Mehrmalige Mängelanzeige

OLG Celle: Mehrmalige Mängelanzeige

Ein Urlauber verlangt von seinem Reiseveranstalter eine Schadensersatzzahlung, weil er in seinem Hotelzimmer einer immensen Lärmbelästigung ausgesetzt war. Er verlangt zudem eine Entschädigung, weil die Beklagte bereits bei Reisebuchung Kenntnis von dem vor Ort herrschenden Lärmpegel hatte.

Das Oberlandesgericht Celle hat dem Kläger Recht zugesprochen. Die Lärmbelästigung sei ihm nicht zumutbar gewesen und begründe einen Entschädigungsanspruch. Eine Geltendmachung weiterer Ansprüche aus dem selben Mangel sei allerdings ausgeschlossen.

OLG Celle 11 U 45/09 (Aktenzeichen)
OLG Celle: OLG Celle, Urt. vom 23.03.2009
Rechtsweg: OLG Celle, Urt. v. 23.03.2009, Az: 11 U 45/09
LG Hannover, Urt. v. 14.05.2008, Az: 2 O 160/07
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Oberlandesgericht Celle

1. Urteil vom 23. März 2009

Aktenzeichen: 11 U 45/09

Leitsatz:

2. Nimmt ein Reisender einen Reiseveranstalter mehrmals in Anspruch wegen ein und desselben Reisemangels, so steht ihm nur eine Zahlung zu, da Mehrfachzahlungen unzulässig sind.

Zusammenfassung:

3. in Urlauber buchte bei einem Reiseveranstalter einen Hotelaufenthalt. Im Hotel angekommen musste der Reisende feststellen, dass sein Zimmerfenster in Richtung eines vielbesuchten Innenhofs gerichtet war. Der durch feiernde Partygäste und laute Musik erzeugte Lärmpegel machten es dem Kläger unmöglich Nachts zur Ruhe zu kommen.
Aus diesem Grund verlangt er von der Beklagten eine Schadensersatzzahlung wegen eines Reisemangels. Zusätzlich fordert er eine Entschädigung, weil der Veranstalter bereits bei Buchungsabschluss Kenntnis von der zu erwartenden Lärmbelästigung hatte.

Das Oberlandesgericht Celle hat dem Kläger teilweise Recht gegeben. Ein Reisemangel sei, nach §651 c BGB, immer dann gegeben, wenn der Wert der Reise sich durch Fehlerhaftigkeit oder eine Abweichung vom Reisevertrag verschlechtere.
Die fehlende Möglichkeit während einer Urlaubsreise nachts entspannen zu können, erschwere es dem Kläger zweifellos die Urlaubszeit genießen zu können. In der Lärmbelästigung sei folglich eine erhebliche Beeinträchtigung der Reiseleistung zu sehen, deren Ausmaß im Rahmen einer angemessenen Entschädigungszahlung zu berücksichtigen sei.

Die Schadensersatzforderung wegen der offensichtlichen Kenntnis des Reiseveranstalters sei hingegen abzulehnen. Ein Reisemangel berechtige grundsätzlich nur einmalig zu einer Entschädigungszahlung. Jede weitere Bezugnahme auf den selben Umstand sei unzulässig.

Tenor:

4. Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Den Klägern wird Gelegenheit zur Stellungnahme und zu einer weitere Kosten zum Teil vermeidenden Berufungsrücknahme binnen drei Wochenab Zustellung dieses Beschlusses gegeben.

Gründe:

5. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Die Berufung hat nach derzeitiger Sach- und Rechtslage aus folgenden Gründen auch keine Aussicht auf Erfolg.

6. Zu Recht hat das Landgericht wegen der Reisemängel eine Reisepreisminderung in Höhe von 40% ausgesprochen. Die dagegen mit dem Ziel einer höheren Minderung des Reisepreises erhobenen Einwendungen der Kläger greifen nicht durch.

7. Entgegen der wiederholt geäußerten Auffassung der Kläger (Bl. 192, 194, 195 d.A.) hat das Landgericht in seiner Entscheidung die im Reisekatalog enthaltene Hotel- und Umgebungsbeschreibung sowohl im Tatbestand (S. 2 LGU) als auch bei der Bemessung der Minderung (S. 8 LGU) berücksichtigt. Im Katalog (Ablichtung K3; Anlagenband) sind keine Beschreibungen enthalten, die auf eine besonders ruhige Lage der gebuchten Unterkunft hinweisen. Aus der Beschreibung des gebuchten Hotels ergibt sich, dass zur Ferienanlage eine Strandbar gehört, die auch am Abend ein beliebter Treffpunkt für Hotelgäste ist. Weiter ist dort von mexikanischer Live-Musik die Rede, welche an mehreren Abenden aufgeführt werden sollte. Aus den im Reisekatalog enthaltenen Angaben lässt sich deshalb die Zusage eines besonders ruhigen Urlaubs nicht herleiten.

8. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme festgestellt, dass tagsüber Baulärm herrschte. Das Landgericht hat dies als Mangel der Reise bewertet (S. 6 – 7 LGU). Nicht richtig ist die Darstellung der Kläger, Zeugen seien von der Lärmsituation „sehr schockiert“ gewesen (Bl. 192 d.A.). Dies ist von den Zeugen B. in ihrer schriftlichen Anhörung bekundet worden (Bl. 145 d.A.), während andere Zeugen erhebliche Beeinträchtigungen durch Baulärm nicht bestätigen konnten (vgl. LGU S. 6 f.). Die Kläger können sich nicht eineZeugenaussage aussuchen, andere Zeugenaussagen aber außer acht lassen und sodann Fehler in der Beweiswürdigung rügen und ihre Würdigung an die Stelle des entscheidenden Gerichts setzen. Das Landgericht hat die Aussagen der Zeugen umfassend und sorgfältig gewürdigt. Fehler in der Beweiswürdigung sind nicht dargetan.

9. Gleiches gilt für die Minderung wegen des DJ- (Techno)Festivals, welches vom 26. Dezember 2006 bis zum 1. Januar 2007 stattfand. Das Landgericht hat darin einen Reisemangel gesehen. Nach dem eigenen Vortrag der Kläger fand das Festival bis einschließlich 1. Januar 2007 statt (Bl. 6 d.A.). Es bestehen daher keine Bedenken, wenn das Landgericht nach Beweisaufnahme zu dem Ergebnis kommt, dass ab dem 2. Januar 2007 die nächtliche Lärmbelästigung nicht „mit denselben Werten“ wie während des Techno-Festivals fortbestanden hat. Das Landgericht hat zur Frage der Beeinträchtigung der Nachtruhe nach dem 1. Januar 2007 gleichfalls die Zeugenaussagen gewürdigt. Fehler in der Beweiswürdigung sind auch hier nicht erkennbar.

10. Soweit die Kläger aus dem fehlenden Hinweis der Beklagten auf die Lärmsituation im Vorfeld des Reiseantritts einen weiteren Reisemangel wegen Verletzung einer Informationspflicht herleiten wollen (Bl. 196 d.A.), vermag sich der Senat der von den Klägern vertretenen Auffassung nicht anzuschließen.

11. Das Landgericht Frankfurt a.M. (RRa 2008, 121) vertritt zwar die Auffassung, der fehlende Hinweis des Reiseveranstalters auf einen ihm bekannten Mangel vor Reiseantritt begründe seinerseits einen neuen, zur weiteren Minderung berechtigenden Mangel. Diese Auffassung wird damit begründet, sie erhalte dem Reisenden das auch vor Reiseantritt mögliche Kündigungsrecht des § 651 e BGB. Das vor Reiseantritt bestehende Kündigungsrecht sei nämlich wirkungslos, wenn der Reisende nicht auf die Voraussetzungen für dieses Kündigungsrecht hingewiesen werde und die Mangelhaftigkeit für ihn erst vor Ort erkennbar sei. Eine Verletzung der Hinweispflicht begründe daher einen weiteren Reisemangel (Prof. Dr. Ronald Schmid, RRa 2008, 124). .

12. Diese Auffassung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Eine weitere Minderung wegen des fehlenden Hinweises würde zu einer doppelten Minderung des Reisepreises wegen desselben Mangels führen. Ein- und derselbe Umstand kann jedoch auch nur einmal zu einer Minderung führen. Eine doppelte Berücksichtigung ein- und desselben Mangels dient letztlich der Disziplinierung des Reiseveranstalters (Prof. Dr. Schmid a.a.O.). Eine solche Disziplinierungsfunktion durch erneute Berücksichtigung eines mangelbegründenden Ereignisses lässt sich weder der für die Minderung des Reisepreises einschlägigen Vorschrift des § 651d Abs. 1 BGB noch den weiteren Gewährleistungsvorschriften entnehmen. Die Verletzung einer Hinweispflicht kann daher Ersatzansprüche nur insoweit begründen, als dadurch eine über die Minderung hinausgehende Beeinträchtigung entstanden ist, etwa ein Mehraufwand im Rahmen einer Abhilfemaßnahme.

13. Zudem lässt sich den in § 4 BGB-InfoV gesetzlich geregelten Hinweispflichten solche auf Lärmbeeinträchtigungen beziehungsweise andere Mängel nicht entnehmen. Geschuldet sind nach § 4 BGB-InfoV Angaben über Reisepreis und Anzahlung sowie über bestimmte Merkmale der Reise wie Bestimmungsort , Transportmittel, Unterbringung nach Art, Lage, Kategorie etc. , Mahlzeiten, Reiseroute, Passerfordernisse sowie eine etwa erforderliche Mindesteilnehmerzahl. Eine Informationspflicht des Reiseveranstalter über ihm bekannte Beeinträchtigungen enthält diese Aufzählung dagegen nicht.

14. Die vom Landgericht vorgenommene Gesamtreisepreisminderung in Höhe von 40% des Reisepreises ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat sich bei der Bemessung des Minderungsbetrages an vergleichbaren Fallkonstellationen orientiert. Auf die vom Landgericht zitierte Rechtsprechung (Nachweise bei Führich, Reiserecht, 5. Aufl. 2005, Rn 323 – 325) wird hingewiesen.

15. Das angefochtene Urteil ist daher nicht zu beanstanden.

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