Schmerzensgeld wegen Nichtbeförderung

OLG München: Schmerzensgeld wegen Nichtbeförderung

Ein Fluggast klagte gegen ein Luftfahrtunternehmen auf Schmerzensgeld wegen Nichtbeförderung.

Das Gericht gestand ihm zwar die Erstattung des Flugpreises zu, versagte aber weiteren Schadensersatz, weil es seine Persönlichkeitsrechte nicht verletzt sah.

OLG München 7 U 4007/11 (Aktenzeichen)
OLG München: OLG München, Urt. vom 12.04.2012
OLG München, Urt. v. 12.04.2012, Az: 7 U 4007/11
Rechtsweg: OLG München, Urt. v. 12.12.2011, Az: 7 U 4007/11
LG München, Urt. v. 29.08.2011, Az: 10 O 10079/10
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Oberlandgericht München

1. Urteil vom 12. April 2012

Aktenzeichen 7 U 4007/11

Leitsatz:

2. Wird ein Passagier aufgrund aggressiven Verhaltens nicht befördert, liegt keine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte vor und es besteht allein Anspruch auf Erstattung des Flugpreises, nicht aber auf Schmerzensgeld.

Zusammenfassung:
3. Einem Fluggast wurde vom Flugzeugpersonal die Beförderung verweigert. Der Passagier erklagte von der Fluggesellschaft erfolgreich der Erstattung der Flugkosten, bestand bei seiner Berufung vor dem Oberlandesgericht München jedoch auch auf einem Schmerzensgeld, weil er in der Nichtbeförderung eine Verletzung seiner Würde sah.

Das Gericht holte Zeugenaussagen ein, nach denen sich der Kläger aggressiv verhalten habe. Demnach lag in der Nichtbeförderung keine schwerwiegende Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte vor, sodass ein Schmerzensgeldanspruch nicht bestand. Die Berufung wurde daher abgewiesen.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.08.2011, Aktenzeichen 10 O 10079/10, wird einstimmig zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil des Landgerichts München vom 29.8.2011 und der Zurückweisungsbeschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.034,00 € festgesetzt.

Gründe:

5. Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus einem Fluggast-​Beförderungsvertrag. Auf die tatbestandlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO. Das Landgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben.

6. Das Landgericht hat die Klage für begründet erachtet hinsichtlich der geltend gemachten Kosten von 3.034,-​- € nebst Zinsen für den Ersatzflug. Das weiter begehrte Schmerzensgeld hat es abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen.

7. Der Kläger wendet sich gegen das Urteil des Landgerichts, soweit es den Ersatz des immateriellen Schadens (Schmerzensgeld) abgewiesen hat. Er führt aus, wegen der dargelegten Verletzung der Würde und Ehre des Klägers, welcher Gesellschafter/Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens und eine in der Automobilbranche bekannte Persönlichkeit sei, sei ihm auch ein angemessenes Schmerzensgeld zuzusprechen. Der geltend gemachte Anspruch könne sich auch auf Art. 2 Buchstabe 1 und Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und das hierzu ergangene und den Senat bindende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 13.10.2011 (Az. C-​83/10) stützen; dieser Anspruch erfordere insbesondere auch nicht, dass sonstige Rechte des Klägers, wie etwa sein Persönlichkeitsrecht, besonders schwerwiegend verletzt worden sein müssen. Entscheidend sei allein, dass die Beklagte ihre Beförderungspflicht gegenüber dem Kläger und seiner Familie nicht erfüllt habe.

8. Der Kläger beantragt daher:

9. Das Urteil des Landgerichts München I vom 23.08.2011 wird dahingehend abgeändert, dass die Beklagte entsprechend dem erstinstanzlichen Klageantrag zu II. verurteilt wird, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Senats gestellt wird, mindestens jedoch 5.000,-​- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen hat.

10. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Anschlussberufung gegen das Ersturteil, soweit es den Flugpreis zuerkannt hat.

11. Sie beantragt daher

12. Aufhebung des Ersturteils und Klageabweisung.

13. Die Beklagte führt u.a. aus, der Kläger habe bereits den tatsächlichen Flugpreis von 633,44 € zurückerstattet erhalten und erhalte durch das Urteil nunmehr zusätzlich die fiktiven Flugkosten von 3.044,-​- € erstattet.

14. Die Berufung des Klägers ist durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern. Eine mündliche Verhandlung ist insbesondere auch nicht deshalb geboten, weil die Rechtverfolgung für den Berufungsführer existentielle Bedeutung hat oder weil das Urteil erster Instanz zwar im Ergebnis richtig, aber unzutreffend begründet ist.

15. Auf den Hinweis des Senats vom 12.12.2011 wird Bezug genommen. Aus den dort näher ausgeführten Gründen, in denen auch und insbesondere auf das Berufungsvorbringen des Klägers im Einzelnen eingegangen wird, sieht der Senat die Berufung als nicht begründet an. Dem Berufungsführer wurde Gelegenheit zur Äußerung auf die Hinweise bis 27.1.2012 gegeben, Stellungnahmen erfolgten mit Schriftsätzen vom 26.1.2012und 27.3.2012. Die hierin erhobenen Einwände des Klägers geben zu keiner von der im Hinweis geäußerten Rechtsansicht abweichenden Beurteilung Anlass. Lediglich ergänzend ist Folgendes anzumerken:

16. Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auf Schmerzensgeld nicht aus Art. 12 der Verordnung (EG Nr. 261/2004) herleiten. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 13.10.2011 (Az. C-​83/10) festgestellt, dass Art. 12 der Verordnung Nr. 261/2004 nicht als Rechtsgrundlage für immateriellen Schadensersatz gilt. Vielmehr stellt der Gerichtshof klar, dass der Begriff „weitergehender Schadensersatz“ es dem nationalen Gericht ermöglicht, Ersatz für den wegen der Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrags entstandenen immateriellen Schaden zu gewähren und zwar unter den Voraussetzungen des Übereinkommens von Montreal oder des nationalen Rechts. Die Frage des immateriellen Schadensersatzes bemisst sich daher hier nach deutschem Recht. Dieser Schmerzensgeldanspruch war aus den zutreffenden Gründen des Erstgerichts zu versagen, da es an einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts fehlt, worauf der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 12.12.2011 hingewiesen hat.

17. Soweit der Kläger ausführt, er sei ein sich ganz normal verhaltender Passagier gewesen, der den Anweisungen der Besatzung des Flugzeugs auch stets und umgehend Folge geleistet habe, hat der Senat bereits darauf hingewiesen, dass selbst die Ehefrau des Klägers angegeben hat, ihr Mann sei nicht ganz ungenervt gewesen. Auch der völlig unbeteiligte Fluggast G. führte in seiner schriftlichen Einvernahme aus, der Kläger habe relativ aggressiv reagiert und es sei zu einer hitzigen Diskussion gekommen. Der Kläger sei sehr erregt gewesen und seine Frau habe ihn immer wieder beruhigen wollen.

18. Soweit sich der Kläger gegen die Verwertung dieser schriftlichen Aussage wendet, ist die dem Erstgericht insoweit zustehende Ermessensentscheidung nach § 377 Abs. 3 ZPO nicht zu beanstanden. Die Beweisfrage war für eine schriftliche Aussage geeignet. Auch aus der schriftlichen Aussage ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine ergänzende Vernehmung des Zeugen angebracht gewesen wäre.

19. Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht lediglich angegeben, er beantrage die Einvernahme des Zeugen, wenn das, was der Zeuge G. niedergelegt habe, für das Gericht entscheidungsrelevant sei.

20. Der Kläger hat aber hiermit nicht zum Ausdruck gebracht, dass er an den Zeugen noch Fragen stellen wolle, so dass eine persönliche Einvernahme des Zeugen nicht in Betracht kam.

21. Die durch die Beklagte erhobene Anschlussberufung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung des Klägers durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wird.

22. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 97 ZPO. Den Kläger treffen auch die Kosten der wirkungslos gewordenen Anschlussberufung (vgl. Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 524 Rdnr. 44,43). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des landgerichtlichen Urteils und des Beschlusses ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

23. Die Höhe des Streitwerts stützt sich auf § 48 GKG.

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