrund des dort vorhandenen Pools nass, wodruch der gesamte Boden während des Spiels rutschig wurde und der Kläger schließlich ausrutschte.

Der Kläger zog sich eine Achillessehnenruptur zu, wodruch er und seine Frau frühzeitig abreisen mussten. Er verlangt nun von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld. Er behauptet, dass das Spielfeld nicht gefahrenfrei nutzbar gewesen sei, was eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten darstelle.

Das Landgericht Darmstadt entschied anders. Die Klägerin hat hier keine Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt. Die Verletzungen beim Sport gehören zum allgemeinen Lebensrisiko und sind nicht der Beklagten zuzurechnen. Ihm war die Rutschgefahr bekannt und trotzdem nahm er freiwillig und eigenverantwortlich am Volleyballspiel teil. Dem Kläger stehen damit keine Ansprüche gegen diese zu.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen einer Achillessehnenruptur geltend.

6. Am 21.02.2005 buchte der Kläger bei der Beklagten eine Mittelmeerkreuzfahrt auf deren Clubschiff … vom 30.05. bis zum 13.06.2005 für sich und seine Angehörigen zu einem Gesamtpreis von Euro 8.930,00.

7. Während dieser Reise organisierte die Reiseleitung auf dem Clubschiff im Rahmen der täglichen Animation Volleyballspiele, die von den Passagieren auf dem Volleyballfeld auf dem Oberdeck des Clubschiffs neben dem Pool durchgeführt wurden.

8. Am 08.06.2005 nahm der Kläger an einem solchen Volleyballspiel teil.

9. Im Laufe dieses Spiels landete der Volleyball hin und wieder in dem Pool, der sich direkt neben dem Spielfeld befand. Anschließend wurde jeweils mit dem nassen Volleyball weiter gespielt.

10. Wegen der Verwendung des nassen Balles wurde der Spielfeldboden stellenweise nass und rutschig; auf Grund dessen rutschte der Kläger im Laufe des Spiels aus und zog sich eine Achillessehnenruptur zu.

11. Wegen dieser Verletzung wurde der Kläger am 10.06.2005 von Bord gebracht und in die BG-Unfallklinik nach … geflogen, wo er am 13.06.2005 operiert wurde. Er befand sich bis zum 20.06.2005 in stationärer Behandlung. Im Anschluss trug er am Bein eine Schiene und musste an Krücken gehen.

12. Der Kläger behauptet, das Volleyballspielfeld sei mit einem Holzfußboden ausgelegt gewesen.

13. Das Spielfeld sei nicht gefahrenfrei nutzbar gewesen, was eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten darstelle. Diese hätte beispielsweise durch Anbringung eines Netzes dafür Sorge tragen müssen, dass Spielfeld und Pool voneinander abgetrennt sind und der Volleyball nicht ins Wasser fallen und dadurch nass werden kann.

14. Ihm sei ein Schaden in Höhe von Euro 1.792,00 entstanden, da er und seine Ehefrau die Reise vorzeitig abgebrochen hätten. Des weiteren sei ihm durch notwendige Eigenbeteiligungen an seinen Behandlungen ein Schaden in Höhe von Euro 172,33 entstanden.

15. Wegen der erlittenen Verletzung stehe ihm ein Schmerzensgeld in Höhe von etwa Euro 3.500,00 zu, insbesondere, da er noch immer unter unfallbedingten Beschwerden leide und mit Spät- und Dauerschäden gerechnet werden müsse.

16. Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 1.964,33 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.09.2005 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, das in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.09.2005 zu bezahlen;

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 08.06.2005 zu ersetzen, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder noch übergehen wird.

17. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

18. Die Beklagte behauptet, das Volleyballspielfeld sei mit einem rutschfesten Gummibelag ausgestattet. Soweit die spielenden Passagiere des Clubschiffes einen nassen Ball verwendet hätten, stelle dies ein Fehlverhalten dieser Passagiere dar, dass der Beklagten nicht zugerechnet werden könne.

19. Die Beklagte hafte auch nicht unter Verkehrssicherungspflichtverletzungsaspekten, da sich vorliegend das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht habe.

20. Der Kläger sei das Risiko einer Verletzung bewusst eingegangen, da ihm aufgrund des Spielverlaufes bekannt gewesen sei, dass Ball und Spielfeld nass waren.

21. Schließlich liege für das Clubschiff … ein so genanntes Passenger Ship Safety Certificate vor, ein Schiff-Sicherheitszertifikat. Hieraus ergebe sich, dass eine behördliche Kontrolle erfolgt sei und auch deshalb der Beklagten eine Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht angelastet werden könne.

22. Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenteile.

23. Das Gericht hat im Einverständnis der Parteien die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet.

Entscheidungsgründe:

24. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

25. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch zu. Als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt vorliegend nur § 664 HGB i.V.m. Artikel 2 der Bestimmungen über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See. Die § 664 HGB als Anlage beigefügten Bestimmungen über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See sind gemäß ihrem Artikel 11 alleinige Anspruchsgrundlage und insoweit lex specialis gegenüber sonstigen denkbaren Anspruchsgrundlagen wie etwa §§ 651 c ff. BGB.

26. Nach Artikel 2 der Bestimmungen über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See haftet der Beförderer für den Schaden, der durch die Körperverletzung eines Reisenden entsteht, wenn das den Schaden verursachende Ereignis während der Beförderung eingetreten ist und auf einem Verschulden des Beförderers oder seiner in Ausübung ihrer Verrichtung handelnden Bediensteten oder Beauftragten beruht.

27. Unstreitig hat der Kläger während der Beförderung auf dem Schiff, nämlich während der Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer mit der … eine Körperverletzung in Form einer Achillessehnenruptur erlitten.

28. Hieran trifft die Beklagte aber kein Verschulden.

29. Insoweit käme allenfalls eine Haftung wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in Betracht. Vom Vorliegen einer schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung ist ein Schadenseintritt durch Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos abzugrenzen. Hierbei ist in Anlehnung an die einschlägige Rechtsprechung zum Reisevertragsrecht des BGB (vgl. §§ 651 c ff. BGB) danach zu differenzieren, ob es sich um einen reisespezifischen bzw. beförderungsspezifischen Unfall handelt, der in innerem Zusammenhang mit der Beförderung auf See steht oder aber um einen Unfall, mit dessen Auftreten auch im privaten Alltag gerechnet werden muss und der ausschließlich dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen ist (vgl. OLG Frankfurt, RRA 2001, 243).

30. Bei dem Sturz des Klägers auf dem nassen Volleyballspielfeld aufgrund des nassen Spielfeldbodens hat sich lediglich dessen allgemeines Lebensrisiko verwirklicht. So zählt es bereits grundsätzlich zum Lebensrisiko, bei der Ausübung von Sport verletzt zu werden. Ebenfalls zum allgemeinen Lebensrisiko gehört es, im Bereich eines Swimmingpools aufgrund von Bodennässe und Rutschigkeit zu stürzen. In Nähe eines Schwimmbeckens ist grundsätzlich damit zu rechnen, dass der Boden nass ist und es hierdurch zu einer Rutschigkeit des Bodenbelages kommt.

35. Dies gilt vorliegend erst recht, da für den Kläger unstreitig erkennbar war, dass sich das Spielfeld in unmittelbarer Nähe zum Swimmingpool befand und er darüber hinaus ebenfalls unstreitig bemerkt hatte, dass der Volleyball in den Pool gefallen und folglich während des folgenden Spieles nass war.

36. Es war für ihn somit erkennbar, dass sich Bodennässe auf dem Spielfeld ausbreitet, weil mit einem nassen Ball gespielt wird.

37. Dennoch hat sich der Kläger freiwillig und eigenverantwortlich dazu entschlossen, am Volleyballspiel teilzunehmen und dieses auch nicht abzubrechen, nachdem der Ball erkennbar das erste Mal nass geworden war. Der Kläger war nicht dazu verpflichtet, am Spiel teilzunehmen, sondern hat sich freiwillig und in Kenntnis der örtlichen Lage sowie der weiteren Beschaffenheit des Volleyballspielfeldes dafür entschieden.

38. Soweit der Kläger geltend macht, gerade das Vorliegen eines Holzbodens habe zu einer besonderen Rutschigkeit geführt und eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten sei darin zu sehen, dass sie das Spielfeld nicht mittels eines Netzes vom Pool abgetrennt hat, kann dem nicht gefolgt werden. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich unabhängig von der Beschaffenheit des Spielfeldbodens und der Anbringung eines Netzes allein aufgrund der räumlichen Nähe zum Swimmingpool wohl nicht hätte vermeiden lassen, dass das Spielfeld zumindest stellenweise nass und rutschig wirkt.

39. Es ist nicht substantiiert vorgetragen, durch welchen anderen Bodenbelag hätte vermieden werden können, dass trotz Nässe keine Rutschgefahr entsteht.

40. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass das Kreuzfahrtschiff, die …, nach behördlicher Kontrolle das so genannte Passenger Ship Safety Certificate erhalten hat. Wird aber behördlicherseits die Beschaffenheit, Ausstattung und räumliche Positionierung des Spielfeldes auf dem Oberdeck des Schiffes nicht beanstandet, kann dem Beförderer bzw. hier der Beklagten deswegen keine Verkehrssicherungspflichtverletzung angelastet werden.

41. Der Beklagten kann auch ein Fehlverhalten der anderen Volleyballspielteilnehmer nicht angelastet werden. Soweit diese entschieden haben, mit dem nassen Volleyball weiter zu spielen, muss die Beklagte hierfür nicht einstehen. Ein solches Verhalten der Mitspieler ist ebenfalls dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen und führt nicht zu einer Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten. Insoweit ist es unerheblich, ob die Ursache für die Verwirklichung des Risikos durch das Handeln des Klägers oder aber durch das Handeln Dritter ausgelöst wird (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.).

42. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten ist somit unter keinem Gesichtspunkt ersichtlich.

43. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: LG Darmstadt: Lebensrisko bei Sportverletzungen

Verwandte Entscheidungen

BGH, Urt. v. 12.07.2005, Az: VI ZR 83/04
LG Darmstadt, Urt. v. 11.05.2006, Az: 13 O 577/05

Berichte und Besprechungen

N-TV: Schnell Schadenersatz fordern
Die Welt: Wie ein Unfall den Urlaub zum Horrortrip macht
Die Zeit: Unfall im Urlaub
Forum Fluggastrechte: Schadensersatz für Verletzungen während Reise
Passagierrechte.org: Verkehrsicherungspflichtsverletzung und das allgemeine Lebensrisko

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte.