Ansprüche aus Reiserücktrittsversicherungsvertrag

AG München: Ansprüche aus Reiserücktrittsversicherungsvertrag

Der Kläger forderte die Ausschüttung einer Reiserücktrittsversicherung für seine Tochter, die aufgrund eines Auslandsstipendium nicht an der gemeinsamen Reise teilnahm.

Das Amtsgericht München wies die Klage ab, weil ein Schul- keinem Arbeitsplatzwechsel gleichzusetzen ist und somit kein Versicherungsfall vorlag.

AG München 273 C 2376/17 (Aktenzeichen)
AG München: AG München, Urt. vom 29.03.2017
Rechtsweg: AG München, Urt. v. 29.03.2017, Az: 273 C 2376/17
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Amtsgericht München

1. Urteil vom 29. März 2017

Aktenzeichen 273 C 2376/17

Leitsatz:

2. Die Schule ist trotz für Minderjährige verpflichtendem Besuch kein Arbeitsplatz und der Wechsel derselben in der Folge kein Versicherungsfall.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte für sich und seine minderjährige Tochter bei der Buchung einer Urlaubsreise eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen. Als die Tochter ein Stipendium für einen Schulbesuch im Ausland zugesagt bekam, stornierte der Kläger die Reise der Tochter. Hierfür forderte er die ausgebliebene Auszahlung der Versicherung und argumentierte mit der Gleichsetzung von Arbeitsplatz und Schule, die verpflichtend besucht werden müsse.

Das Amtsgericht München folgte der Argumentation des Klägers nicht und wies die Klage ab. Demnach sei trotz Schulpflicht und dessen Funktion in der Ausbildung für einen späteren Arbeitsplatz die Schule keinem Arbeitsplatz gleichzusetzen. Der Wechsel der selben gehörte somit nicht zu den Versicherungsfällen, die eindeutig und abschließend in den Versicherungsbedingungen aufgelistet waren.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird auf 887,62 € festgesetzt.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten um die Zahlung aus einer Reiserücktrittsversicherung.

6. Zwischen den Parteien besteht ein Reiserücktrittsversicherungsvertrag gemäß Anlage B 1. Unter B § 13 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist ausgeführt, bei welchen Ereignissen Versicherungsschutz besteht, unter § 13 1.e ist der Arbeitsplatzwechsel genannt.

7. Die im Rahmen des Vertrages mitversicherte minderjährige Tochter des Klägers … hatte sich für das parlamentarische Patenschafts-​Programm 33. Programmjahr 2016-​17 beworben, am 19.11.2015 jedoch eine Absage erhalten. Mit Schreiben vom 10.02.2016 wurde ihr dann aber mitgeteilt, dass sie nunmehr an dem Patenschafts-​Programm mit Beginn 11.08.2016 teilnehmen könne.

8. Der Kläger hatte unter anderem auch für seine Tochter für den 23.09.2016 einen Flug von Dresden über Frankfurt am Main nach San Francisco und einen Rückflug für den 09.10.2016 von San Francisco über München nach Dresden gebucht. Dieser Flug wurde für die Tochter storniert. Der Beklagten wurde am 30.05.2016 eine Schadensmeldung übersandt, mit der die Zahlung von 887,62 € begehrt wurde. Die Beklagte leistete diese nicht.

9. Der Kläger ist der Auffassung, es liege ein Versicherungsfall vor. Die minderjährige Tochter habe sich zum Zeitpunkt der Reisebuchung in der Schulausbildung befunden. Insoweit stehe der Schulbesuch einem Arbeitsplatz gleich. Denn bei Teilnahme an der Schulausbildung handele es sich um eine Pflicht des minderjährigen Kindes, sein Arbeitsplatz sei die Schule, die das Zentrum seiner Beschäftigung bilde. Bei der Teilnahme an dem Patenschafts-​Programm liege somit ein Arbeitsplatzwechsel vor, weshalb die Beklagte einstandspflichtig sei.

10. Die Flüge seien gebucht worden, nachdem seiner Tochter mitgeteilt worden sei, dass eine Teilnahme an dem Patenschafts-​Programm nicht möglich sei. Am 25.01.2016 seien die Tickets ausgestellt worden. Nachdem seine Tochter dann doch die Zusage erhalten habe, seien die Flüge storniert worden. Es habe sich um ein non refundable Ticket gehandelt. Es sei eine Stornogebühr von 937,62 € angefallen; abzüglich einer Zahlung durch Dritte in Höhe von 50,00 € bestehe deshalb ein Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 887,62 €.

11. Der Kläger beantragt:

12. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 887,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.09.2016 zu zahlen.

13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 147,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.09.2016 zu zahlen.

14. Der Beklagte beantragt:

Kostenfällige Klageabweisung.

15. Die Beklagte ist der Auffassung, in § 13 der AVB seien die versicherten Ereignisse explizit und abschließend aufgeführt. Bei einem Antritt eines Auslandschuljahres aufgrund eines Stipendiums handele es sich nicht um ein versichertes Ereignis. Dies sei mit einem Arbeitsplatzwechsel nicht gleichzusetzen. Ungeachtet dessen sei der Schulwechsel schon nicht unerwartet erfolgt, da die Klagepartei entsprechende Anträge zum Erwerb eines Stipendiums gestellt habe.

16. Es werde bestritten, dass die Tickets nach der Absage gebucht worden seien, bei frühzeitiger Stornierung keine Erstattung des Reisepreises erfolge und der Kläger die geforderte Summe bezahlt habe.

17. Wegen des weiteren Sachverhalts und Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

18. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München örtlich und sachlich zuständig, §§ 17 ZPO, 23 Nr. 1 GVG.

19. Die Klage ist jedoch unbegründet, dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

20. Dahinstehen kann, wann der Versicherungsvertrag geschlossen wurde, wann die Flüge gebucht und storniert wurden und ob die geltend gemachten Stornokosten tatsächlich anfielen, weil die Klage schon aus anderen Gründen abzuweisen war. Der beklagten Partei musste deshalb keine Schriftsatzfrist auf den Schriftsatz der Klagepartei vom 28.03.2017 gewährt werden.

21. Der Kläger hat den geltend gemachten Anspruch gegen die Beklagte deshalb nicht, weil der Schulwechsel der Tochter des Klägers keinen Versicherungsfall darstellt.

22. Die Fälle, in denen Versicherungsschutz besteht, sind in § 13 der AVB des Reiserücktrittsvertrages ausdrücklich und abschließend genannt. Unter Punkt 1.e dieses Paragrafen heißt es: „Arbeitsplatzwechsel der versicherten Person oder einer mitreisenden Risikoperson, vorausgesetzt, die versicherte Reise wurde vor Kenntnis des Arbeitsplatzwechsels gebucht und die versicherte Reisezeit fällt in die Probezeit der neuen beruflichen Tätigkeit, maximal jedoch in die ersten sechs Monate der neuen beruflichen Tätigkeit.“

23. Ein solcher Arbeitsplatzwechsel der Tochter des Klägers liegt hier nicht vor. Auch wenn der Schulbesuch verpflichtend sein mag, so ist die Schule kein Arbeitsplatz des Schülers. Der Schulbesuch dient vielmehr dem Verschaffen einer Ausbildung, aufgrund derer eine Lehre oder ein anderweitiger Arbeitsplatz gesucht werden kann. Diese Vorbereitung mag zwar die Grundlage für das Erlangen eines Arbeitsplatzes sein, ist aber nicht mit einem solchen gleichzusetzen. Ein Schulwechsel oder die Inanspruchnahme eines Stipendiums mit der Teilnahme am Patenschafts-​Programm stellt daher keinen Arbeitsplatzwechsel dar.

24. Nachdem die Gründe, aufgrund derer die Beklagte einzutreten hat, in den Allgemeinen Vertragsbedingungen ausdrücklich genannt sind, der hiesige Grund aber nicht darunterfällt, auch nicht damit gleichzusetzen ist, ist die Klage abzuweisen.

25. Kosten: § 91 ZPO.

26. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11711 ZPO.

27. Streitwert: § 3 ZPO.

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