Bemessung der Entschädigung bei vertanem Urlaub

BGH: Bemessung der Entschädigung bei vertanem Urlaub

Der Kläger buchte bei der Beklagten eine Pauschalreise. Den Reisepreis entrichtete er im voraus. Am Urlaubsort angekommen bemerkte der Kläger, dass sich das Hotel noch im Umbau befand und er dort nicht bleiben könne. Er wurde 70 km weiter befördert

Der Kläger verlangte 4.323 DM als Entschädigung für vertanen Urlaub.

Das Landgericht hat die Beklagte gemäß dem Anerkenntnis nebst Zinsen verurteilt. Das Oberlandesgericht hat ihm weitere 1.000 DM als Entschädigung für vertanen Urlaub nebst Zinsen zuerkannt.

Mit der Revision verfolgt der Kläger den ihm versagten Teil des Entschädigungsanspruchs wegen vertanen Urlaubs.

BGH VII ZR 22/82 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 23.09.1982
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 23.09.1982, Az: VII ZR 22/82
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Bundesgerichtshof
1. Urteil vom 23.09.1982

Aktenzeichen VII ZR 22/82

Leitsatz:

2. Der BGH beschäftigt sich mit der Art der Bemessung für eine Entschädigung bei vertanem Urlaub.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Montenegro für 1.864 DM. Den Reisepreis entrichtete er im voraus.  Am Urlaubsort angekommen, bemerkte der Kläger, dass sich das Hotel (3-Sterne) noch im Umbau befand und er dort nicht bleiben könne. Er wurde von der Reiseleiterin 70 km weiter befördert. Dort wurde er in einem schlechteren Hotel (2-Sterne) untergebracht. Am nächsten Tag verlangte der Kläger bei der Reiseleiterin den sofortigen Rückflug. Er nutzte die nächste Fluggelegenheit und kehrte nach Deutschland zurück.

Der Kläger verlangte 4.323 DM als Entschädigung für vertanen urlaub; die Beklagte hat den Klageanspruch i.H.v. 2.000 DM anerkannt.

Das Landgericht hat die Beklagte gemäß dem Anerkenntnis nebst Zinsen verurteilt.
Dagegen legte der Kläger Berufung ein und erhöhte die Klage um 1.000 DM.
Das Oberlandesgericht hat ihm weitere 1.000 DM als Entschädigung für vertanen Urlaub nebst Zinsen zuerkannt.

Mit der Revision verfolgt der Kläger den ihm versagten Teil des Entschädigungsanspruchs wegen vertanen Urlaubs.
Der BGH lehnte einen höheren Entschädigungsanspruch des Klägers mit der Begründung ab, da sich die vertane Urlaubszeit mit dem hypothetischen Einkommen in dieser Zeit decke (2.500 DM Nettoeinkommen).

Tenor:

4. Die Revision des Klägers und die Anschlußrevision der Beklagten gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 15. Dezember 1981 werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens haben der Kläger zwei Drittel, die Beklagte ein Drittel zu tragen.

Tatbestand

5. Die Beklagte veranstaltet Pauschalreisen. Der Kläger buchte bei ihr im Januar 1980 für sich, seine Frau und seine beiden Kinder eine Flugreise nach B-B in Montenegro/Jugoslawien für die Zeit vom 12. Mai bis 2. Juni 1980. Den Reisepreis von insgesamt 1.894 DM entrichtete er im voraus. Die Reisenden sollten in dem Drei-Sterne-Hotel Bellevue untergebracht und mit Halbpension verpflegt werden. Ein Erdbeben hatte das Hotel im ersten Halbjahr 1979 beschädigt.

6. Als der Kläger mit seiner Familie am 12. Mai 1980 in Jugoslawien eintraf, erfuhr er, daß an der Wiederherstellung des Hotels immer noch gearbeitet werde und er dort nicht unterkommen könne. Die Reisenden wurden 70 km weiter in den ebenfalls in Montenegro am Meer gelegenen Ort U in der Nähe der albanischen Grenze befördert. Sie wurden dort in dem Zwei-Sterne-Hotel C untergebracht. Am nächsten Tag verlangte der Kläger bei der örtlichen Reiseleiterin den sofortigen Rückflug. Er nutzte dann auch die nächste Fluggelegenheit und kehrte am 19. Mai 1980 mit seiner Familie nach B zurück.

7. Der Kläger hat zunächst 4.232 DM (u.a. Entschädigung für vertanen Urlaub) nebst Zinsen eingeklagt. Die Beklagte hat den Klageanspruch in Höhe von 2.000 DM (Reisepreis samt Nebenkosten) anerkannt.

8. Das Landgericht hat die Beklagte gemäß dem Anerkenntnis nebst Zinsen verurteilt, im übrigen die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger die Klage um 1.000 DM erhöht. Das Oberlandesgericht hat ihm weitere 1.000 DM als Entschädigung für vertanen Urlaub nebst Zinsen zuerkannt, im übrigen die Berufung zurückgewiesen. Hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz für vertane Urlaubszeit hat es die Revision zugelassen. Sein Urteil ist veröffentlicht in Nds.RPfl. 1982, 61.

9. Der Kläger verfolgt mit der Revision den ihm versagten Teil des Entschädigungsanspruchs wegen vertanen Urlaubs (2.000 DM nebst Zinsen) weiter. Mit der Anschlußrevision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Beide Parteien beantragen, das Rechtsmittel bzw. den Rechtsbehelf des Gegners zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10. Das Berufungsgericht erkennt dem Kläger einen Entschädigungsanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß § 651 f Abs. 2 BGB zu. Die Reise nach Budva-Becici sei vereitelt worden, weil angesichts der Erdbebenschäden die im Reisevertrag vorgesehene Unterbringung in dem dortigen Hotel Bellevue nicht möglich gewesen sei. Mit dem ihm angesonnenen Wechsel in einen 70 km entfernten Urlaubsort in einer anderen Landschaft habe sich der Kläger nicht einverstanden erklärt und unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben auch nicht einverstanden erklären müssen. Die Beklagte habe die Vereitelung der Reise nach Budva-Becici auch zu vertreten. Das von ihr bei Vertragsschluß eingegangene Risiko, daß das Hotel Bellevue nicht rechtzeitig aufgebaut werde, treffe sie selbst. Jedenfalls habe sie vor Antritt der Reise den Kläger darüber aufklären müssen, daß sie ihn an einem anderen Urlaubsort unterzubringen beabsichtige.

11. Die Urlaubszeit sei auch teilweise nutzlos aufgewendet worden. Nachdem der Kläger die Reise abgebrochen habe, wozu er berechtigt gewesen sei, habe er mit seiner Familie die verbliebenen beiden Urlaubswochen zuhause in Berlin verbringen müssen. Dort sei nur eingeschränkte Erholung möglich gewesen. Als Entschädigung sei ein Betrag von je 500 DM für den Kläger und seine Ehefrau angemessen. Dabei seien die Einkommensverhältnisse des Klägers und die Höhe der Reisekosten zu berücksichtigen gewesen. Es habe nicht außer Acht gelassen werden können, daß der Zeitaufwand für die Woche in Ulcinj nicht schwerwiegend fehlgeschlagen sei und auch in Berlin die Möglichkeit für eigene Freizeitgestaltung bestanden habe.

12. Die Angriffe der Parteien gegen das Berufungsurteil haben keinen Erfolg.

13. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß dem Kläger und seiner Ehefrau – die ihren Anspruch an ihn abgetreten hat – ein Entschädigungsanspruch aus § 651 f Abs. 2 BGB zusteht.

14. 1. Nach dieser Bestimmung kann der Reisende wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen, wenn die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wird. Der Anspruch besteht, wenn ein Mangel der Reise vorliegt und auf einem Umstand beruht, den der Reiseveranstalter zu vertreten hat (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 41. Aufl., § 651 f Anm. 2 a, b; Erman/Seiler, BGB, 7. Aufl., § 651 f Rdn. 8; Löwe, Das neue Pauschalreiserecht, S. 121, sowie in MünchKomm., BGB § 651 f Rdn. 21, 22). Ein Mangel im Sinne des Anspruchs aus § 651 f Abs. 2 BGB liegt auch dann vor, wenn dem Reiseveranstalter die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglich geschuldeten Reiseleistung nicht möglich ist. Der Schadensersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit kann nämlich auch bei Vereitelung der Reise gegeben sein.

15. 2. Hier ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, der vereinbarte Urlaubsaufenthalt in Budva- Becici vereitelt worden. Der Kläger konnte weder in dem gebuchten, aber noch nicht wiederhergestellten Hotel Bellevue noch sonst an diesem Urlaubsort untergebracht werden.

16. Das hat die Beklagte auch zu vertreten. Sie schloß den Reisevertrag zu einem Zeitpunkt, als das Hotel Bellevue bereits seit mehr als einem halben Jahr durch Erdbeben schwer beschädigt und noch nicht wieder aufgebaut war. Ob es in den verbleibenden dreieinhalb Monaten bis zum Reisebeginn bezugsfertig werden würde, war ersichtlich zweifelhaft. Dieses Risiko ging die Beklagte für sie erkennbar bei Vertragsschluß ein. Dann muß sie auch für seine Verwirklichung einstehen.

17. 3. Die Beklagte war nicht berechtigt, den Kläger ohne seine Zustimmung statt in Budva-Becici in Ulcinj unterzubringen.

18. a) Daß sich ein derartiges Recht nicht dem § 651 c Abs. 2 BGB entnehmen läßt – wie das Landgericht angenommen hat -, ist vom Berufungsgericht zutreffend dargelegt worden und wird auch von der Anschlußrevision eingeräumt.

19. b) Es läßt sich aber auch nicht aus den „ausführlichen Reisebedingungen“ der Beklagten herleiten. Darin heißt es unter Ziff. 6.2.2:

20. „Änderungen und Abweichungen einzelner Reiseleistungen von dem vertraglich vereinbarten Inhalt des Reisevertrages, die nach Vertragsschluß notwendig werden und die nicht vom Reiseveranstalter wider Treu und Glauben herbeigeführt wurden, sind gestattet, soweit die Änderungen und Abweichungen nicht erheblich sind und den Gesamtzuschnitt der gebuchten Reise nicht beeinträchtigen. ….“

21. und unter Ziff. 11.3.1:

22. „… Der Veranstalter kann… auch in der Weise Abhilfe schaffen, daß er eine gleichwertige Ersatzleistung erbringt.

23. Der Reisende ist berechtigt, die Ersatzleistung abzulehnen, wenn ihm diese aus wichtigem, dem Reiseveranstalter erkennbarem Grund nicht zuzumuten ist. Das gilt insbesondere, wenn durch die Annahme der Ersatzleistung der Gesamtzuschnitt der gebuchten Reise erheblich beeinträchtigt würde.“

24. Es kann dahinstehen, ob die „ausführlichen Reisebedingungen“ der Beklagten gemäß § 2 Abs. 1 AGBG hier wirksam in den Reisevertrag einbezogen worden sind und ob die angeführten Klauseln den Anforderungen des § 10 Nr. 4 AGBG genügen. Der von der Beklagten angebotene Aufenthalt in Ulcinj war nämlich keine gleichwertige Ersatzleistung, auf die der Kläger sich nach den Reisebedingungen hätte einlassen müssen, wenn man ihre Verbindlichkeit unterstellt.

25. Dieser Aufenthalt änderte den Gesamtzuschnitt der gebuchten Reise erheblich. Das ist grundsätzlich immer der Fall, wenn der Reisende an einem anderen Urlaubsort untergebracht werden soll (vgl. OLG Köln, OLGZ 1975, 185, Löwe, Das neue Pauschalreiserecht, S. 21 ff; Bartl, Reiserecht, Rdn. 39). Hier kommt hinzu, daß der von Budva-Becici immerhin 70 km entfernte Ort Ulcinj in der Nähe der besonders abgeriegelten Grenze zu Albanien liegt und dadurch die Ausflugsmöglichkeiten eingeschränkt und erschwert sind. Obendrein zählt das Ersatzhotel Cer in Ulcinj zu einer schlechteren Kategorie als das gebuchte Hotel Bellevue; auch gestattete das dem Kläger zur Verfügung gestellte Zimmer nicht wie das vertraglich geschuldete den Blick auf das Mittelmeer. Von einem gleichwertigen Ersatzangebot konnte hier keine Rede sein.

26. Der Kläger war aber auch nicht gehalten, die ihm angeblich angebotene Unterkunft in einem geräumigen Bungalow im Park des Grand-Hotels Lido – gleichfalls in Ulcinj – anzunehmen. Die Beklagte war nach Abschluß des Reisevertrags nicht berechtigt, den Kläger statt – wie vereinbart – in Budva-Becici in einem beliebigen anderen Ort in Montenegro einzuquartieren, sofern er nur am Meer liegt und einen schönen Strand aufweist. Hätte sie sich rechtzeitig davon unterrichtet, daß die Unterbringung der Reisenden in Budva-Becici nicht möglich sein werde, so hätte sie ein Ersatzangebot unterbreiten und eine Änderung des Reisevertrages antragen können. Nachdem sie das unterlassen und den Kläger treuwidrig „ins Blaue hinein“ die Reise hatte antreten lassen, konnte sie von ihm redlicherweise nicht verlangen, mit einer Verlegung des Urlaubsortes einverstanden zu sein.

27. 4. Die Urlaubszeit war auch – jedenfalls teilweise – nutzlos aufgewendet.

28. a) Bereits die in Jugoslawien verbrachte Urlaubswoche war infolge der unvorhergesehenen Verlegung nach Ulcinj, der Vorbereitung des vorzeitigen Rückfluges und der Auseinandersetzungen mit der örtlichen Reiseleitung eine Zeit ständigen Ärgers. Mag Urlaubszeit auch nicht immer nur deswegen vertan sein, weil sie an einem anderen Ort als ursprünglich vorgesehen verbracht worden ist (vgl. BGHZ 77, 116, 122 m.w.N.), so verfehlte der Aufenthalt in Ulcinj doch weitgehend den mit dem Urlaub verfolgten Erholungszweck, der unter anderen Voraussetzungen dort hätte erzielt werden können.

29. b) Auch der anschließend in Berlin verbrachte Resturlaub war teilweise vertan.

30. Ein zuhause verbrachter Urlaub muß nicht immer den mit dem Urlaub verfolgten Zweck verfehlen, kann es aber. Das hängt von den jeweiligen Verhältnissen ab, unter denen der Urlaub zuhause zu gestalten ist (vgl. BGHZ aaO.).

31. Hier hat das Berufungsgericht festgestellt, daß der Aufenthalt in Berlin nur eingeschränkte Erholung ermöglichte. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger bewohnt in Berlin mit seiner Frau und seinen beiden 1973 und 1978 geborenen Kindern eine 85 qm große Drei-Zimmerwohnung. Bei derartigen räumlichen Verhältnissen ist Erholung wesentlich schwieriger zu erreichen als an einem Strand in Jugoslawien, und zwar schon wegen der dort vorgegebenen Beschäftigungsmöglichkeiten für kleine Kinder. Für einen Urlaub im Mittelmeerklima war der Mai geeignet; in Berlin aber war die Jahreszeit für einen Besuch der Freibäder und Seen noch wenig günstig. Schließlich fällt ins Gewicht, daß die Insellage Berlins die Ausflugsmöglichkeiten begrenzt. Das Berufungsgericht bejaht daher zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung für Vertanen Urlaub.

32. 5. Einen solchen Anspruch hat auch die Ehefrau des Klägers.

33. a) Da der Kläger die Reise für sie mitgebucht hatte, stehen ihr zumindest aus dem Gesichtspunkt der Schutzwirkung eines Vertrages zugunsten Dritter eigene Entschädigungsansprüche zu, die sie an den Kläger abgetreten hat (vgl. BGHZ 77, 116, 124 m.w.N.).

34. b) Der Senat hat in diesem Urteil bereits zur früheren Rechtslage ausgeführt, daß auch eine Ehefrau, die keine Erwerbstätigkeit ausübt, sondern durch ihre Haushaltsführung zum Unterhalt der Familie beiträgt, Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit verlangen kann (vgl. im Ergebnis zustimmend: Palandt/ Thomas § 651 f Anm. 3; Erman/Seiler § 651 f Rdn. 9; Blaurock NJW 1980, 1949; Tonner JuS 1982, 411, 415). Das gilt umso mehr nach der Bestimmung des § 651 f Abs. 2 BGB, welche den Richter bei Zuerkennung einer Entschädigung ohnehin wesentlich freier stellt als das frühere Recht (vgl. BGH NJW 1982, 1522, 1523).

35. Auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Bemessung der Entschädigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

36. 1. Solange der Senat § 651 f Abs. 2 BGB nicht anwenden konnte, weil die zu beurteilenden Reiseverträge vor dem 1. Oktober 1979 abgeschlossen worden waren, ließ sich eine Pflicht zum Schadensersatz für vertanen Urlaub nur mit der Entstehung eines Vermögensschadens begründen. Richtgröße für die Bemessung des Schadensersatzes mußte daher in erster Linie der mutmaßliche Aufwand für die Verschaffung zusätzlichen (Ersatz-)Urlaubs sein (vgl. BGHZ 63, 98, 105; 77, 116, 123, 125; 80, 366, 368; 82, 219/226; BGH NJW 1982, 1522). Nunmehr kann sich die Bemessung der Entschädigung auch an anderen Anknüpfungspunkten ausrichten.

37. a) Schon § 18 Abs. 2 Satz 2 des Entwurfs der Bundesregierung für ein Gesetz über den Reiseveranstaltungsvertrag (BT-Drucksache 8/786) sah vor, daß die Höhe der Entschädigung sich „nach den Umständen, besonders nach dem Ausmaß der Beeinträchtigung und der Schwere des Verschuldens“ bestimme. Nach der Begründung des Entwurfs (aaO S. 30) entspricht die Berücksichtigung sämtlicher Umstände „gefestigter Praxis bei der Bemessung des Schmerzensgeldes (§ 847 BGB) und beruht auf der Erwägung, daß die geschuldete Entschädigung zwar auch dem Ersatz eines materiellen Schadens dient, daneben aber bei einem Ersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubstage auch immaterielle Momente von Bedeutung sind.“

38. b) Der Gesetzgeber hat dann im Reisevertragsgesetz vom 4. Mai 1979 die Bestimmung über eine angemessene Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit knapper als im Regierungsentwurf gefaßt und davon abgesehen, Umstände zu nennen, die bei der Bemessung besonders zu berücksichtigen wären. Er wollte damit aber den Grundsatz festschreiben, daß dem Erholungsurlaub als solchem ein „entschädigungsfähiger Wert“ beizumessen ist, für den Schadensersatz begehrt werden kann. Im Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags (BT-Drucksache 8/2343 S. 11) heißt es dazu:

39. „Die Vorschrift sieht davon ab, einen starren Maßstab für die Bemessung der Entschädigung festzulegen. Der Ausschuß geht davon aus, daß bei der Bemessung der Entschädigung alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Dabei kann neben dem Ausmaß der Beeinträchtigung auch die Höhe des Reisepreises von Bedeutung sein. Ein weiteres Moment bei der Bemessung der Entschädigung kann der Aufwand sein, der für die Beschaffung eines Ersatzurlaubs erforderlich wäre.“

40. Dieser Wille des Gesetzgebers, daß alle Umstände angemessen zu berücksichtigen sind, kommt im Gesetzestext hinreichend deutlich zum Ausdruck. Die dogmatische Frage nach dem Rechtscharakter des Entschädigungsanspruchs gemäß § 651 f Abs. 2 BGB ist dagegen von untergeordneter Bedeutung.

41. 2. Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung der Entschädigung neben den Einkommensverhältnissen des Klägers auch seinen Aufwand zur Erreichung des Urlaubszweckes, also die gesamten Reisekosten, berücksichtigt und beiden Ehegatten je 500 DM als Entschädigung zugesprochen.

42. Das ist nicht zu beanstanden.

43. a) Zwar hat der Senat noch in seinem Urteil vom 25. März 1982 (NJW 1982, 1522) es nicht für zulässig erachtet, zur Richtgröße des Schadensersatzes für vertanen Urlaub in erster Linie die Reisekosten anstelle des mutmaßlichen Aufwands für einen Ersatzurlaub zu wählen. Dieser Entscheidung lag jedoch ein vor Inkrafttreten des Reisevertragsgesetzes abgeschlossener Reisevertrag zugrunde. Ein Vorgriff auf das neue Recht erschien dem Senat nicht statthaft. Nunmehr bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die Berücksichtigung auch der für die mißlungene Reise aufgewandten Reisekosten (vgl. dazu Löwe in MünchKomm. § 651 f Rdn. 25; Eberle Betr. 1979, 341, 345; Bendref JR 1980, 359, 361).

44. b) Das monatliche Nettoeinkommen des Klägers betrug damals etwa 2.500 DM. Der Reisepreis von 1.894 DM entsprach somit ungefähr dem Einkommen der Familie in den drei Urlaubswochen. Da die Urlaubszeit nur zum Teil nutzlos aufgewendet worden ist, erscheint die Entscheidung des Berufungsgerichts, dem Kläger und seiner Frau zusammen etwa die Hälfte dessen zuzusprechen, was in drei Wochen an Einkommen und Aufwand angefallen war, durchaus angemessen und läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Revision wehrt sich dagegen vergeblich.

45. aa) So hat das Berufungsgericht keineswegs außer Acht gelassen, daß durch den gerechtfertigten Abbruch der Reise auch in der in Montenegro verbrachten ersten Urlaubswoche Erholungszweck und Urlaubsfreude beeinträchtigt waren.

46. Den Vortrag des Klägers über zahlreiche Mängel im Hotel Cer in Ulcinj hat es zu Recht als teils unsubstantiiert, teils unerheblich erachtet. Dieser Vortrag läßt in der Tat nicht erkennen, daß durch solche Umstände der Aufenthalt in Ulcinj zusätzlich so stark beeinträchtigt war, daß ihm nicht einmal ein Resterholungswert zukam.

47. bb) Auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Urlaubszweck sei in der Berliner Wohnung teilweise erreicht worden, läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Sie steht mit der Rechtsprechung des Senats in Einklang (vgl. BGHZ 77, 116, 122/123). Der Familie des Klägers verblieben ungeachtet der Enttäuschung über das Mißlingen des Urlaubs in Montenegro etliche Möglichkeiten erholsamer Freizeitgestaltung. Die Urlaubszeit in Berlin war nicht völlig vertan.

48. Der Kläger läßt bei seinen Einwendungen gegen die Bemessung der Entschädigung außer acht, daß er und seine Familie sich infolge voller Erstattung der Reisekosten eine Woche unentgeltlich in Jugoslawien aufgehalten haben.

49. Wenn die Tatrichter unter den gegebenen Umständen eine höhere Entschädigung als die zuerkannten 1.000 DM nicht für angemessen halten, so muß der Kläger das hinnehmen. Bei der Nachprüfung einer solchen im Bereich des § 287 ZPO liegenden tatrichterlichen Würdigung sind dem Revisionsgericht enge Grenzen gezogen (vgl. BGHZ 39, 198, 219; BGH NJW 1976, 1145, 1146). Es ist nicht zu erkennen, daß das Berufungsgericht den ihm insofern eingeräumten weiteren Ermessensspielraum überschritten hätte oder daß ihm andere Rechtsfehler unterlaufen sein könnten.

50. 3. Infolgedessen kann dahinstehen, ob die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung gegen die mit der Berufung verlangten weiteren 1.000 DM gemäß § 651 f Abs. 2 BGB durchgreifen würde.

51. Nach alledem sind Revision und Anschlußrevision zurückzuweisen.

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