Abflugzeiten sind wesentliche Vertragsbedingung

AG München: Abflugzeiten sind wesentliche Vertragsbedingung

Der Kläger buchte eine Reise nach Thailand. Als Anzahlung leistete er 696 EUR. Der Flug sollte von Frankfurt a.M. nach Bangkok gehen. Die Reiseveranstalterin änderte die Flugzeiten um mehrere Stunden nach vorne. Der Kläger erklärte daher den Rücktritt vom Vertrag und meint, die Reiseveranstalterin habe wesentliche Reisebedingungen geändert, die einen Rücktritt rechtfertigen.

Das Gericht gab dem Kläger recht.

AG München 212 C 1623/09 (Aktenzeichen)
AG München: AG München, Urt. vom 06.05.2009
Rechtsweg: AG München, Urt. v. 06.05.2009, Az: 212 C 1623/09
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Amtsgericht München

1. Urteil vom 06. Mai 2009

Aktenzeichen: 212 C 1623/09

Leitsatz:

2. Die Abflugzeiten stellten eine wesentliche Vertragsbedingung dar.

Zusammenfassung:

3.  Der Kläger buchte bei der Beklagten Reiseveranstalterin eine Reise nach Thailand. Als Anzahlung leistete er 696 EUR. Der Flug sollte von Frankfurt a.M. nach Bangkok gehen. Die Reiseveranstalterin änderte die Flugzeiten um mehrere Stunden nach vorne. 3 Monate vor Abflug erklärte daher der Kläger den Rücktritt vom Vertrag. Der Kläger meint, die Reiseveranstalterin habe wesentliche Reisebedingungen geändert, die einen Rücktritt rechtfertigen.

Das Gericht gab dem Kläger recht. Bei einer Änderung der Reisezeiten handelt es sich um wesentliche Vertragsbedingungen, um derentwillen der Vertrag geschlossen wurde. Werden sie geändert, kann das für den Reisenden unzumutbar sein und offeriert ihm ein Rücktrittsrecht vom Reisevertrag.

Tatbestand:

4. Der Kläger buchte bei der Beklagten eine 17-tägige Thailandreise vom 11.02.2009 bis 27.02.2009. Er leistete eine Anzahlung in Höhe von 696,00 EUR.“

5. Als Flugzeiten waren vorgesehen:

6. Abflug am 11.02.2009, 14:20 Uhr in Frankfurt a.M.,

7. Ankunft nach Zwischenstopp um 12:20 Uhr in Bangkok / Thailand.

8. Mit geänderter Reisebestätigung vom 05./06.11.2008 änderte die Beklagte die Flugzeiten auf

9. Abflug am 11.02.2009 um 09:05 in Frankfurt und

10. Ankunft am nächsten Tag um 12:15 Uhr in Bangkok / Thailand.

11. Mit Schreiben vom 09.12.2008 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag.

12. Der Kläger behauptet, die Vorverlegung der Abreisezeit verlängere nicht nur die Flugzeit, sondern erweitere seine Reisezeit unter Berücksichtigung der Anreise von seinem Wohnort um eine zusätzliche Nacht. […]

13. Der Kläger ist der Ansicht, es handle sich um eine wesentliche Änderung der Reiseleistung im Sinne des §651a Abs. 5, S. 2 BGB.

14. Die Beklagte […] ist der Ansicht, die Verlängerung der Flugzeit um 5 Stunden und 15 Minuten sei bei einer Fernostreise zumutbar. Die Transferzeiten vom Wohnsitz des Reisenden zum Flughafen seien nicht relevant. Daher habe der Kläger zwar die Reise stornieren können, schulde jedoch die vereinbarte Stornopauschale.

Entscheidungsgründe:

15. Die Klage ist zulässig und begründet.

16. Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch in Höhe der Anzahlung nach §346 Abs. 1 BGB, weil er vom Reisevertrag mit der Beklagten wirksam nach §651a Abs. 5, S. 2 BGB zurückgetreten ist.

17. Die Änderung der Flugzeiten im streitgegenständlichen Umfang stellt eine wesentliche Änderung der Reiseleistung i.S.d. §651a Abs. 5, S. 2 BGB dar.

18. Zwar hat sich die Beklagte mit dem Hinweis auf die Unverbindlichkeit der Flugzeiten eine Änderung dieser Flugzeiten vorbehalten. Dies führt dazu, dass eine Änderung der Flugzeiten grundsätzlich zulässig ist, ändert aber nichts daran, dass der Reisende bei einer wesentlichen Änderung nach §651a Abs. 5, S. 2 BGB zum Rücktritt berechtigt ist.

19. Es handelt sich bei der Verlängerung der Flugzeiten von ca. 14 Stunden plus Zeitverschiebung auf ca. 19 Stunden plus Zeitverschiebung um eine wesentliche Änderung der Reiseleistung.

20. Zum einen stellt dies eine Steigerung der reinen Flugzeit um mehr als 25% der ursprünglichen Flugzeiten dar, zum anderen sind fünf Stunden absolut gesehen eine so lange Zeit, dass sie auch und gerade bei Langstreckenflügen nicht vernachlässigt werden können.

21. Außerdem ermöglicht die Vorverlagerung der Abreisezeit dem Kläger nicht mehr, die Anreise zum Flughafen Frankfurt a.M. am Morgen des Abflugtages zu beginnen und erweitert damit die Reise um eine zusätzliche Nacht.

22. Dass ein Reisender regelmäßig von seinem Wohnsitz zum Flughafen anreisen muss, ist für die Beklagte erkennbar ebenso wie der Umstand, dass die Flugzeiten für die Organisation einer solchen Anreise zum Flughafen von erheblicher Bedeutung sind.

23. Dabei ist der Beklagten Recht zu geben, dass die Anreise zum Flughafen zwar grundsätzlich vom Reisenden zu organisieren ist und auch in dessen Risikosphäre fällt.

24. Die Flugzeiten spielen jedoch für die Beklagte erkennbar für den Reisenden eine ganz erhebliche Rolle und es ist nicht ersichtlich, warum dieser Umstand, dass nämlich die Organisation der Anreise bei einer wesentlichen Änderung der Flugzeiten gegebenenfalls erheblich erschwert wird, bei der Frage, ob es sich um eine wesentliche Änderung der Reiseleistung handelt, keine Rolle spielen soll.

25. Nachdem der Kläger von der Reise berechtigterweise zurücktreten konnte, bedarf die Frage, ob die Stornopauschalen wirksam vereinbart waren, keiner Entscheidung mehr.

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