Erhöhung der Sicherheitsauflagen für Fluggesellschaften

AG Köln: Erhöhung der Sicherheitsauflagen für Fluggesellschaften

Ein Reisender buchte bei einem Veranstalter einen Ägypten-Urlaub. Der Reiseveranstalter kündigte dem Reisenden nach dessen Ankunft am Reiseziel das Vertragsverhältnis mit dem Verweis auf die veränderte Sicherheitslage. Der Reisende fordert in der Folge eine Ausleichszahlung.

Das Amtsgericht Köln hat dem Klägerbegehren entsprochen. Da der Rücktritt nicht rechtswirksam war, stünden dem Reisenden die Erstattung der Reisekosten und ein Ausgleich für entgangene Urlaubsfreude zu.

AG Köln 142 C 160/16 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 24.04.2017
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 24.04.2017, Az: 142 C 160/16
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Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 24. April 2017

Aktenzeichen 142 C 160/16

Leitsätze:

2. Die Kündigung eines Reisevertrags wegen terroristischer Gefahr als Form höherer Gewalt setzt flächendeckende, bürgerkriegsähnliche Zustände mit Bezug auf touristische Einrichtungen voraus.

Ein Ereignis höherer Gewalt rechtfertigt die Kündigung eines Reisevertrags nur, wenn es bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Ägypten. Am Reiseziel wurde ihm von der Reiseveranstalterin schriftlich die Aufkündigung des Reisevertrags mitgeteilt. Diese berief sich auf eine vermeintliche Neubewertung der Sicherheitslage im Land durch das Auswärtige Amt der Bundesrepublik in Form der Anweisung an Fluggesellschaften, beim Verkehr nach Sharm El Sheikh zusätzliche Sicherheitsauflagen zu beachten. Der Reisende forderte von der Veranstalterin die Erstattung der Reisekosten und Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude.

Das Amtsgericht Köln gab der Klage statt, weil die Beklagte keine Berechtigung hatte, wirksam vom Vertrag zurückzutreten. Die Berufung auf höhere Gewalt in Form terroristischer Akte auf dem Sinai sei nicht möglich, da keine flächendeckenden, bürgerkriegsähnlichen Zustände mit Bezug auf touristische Einrichtungen gegeben waren.

Auch aus der Weisung des Auswärtigen Amtes an Airlines, zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, stelle keine Entwicklung dar, die bei Vertragsschluss unvorhersehbar sei und könne die Sicherheitslage sogar verbessern.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.658,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 29.01.2016 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von den Kosten aus der Kostennote der Rechtsanwälte Dr. N. und Kollegen vom 29.02.2016 in Höhe von 106,74 Euro freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/10 und die Beklagte zu  7/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger nimmt die Beklagte, eine Reiseveranstalterin, auf Reisepreisminderung und Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Anspruch.

6. Am 06.07.2015 buchte der Kläger über das Reisebüro C. in P. bei der Beklagten für sich und seine Ehefrau eine Flugpauschalreise nach Ägypten in das Hotel D. / Sharm El Sheikh vom 07.11.2015 bis 05.12.2015. Der Reisepreis betrug 3.848 Euro zuzüglich der Kosten einer Reiserücktrittsversicherung. Mit Schreiben vom 06.11.2015 informierte die Beklagte den Kläger über eine Aktualisierung des Reise- und Sicherheitshinweises des Auswärtigen Amtes für Ägypten und teilte mit, dass alle Reisen nach Sharm el Sheikh wie geplant durchgeführt würden, da es keine grundsätzliche Neubewertung der Sicherheitslage durch das Auswärtige Amt gäbe. Der Kläger und seine Ehefrau traten die Reise an. Mit einem dem Kläger am Reiseziel übergebenen Schreiben vom 18.11.2015 kündigte die Beklagte den Reisevertrag und begründete dies unter Hinweis auf einen modifizierten Reise- und Sicherheitshinweis des Auswärtigen Amtes vom 14.11.2015. In diesem wurde mitgeteilt, dass die Bundesregierung deutsche Luftfahrtunternehmen angewiesen habe, bei Abflügen aus Sharm el Sheikh zusätzliche Sicherheitsauflagen zu beachten. Darüber hinaus sei aufgrund des Flugzeugabsturzes in Ägypten eine generelle Gefährdung auf dem Sinai für den Kläger nicht auszuschließen. Die Beklagte teilte mit, dass eine letztmalige Beförderung verbliebener Reisegäste und somit auch des Klägers und seiner Ehefrau durch die Fluggesellschaften nach Deutschland am 21.11.2015 erfolge. Wegen des weiteren Inhaltes des Schreibens vom 18.11.2015 wird auf Bl. 10 f d.A. Bezug genommen. Der Kläger und seine Ehefrau traten nach 14 Urlaubstagen am 21.11.2015 die Rückreise an. Die Ehefrau des Klägers hat ihr gegen die Beklagte zustehende Ansprüche an den Kläger abgetreten. Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 30.11.2015 an die Beklagte und forderte diese zur anteiligen Rückerstattung seines Reisepreises sowie zu einer Entschädigungszahlung wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit auf. Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 08.01.2016 einen Verrechnungsscheck in Höhe von 1.190 Euro. Der Kläger löste den Scheck zunächst nicht ein.

7. Der Kläger behauptet, die Rückreise wäre mit einer anderen Fluglinie oder über den Flughafen Hurghada zum geplanten Abflugtermin möglich gewesen. Er ist der Ansicht, dass die Beklagte zur Rückzahlung des hälftigen Reisepreises in Höhe von 1.924,00 Euro und weiter zur Zahlung einer Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe von 1.924,00 Euro verpflichtet sei.

8. Der Kläger hat mit der am 26.03.2016 bei Gericht eingegangenen und am 06.04.2016 zugestellten Klage ursprünglich einen Betrag von 3.848,00 Euro geltend gemacht. Nachdem er den von der Beklagten am 08.01.2016 überlassenen Verrechnungsscheck mit Gutschrift zum 10.06.2016 eingelöst hatte, hat der Kläger mit bei Gericht am 29.06.2016 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag  die Hauptsache in Höhe von 1.190,00 Euro für erledigt erklärt. Die Beklagte schloss sich mit Schriftsatz vom 29.11.2016 der Teil-Erledigungserklärung des Klägers an.

9. Der Kläger beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.658,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 29.01.2016 zu zahlen.

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Kosten aus der Kostennote der Rechtsanwälte Dr. N. und Kollegen vom 29.02.2016 in Höhe von 179,27 Euro freizustellen.

10. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11. Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie zur Kündigung des Reisevertrages berechtigt gewesen sei. Es habe in Hinblick auf die Sicherheitslage im Zielgebiet und die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes für Ägypten höhere Gewalt im Sinne von § 651 j BGB vorgelegen. Weiter behauptet sie, dass eine letztmalige Rückbeförderungsmöglichkeit des Klägers und seiner Ehefrau von Sharm el Sheikh durch die deutschen Fluggesellschaften nur am 21.11.2015 möglich gewesen sei. Hätte eine Möglichkeit zur Beförderung durch eine ausländische Fluggesellschaft bestanden, wäre diese der Beklagten unzumutbar gewesen und hätte nicht im klägerischen Interesse gelegen, da aufgrund der nicht gleichwertigen Sicherheitsvorkehrungen eine Gefährdung für den Kläger bestanden hätte.

12. Weiter wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13. Die Klage ist –soweit nicht in der Hauptsache übereinstimmend erledigt – begründet.

I.

14. Dem Kläger steht zunächst aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau ein Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises aufgrund von Minderung in Höhe von 734,00 Euro gemäß den § 651 d Abs. 1 BGB sowie ein Anspruch auf Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude gemäss § 651 f Abs. 2 BGB in Höhe von 1.924,00 Euro zu.

15. Der Kläger kann von der Beklagten gestützt auf den vorliegend anwendbaren § 651 d Abs. 1 BGB aus dem Gesichtspunkt der Minderung einen weiteren Anteil des gezahlten Reisepreises in Höhe von 734,00 Euro beanspruchen, da die Beklagte zur Kündigung des wirksam zwischen den Parteien geschlossenen Reisevertrages nicht berechtigt war und es sich daher als Reisemangel nach § 651 c BGB darstellt, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber die weiterhin geschuldete Reiseleistung – Aufenthalt im Hotel  D. / Sharm el Sheikh – in dem Zeitraum 21.11.2015 bis zum 05.12.2015 nicht mehr erbrachte.

16. Der Anwendung des § 651 d BGB steht nicht entgegen, dass vorliegend die vertraglichen Reiseleistungen ab dem 21.11.2015 insgesamt nicht mehr erbracht wurden. Der vorzeitige Reiseabbruch führt nicht dazu, dass das allgemeine Leistungsstörungsrecht, insbesondere die §§ 280 ff. BGB Anwendung fänden; denn ab Vertragsschluss sind im Reisevertragsrecht nur noch die reisevertragsrechtlichen Gewährleistungsrechtes der §§ 651 c ff. BGB anwendbar (BGH, NJW 205, 1047 ff.).

17. Die Kündigung des Reisvertrages durch die Beklagte mit Schreiben vom 18.11.2015 ist unberechtigt. Es lag keine Fall bei Vertragsschluss nicht vorhersehbarer höherer Gewalt gemäss § 651 j BGB vor. Ein Kündigungsgrund wegen höherer Gewalt ergibt sich weder aus einer Veränderung der Sicherheitslage in Sharm el Sheikh, noch aus einer Anweisung der Bundesregierung an die Fluggesellschaften zusätzliche Sicherheitsauflagen zu beachten noch aus der Behauptung der Beklagten, dass die Fluggesellschaften am 21.11.2015 das letzte Mal Sharm el Sheikh zum Ausfliegen von Gästen anflogen.

18. Eine auf § 651 j BGB gestützte Kündigung setzt voraus, dass die Kündigung wegen einer erheblichen Reiseerschwerung, -gefährdung oder –beeinträchtigung durch nicht voraussehbare höhere Gewalt erfolgt. Darlegungsbelastet hinsichtlich des Vorliegens dieser Kündigungsvoraussetzungen ist derjenige, der sich auf die Kündigung beruft. Höhere Gewalt im Sinne des § 651 j BGB ist dabei ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis (BGHZ 100, 185-190). So liegt höhere Gewalt bei Krieg, Kriegsgefahr und bürgerkriegsähnlichen Unruhen vor (BT-Drucks 8/786, 6; Staudinger/Staudinger, BGB § 651 j, Rn. 20). Eine Kündigung wegen terroristischer Gewaltakte als höhere Gewalt setzt allerdings flächendeckende bürgerkriegsähnliche Zustände mit Bezug auf Reisende oder touristische Einrichtungen voraus (LG Frankfurt, NJW 2003, 2618; Staudinger/Staudinger, BGB § 651 j, Rn. 20 m.w.N.). Terroristische Einzelakte, die weder auf flächendeckenden Unruhen beruhen noch diese hervorrufen, stellen keine höhere Gewalt dar, die die Reise an sich erheblich erschweren, gefährden oder beeinträchtigen. Vielmehr sind sie Teil des von jedermann zu tragenden allgemeinen Lebensrisikos, welches sich ebenso in vielen anderen Ländern, auch in Deutschland, realisieren kann (LG Amberg, NJW-RR 2004, 1140; Tempel, NJW 1998, 1827, 1828). Bei der Frage nach dem Vorliegen einer Gefährdung in diesem Sinne sind Reisewarnungen und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes zu beachten. Sie stellen aber nur ein Indiz für das Bestehen einer Gefährdungslage dar, während das Fehlen von Warnungen und Hinweisen kein Indiz für eine sichere Lage ist, da auch Hinweise des Auswärtigen Amtes immer mit einem gewissen zeitlichen Nachlauf herausgegeben werden. Da es zudem um d0+ie persönliche Sicherheit des einzelnen Reisenden geht, ist eine geringere Wahrscheinlichkeit ausreichend. Entsprechend der Rechtsprechung des BGH genügt es nach Auffassung der erkennenden Abteilung des Gerichtes auch in den Fällen politischer Unruhen oder der Gefahr terroristischer Anschläge, wenn im Zielgebiet eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 25 % (BGH, NJW 2002, 3700 – Hurrikan) für eine derartige Gefährdung vorliegt. Allerdings muss auch bei Annahme einer geringeren Eintrittswahrscheinlichkeit eine objektive Gefährdung des konkreten Reisenden vorliegen. Alleine eine nach diesem Maßstab zu bejahende höhere Gewalt durch die Gefahr von Terroranschlägen rechtfertigt eine Kündigung aber auch nur dann, wenn die konkrete Situation bei Vertragsschluss nicht voraussehbar war. Ein Ereignis mit dessen Eintritt im Vorhinein zu rechnen war, rechtfertigt keine Kündigung nach § 651 j BGB. Für die Frage der Vorhersehbarkeit ist entscheidend, ob ein verantwortungsbewusster Reiseveranstalter oder Reisender bei entsprechenden zumutbaren Bemühungen über die Umstände am Zielort bei Vertragsschluss informiert sein konnte. Die bloße Möglichkeit des Eintritts einer Gefahrenlage reicht für die Annahme einer Vorhersehbarkeit nicht, sondern es muss die konkrete Wahrscheinlichkeit vorliegen. Andererseits ergibt sich aus dem Merkmal der Vorhersehbarkeit auch, dass eine Kündigung nach § 651 j BGB auf einem unvorhergesehenen Ereignis beruhen muss. Wird die konkrete Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis höherer Gewalt eintritt, nach Vertragsschluss bekannt, nimmt dies aber keine der Parteien zum Anlass einer Kündigung, ist eine zu einem späteren Zeitpunkt auf dieses Ereignis gestützte Kündigung wegen höherer Gewalt unberechtigt, da das Ereignis in dem Zeitpunkt der Kündigung bereits bekannt war und  die Kündigung damit nicht mehr auf der Unvorhersehbarkeit beruht.

19. So liegt der Fall hier in Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage in Ägypten im Oktober / November 2015. Im Zeitpunkt der Kündigung seitens der Beklagten am 14.11.2015 war der Beklagten das erhöhte Risiko terroristischer Anschläge bereits längere Zeit bekannt. Das ergibt sich aus ihrem Schreiben an den Kläger vom 06.11.2015, in dem auf die am 05.11.2015 aktualisierten Reise- und Sicherheitshinweis des Auswärtigen Amtes Bezug genommen wird. So zitiert die Beklagte, dass nach dem Hinweis des Auswärtigen Amtes seit Januar 2011 in Ägypten eine Umbruchphase herrscht, die wiederholt zu Demonstrationen und gewaltsamen Auseinandersetzungen führte. Weiter bestehe ein landesweit erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge und die Gefahr von Entführungen, möglicherweise auch gegen westliche Ziele und Staatsbürger. In diesem Hinweis wird ausdrücklich auch erwähnt, dass die Ursache des am 31.10.2015 erfolgten Absturzes eines Passagierflugzeugs über dem Sinai noch nicht geklärt sei. Weiter würden die Sicherheitsstrukturen am Flughafen Sharm el Sheikh derzeit überprüft, sodass der Flugverkehr von und nach Sharm el Sheikh eingeschränkt sei. Darüber hinaus sei es laut Reisehinweis des Auswärtigen Amtes im Juli und August 2015 vermehrt zu terroristischen Anschlägen gegen ägyptische Sicherheitsbehörden und kritische Infrastruktur, aber auch westliche Einrichtungen gekommen. Am Stadtrand von Kairo sei ein kroatischer Geschäftsmann entführt und später getötet worden, es habe einen Anschlag auf das italienische Konsulat in Kairo gegeben und im Norden der Sinai-Halbinsel sei es wiederholt zu schweren Anschlägen gekommen. Die Beklagte teilte dem Kläger im dem Schreiben mit, dass das Auswärtige Amt demnach keine grundsätzliche Neubewertung der Sicherheitslage in Sharm el Sheikh vorgenommen habe und sie alle Reisen zum Reiseziel wie geplant durchführen werde. Aus diesem Schreiben ergibt sich, dass der Beklagten bereits aufgrund früherer Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 06.07.2015, jedenfalls aber vor Reiseantritt des Klägers eine konkrete Gefährdungslage in Ägypten bekannt war. Diese Informationen wurden von ihr nicht im Zeitpunkt des Bekanntwerdens nicht zum Anlass genommen selbst eine Kündigung nach § 651 j BGB dem Kläger auszusprechen, vielmehr beabsichtigte die Beklagte hiermit ihrer dem Kläger gegenüber obliegenden Informationspflicht nachzukommen, um diesem die Möglichkeit zu geben, zu entscheiden ob er von der Kündigungsmöglichkeit nach § 651 j BGB Gebrauch macht. Am 14.11.2015 stellte diese allgemeine Gefährdungssituation demgemäss kein unvorhergesehenes Ereignis mehr dar, so dass die Beklagte die Kündigung auf diese Umstände nicht stützen konnte. Die Situation verschärfte sich auch nicht unvorhergesehen durch erst am 14.11.2015 bekannt gewordene neue Umstände. In ihrem Kündigungsschreiben vom 18.11.2015 nahm die Beklagte Bezug auf einen am 14.11.2015 modifizierten Reise- und Sicherheitshinweis des Auswärtigen Amtes für Ägypten, der sich jedoch nur mit den Sicherheitsvorkehrungen auf dem Flughafen Sharm el Sheikh befasst. Eine Neubewertung der Sicherheitslage im Sinne einer noch höheren Gefährdung als bereits vor Reiseantritt ist dem zitierten Hinweis des Auswärtigen Amtes nicht zu entnehmen. Soweit die Beklagte weiter ausführt, dass die Ursache für den Flugzeugabsturz bekannt geworden sei und eine generelle Gefährdung für den Kläger auf dem Sinai nicht auszuschließen sei stellt dies ebenfalls keinen neuen bisher unbekannten unvorhersehbaren Umstand dar; denn das der Absturz auf einen terroristischen Anschlag zurückzuführen sein konnte, war bereits am 05.11.2015 vermutet worden. Die Bestätigung, dass dies der Grund des Absturzes war, kam daher für die Beklagte nicht unvorhergesehen. Selbst wenn man aber den Umstand, dass die Absturzursache geklärt wurde, als unvorhergesehen ansehen wollte, würde dies keine höhere Gewalt darstellen; denn selbst wenn der Absturz terroristischer Natur war, ergaben sich hieraus keine Rückschlüsse dafür, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit eines Terroraktes am Urlaubsort Sharm el Sheik unter Berücksichtigung der dort bestehenden Sicherheitsvorkehrungen bestand. Der mutmaßliche Terrorakt richtete sich gerade nicht gegen die Hotelanlagen, sondern gegen den Flugverkehr. Es ist nicht erkennbar oder dargelegt, inwiefern sich aus dem Absturz eine erhöhte Gefährdung für die von dem Kläger bewohnte Hotelanlage ergeben haben soll. Der Annahme höherer Gewalt steht zudem entgegen, dass es sich bei dem Flugzeugabsturz um einen terroristischen Einzelakt und nicht um systematische,  zielgerichtete und flächendeckende Angriffe von Terrorgruppen auf Touristen in dem Urlaubsgebiet Sharm el Sheikh handelte.

20. Der weiter in dem Kündigungsschreiben vom 14.11.2015 mitgeteilte Umstand, dass die Bundesregierung die Fluggesellschaften angewiesen hat, zusätzliche Sicherheitsauflagen zu beachten, stellt ebenfalls keinen neu aufgetretenen, höhere Gewalt begründenden Umstand dar. Im Gegenteil wird durch das Ergreifen von zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen gerade die Wahrscheinlichkeit der Gefährdung der Reisenden durch Terrorakte auf Flugzeuge gesenkt. Insbesondere zeigt dieser Hinweis auch, dass das Auswärtige Amt nicht vor Abflügen von dem Flughafen Sharm el Sheik warnt, sondern vielmehr diese bei Beachtung der Sicherheitsauflagen für durchführbar erachtet.

21. Zuletzt ergibt sich aus dem zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogenen Argument, die Fluggesellschaften hätten sich dazu entschieden, letztmalig am 21.11.2015 verbliebene Reisegäste aus Sharm el Sheikh auszufliegen, keine höhere Gewalt. Denn der Umstand, dass die Flugbeförderung von Deutschland nach Sharm el Sheikh und umgekehrt unterbrochen wird, ist ein der betrieblichen Sphäre der Beklagten zuzurechnender Umstand. Sie hat für die Luftbeförderung im Rahmen des mit dem Kläger geschlossenen Reisevertrages zu sorgen, soweit diese durch Sicherheitsauflagen erschwert wird, ist der Risiko- und Verantwortungsbereich der Beklagten betroffen und es liegt kein ausserbetrieblicher Umstand vor. Zudem erweist sich der Vortrag der Beklagten in diesem Punkt auch als unsubstantiiert. Es wird nicht dargelegt, inwieweit eine Rückbeförderung von anderen Flughäfen (z.B. Hurghada) zu anderen Zielflughäfen in Europa ggfs. durch andere Fluggesellschaften mit Weitertransport nach Deutschland möglich gewesen wäre.

22. Erweist sich die Kündigung als unwirksam, stellt sich der Abbruch der Reise zum 21.11.2015 als Reisemangel gemäß § 651 c Abs. 1 BGB dar. Ein Reisemangel nach § 651 c Abs.1 BGB liegt vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reise (Ist-Beschaffenheit) von derjenigen abweicht, die die Parteien bei Vertragsschluss vereinbart oder gemeinsam (auch stillschweigend) vorausgesetzt haben (Soll-Beschaffenheit), und dadurch der Nutzen der Reise aufgehoben oder beeinträchtigt wurde. Der Vertragsinhalt ergibt sich dabei aus dem Inhalt der Buchung und etwaigen der Buchung zugrundeliegenden Angaben des Veranstalters zum Reiseziel z.B. in Katalogen oder im Internet. Zu den zugesicherten Eigenschaften gehört dabei auch der Reisezeitraum, so dass eine Verkürzung oder Verlängerung der vertraglich vereinbarten Reisezeit einen Mangel gemäss § 651 c BGB darstellt. Die Verkürzung der Reise von vier auf zwei Wochen im vorliegenden Fall entgegen dem gebuchten Reisezeitraum ist demnach ein Mangel gemäss § 651 c BGB.

23. Die Anzeige des Mangels nach § 651 d Abs. 2 BGB und ein Abhilfeverlangen waren für den Kläger vorliegend entbehrlich, da der Beklagten bekannt war, dass der Abbruch der Reise durch sie im Falle einer unberechtigten Kündigung einen Mangel nach § 651 c BGB darstellen würde.

24. Der Kläger kann in Hinblick auf die abgebrochene Reise für den nicht in Anspruch genommenen Reisezeitraum vom 21.11.2015 bis zum vorgesehenen Vertragsende am 05.12.2015 eine Minderung in Höhe von weiteren 734,00 Euro beanspruchen. Mangelbehaftet war die Hälfte des Urlaubes, so dass eine Minderung von 50 % gerechtfertigt ist. Berechnungsrundlage ist dabei der Gesamtreisepreis und die mangelbehafteten Tage, eine Aufteilung nach einzelnen in Anspruch genommenen Reiseleistungen kommt nicht in Betracht.  Es ist gerade das Wesen der Pauschalreise dass die Kosten einzelner Reiseleistungen in den Gesamtreisepreis aufgehen und ihre Selbständigkeit verlieren. Der Gesamtreisepreis betrug 3.848,00 Euro für einen vierwöchigen Urlaub. In der Zeit vom 21.11.2015 bis 05.12.2015 war die Reise zu 100 % mangelbehaftet, da sie nicht mehr durchgeführt wurde. Bei einer Minderung von danach 50 % beläuft sich der Minderungsbetrag auf 1.924,00 Euro. Abzüglich zwischenzeitlich gezahlter 1.190 Euro ergibt sich ein noch zu zahlender Minderungsbetrag in Höhe von 734,00 Euro.

25. Ein Ausschluss des Anspruches nach § 651 g BGB ist nicht gegeben. Der Kläger hat die Frist des § 651 g Abs. 1 S. 1 BGB eingehalten, wonach Ansprüche binnen eines Monats nach dem vertraglichen Reiseende geltend zu machen sind, da er Schadenersatzansprüche bereits mit Schreiben vom 30.11.2015 anmeldete.

26. Dem Kläger steht darüber hinaus aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau ein Anspruch auf Entschädigungszahlung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 1.924,00 Euro aus § 651 f Abs. 2 BGB zu, da der Urlaub des Klägers und seiner Ehefrau durch den unberechtigten vorzeitigen Reiseabbruch erheblich beeinträchtigt wurde.

27. Eine erhebliche Reisebeeinträchtigung im Sinne von § 651 f Abs. 2 BGB liegt vor, wenn die Reise als ganz oder teilweise vertan anzusehen ist. Für die Beurteilung einer erheblichen Beeinträchtigung ist die Bewertung erforderlich, ob der Urlaub unter Berücksichtigung seines Zwecks und aller Umstände des Einzelfalls als völlig oder teilweise vertan, nutzlos oder gänzlich verfehlt erscheint. Dabei sind Reisezweck, Reisepreis, Reisedauer, Reiseziel, aber auch dem Reisenden durch den Verzicht auf andere Anschaffungen entstandenen Opportunitätskosten mit Art und Ausmass des Mangels abzuwägen. Ein Indiz ist für das Vorliegen einer erhebliche Beeinträchtigung ist dabei, ob eine Minderungsquote von 50 % erreicht wird. Bei der Bestimmung der Höhe der Entscheidung ist eine weitere Abwägung unter Einbeziehung der individuellen, subjektiven Beeinträchtigung des Reisenden vor. Die Höhe der Entschädigung orientiert sich weiter an der Höhe der Minderung und dem Reisepreis.

28. Vorliegend ist durch den Wegfall von zwei Wochen Urlaub eine erhebliche Beeinträchtigung eingetreten. Statt vier Wochen konnten der Kläger und seine Frau nur zwei Wochen Urlaub machen. Dass der Kläger und seine Frau die Zeit ab dem 21.11.2015 anderweitig zur Erholung nutzen konnte  ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Neben der Halbierung der Zeit, die zur Erholung zur Verfügung stand, sind bei der Höhe der Entschädigung die mit dem unberechtigten Reiseabbruch verbundenen Strapazen für den Kläger und seine Ehefrau zu berücksichtigen sowie die im Anschluss mit der Beklagten geführte Auseinandersetzung bis zumindest Teile des Reisepreises erstattet wurden. Angesichts dieser Umstände ist es im vorliegenden Fall angemessen, für jeden gänzlich vertanen Urlaubstag die zeitanteilige Quote des vollen Reisepreises anzusetzen, so dass der auf die zwei entgangene Urlaubswoche der zeitanteilige Reisepreis von 1.924,00 Euro (3.848,00 Euro ./. 2) als Entschädigung verlangt werden kann.

II.

29. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäss §§ 286, 288 BGB aufgrund der Fristsetzung in dem Anwaltsschreiben vom 15.01.2016.

30. Der Kläger hat aus dem Gesichtspunkt des Verzuges auch einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten gemäss der Kostennote der Anwälte Dr. N. vom 24.03.2016 Re-Nr. 16/000089. Die Beklagte wurde bereits durch das Schreiben des Klägers vom 30.11.2015 endgültig und ernsthaft unter Fristsetzung zur Zahlung von 1.924,00 Euro Reisepreisrückzahlung und 400,00 Euro Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude aufgefordert. Jedenfalls nach Eintritt des Verzuges erweist sich die Mandatierung von Anwälten in reisevertragsrechtlichen Angelegenheiten als zweckentsprechend und notwendig. Durch die Vorlage der an den Kläger gerichteten Rechnung ist auch nachgewiesen, dass dem Kläger ein Schaden in Gestalt der Beschwerung mit einer Verbindlichkeit entstanden ist. Denn durch die dem § 10 RVG entsprechende Rechnungsstellung sieht sich der Kläger einem durchsetzbaren Honoraranspruch seiner Anwälte ausgesetzt. Von diesem kann der Kläger gemäss § 257 BGB von der Beklagten Befreiung beanspruchen.

31. Allerdings kann der Kläger nur Befreiung von einem Honoraranspruch nach einem Streitwert von 1.134 Euro und nicht nach einem Streitwert von 2.408,00 beanspruchen; denn bereits vor der Mandatierung wurde dem Kläger der einlösbare Scheck über 1.190,00 Euro übersandt. Damit war die Mandatierung der Anwälte des Klägers nur noch betreffend des Betrages von 734,00 Euro zzgl. aussergerichtlicher Entschädigung  in Höhe von 400,00 Euro, insgesamt 1.134,00 Euro begründet. Die weiter aussergerichtlich geltend gemachte Postpauschale von 25,00 Euro und die Versicherungskosten in Höhe von 59,00 Euro bleiben ausser Betracht, da der Kläger diese im vorliegenden Klageverfahren nicht weiterverfolgte. Bei einem Streitwert von 1.134,00 ergibt sich bei im Übrigen gleiocher Berechnung wie in der Kostennote vom 24.03.2016 (0,65 Gebühr zzgl. Pauschale zzgl. MwSt). ein Honoraranspruch in Höhe von 106,74 Euro.

III.

32. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in Höhe von 1.190,00 Euro für erledigt erklärt haben, waren die Kosten des Verfahrens gemäss § 91 a ZPO dem Kläger aufzuerlegen. Dies entspricht der Billigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. In Höhe des für erledigt erklärten Betrages von  1.190,00 war die Klage unbegründet, da dem das Rechtschutzbedürfnis für eine Klageerhebung fehlte. Unabhängig davon, wie man die durch Annahme und Behalten des Schecks geschlossene Scheckzahlungsabrede rechtlich einordnet (Klagbarkeitsausschluss, Einrede eigener Art, pactum den non petendo) bedarf derjenige, der durch Einlösung des Schecks die Möglichkeit besitzt, sich einfacher und billiger Befriedigung hinsichtlich seiner Forderung zu verschaffen, nicht des Schutzes durch Klageerhebung, solange er durch die Scheckeinlösung nicht Rechtsnachteile befürchten muss. Dadurch dass der Kläger den ihm vor Klageerhebung überlassenen Scheck nicht zurücksandte sondern ihn behielt, ist eine Scheckzahlungsabrede geschlossen worden und hätte für den Kläger die Möglichkeit bestanden, seinen Anspruch teilweise durch Einlösung des Schecks zu befriedigen. Es erweist sich als treuwidrig einen ohne weiteres einlösbaren Scheck zu behalten und gleichzeitig die Schecksumme einzuklagen. Rechtsnachteile musste der Kläger bei Einlösung des Schecks auch nicht befürchten. Dass die Beklagte mit dem Einlösen des Schecks einen Vergleichsschluss verknüpft hat, ist dem Schreiben vom 08.01.2016 (Bl. 14 d.A.) nicht zu entnehmen. Die Beklagte hat in diesem Schreiben lediglich erklärt, dass die Zahlung kein Schuldanerkenntnis darstellt.

33. Im Übrigen beruhen die Nebenentscheidungen auf den §§ 91, 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

34. Streitwert: 3.848,00 Euro bis zum 29.06.2016, danach 2.658,00 Euro

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