Rücktritt bei Leistungsänderung (Ersatzreise)

AG Bad Homburg: Rücktritt bei Leistungsänderung (Ersatzreise)

Der Kläger fordert von der Beklagten, einer Hotelbetreiberin, Schadensersatzzahlung und die Zahlung der in einem Alternativurlaub entstandenen Kosten. Nachdem der Kläger bei der Beklagten einen Hotelaufenthalt gebucht hatte, war ihm mitgeteilt worden, dass einer der beiden Hotelpools nicht nutzbar sein würde. Der Kläger kündigte daraufhin den Reisevertrag und verbrachte statt dessen einen zweiwöchigen Aufenthalt an einem anderen Ort, wofür er nun die Kosten erstattet bekommen möchte.

Das Amtsgericht Bad Homburg weist die Klage ab, weil der Kläger nicht berechtigt gewesen sei, die Reise zu kündigen. Eine Leistungsänderunge seitens der Reiseveranstalterin berechtigten den Reisekunden nur dann zur Kündigung des Reisevertrages, wenn die zu erwartenden Mängel im Gesamtgewicht von jeweils 20% Minderung des Reisepreises vorliegen. Der Ausfall eines von zwei Hotelpools Pools rechtfertige jeoch keine Mindung in dieser Höhe.

AG Bad Homburg 2 C 2141/00-18 (Aktenzeichen)
AG Bad Homburg: AG Bad Homburg, Urt. vom 17.08.2000
Rechtsweg: AG Bad Homburg, Urt. v. 17.08.2000, Az: 2 C 2141/00-18
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Hessen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Bad Homburg

1. Urteil vom 17. August 2000

Aktenzeichen: 2 C 2141/00-18

Leitsatz:

2. Ein Reisender ist dann berechtigt, einen Reisevertrag vor Antritt der Reise zu kündigen, wenn ein mit Sicherheit eintretender Mangel an der Reiseleistung zu einer Mindung von über 20 % des Reisepreises berechtigen würde.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten einen Hotelaufenthalt gebucht. Kurz vor Reisebeginn informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass einer der beiden Hotelpools geschlossen sein würde, weil an diesem Bauarbeiten durchgeführt würden. Die Beklagte bot an, den Kläger ohne Aufpreis auf ein anderes, gleichwertiges Hotel umzubuchen. Diese lehnte der Kläger jedoch ab und verbrachte statt dessen einen zweiwöchigen Aufenthalt in Bad Tölz. Nachdem die Beklagte dem Kläger den vollen Reisepreis erstattet hatte, fordert der Kläger jetzt eine Schadensersatzzahlung und eine Zahlung der im Alternativurlaub entstandenen Kosten.

Das Amtsgericht Bad Homburg hält die Klage für unbegründet und weist diese ab. Der Kläger sei rechtlich nicht berechtigt gewesen die Reise zu kündigen. Leistungsänderungen seitens des Reiseveranstalters (Bauarbeiten am Hotelpool) vor Reisebeginn berechtigten nur dann zur Kündigung des Reisevertrages, wenn gem. BGB § 651e Abs 1 zu erwartende Mängel im Gesamtgewicht von jeweils 20% Minderung des Reisepreises vorliegen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, da ein zweiter Hotelpool noch nutzbar gewesen wäre und der Ausfall des anderen Pools keine Mindung in dieser Höhe rechtferitge.

Außerdem habe der Kläger eine Ersatzreise angetreten, sodass die Urlaubszeit nicht nutzlos aufgewendet worden sei, da der Reisende seinen Urlaub weiterhin, wenn auch anders, genutzt habe. Dies gelte auch dann, wenn der Reisende eine Fernreise nicht antritt und den Rest des geplanten Urlaubs in einem inländischen Erholungsgebiet verbringt.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300,00 DM, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird für die Zeit bis zum 06.08.2000 festgesetzt auf 5.553,08 DM danach auf 4.160,00 DM.

Tatbestand

5. Der Kläger buchte bei der Beklagten für die Zeit vom 07.05. bis 21.05.2000 eine Reise in das Hotel …, Lanzarote. Der Reisepreis belief sich für den Kläger sowie dessen mitreisende Ehefrau insgesamt 3.098,00 DM. Am 27.04.2000 erreichte den Kläger ein Schreiben der Beklagten vom 26.04.2000, in dem diese darauf hinwies, dass an einem der beiden Pools Bauarbeiten durchgeführt würden, so dass dieser Pool geschlossen sei. Der zweite Pool sowie die Zimmer seien von den Bauarbeiten allerdings nicht betroffen. Dennoch nahm der Kläger von der Reise Abstand, nachdem die Beklagte auf sein Angebot, statt dessen das Hotel … ohne Aufpreis zu gehen, nicht angenommen hatte. Der Kläger und seine Ehefrau verbrachten statt dessen einen zweiwöchigen Aufenthalt in Bad Tölz, nachdem es dem Kläger trotz eines Tages Urlaubs vor der Reise nicht gelungen war, die Reise zu retten. Auch in Bad Tölz fanden der Kläger und seine Ehefrau nicht sofort eine Unterkunft. Vielmehr mussten sie den ganzen Samstag über danach suchen.

6. Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger zunächst Rückzahlung des Reisepreises, Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe von 1.000,00 DM sowie Zusatzkosten während des Urlaubs in Bad Tölz in Höhe von 1.455,08 DM geltend gemacht. Nachdem die Beklagte im Laufe dieses Rechtsstreits den Reisepreis zurückgezahlt hat, beantragt der Kläger nunmehr:

7. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.455,08 DM zu zahlen nebst 4% Zinsen aus 1.000,00 DM seit dem 03.07.2000 und aus weiteren 1.455,08 DM seit dem 11.08.2000.

8. Im übrigen erklärt er den Rechtsstreit für erledigt.

9. Die Beklagte schließt sich der teilweisen Erledigungserklärung an und beantragt im übrigen Klageabweisung.

10. Sie ist der Ansicht, eine Kündigung des Reisevertrages sei deshalb nicht möglich gewesen, weil der Kläger in einem der Baustelle abgewandten Trakt untergebracht worden wäre und der zweite Swimmingpool problemlos zu nutzen gewesen sei. Im übrigen hätte der Kläger ohne Probleme eine vergleichbare Anlage ohne Aufpreis bei der Beklagten buchen können.

11. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Zusammenstellung der Zusatzkosten im Schriftsatz vom 02.08.2000 sowie die Anlagen zu den Schriftsätzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12. Die Klage ist unbegründet.

13. Dem Kläger steht weder ein Schadensersatzanspruch wegen entgangener Urlaubszeit, noch ein Anspruch auf Zahlung der Zusatzkosten zu.

14. Schadensersatzansprüche wegen entgangener Urlaubszeit nach § 651 f Abs. 2 BGB scheitern bereits daran, dass der Kläger während der Urlaubszeit eine Ersatzreise gebucht hat. Tritt der Reisende sogleich nämlich eine Ersatzreise an, so ist die Urlaubszeit nicht nutzlos aufgewendet worden, da der Reisende seinen Urlaub weiterhin, wenn auch anders nutzt. Hieran ändert es auch nichts, dass der tatsächlich durchgeführte Urlaub in Bad Tölz einen völlig anderen Zuschnitt hatte, als die ursprünglich geplante Reise. So ist die Urlaubszeit auch dann nicht nutzlos aufgewandt, wenn der Reisende eine Fernreise nicht antritt und den Rest des geplanten Urlaubs in einem inländischen Erholungsgebiet verbringt (vgl. auch Seyderhelm, Reiserecht, Rn. 38 zu § 651 f BGB).

15. Im übrigen scheitern Schadensersatzansprüche wegen entgangener Urlaubszeit sowie ein Ersatz der Zusatzkosten der Reise in Bad Tölz daran, dass die Beklagte den Reisemangel, d.h. Nichtantritt der Reise durch den Kläger und seine Ehefrau nicht zu vertreten hatte.

16. Der Kläger war nämlich nicht berechtigt, den Reisevertrag nach § 651 a Abs. 4 Satz 2 BGB zu kündigen. Diese Sonderregelung, die dem Reisenden eine Kündigungsmöglichkeit vor Reisebeginn ermöglicht und Ansprüche nach § 651 f BGB auslöst, setzt nämlich voraus, dass eine erhebliche Änderung einer wesentlichen Reiseleistung vorliegt. Der Wortlaut des § 651 a Abs. 4 Satz 2 BGB bedingt, dass in Anlehnung an die Regelung des § 651 e Abs. 1 BGB für einen Rücktritt vor Reisebeginn ebenfalls (zu erwartende) Mängel im Gesamtgewicht von jeweils 20% erforderlich sind (vgl. auch Seyderhelm, Reiserecht, Rn. 122 zu § 651 a BGB).

17. Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Folgt man nämlich dem Schreiben der Beklagten, so waren keine Mängel im Gesamtgewicht von 20% zu erwarten. Es war lediglich die Nutzung von eines von zwei Pools eingeschränkt. Der Baulärm sollten den zweiten Pool sowie den Trakt, in dem sich das Hotelzimmer des Klägers und seiner Ehefrau befinden sollte, nicht beeinträchtigen. Reisemängel mit einem Gesamtgewicht von 20% sind nicht annähernd erreicht. Dass sie tatsächlich vor Ort vorgelegen hätten, wird auch vom Kläger nicht substantiiert dargelegt, da der Umfang der Bauarbeiten am Pool völlig offen ist.

18. Nach alledem war nur eine Kündigung des Reisevertrages nach § 651 i Abs. 1 BGB möglich. Diese Kündigungsmöglichkeit muss immer dann bestehen, wenn die Anwendung des § 651 Abs. 4 Satz 2 BGB daran scheitert, dass keine wesentliche Leistungsänderung des Veranstalters vorliegt. Macht der Kläger aber von diesem Kündigungsrecht Gebrauch, so besteht kein Schadensersatzanspruch nach § 651 f Abs. 1 BGB.

19. Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 91, 91 a ZPO.

20. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, da sie nach Kündigung des Reisevertrags zur Rückzahlung des Reisepreises verpflichtet war, § 651 i Abs. 2 Satz 1 BGB.

21. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

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