Ansprüche bei Gepäckverlust

AG Frankfurt: Ansprüche bei Gepäckverlust

Auf einem Flug von Deutschland nach Marokko geht das Gepäck eines Fluggastes verloren. Nach einigen Wochen bekommt er es unvollständig und beschädigt von der Airline zurück. Er verlangt nun eine Schadensersatzzahlung.

Das Amtsgericht Frankfurt hat dem Kläger Recht zugesprochen. Bei Beschädigung und Verlust von Gepäckstücken hafte der Luftfahrtführer dem Fluggast im Rahmen von Art. 17 des Montrealer Übereinkommens.

AG Frankfurt 32 C 2427/10 (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 03.02.2011
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 03.02.2011, Az: 32 C 2427/10
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Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 03. Februar 2011

Aktenzeichen: 32 C 2427/10

Leitsatz:

2. Die Airline haftet für Gepäckverspätung und Beschädigung während des Fluges.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender buchte bei einem Luftfahrtunternehmen einen Flug von Deutschland nach Marokko. Während des Fluges ging das Gepäck des Fluggastes verloren. Er musste sich im Urlaub Ersatzbekleidung organisieren und bekam seinen Koffer einige Wochen später stark beschädigt und unvollständig zurück.

Der Kläger verlangt in der Folge eine Schadensersatzzahlung im Sinne von Art.17 des Montrealer Übereinkommens von der Beklagten. Diese verweigerte die Zahlung. Der Koffer sei zweifellos beschädigt worden, allerdings läge Marokko nicht im Geltungsbereich der Montrealer Übereinkommens.

Das Amtsgericht Frankfurt hat dem Klägerbegehren entsprochen. Nach Art. 17 des Montrealer Übereinkommens haftet ein Luftfrachtführer für jedwede Schäden die während des Fluges am Gepäck der Reisenden auftreten. Das Abkommen sei vorliegend anwendbar, da der Startflughafen in seinem Geltungsbereich lag.

Der Koffer des Fluggastes sei während des Fluges verloren gegangen und beschädigt worden. Da dies auf die Unachtsamkeit des Airlinepersonals zurückzuführen sei, bestehe ein Anspruch auf Schadensersatz zu Gunsten des Klägers.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 720,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.02.2010 sowie weitere 120,67 EUR für vorgerichtlich entstandene Anwaltskosten zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit Verspätung und Verlust von Reisegepäck.

6. Der Kläger flog mit der Beklagten von Frankfurt am Main nach Tanger (Marokko) und zurück. Bereits auf dem Hinflug am 22.04.2009 ging ein Koffer des Klägers verloren. Wegen der Verlustmeldung wird auf Bl. 33 d.A. Bezug genommen.

7. Am 05.05.2009 erhielt der Kläger den Koffer zurück. Dieser war aufgebrochen. Die Beklagte ersetzte dem Kläger den beschädigten Koffer. Es fehlten:

  • Ein indischer Sari, cremefarben, NP: 160,00 EUR
  • Ein indischer Sari, rosa mit Muster, NP: 60,00 EUR
  • 3 Packungen Kaffee á 500g, P: 23,07 EUR
  • 1 Parfüm Giorgio Armani „Code“, 75 ml, P: 88,00 EUR
  • 1 Parfüm Giorgio Armani Emporio Diamonds, 100 ml, 86,00 EUR
  • 1 Parfüm Lacoste Inspiration, 50 ml, P: 53,50 EUR.

8. Bei allen Sachen handelte es sich um neuwertige Gegenstände, die für eine Hochzeit, z.T. als Garderobe, z.T. als Geschenke vorgesehen waren.

9. Hierfür begehrt der Kläger Schadensersatz in Höhe von 470,57 EUR.

10. Im Koffer befanden sich Kleidungsstücke und Hygieneartikel des Klägers. Hierfür musste er in Tanger Ersatzbeschaffungen vornehmen, wofür er 123,90 EUR aufwendete. Hierauf hat die Beklagte vorgerichtlich 104,00 EUR entrichtet, so dass der Kläger den Rest in Höhe von 19,90 EUR weiterverfolgt.

11. Am 24.04. und 25.04.2009 hat der Kläger weitere Ersatzbeschaffungen in Larache im Wert von insgesamt 100,00 EUR getätigt.

12. Wegen des Kofferverlustes musste der Kläger 3 x von seinem Haus in Larache zum Flughafen fahren, um dort aufgefundenen Koffer zu identifizieren. Bei einfacher Wegstrecke von 70 km wendete er Taxikosten auf.

13. Der Kläger schrieb die Beklagte mehrfach an. Wegen der Schreiben vom 05.05.2009 und 25.05.2009 wird auf Bl. 34 – 37 d.A. Bezug genommen. Zuletzt kontaktierte er die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 14.12.2009.

14. Er begehrt auch Ersatz der vorgerichtlich aufgewendeten Anwaltskosten.

15. Der Kläger ist der Auffassung, das MÜ sei anwendbar, da es auch für Hin- und Rückflüge aus Vertragsstaaten gelte und überdies die Beklagte als Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft den Flug durchgeführt habe.

16. Der Kläger beantragt mit am 02.12.2 010 zugestellter Klage,

17. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 720, 60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.02.2010 sowie weitere 120,67 EUR für vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

18. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

19. Die Beklagte ist der Ansicht, das Montrealer Übereinkommen finde vorliegend keine Anwendung, da es erst nach dem streitgegenständlichen Flug in Marokko ratifiziert worden sei.

20. Der Kläger habe überdies die Voraussetzungen einer rechtzeitigen Schadensanzeige nicht dargelegt.

Entscheidungsgründe:

21. Die zulässige Klage ist begründet.

22. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch in geltend gemachter Höhe aus dem Gepäckverlust nach Art. 17 Abs. 2, 19 MÜ vom 28.05.1999 zu.

23. Das MÜ findet vorliegend Anwendung. Denn das Schadensersatzrecht des MÜ gilt auch für Hin- und Rückflüge aus einem Vertragsstaat und damit auch bei einem Hin- und Rückflug aus Deutschland in einen Nichtvertragsstaat, wie hier Marokko zum Zeitpunkt des Fluges. Überdies ist das – wie die Klägerseite zu Recht einwendet, bereits deswegen anwendbar, weil durch EGV 2027/97 vom 09.10.1997 i.d.F. der EGV 889/2002 vom 13.05.2002 der Haftungsstandard des MÜ für alle inländischen oder internationalen Luftbeförderungen durch ein „Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft“ übernommen wird, unabhängig davon, ob die betroffene Luftbeförderung zwischen zwei Vertragsstaaten des MÜ durchgeführt wird. (vgl. hierzu Führich, Reiserecht, 6.A., Rn 952).

24. Der Gepäckverlust ist zwischen den Parteien unstreitig.

25. Der entstandene Schaden ist in dem Verlust von klägerseits im Einzelnen unter Beweisantritt dargelegten Teilen des Kofferinhaltes zu sehen. Ebenso hat der Kläger die notwendigen Ersatzbeschaffungen in Tangier hinreichend dargelegt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Koffer erst 3 Wochen nach Ankunft in Tangier aufgefunden wurde. Die Angemessenheit der im Einzelnen dargelegten Ersatzbeschaffungen hat auch die Beklagte nicht in Zweifel gezogen. Auch die durch die Verspätung verursachten Fahrtkosten sind nachvollziehbar und angemessen.

26. Der Kläger hat den Verlust auch fristgerecht im Sinne des Art. 31 Abs.2, 3 MÜ angezeigt. Auf das Bestreiten der Beklagtenseite hin hat der Kläger sowohl die Verlustmeldung vom 22.04.2009 (Bl. 33 d.A.) als auch sein Schreiben vom 05.05.2009 (Bl. 34f. d.A.) vorgelegt und erklärt, dieses per Fax und per Einschreiben an die Beklagte übersendet zu haben. Gegenüber diesem substantiierten Vortrag war ein einfaches Bestreiten der Beklagtenseite aber nicht ausreichend.

27. Die in Art. 22 Abs.2 MÜ festgeschrieben Haftungshöchstgrenze von einem betrag von 1000 SZR je Reisendem wird durch die beantragte Summe nicht überschritten. Gemäß Art. 23 Abs.1 S.3 MÜ betrug die Haftungshöchstgrenze am Tag der Entscheidung 876,60 EUR.

28. Die Hauptforderung ist auch zu verzinsen. Spätestens mit Zugang des Schreibens vom 25. 05. 2009 per Fax am 29.05.2009 – den Zugang hat die Beklagt nicht bestritten – ist die Beklagte in Verzug geraten. Dass bis dahin die Fahrtkosten noch nicht geltend gemacht wurden, hindert die verzugsbegründende Wirkung nicht. Hinsichtlich des Zinsbeginns durfte das Gericht wegen §308 ZPO jedoch über den klägerischen Antrag nicht hinausgehen.

29. Aus §§280 Abs.1, 286 Abs.1 BGB steht dem Kläger überdies ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten als Teil des Verzugsschadens in Höhe von 120,67 EUR zu.

30. Die Nebenentscheidungen finden ihre Grundlage in §§91 Abs.l, 708 Nr.11, 709, 711 ZPO.

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