Zahlung der Reiserücktrittsversicherung

LG Aurich: Zahlung der Reiserücktrittsversicherung

Der Kläger fordert von der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, bei dem er eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen hatte, die Rückzahlung des Reisepreises für eine gebuchte Reise. Kurz vor der geplanten Abreise hatte der Kläger die gebuchte Reise storniert, weil er sich noch nicht von einer Operation erholt hatte. Die Beklagte weigert sich ihrerseits zu zahlen, weil die Reiserücktrittsversicherung nur dann in Anspruch genommen werden könne, wenn die Reise aus einem nicht vorhersehbaren Grund storniert werden musste. Zum Zeitpunkt der Buchung wusste der Kläger jedoch, dass er sich noch vor der Reise der Operation unterziehen würde.

Das Landgericht Aurich weist die Klage ab und spricht dem Kläger keinen Anspruch auf die Rückzahlung des Reisepreises durch die Beklagte zu. Der Kläger hatte es unterlassen, die Reise nach Kenntnis des vorgesehenen Operationstermins zu kündigen, was als grob fahrlässig zu bewerten sei. Vom Kläger könne erwartet werden, dass er sich der vorhandenen und stets bestehenden Heilungsrisiken bewusst war, zumal es sich hierbei um weit verbreitetes Allgemeinwissen handelt.

LG Aurich 1 S 103/05 (Aktenzeichen)
LG Aurich: LG Aurich, Urt. vom 15.07.2005
Rechtsweg: LG Aurich, Urt. v. 15.07.2005, Az: 1 S 103/05
AG Leer, Urt. v. 18.03.2005, Az: 7a C 9/05
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Niedersachsen-Gerichtsurteile

Landgericht Aurich

1. Urteil vom 15. Juli 2005

Aktenzeichen: 1 S 103/05

Leitsatz:

2. Die Reiserücktrittsversicherung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn die Reise aus einem bei der Buchung nicht vorhersehbaren Grund storniert werden muss.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte eine Reise bei einem Reiseveranstalter. Zusätzlich zu dieser Buchung schloss der Kläger bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, eine Reiserücktrittsversicherung ab. Zum Zeitpunkt der Buchung wusste der Kläger, dass er sich noch vor der Reise einer Operation unterziehen würde. Kurz vor der geplanten Abreise stornierte der Kläger die gebuchte Reise, da er sich noch nicht von der Operation erholt hatte und verlangte von der Reiserücktrittsversicherung die Rückerstattung des Reisepreises.

Die Beklagte weigerte sich der Zahlung und begründete ihre Entscheidung damit, dass die Reiserücktrittsversicherung nur dann in Anspruch genommen werden könne, wenn die Reise aus einem bei der Buchung nicht vorhersehbaren Grund storniert werden musste. Die geplante Operation mit bekannten Folgen stellt jedoch eine vorhersehbare Möglichkeit des Reisenichtantritts dar.

Das Landgericht Aurich weist die Klage ab. Der Kläger hat demnach keinen Anspruch auf die Rückzahlung des Reisepreises durch die Beklagte. Der Kläger hatte es unterlassen, die Reise nach Kenntnis des vorgesehenen Operationstermins zu kündigen, was als grob fahrlässig zu bewerten sei. Vom Kläger müsse erwartet werden können, dass er sich der vorhandenen und stets bestehenden Heilungsrisiken bewusst war, zumal es sich hierbei um weit verbreitetes Allgemeinwissen handelt. Da er jedoch den Verlauf der Operation abgewartet habe und erst danach die Reise storniert hatte, habe er den Verlust seiner Reisefähigkeit bewusst in Kuaf genommen.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das am 18.03.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Leer -7a C 9/05 (IV) – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 1.622,90 EUR festgesetzt.

Gründe:

5. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

6. Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Leer ist sachlich richtig und zutreffend begründet. Die Kammer schließt sich dieser Begründung vollinhaltlich an.

7. Hierbei kann zunächst dahin stehen, ob der Versicherungsfall nach § 1 Nr. 1, Nr. 2a AVB RR 04 überhaupt zu irgend einem Zeitpunkt eingetreten ist oder ob schon deshalb keine unerwartet schwere Erkrankung eines nahen Angehörigen vorlag, weil die am 22.03.2004 durchgeführte (erste) Operation des Sohnes des Klägers – die unzweifelhaft jedenfalls eine Mitursache für die am 31.03.2004 durchgeführte Folgeoperation darstellte – offenkundig aus medizinischen Gründen nicht zwingend bis zum Reiseantritt hätte durchgeführt werden müssen, sondern der Operationstermin allein dem Wunsch des Sohnes entsprach, sich noch während seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr operieren zu lassen. Selbst bei Annahme einer unerwartet schweren Erkrankung ist der Versicherungsfall aber spätestens am 15.03.2004 – dem Tag, an dem der Termin für die erste Operation vereinbart wurde – eingetreten, mit der Folge, dass dem Kläger alsdann oblag, die Reise unverzüglich zu stornieren.

8. Zu Recht weisen die Gründe des angefochtenen Urteils darauf hin, dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt keine ausreichende Gewissheit mehr darüber bestand, dass der Sohn des Klägers die bereits ab dem 02.04.2004 beginnende Reise werde antreten können, sondern der Kläger statt dessen bei verständiger Würdigung des Sachverhalts davon ausgehen musste, dass der Antritt der Reise durch seinen Sohn ernsthaft in Frage stand und er deshalb gehalten war, die Reise zu stornieren. Bei operativen Eingriffen muss aus verständiger Sicht nämlich stets mit ernsthaften Komplikationen gerechnet werden, die den Heilungsverlauf beeinträchtigen und verzögern. Nicht ohne Grund obliegt es Ärzten im Rahmen ihrer Pflicht zur Aufklärung über Operationsrisiken stets, auf die Möglichkeit von Wundheilungsstörungen und Infektionen hinzuweisen. Die notwendig gewordene Revision der Operationswunde stellt sich letztlich auch als Verwirklichung gerade dieses Risikos dar, da der vom Kläger behauptete Schlag auf das Operationsgebiet zu genau einer solchen Wundheilungsstörung geführt hat und zudem keine völlig außergewöhnliche und daher unvorhersehbare Komplikation darstellt.

9. Das Unterlassen der Reisestornierung nach Kenntnis des für den 22.03.2004 vorgesehenen Operationstermins ist auch als grob fahrlässig zu bewerten, da vom Kläger erwartet werden konnte, dass er sich der vorhandenen und stets bestehenden Heilungsrisiken bewusst war, zumal es sich hierbei um weit verbreitetes Allgemeinwissen handelt. Hierbei kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger es hatte voraussehen können, dass eine Wundheilungsstörung gerade durch einen Schlag auf das Operationsgebiet verursacht würde, sondern allein darauf, dass allgemein die Möglichkeit einer Wundheilungsstörung – aus welchem Grund auch immer – bestand, die einer Durchführung der Reise entgegen stand.

10. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den § 97 Abs. 1, analog §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

11. Die Ausführungen des Klägers im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 06.07.2005 geben der Kammer weder Veranlassung zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung noch dazu, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: LG Aurich: Zahlung der Reiserücktrittsversicherung

Verwandte Entscheidungen

AG München, Urt. v. 01.07.2010, Az: 281 C 8097/10
LG Duisburg, Urt. v. 12.10.2012, Az: 7 S 187/11

Berichte und Besprechungen

Forum Fluggastrechte: Reisepreis wird von Versicherung nicht zurückerstattet
Passagierrechte.org: Stornierung der Reise und Reiserücktrittsversicherung

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte