Erwachsener springt in Kinderbecken

OLG Celle: Erwachsener springt in Kinderbecken

Ein Hotelgast springt kopfüber in das nur 70 Zentimeter tiefe Schwimmbecken seines Hotels. Er verlangt nun vom Hotelbetreiber eine Schmerzensgeldzahlung.

Das Oberlandesgericht Celle hat dem beklagten Hotel Recht zugesprochen. Es sei dem Betreiber nicht zuzurechnen, dass Hotelgäste die Tiefe des Beckens falsch einschätzten und sich in der Folge verletzten.

OLG Celle 11 W 37/02 (Aktenzeichen)
OLG Celle: OLG Celle, Urt. vom 01.08.2002
Rechtsweg: OLG Celle, Urt. v. 01.08.2002, Az: 11 W 37/02
LG Hannover, Urt. v. 27.06.2002, Az: 13 O 172/02
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Niedersachsen-Gerichtsurteile

Oberlandesgericht Celle

1. Urteil vom 01. August 2002

Aktenzeichen: 11 W 37/02

Leitsatz:

2. Erleidet ein erwachsener Mensch eine Verletzung durch einen Kopfsprung in das Kinderbecken des Hotelpools, so muss dieser selbst dafür haften.

Zusammenfassung:

3. Ein Urlauber buchte einen Aufenthalt in einem Hotel. Dieses bot in seinem Außenbereich mehrere Schwimmbecken mit unterschiedlicher Tiefe an. Weil der Kläger die Tiefe eines entsprechenden Beckens falsch einschätzte, schlug er nach einem Kopfsprung am Boden auf und zog sich schwere Rückenverletzungen zu. Er begehrt vom Hotelbetreiber eine Schmerzensgeldzahlung.

Das Oberlandesgericht Celle hat dem Kläger jedoch keine Schmerzensgeldzahlung zugesprochen. Er habe fahrlässig gehandelt, indem er in den Pool sprang, ohne sich von dessen Eignung zu überzeugen.
Es läge vielmehr im Verantwortungsbereich des Klägers, sich über die Wassertiefe zu erkundigen, als in dem des Betreibers.
Ein Hotelbetreiber könne zudem nicht damit rechnen, dass ein erwachsener Mensch einen Kopfsprung in das Kinderbecken ausübt.
Eine Schmerzensgeldzahlung nach §823 I BGB scheide deshalb, mangeln Verschulden des Beklagten, aus.

Tenor:

4. Die Beschwerde des Antragstellers vom 16. Juli 2002 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 27. Juni 2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

5. Der Antragsteller kann Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung mangels Erfolgsaussicht nicht erhalten.

6. Ein eigenes Organisationsverschulden i.S. v. §§ 823847 BGB trifft die Beklagte auch nach der Sachverhaltsschilderung des Klägers nicht.

7. Es gab keine Pflicht bei gelegentlichen Kontrollen von Hotels, die die Beklagte durchführen muss, die bauliche Anlage des Schwimmbeckens, in dem der Unfall sich zugetragen hat, zu beanstanden.

8. Die Mauer, die das 70 cm tiefe Kinderbecken vom Schwimmerteil abgrenzt, ist geeignet, zu verhindern, dass Nichtschwimmer, zumeist Kinder, versehentlich in den Bereich geraten, in dem sie nicht mehr stehen können. Eine derartige Abgrenzung ist an der fraglichen Stelle für den Normalbetrieb wenn nicht erforderlich so doch wünschenswert. Andere Abgrenzungen wären zur Behebung dieser beim normalen Tagesbetrieb naheliegenden Gefahrenquelle weniger geeignet (Netz oder Markierungsschnur).

9. Die Mauer musste auch nicht etwa deshalb beanstandet werden, weil vorhersehbar war, dass aus dem Schwimmerteil beim Hineinspringen etwa Personen gegen sie springen konnten; dies konnte und durfte bei vernünftigem Badebetrieb als äußerst unwahrscheinlich angesehen werden.

10. Ein Organisationsverschulden der Beklagten selbst liegt auch nicht darin, dass sie nicht den Zugang zum Pool in den Abend- und Nachtstunden gänzlich unterband. Ein Reiseveranstalter muss nicht grundsätzlich Baulichkeiten (wie Pools) seiner Vertragshotels außerhalb der Betriebsstunden unzugänglich halten.

11. Dementsprechend folgt aus diesem Gesichtspunkt eine Haftung der Beklagten auf das Schmerzensgeld nicht.

12. Eine Pflichtverletzung eines Verrichtungsgehilfen, für die die Beklagte nach §§ 823 I, 831, 847 BGB einzustehen hätte, folgt aus dem Vortrag des Klägers ebenfalls nicht.

13. Soweit er geltend macht, ein Mitglied des Personals habe ihm und seinen Begleitern den Zugang zum Pool überhaupt erst ermöglicht, folgt daraus schon nicht, dass diesen Mitarbeiter an dem Badeunfall des Klägers ein Verschulden trifft.

14. Der Mitarbeiter konnte und musste nicht damit rechnen, dass sich ein neu angekommener Gast ohne Kenntnis der Örtlichkeiten per Kopfsprung in den Kinderbereich des Pools mit 70 cm Wassertiefe begeben würde. Nach dem Vortrag des Antragstellers gab auch dessen Alkoholisierungsgrad dem Personal keinen Anlass, ihn aus der Poolumgebung fernzuhalten.

15. Dass der Pool bei Betreten über die Badeleiter zu kurzem Schwimmen nicht geeignet gewesen wäre, trägt der Antragsteller selbst nicht vor.

16. Dementsprechend folgt auch unter diesem Gesichtspunkt ein Anspruch des Antragstellers auf Schmerzensgeld keinesfalls.

17. Auf die Bewertung des Mitverschuldens des Klägers, das dieser ja selbst einräumt, kommt es für die Verneinung des Schmerzensgeldanspruchs mithin nicht einmal an. Anderseits ist die Bewertung des Landgerichts aber nicht von der Hand zu weisen, wenn es das Eigenverschulden des Antragstellers als so überwiegend hinstellt, dass etwaige andere Verursachungselemente dahinter zurücktreten. Der Antragsteller hat sich zur Nachtzeit, leicht alkoholisiert, bei nach seiner Darstellung eingeschränkter Beleuchtung und ohne Tiefenhinweise in einen ihm gänzlich unbekannten Pool gestürzt, der erkennbar zu dieser Zeit nicht zur allgemeinen Benutzung vorgesehen war. Dies zeugt von einer derartigen Unvernunft, dass sie in der Tat als alle anderen Verursachungselemente zurückdrängend zu bewerten ist.

18. Auch vertragliche Schadensersatzansprüche, die ein Schmerzensgeld nicht umfassen würden, dürften neben dem vorstehenden Mitverschuldensgesichtspunkt noch aus anderen Aspekten zu verneinen sein.

19. Ein kausales Verschulden eines Erfüllungsgehilfen der Beklagten, das sie sich zurechnen lassen müsste, ist im Gestatten des Badens im Pool durch einen Angestellten und dem Öffnen der Tür nicht zu erkennen. Der Angestellte konnte und musste nicht vorhersehen, dass sich ein später, nach eigener Darstellung nur leicht angetrunkener Badegast so verhalten würde, wie der Kläger es getan hat (siehe vorstehend unter 3.).

20. Dementsprechend liegen auch nach der Darstellung des Antragstellers die Voraussetzungen von Ansprüchen aus § 651 f. nicht vor, denn nach dem unstreitigen Sachverhalt lässt sich feststellen, dass den Mitarbeiter des Hotels und Erfüllungsgehilfen der Beklagten ein Verschulden nicht traf.

21. Auf die nach der Sachverhaltsschilderung des Antragstellers verwunderliche Tatsache, dass er nicht schwere Schäden an Finger- und Handgelenken erlitten haben will, was bei einem Kopfsprung mit Aufprall an der Mauer zu erwarten gewesen wäre, weil die Hände zuerst den Stoß gegen die Mauer hätten abfangen müssen, kommt es danach derzeit nicht an. Das Fehlen solcher Verletzungen lässt aber einen anderen als den vom Antragsteller geschilderten Geschehensablauf als nicht unwahrscheinlich erscheinen.

22. Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO, § 1 GKG in Verbindung mit Ziff. 1956 des dazu ergangenen Kostenverzeichnisses.

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